Die Sünden der Nachhaltigkeit
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Die Sünden der Nachhaltigkeit

Und die Macht des Nicht-Tuns

  1. 284 Seiten
  2. German
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Die Sünden der Nachhaltigkeit

Und die Macht des Nicht-Tuns

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Wir leben heute in einer globalen Ego-Gesellschaft, in der alles, was machbar ist, getan werden muss. Unsere alten Traditionen und Werte geben wir ohne Gegenwehr auf und folgen den neuen 10 Geboten des digitalen Kapitalismus. Dessen Paradies besteht aus unendlichem Wachstum, unbegrenztem Konsum und dem Wohlstand für alle.Damit wir ohne schlechtes Gewissen dem Konsumhimmel huldigen können, hat die Politik als Notlüge die Nachhaltigkeit aus dem Hut gezaubert. Mit der Folge, dass wir statt weniger immer mehr Ressourcen verbrauchen.Blicken Sie gemeinsam mit mir in die Seele unserer Gesellschaft, die ihr Gleichgewicht verloren hat, entdecken Sie erstaunliche Zusammenhänge und folgen Sie "visionär-vernünftigen" Lösungsansätzen, die wir anschieben können, indem wir gemeinsam nichts tun.

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Information

Verlag
tredition
Jahr
2019
ISBN
9783749710355
C
Der digitale Kapitalismus
und
Der neue Dekalog
Wertesysteme werden seit Jahrhunderten in nationalen Verfassungen festgeschrieben. Diese können sich im Laufe der Zeit durchaus verändern, so wie zum Beispiel in Deutschland mit der Einführung des Grundgesetzes nach dem zweiten Weltkrieg geschehen. Neben diesen klassischen Systemen ist mit der Einführung des Internets nahezu ein fast erdumspannendes, paralleles Wertesystem hinzugekommen, welches sich grenzüberschreitend zuerst schleichend und dann mit Hilfe der neuen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten mit rasender Geschwindigkeit entwickelt und vor allem etabliert hat. Besonders gefährlich dabei ist, dass dies sehr still und leise geschehen ist, ohne dass sich irgendwer groß damit befasst hat. Deshalb wurde Vieles bis heute nicht hinterfragt und die neuen Werte flossen wie selbstverständlich in den Alltag mit ein, weil es ja die anderen überall auf der Welt genauso machen. Wir erleben gerade die feindliche Übernahme unserer alten Werte durch eine neue und erstmals tatsächlich weltweite Religion mit Namen „Digitaler Kapitalismus“. Weder die großen Religionsgemeinschaften auf unserem Planeten noch die Nationalstaaten mit ihren politischen Institutionen haben begriffen, was hier vor sich geht und, dass sie mit aller Wahrscheinlichkeit nach in nicht allzu ferner Zukunft selbst nur noch Geschichte sind. Der „Digitale Kapitalismus“ ist die erste Religion, die es tatsächlich schaffen wird, die gesamte Welt zu beherrschen. Ganz nach dem Motto: Alles ist machbar, nichts ist unmöglich.
Die Bibel des „Digitalen Kapitalismus“ ist im Kern ebenfalls ein Dekalog mit 10 Geboten als Richtschnur für ein globalvernetztes Leben.
1. Du sollst an das Wachstum glauben.
2. Du sollst den neuen Technologien huldigen.
3. Du sollst alles tun, was machbar ist.
4. Du sollst Dich selbstverwirklichen.
5. Du sollst konsumieren.
6. Du sollst online sein und Dich vernetzen.
7. Du sollst uns nicht hinterfragen.
8. Du sollst Dich netzkonform verhalten.
9. Du sollst funktionieren.
10. Du sollst nachhaltig leben.
Mit diesen 10 Geboten müssen wir uns intensiv beschäftigen, um zu verstehen, wo unser Weg in Zukunft hinführt, welchen Einfluss wir darauf überhaupt noch nehmen können und wie vernünftige Problemlösungen aussehen könnten. Deshalb lade ich Sie ein, mit mir gemeinsam eine spannende Reise in die Welt der 10 Gebote des digitalen Kapitalismus zu unternehmen und das gleichermaßen durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
1
Die schicksalhafte Symbiose:
Du sollst an das Wachstum glauben
Wachstum ist nicht nur das Zauberwort des 20. und 21. Jahrhunderts, es liefert auch den Hintergrund für ein ganzes Heer von Wissenschaftlern, die sich mit Wachstumsfragen in allen nur erdenklichen Lebenslagen auseinandersetzen. Die Befürworter, Kritiker und Gegner überbieten sich gegenseitig in unzähligen Publikationen, Kalkulationen und Modellen mit Weisheiten, die allesamt ein grundsätzliches Problem aufweisen. Der wissenschaftliche Anstrich, die sogenannten harten Zahlen und Fakten, sind letztendlich nur eine Fiktion, die tatsächlich auf Annahmen, Versprechungen und auf Glauben beruht. Somit ist Wachstum, wie wir es heute begreifen, nichts anderes als eine Fantasie, auf der ganze Wirtschaftsbereiche aufbauen. Ein Wolkenkuckucksheim.
Der extremste Fantast ist der Finanzsektor mit seinen Geldanlagen, Wertpapieren und Derivaten. Diesen sogenannten Finanzprodukten steht kein realer Wert gegenüber, es ist der reine Glaube an das System, der diese Luftnummer aufrechterhält. Unser Geld ist lediglich ein Versprechen, welches stetiges Wachstum als Lebenselixier unbedingt benötigt. Nur so ist unser heutiges Leben auf Pump überhaupt möglich. Flächendeckend wurde Papiergeld in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert eingeführt. Um das Vertrauen in das neue Zahlungsmittel hoch zu halten, gaben die Notenbanken nur so viel Papiergeld aus, wie sie an vorhandenen Goldreserven eingelagert hatten. Somit stand den Banknoten ein realer Wert an Gold entgegen, der stabile Wechselkurse gewährleistete. In der Folge wurde dieser sogenannte Goldstandard immer weiter aufgeweicht, bis schließlich Richard Nixon 1971 die Bindung des Dollars an Gold aufkündigte, was 1973 zur allgemeinen Freigabe der Wechselkurse führte. Warum tat er das? Ganz einfach, weil unsere Lebensweise auf permanentes Wachstum angewiesen ist und in Amerika bereits anfangs der siebziger Jahre die Grenzen dieses Wachstums erreicht waren. Es gab mehr Waren und Dienstleistungen auf dem Markt als die Verbraucher benötigten, beziehungsweise sich leisten konnten. Die vorhandene Geldmenge war somit im System gebunden. Für neue Investitionen und somit weiteres Wachstum fehlte schlichtweg das Geld. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma war das unbegrenzte Drucken von Papiergeld. Und so begann das große Schuldenmachen.
Die Mensch-AG ist insolvent
Quelle Zahlen: McKinsey -Studie
Nur aus Angst vor dringend notwendigen Systemkorrekturen wurde die Wachstumsstrategie deshalb bis heute kompromisslos durchgezogen. Finanziert wurde das alles seit den 1970er Jahren ausschließlich mit Schulden. Deshalb musste die Geld-Goldbindung aufgehoben werden. Nur so war und ist es möglich, unbegrenzt Schulden machen zu können. Die Notenbanken haben weltweit immer mehr Papiergeld gedruckt, dem kein echter Wert entgegensteht. Einen regelrechten Geldruckboom haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt. Dadurch sind die Staatsschulden weltweit ins Gigantische gestiegen und jeder weiß heute, dass wir diese niemals wieder zurückzahlen können und auch nicht zurückzahlen werden. Die sogenannten Finanzexperten, die uns heute noch immer die so harmlos klingende Neuverschuldung als Lösung aller Probleme verkaufen, handeln unverantwortlich und gegen jegliche Vernunft. Diese Wachstumsorgie auf Pump hat natürlich nicht nur bei den Staaten haltgemacht, sondern ist bei fast allen Bürgern angekommen. Diese sind heute ebenfalls so hoch verschuldet wie nie zuvor. Nur dadurch, dass wir alle über unsere Verhältnisse leben, halten wir unser Wirtschaftssystem halbwegs am Laufen. Aber das geborgte Wachstum beziehungsweise das geborgte Leben fordert einen hohen Preis: Es macht die Menschen abhängig, krank und anfällig für radikales Gedankengut.
Wo ist die Grenze und wie viel Wachstum ist noch gesund? Exponentielles Wachstum, lineares Wachstum, Nullwachstum für alles gibt es Pro und Contra, Befürworter und Gegner, die sich gerne bis aufs Messer bekämpfen, regelrechte Glaubenskriege ausfechten und welch Zufall, damit gutes Geld verdienen. Lässt man die für das Thema typischen Emotionen sowie die politischen Grundeinstellungen einmal bei Seite, ist eine ehrliche Analyse gar nicht so schwer.
Von Beginn an ist die Menschheitsgeschichte durch nichts so geprägt wie durch das Wachstum. Zwischen Mensch und Wachstum ist über die Jahrtausende hinweg eine Art symbiotische Verbindung entstanden, wobei der Ursprung und die Mutter allen Wachstums das Bevölkerungswachstum ist.
So bildeten die Menschen immer größere Gemeinschaften, wurden sesshaft, spezialisierten sich immer mehr, erfanden und produzierten Dinge, die sie zunächst gegen andere Waren eintauschen und mit Einführung des Geldes verkaufen konnten. Damit war das stetige und niemals endende Wirtschaftswachstum als Glücksbringer der Menschheit auf den Weg gebracht.
Permanentes Wachstum war auch dringend erforderlich, denn selbst im Zeitalter der Industrialisierung gab es nur ein moderates Wirtschaftswachstum, welches von der schnell steigenden Bevölkerungszahl regelrecht aufgefressen wurde. Immer wieder unterbrochen von Kriegen und Krisen war Wachstum der Garant für eine bessere Lebensqualität und das in allen Gesellschaftssystemen. Ohne Wachstum gab es keinen Fortschritt. Das große Problem bei der Erfolgsgeschichte des Wirtschaftswachstums ist allerdings, dass es weltweit nicht linear zum Bevölkerungswachstum verlief. Mit der Folge, dass sich die Wohltaten des Wachstums auf die industriell hoch entwickelten Länder konzentrierten; der Rest der Welt ging so gut wie leer aus und konnte sich auch nicht dagegen wehren. So ist es kaum verwunderlich, dass die meisten Kriege nur sehr selten ideologische Hintergründe besaßen, sondern in der Regel reine Wachstumskriege waren. Die Welt besser machen zu wollen, war und ist nur ein fadenscheiniger Vorwand, um das eigene Wachstum auf Kosten anderer zu sichern. Die Welt ist dabei natürlich niemals besser geworden.
Platon hat mit seinem Konzept über einen „gerechten Krieg“ bereits vor zweieinhalbtausend Jahren die entsprechenden moralischethi-schen Grundlagen formuliert, die sich heute noch in den Zielen der Vereinten Nationen wiederfinden. Nach Platon müsste sich im Idealfall jeder Einzelne gerecht, vernünftig und besonnen verhalten. Dieses Verhalten würde zu einer interessenausgleichenden Innenpolitik und einer harmonischen Gesellschaft führen, was sich dann ebenfalls in einer friedlichen Außenpolitik widerspiegeln würde. Da dies jedoch nicht in allen Gesellschaften so umgesetzt wird, kann es zu kriegerischen Handlungen kommen, die friedliche Gesellschaften bedrohen. Deshalb können Kriege nur gerecht sein, wenn sie der eigenen Verteidigung oder der Verteidigung des Nachbarn dienen. Angriffs- und Eroberungskriege hingegen beruhen nach Platon auf ungerechter und unvernünftiger Habgier.
Nimmt man das zum Maßstab, hätten die aktuellen Kriege im Nahen Osten niemals geführt werden dürfen. Der mehrmalige Seitenwechsel der USA zwischen Freund und Feind ist ein guter Beleg dafür, dass es hier nicht wie bei Platon um Gerechtigkeit, Vernunft und Besonnenheit ging, sondern ganz andere Ziele verfolgt wurden. Nur so lässt sich erklären, dass die USA in den drei Golfkriegen zuerst den Irak militärisch gegen den Iran unterstützte, um dann Kuweit wiederum von den irakischen Invasoren zu befreien und zu guter Letzt den ehemaligen Verbündeten Saddam Hussein absetzte. Was für ein Chaos. Letztendlich war das nichts weniger als der Offenbarungseid der vielbeschworenen westlichen Werte, mit dem Ergebnis, dass massenweise Menschen starben, Überlebende ihr bescheidenes Hab und Gut verloren und Ihnen als letzter Ausweg nur noch die Flucht blieb.
Aber nicht nur die USA sind diesbezüglich an den Pranger zu stellen. Auf der Erde gibt es aktuell drei Supermächte, die sich gegenseitig in nichts nachstehen: die USA, Russland und China. Darüber hinaus gibt es eine Europäische Union, die gerne in der Liga der Supermächte mitspielen würde, aber aufgrund interner Streitigkeiten gerade dabei ist, sich selbst zu zerlegen.
Die Wirtschaftssysteme der drei Supermächte sind alle am Anschlag. Die USA sind seit den 1970er Jahren ausschließlich schuldenfinanziert. Der Wachstumsboom in China, der ebenfalls auf Schulden aufgebaut ist, läuft heiß und die russische Wirtschaft leidet massiv unter ihrer Rohstoffabhängigkeit. Nicht zufällig sind die USA, Russland und China weltweit genau in dieser Reihenfolge die mit Abstand größten Waffenhersteller und Lieferanten. Der Gesamtjahresumsatz beläuft sich auf über 400 Milliarden US Dollar. In allen drei Volkswirtschaften spielt die Rüstungsindustrie eine wichtige Rolle und ist extrem gut in Politik und Wirtschaft vernetzt.
Die drei Supermächte brauchen internationale Krisen mit Stellvertreterkriegen, um von eigenen innenpolitischen sowie wirtschaftlichen Schwierigkeiten abzulenken, um ihre Waffengeschäfte weiter ausbauen zu können und, um sich Rohstoffvorkommen zu sichern. Am Beispiel der USA lässt sich das gut belegen. Der Anteil der Militärausgaben am BIP beträgt aktuell etwa 4%. Auf den ersten Blick erscheint diese Zahl harmlos, ist sie aber keineswegs. Ein dauerhafter Rückgang von 4% der Wirtschaftsleistung der USA hätte aufgrund der Verschuldungslage fatale Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Selbst die Ölkrise in den 1970er Jahren sowie die aktuellen Krisenjahre 2008 und 2009 wären dagegen ein Lufthauch. Die Arbeitslosigkeit in den USA würde auf einen Schlag um über 40% steigen. Der Wirtschafts- und Wachstumsfaktor Militär ist daher systemimmanent, was bedeutet, dass Krisengebiete unbedingt gebraucht werden, um das Militär einsetzen und die Waffen verkaufen zu können.
Seit den achtziger Jahren hat sich der Nahe und Mittlere Osten systematisch zum weltweit stabilsten Krisengebiet entwickelt. Mit folgenden Vorteilen für die Supermächte: Sowohl die USA als auch Russland und China liegen geographisch weit genug entfernt, um unmittelbare Auswirkungen auf das eigene Land und die eigene Bevölkerung ausschließen zu können. Aufgrund der Öl- und Gasvorkommen ist in der Region das notwendige Geld für Waffenkäufe vorhanden und es gibt historisch bedingt genügend feindliche Gruppierungen mit großem Aggressionspotenzial. Dass es sich hierbei fast ausschließlich um muslimische Volksgruppen handelt, vereinfacht die Rechtfertigung der Krisenbefürworter.
Der Nahe Osten ist der Türöffner für ein noch weitaus größeres Krisenpotenzial in gesamt Afrika. Was ebenfalls weit genug entfernt liegt und sowieso von vielen bereits als „Lost Continent“ abgeschrieben wurde. In Afrika betreiben die Chinesen seit der Jahrtausendwende eine Art Neokolonialismus, um sich langfristig wichtige Rohstoffvorkommen zu sichern. Interessenkollisionen und Stellvertreterkriege sind hier so gut wie vorprogrammiert.
Russland hat sich mit seinem Engagement in Syrien wieder aktiv in den Kreis der Krisenprofiteure eingereiht und wird zukünftig eine größere Rolle spielen wollen. Es sieht nicht so aus, als ob hinter dieser Entwicklung ein großer strategischer Plan steckt, sondern die Vermutung liegt nahe, dass sich aufgrund der gesamten weltwirtschaftlichen Situation eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat. Von den Supermächten stillschweigend akzeptiert, werden der Nahe und Mittlere Osten sowie Afrika langfristig als dringend benötigte Krisengebiete ausgebaut und somit menschlich abgeschrieben. Mit der Folge, dass die europäischen Länder hauptsächlich die Konsequenzen tragen müssen, was uns die aktuelle Flüchtlingsthematik drastisch vor Augen führt. Den Supermächten spielt dies wiederum in die Karten, weil sie an einem starken Europa kein Interesse haben. Dehnen sich die Krisen in Afrika zukünftig weiter aus, wovon auszugehen ist, ist die jetzige Flüchtlingskrise nur ein erster Vorgeschmack auf das, was passieren wird, wenn sich weitere Millionen von Menschen auf den Weg nach Europa begeben.
Drei Begriffe stehen exemplarisch für diese weltumspannende und aggressive Wachstumspolitik: Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer. Die wachstumsgetriebene Politik hat mehr oder weniger gut funktioniert, solange die Industrieländer sich uneingeschränkt der notwendigen Rohstoffressourcen der Dritten Welt bedienen konnten, dadurch günstig an Rohstoffe herankamen und zu Hause über viele Jahrzehnte hinweg echtes Wachstum generieren konnten. Als sie aber vor gut drei Jahrzehnten an ihre Wachstumsgrenzen stießen und echtes Wachstum durch künstliches ersetzen mussten, begann die Misere. Worauf will ich hinaus?
Die drei Wachstumsphasen
Wir können drei Wachstumsphasen unterscheiden. In der ersten Phase dem Basiswachstum geht es darum, die Menschen mit den lebensnotwendigen Dingen des Alltages wie Wohnen, Essen, Trinken und Medikamenten zu versorgen. In der zweiten Phase dem Wohlstandswachstum geht es um die Steigerung der Lebensqualität (Waschmaschine, Auto, Kühlschrank, Fernseher etc.) und in der dritten Phase dem Luxuswachstum um die Befriedigung von Luxus (Reisen, zweites Auto, etc.).
In den ersten beiden Phasen werden Waren produziert und verkauft, die tatsächlich gebraucht werden und die sich zumindest die Menschen in den reichen Ländern leisten können. Mitte der 1970er Jahre wurde in den westlichen Industrieländern ein Sättigungspunkt erreicht, der ein reales Wachstum nicht mehr zuließ. Die meisten Menschen in diesen Ländern hatten alles, was sie zum Leben brauchten und besaßen bereits eine recht hohe Lebensqualität. Um trotzdem weiteres Wachstum zu generieren, musste man tief in die Trickkiste greifen und den Menschen ab jetzt Dinge verkaufen, die sie weder benötigten, noch sich leisten konnten. Dies führte in den letzten Jahrzehnten dazu, dass sich die privaten Haushalte bis über beide Ohren verschuldeten und auch die Staatsverschuldung extrem anstieg, da das Leben im Luxus eine entsprechende Infrastruktur (Energieverbrauch, Verkehr, Sozialsysteme etc.) notwendig machte, die ebenfalls nur über Schulden finanziert werden konnte. Dieses auf Schulden aufgebaute Wachstum bildete in der Folge den Nährboden für eine völlig aus den Fugen geratene Finanzwirtschaft, die aus Luxus und Schulden Geschäftsmodelle für den Einzelnen, für Firmen, aber auch für ganze Staaten entwickelte, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben. Die Spekulation mit all den damit verbundenen Risiken wurde zum Maß aller Dinge. Die Fallhöhe hat für alle Beteiligten seitdem stetig zugenommen und dazu geführt, dass die großen Finanzdienstleister (Banken, Versicherungen) mittlerweile so systemimmanent sind, dass ein Scheitern Einzelner das Funktionieren des ganzen Systems gefährdet. So geschehen 2008 bei der Pleite von Lehman Brothers in den USA.
Während die Industrieländer die drei Phasen des Wachstums über viele Jahrzehnte hinweg durchliefen, sieht es in den Entwicklungs- und Schwellenländern anders aus. Gerade diese Länder weisen immer noch ein sehr hohes Bevölkerungswachstum auf, welches jegliches noch so hohe Wirtschaftswachstum verpuffen lässt. Im Gegensatz zu den alten Industrieländern ist hier ein langsames und aus sich heraus gesundes, reales Wachstum nicht mehr möglich. Die rasante Globalisierung in Verbindung mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten wecken in diesen Ländern Begehrlichkeiten, die dazu geführt haben, dass die ersten beiden Phasen des Wachstums im Zeitraffer vollzogen werden. Mit der Folge, dass gerade in diesen Ländern die Staatsverschuldung bereits in den ersten beiden Phasen des Wachstums horrend gestiegen ist. Dieses unnatürliche, schnelle Wachstum ist nicht aus eigener Kraft heraus möglich, sondern nur durch staatlich geförderte Konjunkturprogramme, die ihrerseits lediglich mit immer neuen Schulden finanziert werden. Daher sind diese Länder schon vor dem Einstieg in die Luxusphase bankrott. Somit haben wir derzeit weltweit eine Gemengelage, in der die angeblich reichen Industrienationen sich ihr Luxuswachstum nicht mehr leisten können und die Schwellen- und Entwicklungsländer versuchen wachstumstechnisch auf Teufel komm raus aufzuholen, egal um welchen Preis.
Da jegliches Wachstum an den Verbrauch von Ressourcen gekoppelt ist, sind wir mit Volldampf dabei, unseren Planeten auszuplündern. Die UN prognostiziert, dass sich bei dem momentanen Tempo der Ressourcenverbrauch an natürlichen Rohstoffen wie Kohle, Kupfer oder Holz bis 2030 verdoppeln wird und die Liste lässt sich mühelos um fast alle Rohstoffe auf der Erde ergänzen. Einmal davon abgesehen, dass die Ressourcen endlich sind, beschäftigen wir uns gezwungenermaßen heute schon mit den Folgeerscheinungen des exponentiell wachsenden Ressourcenverbrauchs wie zum Beispiel der damit verbundenen Umweltverschmutzung und vor allem dem Klimawandel.
Der Mensch ist von Natur aus nicht nachhaltig
Weltweit führen wir politische Diskussionen über die Formulierung und Einhaltung von Klimazielen, über die Einführung erneuerbarer Energien und über ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Willkommen im Zeitalter der globalen Scheinheiligkeit! Es gibt keinen besseren Begriff, der dies zum Ausdruck bringt als den der Nachhaltigkeit (siehe 10. Gebot). Nachhaltigkeit ist das Unwort unserer Generation und steht für die Lebenslüge einer globalen Gesellschaft, die Ursache und Wirkung leugnet. Der Mensch ist von Natur aus nicht nachhaltig, das Gegenteil ist der Fall. Mehr, besser und schneller ist das Credo seit Menschengedenken. Ein Leben im Einklang mit der Natur war, ist und wird auch in Zukunft etwas für einige wenige Idealisten bleiben. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man politische Forderungen aufstellt, die sich gegen „ein immer Weiter so“ richten. Freiwilliger Verzicht ist in den Genen des Menschen nicht vorgesehen. Auch ein Appell an die Vernunft nützt nicht viel, da wir gleichzeitig auch noch Weltmeister im Verdrängen sind. Auf der einen Seite predigen wir in einer ewig wachsenden Wohlstands-Ego-Gesellschaft den Konsum, wohl wissend, dass wir die Grenzen eines umweltverträglichen Wachstums schon seit mehr als einer Generation überschr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrechte
  4. Inhalt
  5. A
  6. B
  7. C
  8. D
  9. E
  10. F
  11. G
  12. H
  13. I