Phase 1: Konzept & Abstract
Der Beginn des Schreibprozesses
Die Idee, ein umfangreiches Schreibprojekt mit einem Konzept zu beginnen, ist nicht neu. Auch moderne Buchautoren, Roman- oder Sachbuchautoren, beginnen ihre Arbeit an einem neuen Werk mit einem Konzept – sie nennen es Exposé. Ein Exposé ist nur ein bis zwei Seiten lang und repräsentiert die Grundidee eines Buches. Es enthält also das gesamte Werk in einer stark komprimierten Form. Mit ihrem Exposé suchen sich die Autoren einen Verlag, und erst, wenn sie ihren Vertrag in der Tasche haben, schreiben sie ihr Buch. Der Grund: Die Gefahr, von einem Verlag abgelehnt zu werden, ist groß. Hätten die Autoren oder Autorinnen dann bereits ein komplettes Manuskript verfasst, hätten sie viel Zeit und Energie vergeudet.
Auch Wissenschaftler können sich es nicht leisten, Zeit zu verlieren. Daher sollten auch sie den Schreibprozess mit einem Konzept beginnen. Ein Konzept skizziert die Story eines Research Papers. Es beschreibt mit wenigen Sätzen, wie die Experimente und Analysen eines Forschungsprojektes von einer Fragestellung zur Antwort oder von einem Problem zu dessen Lösung führten. Als Konzept bietet sich der ABSTRACT eines Research Papers an. Denn der Abstract nennt die zentralen Eckpunkte einer Story: die Fragestellung, die Antwort, die zentralen Ergebnisse und den Hintergrund des Forschungsprojektes.
Wenn man sein Schreibprojekt mit einem Konzept, also mit dem Abstract beginnt, zwingt man sich, sich zu fokussieren und sich auf eine Story festzulegen. Denn auch wenn in einem Forschungsprojekt noch so viele Teilaspekte bearbeitet wurden – am Ende sollten sie sich zu einer einzigen Fragestellung, Hypothese oder Kernaussage verdichten lassen. Nur so wird später auch das vollständige Manuskript einem sichtbaren roten Faden folgen.
Erste Weichenstellungen: drei Paper-Kategorien
Die Grundstruktur des Abstracts
Der Abstract ist ein Miniaturabbild, die Blaupause Ihres Papers. Wie auch das gesamte Manuskript ist daher auch der Abstract in die Abschnitte INTRODUCTION, METHODS, RESULTS AND DISCUSSION gegliedert (IMRAD-Struktur). Jeder dieser Abschnitte wird in dem Abstract durch einige wenige Sätze repräsentiert: etwa zwei Sätze für die Einleitung, einen Satz für die Methodik, ein paar Sätze für die Ergebnisse und vielleicht zwei Sätze für die Diskussion. Diese Sätze sind die Eckpunkte, die wichtigsten Aussagen Ihres Papers. Sie werden später im Manuskript an bestimmten, zentralen Positionen stehen.
Die spannende Frage lautet: Was genau sind das für Eckpunkte? Wie formuliert man sie? Gibt es so etwas wie ein Rezept? Ja, ein solches Rezept gibt es – genauer gesagt, sind es drei Rezepte für drei Kategorien von Forschungsprojekten. Bevor wir uns also ansehen, wie ein Abstract aufgebaut ist und welche Eckpunkte er enthält, sollten wir diese drei Paper-Kategorien kennenlernen.
Das Hypothesen-Paper
Hier wird eine Hypothese verifiziert oder falsifiziert. Die meisten Autoren formulieren die Hypothese als ob-Frage. Sie stellen also eine Frage, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Diese Paper-Kategorie bietet sich immer dann an, wenn Sie ein Untersuchungssystem (Zellen, Versuchstiere, Probanden) von außen beeinflussen, indem Sie zum Beispiel einen Wirkstoff verabreichen. Denn dann wollen Sie in der Regel wissen, ob dieser Wirkstoff einen bestimmten Effekt ausübt. Auch wenn Sie Zellen mit einem Expressionsplasmid transfizieren oder ein Gen mutieren, beeinflussen Sie ein Untersuchungssystem von außen. Auch in solchen Fällen ist das Hypothesen-Paper meist die richtige Wahl.
Das deskriptive Paper
In einem deskriptiven Paper wird ein biologischer, chemischer oder medizinischer Sachverhalt untersucht und beschrieben, meist ohne in das Untersuchungssystem einzugreifen. Ein Research Paper aus dieser Kategorie untersucht nicht den Effekt einer Intervention, sondern beschreibt den Ist-Zustand, zum Beispiel die Struktur von Proteinen und chemischen Verbindungen oder die Häufigkeit genetischer Merkmale.
Das Methoden-Paper
Schließlich gibt es Projekte, in denen eine neue Methode etabliert wird. Das Methoden-Paper ähnelt der deskriptiven Arbeit. Es stellt eine neue Methode vor und beschreibt ihre Funktionsweise – oft im Vergleich zu einer herkömmlichen Methode.
Die Eckpunkte des Hypothesen-Abstracts
In dem folgenden Beispieltext sehen Sie, wie der Abstract, also das Konzept eines Hypothesen-Papers aufgebaut ist. Auch wenn Sie mit dem wissenschaftlichen Hintergrund des folgenden Beispieltextes nicht vertraut sind, werden Sie den Aufbau des Abstracts leicht nachvollziehen können. In der linken Spalte sehen Sie das zugrunde liegende Rezept.
ABackground | AIntegrin XY, a transmembrane protein, mediates contact-dependent growth inhibition of adherent cells by the induction of the cyclin-dependent kinase inhibitor p21. BTo determine whether integrin XY also mediates growth inhibition in non-adherent cells, C we ectopically expressed integrin XY in nonadherent rat carcinoma cells lacking the integrin XY gene. D We found that integrin XY expression reduced the proliferation of these cells by up to 45%, E and this effect correlated with increased p21 levels. FMoreover, exposure to integrin XY-neutralizing antibodies stimulated proliferation of these cells.GOur results indicate that integrin XY also mediates growth inhibition in non-adherent rat carcinoma cells. H Our data further suggest that integrin XY mediated growth inhibition of both adherent cells and non-adherent carcinoma cells base on a similar mechanism. |
BQuestion |
CExperimental Approach |
DResult 1EResult 2 |
EResult 2 |
FResult 3 |
GAnswer |
HImplication |
Beispiel: Abstract eines Hypothesen-Papers.
Der BACKGROUND, der allgemeine Hintergrund, nennt zunächst die wichtigsten Mitspieler und ihre Bedeutung: Integrin XY, Wachstumsinhibition, p21. Integrin XY inhibiert das Wachstum adhärent wachsender Zellen, indem es den Inhibitor p21 induziert – der Leser benötigt dieses Wissen, um die anschließende Fragestellung verstehen zu können. Diese kann man leicht an der Formulierung to determine whether erkennen (QUESTION). Hier fragen die Autoren, ob die Wachstumshemmung durch Integrin XY, die bei adhärent wachsenden Zellen bekannt ist, wohl auch bei nicht-adhärent wachsenden Zellen funktioniert. Damit sich der Leser ein Bild machen kann, wie die Wissenschaftler diese Frage beantworten wollten, schließt sich ein Halbsatz über den methodischen Ansatz dieses Projektes an (EXPERIMENTAL APPROACH): Die Formulierung we ectopically expressed erklärt, dass das Integrin XY-Gen in Zellen hineingebracht wurde, die sonst kein Integrin XY bilden. Die Wissenschaftler haben Integrin XY gewissermaßen verabreicht, um seine Wirkung auf nicht-adhärent wachsenden Zellen zu untersuchen. Die Wahl der Kategorie ‚Hypothesen-Paper‘ war daher richtig.
BACKGROUND, QUESTION und EXPERIMENTAL APPROACH repräsentieren das Kapitel INTRODUCTION. Später, im Manuskript, werden sich diese Eckpunkte an bestimmten Positionen der Einleitung wiederfinden: der Background mit den wichtigsten Mitspielern in den ersten Absätzen der Introduction, die Question mit dem Experimental Approach am Ende, im letzten Absatz der Introduction.
Nach diesem Einstieg folgen im Abstract die Ergebnisse (RESULTS 1–3). Eine Formulierung wie we found tha...