Wege zum Sinn
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Wege zum Sinn

  1. 532 Seiten
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Wege zum Sinn

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Dass Sinn und Wert irgendwie mit Zielen, Zwecken und Zeiten zusammenhängen, ist seit langem bekannt. Wie im Einzelnen und Konkreten, ist weniger bekannt. Und noch weniger bekannt scheint die Behauptung eines Philosophen, dass Werte automatisch Sinn produzieren. Aber: Was sind denn Werte? Und was heißt Sinn?

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Information

Verlag
tredition
Jahr
2015
ISBN
9783732363070
VIERTER TEIL
Weltliche Werte seit dem Mittelalter
Der Mensch kennt bisher anscheinend nicht mehr als 4 % des Weltalls. Vor dessen Unendlichkeit und Abgründigkeit schreckt er oft schaudernd zurück. Zerstörerischen Naturgewalten und sonstigen Katastrophen fühlt er sich zuweilen hilflos ausgeliefert, und zwar in solchem Maße, dass manche Katastrophen – speziell Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen, technische Unfälle (GAU) und Menschheitskatastrophen wie die von Auschwitz, Hiroshima oder ‚Nine Eleven‘ – berechtigte Zweifel an der Existenz eines allgütigen und allweisen Schöpfergottes aufkommen lassen. Wie schon erwähnt, sah Voltaire in dem Erdbeben von Lissabon (1751) einen Gegenbeweis gegen Leibniz‘ Behauptung, Gott habe „die beste aller möglichen Welten“ geschaffen. Immanuel Kant lehnte sogar sämtliche philosophischen Versuche einer Theodizee, einer Rechtfertigung Gottes, ab, weil der Mensch keineswegs berechtigt und in der Lage sei, von der eigenen, auf Erfahrung beruhenden Vernunft auf die – mehr oder weniger vorhandene – Weisheit Gottes zu schließen.
Gläubige – aber auch Nichtgläubige (!) – können sich durch solche Argumente bestätigt fühlen. Immerhin können Atheisten sich auf Denker wie Marx, Nietzsche, Freud und Sartre berufen, während Ernst Bloch atheistische Elemente sogar im Christentum erkannte (in seinem Werk Atheismus im Christentum). Nicht zu verkennen ist jedenfalls, dass es nicht nur in der nicht-christlichen Antike, sondern auch in der christlich geprägten abendländischen Tradition seit dem Mittelalter Werte gibt, die nicht bzw. nicht vorrangig religiös begründet sind und dennoch Bestand haben. Hier kommt es nicht darauf an, das Mensch-Sein-in-der-Welt zu überschreiten (zu transzendieren) hin zu einer Rückbindung an Gott; vielmehr will der Mensch – zumal als ständig wertendes und urteilendes Wesen – möglichst selbständig (wenn auch nicht auf sich allein gestellt) in und mit der Welt zurecht kommen, die Wirklichkeit verstehen und bewältigen.
Welche Werte helfen ihm, welche entwickelt er dabei?
Aus der neuartigen Ableitung von Gut und Böse aus ‚gut‘ und ‚schlecht‘ sowie der (teilweise) angeborenen Fähigkeit des Wertens ergibt sich die Möglichkeit, als Grundwerte Freiheit und Verantwortung neu zu bestimmen. Der Mensch ist frei, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil er werten und urteilen kann und darf. Freiheit gründet sich auf Fähigkeiten, Möglichkeiten und Begrenzungen.
Mit seiner freien Wahl, seinen freien Entscheidungen, antwortet der Mensch auf seine eigenen Bedingtheit und „Beschränktheit“ (z.B. durch Natur, Umwelt und Unbewusstes). Auf diesem Antworten-Können beruht seine Verantwortung. Freiheit und Verantwortung fließen aus den gleichen Quellen leib-seelischer und geistiger Grundbefindlichkeit des Menschen.
Damit steht die Einzelperson aber nicht allein! Gemeinsam und in Konkurrenz mit anderen erobert der heranwachsende Mensch sich seine Welten. Er / sie tritt ein und steht für seine / ihre Freiheit und muss, spätestens als Erwachsene/r, für Lebenserhalt und –unterhalt sorgen. Er / sie will so autonom wie möglich sein und nicht ohne freie Selbstbestimmung leben. Dabei können die Gemeinschaften, angefangen von der Familie, helfen, wenn sie Bestand haben und nicht in Anarchie versinken. – Über die pure Individualität hinaus öffnet sich dergestalt der weite Horizont des personalen Seins. Freiheit, Verantwortung und Person-Sein sind Leitbegriffe für das Folgende.
Ein weiteres Hindernis für die Herausbildung eines Wert-Bewusstseins: das Böse, das sinnlos Zerstörerische. Das Böse in allem und jedem wird instrumentalisiert. Individuen und Völker bekämpfen einander, wollen sich Vorteile verschaffen, auch auf Kosten anderer. Das führt zu Rückschlägen. Nur langsam oder gar nicht kommt manchmal die Freiheit voran. Auch der von Hegel beschworene „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ (der angeblich die gesamte Geschichtsentwicklung kennzeichnet) kann Unrecht, Not, Ausbeutung und Unterdrückung weder verhindern noch ungeschehen machen. Keine hegelsche „List der Vernunft“ kann Auschwitz rechtfertigen. – Dennoch nicht zu resignieren, nicht zu verzagen, bleibt die Devise, solange Menschen den Wert der Freiheit erkennen und bereit sind, sich dafür einzusetzen. (Was Religion und Religiosität keineswegs ausschließt!)
Freiheits- und Emanzipationsbewegungen im Mittelalter
Bewegungen solcher Art hat es zweifellos auch schon in der Antike gegeben; man denke nur an den Spartakus-Aufstand und Ähnliches. Im Mittelalter traten solche Bewegungen in neuen Formen auf, zumal durch Christentum (Kirche und Papst), Feudalismus u.a. neue Bedingungen entstanden sind.
Neue Spielräume der Freiheit mussten aber nicht selten erst einmal erkämpft werden. Ein Beispiel hierfür liegt vor in der im Jahre 1215 in England verkündeten Magna Carta Libertatum (der ‚Großen Urkunde der Freiheiten‘).
Sie gilt als eine der Keimzellen der europäischen Menschenrechts-Entwicklung, obwohl es in ihr zunächst scheinbar nur um einen Interessenausgleich zwischen Monarchie und Adel geht. Dass es in Wirklichkeit um mehr geht, deutet sich schon im ersten Paragraphen des Dokuments an, in dem der Kirche volle Freiheit und Garantie ihrer Rechte zugebilligt werden. Überhaupt sollen sämtliche ausgehandelten Freiheiten dauernd gültig sein (§ 2). Steuer- und Erb-Angelegenheiten werden geregelt, Witwen wird das Recht zugestanden, unverheiratet zu bleiben.
Von zentraler Bedeutung ist der rechtliche Schutz der Einzelperson, insbesondere der Schutz vor willkürlicher Verhaftung. Jeglicher Angriff auf die Person – wie z.B. durch Enteignung, Ächtung ‚Verbannung oder Inhaftierung – ist verboten, solange keine entsprechender Beschluss eines standesgemäßen Gerichts oder auf Grund des Landesgesetzes vorliegt (§ 39). – Für jedermann besteht volle Reisefreiheit. Kaufleuten jedweder Nationalität wird, außer in Kriegszeiten, freies Geleit zugesichert. Zwischen dem König und seinen Untertanen soll jeder Missklang vergeben und vermieden werden, insbesondere „Feindschaft, Missgunst, Bosheit“ (§ 76). Grundsätzlich ist das Recht unveräußerlich und gültig für alle.
Das Ziel dieser ‚Großen Freiheitsurkunde‘ besteht also darin, Freiheit durch Rechtssicherheit zu gewährleisten, und zwar in gegenseitiger Verantwortung, d.h. sowohl für die Einzelperson als auch für die Gemeinschaften und die Gesellschaft im Ganzen. (Wobei allerdings Monarchie und Feudalstruktur unangetastet bleiben.)
Im Übrigen ist freiheitliche Gesinnung im europäischen Mittelalter weit verbreitet. Man will sich von unnötigen bzw. unerträglich gewordenen Zwängen befreien: „ … jeder will sein eigener freier Herr sein“130. Könige wollen sich vom Papst trennen, Fürsten von den Königen, Städte von den Landesherren. Rittertum und Leibeigenschaft verfallen allmählich. Frühkommunistische Bewegungen wie die der Hussiten greifen um sich. Handwerk und Bürgertum erstarken und organisieren sich neu, z.B. in den Zünften. Sexuelle Freiheit gipfelt teilweise in nie dagewesener Freizügigkeit, bis hin zu extremer „Sittenlosigkeit“ (Friedell). – Schon um 1200 herum will übrigens Joachim von Fiore (ca. 1130-1202), der kalabresische Abt und Sozialutopist, Staat und Kirche gänzlich abschaffen, und zwar in seiner Vision einer Vollendung der diesseitigen Welt in einem „Tausendjährigen Reich des Heiligen Geistes“, das im 13. Jahrhundert anbrechen sollte.131
Neuer Materialismus und neuer Realitätssinn finden ihren Niederschlag auch in Kunst und Literatur. Fassnachts- und Passionsspiele enthalten vielfältige satirische Elemente. Erzählende Literatur, (Liebes-)Lyrik und die Aufführungen der Fahrenden Gesellen spiegeln fast alle Lebenssituationen wider. Ähnliches gilt für die Bildende Kunst.
Unverkennbar von freiheitlichem Geist geprägt ist auch eine Herrschergestalt wie die Friedrichs II. von Hohenstaufen, der von 1215 bis 1250 ein Italien und Deutschland umfassendes Riesenreich regierte. Einige nannten ihn schon zu seinen Lebzeiten einen ‚stupor mundi‘, ein Weltwunder; andere verachteten oder hassten ihn. Für Egon Friedell ist er „einer der genialsten Menschen, die jemals eine Krone getragen haben“ (a.a.O. S. 188). Gerühmt werden seine Freiheitsliebe, Geistigkeit und Staatsklugheit, sein Unternehmungsgeist und Kunstsinn, seine Weltoffenheit und sein überragendes diplomatisches Geschick. Er beherrscht zahlreiche Fremdsprachen (bis hin zum Chaldäischen!), erweist sich als entschiedener Gegner des Papstes und jeglicher religiöser Anmaßung und begegnet allen Widrigkeiten und Erstarrungen mit Skeptizismus und einer an Atheismus grenzenden Denkfreiheit. Er gilt als „eminent wissenschaftlicher Kopf“ (Friedell a.a.O. S. 189), besonders auf dem Gebiet der Naturkunde. Den weltgewandten, wissenschaftlich und politisch hoch entwickelten Arabern (Sarazenen) steht er näher als den Christen. In Palästina erzielt er, statt Krieg zu führen, einen Verhandlungsfrieden mit dem hochgebildeten, feinsinnigen, ihm ebenbürtigen Sultan. Christliche Machthaber hassten ihn dafür. Im Volk aber blieb die Erinnerung an ihn erhalten: Es verehrte ihn als Nationalhelden. Eine Tradition, zu der wohl auch das grandiose Versepos ‚Mann aus Apulien‘ gehört, das Horst Stern dem sizilianischen Kaiser gewidmet hat.
Vom Mittelalter zur Renaissance
Vieles spricht dafür, dass die ganze Bandbreite einer Skala möglicher Werte sich erst seit Beginn der Neuzeit, mithin der Renaissance, wirklich erschließen lässt. Dazu bedarf es zunächst anscheinend einer geeigneten Skalierung. Im Jahre 2008 unterscheidet Ute Maltrus hierzu, allerdings im Hinblick auf eine „Werteerziehung in der Schule“, zwischen a) moralischen, b) religiösen, c) politischen, d) ästhetischen, e) materiellen Werten. Zu a) führt sie auf: „Aufrichtigkeit/Wahrheit, Gerechtigkeit, Treue“, zu b): „Gottesfurcht, Nächstenliebe“, zu c): „Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Gemeinwohl, Frieden, Würde, Schutz des Lebens, Verantwortung“, zu d): „Kunst, Schönheit“, zu e): „Wohlstand“.132
Auf den ersten Blick scheint es so, als ob sich mit dieser Unterteilung auch die Grundwerte Freiheit und Verantwortung ohne weiteres in einen größeren Rahmen, nämlich den politischen, einordnen ließen. Freiheit und Verantwortung sind aber nicht nur politische, sondern auch u.a. philosophisch, psychologisch und religiös eminent bedeutsame Begriffe (was sicherlich auch für die übrigen unter c) genannten Werte gilt).Überhaupt ist das Grobraster ‚a) bis e)‘ unbedingt durch weitere Kategorien zu ergänzen, und zwar nicht nur durch Philosophie, sondern insbesondere auch durch Ökonomie, Soziologie, Psychologie, Mathematik und Naturwissenschaften. Sämtliche Geistes- und Naturwissenschaften produzieren nämlich Werte, z.B. in Form neuer Erkenntnisse, und zwar unbeschadet der Forderung nach „Wertungsfreiheit“ der Wissenschaften. – Außerdem ist natürlich die gesamte Lebenspraxis an Werten orientiert.
All dies macht die Aufgabe zweifellos nicht leichter, zumal auf dem Gebiet der Werte und der Wertungen stets mit hoher Komplexität zu rechnen ist. Bei jeder Wertung spielen Subjekt-Objekt-Beziehungen eine entscheidende Rolle, so dass Werte sich in Raum und Zeit ändern (können). Jede Epoche prägt ihre eigenen Werte, auch wenn diese (teilweise) aus früheren Zeiten stammen und an spätere Zeiten weitergereicht werden.
Auch das Schema ‚a) bis e)‘ kann folglich nur der groben Orientierung dienen. Eine Möglichkeit, der unüberwindbaren Unüberschaubarkeit der (möglichen) Wertvorstellungen und Wertkonzepte zu begegnen, sehe ich darin, exemplarisch vorzugehen, d.h. Wert-Phänomene einer Epoche darzustellen, sofern sie als charakteristisch bzw. typisch gelten können.
Im Falle der Renaissance mag dieses Vorhaben problematisch erscheinen, weil umstritten ist, ob es zwischen Mittelalter und Renaissance eine Kontinuität der Entwicklung oder einen Bruch, eine klare Zäsur, gegeben hat. Als typische Aspekte können jedenfalls die folgenden herausgestellt werden:
1. Bei der Renaissance (‘Wiedergeburt‘) handelt es sich nicht einfach um eine „Wiedergeburt der Antike“, sondern um eine „Neugeburt“.133 2. Ein neues Weltbild wird geboren: das, gegen den Widerstand der Kirche, heliozentrische (kopernikanische), das an die Stelle des geozentrischen (ptolemäischen) tritt. 3. Giordano Bruno (1548-1600) behauptet, im Gegensatz zur katholischen Dogmatik, die Unendlichkeit des Alls. 4. Vorrang hat nicht mehr die Beziehung zwischen Gott und der Welt, sondern die zwischen dem Ich und der Welt. 5. Der Mensch rückt in den Mittelpunkt des Interesses. „Centro dell’ universo è l’uomo, individuo razionale“ (‚Zentrum des Universums ist der Mensch, ein vernünftiges Individuum“), erklärt Poggio Bracciolini (1380-1459). 6. Ausschlaggebend wird das Handeln: „Für die Tätigkeit ist der Mensch geschaffen, und der Nutzen ist seine Bestimmung“, sagt der Baumeister und „Universalmensch“ (uomo universale) Leon Battista Alberti (1404-1472) (zitiert bei Bloch a.a.O. ebd.). Der ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Einleitung: Wert, Sinn und Telos (Ziel und Zweck)
  6. Erster Teil: Was sind Werte?
  7. Zweiter Teil: Zur Geschichte der Wert-Begriffe in antiker Philosophie
  8. Dritter Teil: Religiöse Werte
  9. Vierter Teil: Weltliche Werte seit dem Mittelalter
  10. Fünfter Teil: Von Zielen und Zwecken
  11. Sechster Teil: Zeit (und Raum)
  12. Siebenter Teil: Vom Sinn