1. Kapitel: Werte geben dem Handeln einen Sinn
Was sind überhaupt Werte? Werte haben etwas mit Haltung zu tun und Haltung geht jeder Tat voraus. Tatkräftig, wie wir Menschen sind oder gerne sein möchten, fehlt uns gelegentlich das Navigationssystem dafür, welche Tat sinnvoll und richtig ist – und welche nicht.
Der US-Anthropologe Clyde Kluckhohn beschreibt mit Wert, was eine Person für sich und andere als wünschens- und erstrebenswert ansieht. In Abgrenzung zu Normen, die stark situationsbezogen sind, beziehen sich Werte demnach auf allgemeine Grundsätze. Sie geben Orientierung und können als Kompass angesehen werden.
Werte sind ethische Zielvorstellungen, Handlungsziele, Lebensinhalte, welche einzelne, Gruppen oder Schichten für erstrebenswert halten. Normen dagegen sind Verhaltens- und Rollenerwartungen, die an uns gestellt werden. Ihre Verletzung hat Sanktionen zur Folge. Sie dienen der Orientierung für die Lebensführung und sagen uns, was "gut“ und "böse“, "richtig“ oder "falsch“ ist. Normen sind abhängig von der sozialen Umwelt, Kultur, Bildung und Religion.
Werte sind Grundhaltungen, die sich auf das beziehen, was uns wichtig und wertvoll ist. Werte bilden einen Orientierungsmaßstab für das menschliche Handeln und Urteilen. Dabei hängen Werte und Sinn eng zusammen.
Der Psychotherapeut Viktor Frankl beschrieb den Menschen als ein eigenverantwortliches und gestaltendes Wesen, das nach Sinn strebt. Die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns ist dabei treibende Kraft: Sie beeinflusst Entscheidungen, Erleben und Verhalten, sie treibt Menschen an. Menschen erleben ihr eigenes Leben als sinnvoll, wenn im aktiven Tun die eigenen Werte verwirklicht werden können.
Was der Papst fordert
Davon sind wir oft weit entfernt. „Gleichgültigkeit gegenüber anderen“ waren nur eine der „15 Krankheiten“, die Papst Franziskus einmal vor seiner Kurie in einer Weihnachtsansprache kritisierte. Auch vor dem EU- Parlament wählte er klare Worte und prangerte den rücksichtslosen Egoismus oder die Wegwerfkultur an. Seine Worte rüttelten die Öffentlichkeit wach. Er stieß damit eine wichtige Debatte darüber an, welche Werte uns wichtig sind, welche wir leben und welche wir in unserer Gesellschaft fördern wollen.
Ein weiteres geistlich-weltliches Oberhaupt, der Dalai Lama, forderte einmal, es gehe darum, „ein Gleichgewicht herzustellen“ zwischen materieller Entwicklung und menschlichen Werten. Nicht nur der materielle Wohlstand sollte im Fokus einer Gesellschaft liegen, sondern auch ein wertorientiertes Miteinander. Im Prinzip deckt sich das mit den Grundsätzen der (Noch-)Volksparteien CDU und SPD, die die einen auf der christlichen, die anderen auf humanistischer Grundlage formulierten. Und im Grundgesetz wird zwar das Privateigentum geschützt, doch gleichzeitig gefordert, dass sein Gebrauch auch dem Allgemeinwohl zu dienen habe. Hehre Worte.
Grundlegende Prinzipien
Werte sind grundlegende Lebensprinzipien, die unserem Handeln einen Sinn geben, nach denen wir Menschen uns innerlich orientieren. Dabei sind sie keine harten Regeln, die feste Vorgaben definieren, vielmehr sind sie die Basis, an der wir uns in verschiedenen Situationen orientieren können. Sich an Werten zu orientieren, wie zum Beispiel am Respekt gegenüber jedem Mitmenschen, gibt dem Leben eine grundsätzliche Ausrichtung, die wir Menschen als wertvoll erleben.
Es lohnt sich, ab und an innezuhalten und über Werte nachzudenken. Dabei ergeben sich überraschende Einsichten:
• Werte sind Konstrukte und Bewertungen von Menschen. Die Natur hat keine Werte.
• Werte reduzieren die Komplexität und ermöglichen Handlungssicherheit.
• Werte sind immer vorhanden, es gibt keine wertfreien Räume.
• Werte können nicht zu hundert Prozent gelebt werden, sie benötigen Balance.
• Werte stehen häufig miteinander in Konkurrenz.
• Es gibt keine exakte Definition von Werten, nur eine persönliche.
• Fast jeder Wert lässt sich aus einem anderen ableiten.
• Werte sind immer an Handlungen gekoppelt.
• Werte zeigen sich erst in kritischen Situationen.
• Werte fördern die Authentizität von Menschen
• Jeder ist für jeden ein Wertvorbild. Es gibt kein neutrales Verhalten.
• Eine nachhaltige Wertentwicklung geht über Aufmerksamkeit und Reflexion.
• Werte können nicht wirklich trainiert werden.
• Werte werden intuitiv aufgedeckt.
• Werte werden durch Rahmenbedingungen geformt.
• Werte sind immer ein paralleles Thema, jeder ist betroffen.
• Werte entstehen biografisch oder geschichtlich
• Werte sind an Rollen und Kontexte gekoppelt.
Oft scheint es, dass Werte eine Währung sind, mit der der Mensch nicht versteht umzugehen. Über sieben Milliarden Menschen bevölkern derzeit die Erde, noch vor 50 Jahren waren es drei Milliarden. Zehn Milliarden Menschen werden es zu Lebzeiten unserer Kindeskinder sein, und all diese wollen leben, essen, trinken, konsumieren.
Die Spielregeln ändern
Sind wir darauf vorbereitet? Der Ökonom Pavan Sukhdev fordert: “Die Spielregeln, nach denen wir leben und wirtschaften, müssen dringend geändert werden. Es darf nicht länger darum gehen, wer am besten darin ist, Regierungen zu beeinflussen, Steuern zu sparen und Subventionen für fragwürdige Geschäftsmodelle einzustreichen, um so den Profit einer einzigen Gruppe von Stakeholdern zu maximieren, nämlich den der Aktionäre. In Zukunft sollten zum Beispiel die Unternehmen darum wetteifern, innovativer zu sein als die Konkurrenz, schonender mit Ressourcen umzugehen und den Ansprüchen ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen gerecht zu werden.“
Das alles erfordert nicht weniger als einen Werte-, Tugend- und Sinnwandel. Fehlende Werte, fehlende Tugenden, fehlender Sinn führen bestenfalls in eine Kultur von passiven Ja-Sagern und Konsumenten. Keinesfalls produziert man damit eine Kultur aktiver und motivierter Mitgestalter, die gemeinsam in der Gesellschaft und in Organisationen (also auch Wirtschaftsunternehmen) etwas Bleibendes schaffen wollen.
Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen aufrichtig miteinander umgehen wollen, jedoch einen klaren, wertorientierten Rahmen brauchen, um sich in der Gesellschaft orientieren, ihre Handlungen und ihre Kommunikation entsprechend ausrichten und ihr Wohlbefinden erhalten zu können. Es bedarf eines klaren Wertegerüsts, um Werte leben zu können!
„Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis
und von nichts den Wert.“
(Oscar Wilde)
2. Kapitel: Wie sich Werte wandeln
Werte sind nicht für immer in Stein gemeißelt, im Lauf der Jahrhunderte und Jahrzehnte wandeln sie sich, auch wenn gewisse Grundsätze immer gültig bleiben.
In den westlichen Gesellschaften spricht man seit ca. 1980 von einem Wertewandel. Dies zeigt sich unter anderem in der Kindererziehung, wo sich Erziehungswerte beispielsweise in Deutschland verändert haben, weg von Pflicht- und Akzeptanzwerten wie Disziplin, Loyalität und Pünktlichkeit hin zu Selbstentfaltungswerten wie Individualismus, Selbstverwirklichung, Partizipation und Autonomie. Dieser Wertewandel muss im Führungsverhalten berücksichtigt werden, nur dann können Mitarbeiter erreicht und motiviert werden.
Die sogenannte „Generation Y“ (geboren um 1980) hat in Nuancen andere Werte als zum Beispiel die „Generation X“ (geboren um 1965) oder die „Babyboomer“ (geboren um 1950).
Den Ypsilonern geht es um mehr Beachtung, mehr Feedback und Wertschätzung. Außerdem setzen sie auf Work-Life-Balance, sie stellen auch bei wirtschaftlichen Aktivitäten ethische Fragen, etwa nach der Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen oder Produkten.
Die „Gen...