Das antike Eigentum
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Das antike Eigentum

Aspekte der politischen Ökonomie

  1. 628 Seiten
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Das antike Eigentum

Aspekte der politischen Ökonomie

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Über dieses Buch

Es geht um die Frage, welche Auswirkungen die spezifisch antike Eigentumsform auf Technik, Kultur und Politik in der antiken Gesellschaft hatte. Das Thema ist somit sehr weit gesteckt und es wäre gar nicht so verkehrt, es auch unter dem Überbegriff "Kulturgeschichte der Antike" zu verpacken.Dieses Buch ist aber zumindest zur Hälfte auch eine Reflexion darüber, welche Aussagen maßgebliche Autoren und Fachhistoriker über die Antike formulierten. Es wurden "klassische" Autoren wie Mommsen bis hin zu Finley und auch zeitgenössische Quellen berücksichtigt. Über weite Strecken liest es sich wie ein unterhaltsames Lesebuch mit kritischen Kommentaren.Der Autor stellte sich der als Marxist gar nicht so leichten Aufgabe, das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters zu erklären - ähnelt doch der Übergang der antiken in die feudale Produktionsweise in keiner Weise einer klassischen Revolution, wie jene von 1789 oder von 1917.Der daran anschließende dritte Teil dieses Buches handelt von der Auseinandersetzung zwischen dem "Modernismus" und dem "Primitivismus" innerhalb der Wirtschaftsgeschichtsschreibung: War die Antike Kapitalismus oder nicht und etwas ganz anderes? Wir wollen unser Résumé dieser Reflexion an dieser Stelle nur andeuten: Wir sehen hier noch ein Platz für ein "Weder-noch".Diese literarische Reise durch die Antike war notwendig, um am Ende des Buches zu dem Schluss zu gelangen, worin sich die antiken Eigentumsverhältnisse vom Privateigentum an Waren, das ja in der Antike im gleichen Maße vorherrschte, unterscheiden.

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Information

II. DIE ANTIKE VERSTEHEN
KAPITEL 3: DAS FREMDE
Wenn wir heute – unter bürgerlichen Verhältnissen – alte Zivilisationen untersuchen, so finden wir darin etwas Fremdes, das uns aber gleichzeitig als etwas Allgemeinmenschliches vorkommt, gerade weil es uns fremd ist. Wenn wir aber heute – ebenfalls unter bürgerlichen Verhältnissen – die europäische Antike untersuchen, so finden wir darin viel Vertrautes, das uns aber gleichzeitig verstörend vorkommt, gerade weil es uns irgendwie vertraut ist. Das Rätsel dieser Zusammenhänge ist überhaupt nur durch den dialektischen Materialismus à la Marx lösbar.
Das Vertraute der Antike ist echt, weil es bürgerlich ist. Die antiken Produktionsverhältnisse beruhten auf dem Privateigentum – und damit auf unserer Räson. Hier wurde hauptsächlich für den Markt produziert. Diese Arbeitsteilung spiegelt sich in der Tatsache wider, dass Athen und ganz Attika empfindlich von den Getreideimporten aus der Pontusregion, Sizilien, Ägypten und vielleicht Karthago abhängig waren.231 Der Handel mit Getreide blieb neben jenem mit Olivenöl und Sklaven während der gesamten Antike eine feste Marktkonstante. Rom war bekanntlich keine Ausnahme und dies hatte Produktionsauswirkungen auf die Provinz Africa. Hier ein Beispiel aus dem Ende des 2. nachchristlichen Jahrhunderts:
„In diesem Rahmen scheint ein weiterer Entwicklungsprozeß von großer Bedeutung gewesen zu sein: die Verlagerung des Schwergewichts vom Getreideanbau (im 1. Jahrhundert besorgte Africa zwei Drittel des Kornbedarfs der Stadt Rom) auf die Kultivierung von Oliven.“232
Die Mittelmeerwelt war auch Weltmarkt, es pendelte sich immer wieder ein neues Gleichgewicht ein. Und ganz deutlich sehen wir den Warencharakter dieser Ökonomie an Hand der hellenistischen Inflation und jener des 3. Jahrhunderts nach Christus. Oder an Hand der Tatsache, dass die westliche Mittelmeerwelt unter Karthagos Einfluss den Edelmetallgehalt ihrer Münze an jene der Lagiden in Alexandrien koppelte.
Das Vertraute sehen wir in der Tatsache, dass sich Regionen und Städte gerne auf die Produktion bestimmter Waren spezialisierten, mit denen sie einen überregionalen Markt bedienten.233 Das Vertraute sehen wir im allgemeinen Geldverkehr und zwar auch im Nah- und Detailhandel, in Preisfestlegungen, Zöllen, Versicherungen (die berühmten Seedarlehen oder Schiffkredite), Reedereien, Handelskontoren, Schifffahrtslinien – die übrigens ab dem 2. Jahrhundert vor Christus alle auf Delos hielten. Wir sehen das Vertraute im Inhalt des römischen Gesetzbuches, das zur selben Zeit die Höhe der Strafen an der Höhe des finanziellen Schadens maß und nicht mehr, wie vermutlich in der archaischen Zeit, symbolisch bestrafte.234
Das römische Recht scheint uns so vernünftig, dass wir es im bürgerlichen Zeitalter weiterverwenden, während in der dazwischen liegenden Epoche des Feudalsystems Strafen einen ganz anderen, nämlich persönlichen und nicht-monetären Charakter hatten.235 Im Falle Roms ist es die Herrschaft des Geldes und die Allgegenwart der Waren, die uns so selbstverständlich vorkommt. Das römische Bürgerrecht verlor mit dem Prinzipat seine politische Bedeutung und gewährleistete nicht mehr die Mitgestaltung der Plebejer im Staatswesen. Aber das, was davon übrigblieb, war keineswegs nichts: Erst das Bürgerrecht als Zivilrecht machte den Mann zu einem souveränen Warenbesitzer. Es gab ihm Zugang zu Ehe, Erbschaft, Versicherung, Kredit, Gericht, Polizei und Wiedergutmachung bei Schadensfällen. Nicht nur das Zivilrecht, auch das römische Steuersystem orientierte sich bis auf die Ausnahmen tributum, spolia und annona an der Geschäftstätigkeit der gegenüber den eigenen Waren souveränen Eigentümer.236 Das alles kommt uns selbstverständlich vor. Aber nur deswegen, weil wir in einer bürgerlichen Gesellschaft leben.
Und gerade, weil das echte bürgerliche Zeitalter ab dem 18. Jahrhundert die Antike für sich wiederfand, ihrer Ästhetik nachspürte, ihren politischen Formenschatz für die eigenen, nun wirklich industriellen und nationalstaatlichen Verhältnisse anzuwenden suchte … gerade deswegen blieb es in einer Art tückischem Irrgarten stecken und konnte die Antike nicht restlos verstehen. Denn wiewohl die Antike bürgerliche Elemente aufwies – Privateigentum, Markt und das darauf aufbauende Individuum – so basierte sie im gleichen Maße auf Sklavenarbeit. Und dies nicht einfach nur so nebenbei, als moralischer Defekt, der durch die restliche Größe der Antike kompensiert worden wäre: Die Sklaven schufen die Mehrarbeit, die die von uns so bewunderte Zivilisation erst möglich machte.
Wie in allen vorindustriellen Gesellschaften ist der eigentliche Unternehmer weniger als Produzent denn als Händler anzusprechen und die Warenpreise wurden bei aller Gelegenheit mit Händlerzuschlägen und Steuern belegt. Das war aber nur möglich, weil die eigentliche Produktion dank Sklavenarbeit so billig und – vom Tauschwert her gesehen – so wertlos war. Einer der prominentesten Wirtschaftshistoriker zur Antike, Moses I. Finley, verweist zurecht auf das Fehlen eines Lohnarbeitsmarktes, der sich über die Höhe der Löhne selbst reguliert. Das ist unserer Ansicht nach ganz offenkundig: „Lohnarbeit“ konnte sich als zentrale ökonomische Kategorie nicht ausbreiten, weil der Hauptteil der Arbeit durch Sklaven erledigt wurde.
„In den großen ‚klassischen‘ Zeiten, also in Athen und anderen griechischen Stadtstaaten vom 6. Jahrhundert v. Chr. an und in Rom und in Italien vom frühen 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr., ersetzte die Sklaverei in wirksamer Weise andere Formen abhängiger Arbeit.“237
Lohnarbeit blieb in der antiken Ökonomie ein Randphänomen, wie umgekehrt die Sklavenarbeit in der asiatischen Produktionsweise ein Randphänomen blieb. Oder vielmehr: Diese Analogie – es handelt sich nicht um eine Entsprechung – stimmt nur als Querschnitt. Denn Sklavenarbeit in den orientalischen Reichen konnte von Staats wegen konzentriert eingesetzt werden, ohne die eigentliche Basis der Mehrarbeitsproduktion der Fellachen (um pars pro toto auf Ägypten Bezug zu nehmen) zu ersetzen. In den antiken Reichen hingegen lag es in der Natur der Warenproduktion, dass sich Sklavenarbeit an der Basis immer stärker ausbreitete und sowohl die unabhängigen Bauern verdrängte als auch die Ausbreitung von Lohnarbeit behinderte. Die Lohnarbeit, die „an den Rändern der Ökonomie“ bestehen blieb, ist nicht immer leicht zu fassen, da die historische Trennung zwischen Kleinbürgertum, Handwerk und klassischer Lohnarbeit noch nicht vollzogen war. Diese Aufspaltung war das Werk der großen Industrie von der frühen Neuzeit bis heute. Zwischen Handwerk und Lohnarbeit schob sich das industrielle Kapital und trennte beide Bereiche, indem das Ausmaß des „Kapitaleinsatzes“ für das Handwerk erhöht wurde, sodass alle Mittellosen nur Lohnarbeiter, aber nicht Selbstständige werden konnten. Diese Spaltung war in der Antike noch nicht gegeben. Deswegen begegnen uns die Arbeiter einmal als Handwerker – wie die berühmten Banausen –, dann wieder als Tagelöhner. Vielsagend ist zum Beispiel folgender Bericht:
„(…) die in lateinischen Versen abgefaßte Grabinschrift eines Mannes, der als armer Bauer anfing, zwölf Jahre lang in Numidia als Schnitter umherzog, der Vorarbeiter einer Gruppe von Schnittern wurde, schließlich ein Haus und Grundbesitz in Mactar erwarb und dort zum Ratsherren und Beamten gemacht wurde.“238
Das Typische daran ist nicht der (bescheidene) gesellschaftliche Aufstieg, sondern dass Lohnarbeit eine Episode ist und zudem recht nahe beim Handwerk mit eigenen Produktionsmitteln angesiedelt ist. Vermutlich hatte der Schnitter seine eigene Sichel oder Sense mit. Das, was ihn von denen trennte, die nicht lohnarbeiten mussten, war disponibles Geld oder eine Parzelle, um selbst ein paar Agrarprodukte anzubauen. Zugespitzt formuliert: Der Schnitter stand dem Reichtum anderer gegenüber, der Arbeiter im Kapitalismus dem Kapital anderer. Trat im 18. Jahrhundert ein ehemaliger englischer Bauer in eine Fabrik als Arbeiter ein, dann stand er fremden Produktionsmitteln gegenüber, der Schnitter aus der römischen Provinz Africa hatte noch seine eigenen Produktionsmittel. Geld oder Kapital: Das macht den Unterschied. Wiewohl nicht nur der Gegensatz zwischen Kapital und Nicht-Kapital, sondern auch der Gegensatz zwischen Geld und Nicht-Geld bedeutsam sein konnte. Was uns an Berichten über antike Zivilzustände immer ins Auge springt: Wieviel Geld die einen gegenüber der Armut anderer haben können. Diese Ungleichheit konnte sehr groß sein. Wenn man den Quellen Glauben schenken will, war unter den Vermögenden eine Erbschaft von einer Million Sesterzen gut möglich.
„Dadurch wollten sie vermeiden, nochmals 50 000 sesterces an die Bevölkerung austeilen zu müssen (…).“239
… heißt es anlässlich einer Hochzeitsfeier Vermögender im 2. Jahrhundert. Nebenbei bemerkt musste der Geldumlauf der Münze erheblich gewesen sein. Ganz typisch für das antike Eigentum: Geldvermögen und nicht Kapitalvermögen wurde reproduziert. Umgekehrt: Armut wurde reproduziert, aber nicht die Trennung zwischen Arbeit und Eigentum an Produktionsmitteln. Letzteres war, wie gesagt, das Ergebnis eines einige Jahrhunderte andauernden politischen Prozesses ab dem Spätmittelalter. An diesem Punkt wird klar, dass der Satz „Sklaverei ersetzte in wirksamer Weise Lohnarbeit“ nur ökonomisch stimmt, nicht historisch. Denn für die Herausbildung einer kompakten Klasse an Lohnarbeitern war deren Expropriation von den Produktionsmitteln Voraussetzung. Indirekt stimmt der Satz aber wieder, da in der Antike die Schuldner in die Sklaverei absinken konnten. Sklaverei und später Kolonat waren Endstationen des sozialen Abstiegs – nicht die Lohnarbeit.
Konzentriert war die Sklavenarbeit im Bauwesen, später in der Plantagen-Landwirtschaft und vor allem in den Bergwerken, von denen Historiker freilich auf Basis einer mehr als zweifelhaften Quellenlage annehmen, dass in solchen bis zu 20.000 Sklaven zum Einsatz kommen konnten. Das prominenteste Beispiel ist die Silbermine in Attika. Angeblich entflohen am Ende des Peloponnesischen Krieges („genau diese“) 20.000 Sklaven aus Attika – wobei antike Zahlenangaben nie modernen Kriterien entsprechen und von Autoren so oft wiederholt und weiterverwendet werden, bis sie irgendwann als Tatsachen gelten.240 Aber indirekt kann auf die Dominanz der Sklavenarbeit geschlossen werden, wie Moses I. Finley überzeugend darlegt:
„(…) es genügt zu sehen, dass Xenophon annahm, seine Leser würden diese Zahlen nicht für unmöglich halten (…) Es genügt zu sehen, daß der Metöke Kephalos nahezu 120 Sklaven bei der Produktion von Schilden beschäftigte, eine Zahl, die nicht bestritten wird, oder, um sich Rom zuzuwenden, daß der Stadtpräfekt Lucius Pedanius Secundus, der zur Regierungszeit Neros von einem seiner Sklaven erschlagen wurde, vierhundert Sklaven allein in seinem Stadthaus hielt (…).“241
Unter den „Arbeitsmarkt-Verhältnissen“ der Sklavenarbeit wurde qualifizierte Arbeit zur Domäne des Kleinbürgertums, aber nicht der Lohnarbeit. Nehmen wir zum Beispiel die antiken Griechen: Das städtische Kleinbürgertum tendierte zum Wissensträger außerhalb der eigentlichen Produktion und verkaufte sein Wissen am Markt als Architekten, Geographen, Mathematiker, Schriftsteller und … spezialisierte Soldaten (Söldner) oder Militärbeobachter, die zum Beispiel bei der Expedition Ägyptens in den heutigen Sudan eine Rolle spielten.
Es war zumindest in der römischen Antike nicht unmöglich, dass „Sklaven“ ökonomisch als selbstständige Kleinbürger auftreten konnten – indem ihnen von ihren Herren ein peculium zugestanden wurde. Offensichtlich handelte es sich nicht um ein Eigentum, sondern nur um einen Besitz, der mitunter die Freiheit von der Sklaverei möglich machen konnte. Etwa so, wie einzelne Lohnarbeiter in der modernen Welt durch Glück und Geschick zu Selbstständigen aufsteigen können. Aber diese Tatsache ändert auch heute nichts an dem Befund, dass Lohnarbeit und Kapital dominieren, genauso wenig wie es für die Antike an dem Befund etwas änderte, dass Sklavenarbeit und Grundeigentum dominierten.
Moses I. Finley vertritt 1973 den Ansatz, dass in der Antike Sklaven überall dort zum Einsatz gelangten, wo eine dauerhafte Tätigkeit zu verrichten war, während die Tagelöhner nur für Arbeitsspitzen einzusetzen waren.242 So gesehen stand Lohnarbeit sogar unterhalb der Sklavenarbeit, die, da als langfristiges wie günstiges Investment angelegt, auch qualifizierte Arbeit bedeuten konnte. Finley führt viele Beispiele an, wie Unfreie ganze Betriebe bzw. zumindest Arbeitsabläufe geleitet hatten, falls sich die Eigentümer oder Besitzer für die Rolle als operative Betriebsleiter zu schade waren. Das klingt plausibel – immerhin galt in der Antike nur Grundeigentum als das Maß der Dinge und immerhin lebten viele Grundeigentümer eher in der Stadt, fern der Agrarbetriebe.
Ob man nun Finley in dessen Ansicht, dass Sklaven auch für qualifiziertere Tätigkeiten in Frage gekommen wären, folgen mag oder nicht, der relevante Punkt ist auch hier: Sklavenarbeit verhinderte die Verallgemeinerung von Lohnarbeit. Und damit verhinderte Sklavenarbeit, dass die Arbeitszeit der Stoff der Spaltung der Lohnarbeit in Mehrwert und Profit wurde. In dieser Hinsicht verhinderte Sklavenarbeit die Qualifikation von Arbeitskraft, da diese Qualifikation immer von in die Produktivität reinvestiertem Mehrwert abhängig ist. Nicht deswegen, weil Sklaven an sich für qualifizierte Arbeit nicht geeignet gewesen wären; sondern weil Sklavenarbeit in der Antike der Akkumulation von Kapital im Wege stand.
Sklaven sind immer geraubte Produktionsmittel.243 Aus diesem Grunde ist der Preis der Sklaven für den ökonomischen Kreislauf nicht relevant: Er ist nicht Wert, der verwertet wird. Im Grunde hätte sich nichts geändert, wenn es überhaupt keine Sklavenmärkte gegeben und jeder Sklavenhalter seine Sklaven selbst „eingefangen“ hätte. Das klingt eigenartig, aber ein großer Teil der Sklaven wurde tatsächlich nicht gehandelt … sie reproduzierten sich als „Sklavenfamilien“.244 Wurden Sklaven verkauft, wiederverkauft und noch einmal wiederverkauft, stieg das Produktionsmittel Arbeitskraft keineswegs im Wert. Für die politische Ökonomie zählt nur die „Produktion von Sklaven“ und es liegt in der Natur der Sklaverei, dass der Sklave entweder ein Mensch ist, der mit Gewalt in die Sklaverei geriet oder der bereits als Sklave geboren wurde. Das heißt: unter Verhältnissen, die diese Gewalt bereits in sich trugen. Die Preise für Sklaven schwankten und bildeten für die Käufer und Anwender gekaufter Sklaven eine relevante, wenngleich nach heutigem Verständnis bescheidene Betriebsausgabe. Ein zum Beispiel hoher Preis bedeutete aber nur, dass ein Eigentümer einen anderen Eigentümer übervorteilen konnte bzw. eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ausnutzen konnte. Es wurde dabei kein Wert geschaffen und auch kein Wert durch die Zirkulation realisiert. Vorderhand paradoxerweise war gerade die Wohlfeilheit der Sklaven der Grund, weshalb die Sklavenhalter kein Kapital akkumulieren konnten. Es war nicht der einzige relevante Grund, aber es war dennoch eine für die antike Produktionsweise spezifische Barriere, Industrie aufzubauen.
Nebenbei: Werden Sklaven in kapitalistischen Verhältnissen angewendet, steht die Sklavenarbeit einer Kapitalakkumulation nicht im Wege. Denn hier zählt, welche Produktionsweise das ökonomische Milieu dominiert. Deswegen ist auch die Analogie der antiken Sklaverei zu jener der am...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrechte
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Widmung
  6. Vorwort
  7. I. Die Antike Missverstehen
  8. II. Die Antike Verstehen
  9. III. Die Antike Besser Verstehen
  10. Anhang