1. Bultmanns Verleugnungen NT Texte
1.1 Als „erledigt“ bezeichneten Texte des NT
„Das Weltbild des Neuen Testaments ist ein mythisches. “73
Die nachfolgenden neutestamentlichen Texte sind nach Bultmann daher als erledigt74 anzusehen:
1. „Dem mythischen Weltbild entspricht die Darstellung des Heilsgeschehens, […] In mythologischer Sprache redet die Verkündigung: Jetzt ist die Endzeit gekommen; >als die Zeit erfüllt war< sandte Gott seinen Sohn.“ (Gal 4,4).
2. „Dieser, ein präexsistentes Gotteswesen, erscheint auf Erden als ein Mensch.“ (Gal4,4; Phil.2,6ff; 2.Kor.8,9; Joh.1,14; usw.) usw = konkordant zu den angegebenen Stellen sind: Mk 1,15; Eph 1,10; Joh 1,1-2; 17,5; Jes 53,3; Mt 20,28; 2. Kor 8,9; b) Hebr 2,14; 2,17; Lk 14,11; Hebr 12,2; b) Hebr 5,8; Apg 2,33; Eph 1,21; Hebr 1,3-4; Jes 45,23; Joh 5,23; Offb 5,12-13; Offb 5,13; Mt 8,20; Phil 2,7; 1. Tim 3,16; 2. Mos. 33,18; Jes 60,1; 2. Petr 1,16-17;
3. „Sein Tod am Kreuz, den er wie ein Sünder erleidet, (2.Kor. 5,21; Röm.8, 3) schafft Sühne für die Sünden der Menschen“ (Röm.3, 23-26; 4,25; 8,3; 2 Kor. 5,14 und 19; Joh. 1,29; 1.Joh. 2,2; usw.) usw. = Joh 8,46; Jes 53,4-6; Gal 3,13; Röm 1,17; 1 Kor 1,30; Apg 13,38; 15,10; Hebr 2,17; Röm 5,1; 2. Kor 5,19; Eph 2,8; Mt 26,28; Kol 1,20; Hebr 9,26-28; Röm 8,32; 8,34; Jes 53,4-6; Röm 14,7-8; Röm 3,24-25; Kol 1,19-20; 1 Joh 4,10; Kol 1,20; Joh 11,51-52
4. „Seine Auferstehung ist der Beginn der kosmischen Katastrophe, durch die der Tod, der durch Adam in die Welt gebracht wurde, zunichte gemacht wird.“ (1Kor 15,21f; Röm 5,12ff)
5. „Die dämonischen Weltmächte haben ihre Macht verloren“ (1 Kor 2,6; Kl. 2,15; Apk. 12,7 ff; usw.) usw.= Mt 11,25; Röm 16,25; Apk 20,2; 1. Mose 3,1; Lk 10,18; Apk 11,15; Apk 7,14; Apk 6,9
6. „Der Auferstandene ist zum Himmel erhöht worden zur Rechten Gottes.“ (Act. 1,6ff; 2,33; Röm. 8,34; usw.) usw. = Lk 19,11; 24,21; Mt 24,36; Lk 24,48; Apg 8,1; Mk 16,19; Lk 24,51; Lk 24,4; Lk 21,27; Lk 6,13-16; Joh 7,3
7. „Er ist zum Herrn und König gemacht worden.“ (1 Kor 15,25)
8. „Er wird wiederkommen auf den Wolken des Himmels um das Heilswerk zu vollenden; dann wird die Totenauferstehung und das Gericht stattfinden.“ 1 Kor. 15,23f und 50ff; usw.) usw.= 1. Thess 4,16-17, Röm 8,38, Psalm 110,1, Mt 22,44, Offb 20,14; 21,4; 1. Thess 4,15-17; Mt 24,31; 2. Kor. 5,4; Röm 7,8; 7,11; 7,13; 1. Joh 5,4
9. „Dann werden Sünde, Tod und alles Leid vernichtet sein.“ (Apk. 21,4; usw.) usw. = Apk 7,17; Jes 25,8; Jes 35,10; 65,19
10. „Und zwar wird dies in Bälde geschehen; Paulus meint dieses Ereignis selbst noch zu erleben.“ (1.Thess. 4,15ff; 1. Kor. 15,51f; vgl. Mk. 9,1)
11. „Wer zur Gemeinde Christi gehört, ist durch Taufe und Herrenmahl mit dem Herrn verbunden und ist, wenn er sich nicht unwürdig verhält, seiner Auferstehung zum Heil sicher. (Röm. 5,12ff; 1.Kor. 15,21 ff und 44b ff)
12. „Die Glaubenden haben schon das >Angeld<, nämlich den Geist. “ (Röm. 8,23; 2.Kor. 1,22 und 5,5)
13. „der in ihnen wirkt und ihre Gotteskindschaft bezeugt“ (Röm. 8,15; Gal. 4,6)
14. „und ihre Auferstehung garantiert. “ (Röm. 8,11)
Bultmann zu diesen für das Christentum zentralen Texten: „Das alles ist mythologische Rede, und die einzelnen Motive lassen sich leicht auf die zeitgeschichtliche Mythologie der jüdischen Apokalyptik und des gnostischen Erlösungsmythos zurückführen. Sofern es nun mythologische Rede ist, ist es für den Menschen von heute unglaubhaft.“75
1.1.1 Gegenrede: Gegen die Verleugnung der Substanz
Einen Nachweis für diese Behauptungen hat Bultmann weder mit diesem Aufsatz, und soweit ich überblicke, noch an anderer Stelle vorgelegt, obwohl es doch „leicht“ wäre, wie Bultmanns behauptet. Seine weitreichenden Schlussfolgerungen aus den unbelegten und daher unbegründeten Behauptungen stehen daher auf sehr dünnem Eis und wackeligem Boden. Diese sind daher wissenschaftlich fragwürdig.
Bultmanns Wissenschaftlichkeit muss man deshalb ersten Zweifeln unterziehen. Im Verlauf der Arbeit wird der Nachweis erbracht werden, dass Bultmanns Behauptungen wissenschaftlich nicht zu halten sind.
Schon hier geht es um Alles. Es geht es um den Kern der neutestamentlichen Botschaft, um die Substanz, die alles Christliche ausmacht. Es geht um Gottes Wort, um die apostolischen Texte. Es geht um das Evangelium. Es geht um Tod oder Leben, um das Heil der Welt, um versöhnte Gottesgemeinschaft oder ewiges Verlorensein. Es geht um Wahrheit oder Unwahrheit, um Treue oder Verrat, um Bekenntnis oder Verleugnung.
„Gottes Wort“ heißt: Gott redet. Das bedeutet zweitens seine Persönlichkeit. Gottes Wort ist kein Ding, das zu beschreiben, es ist aber auch kein Begriff, der zu definieren wäre. Es ist weder ein Sachverhalt noch eine Idee. Es ist nicht „eine”, auch nicht die höchste „Wahrheit”. Es ist die Wahrheit, indem es Gottes sprechende Person ist, Dei loquentis persona. Es ist nicht ein Objektives. Es ist das Objektive, indem es das Subjektive, nämlich das Subjektive Gottes ist. Gottes Wort heißt: der redende Gott. Gewiss, Gottes Wort ist nicht etwa bloß die formale Möglichkeit, sondern die gefüllte Wirklichkeit göttlicher Rede. Es hat immer einen ganz bestimmten objektiven Inhalt. Gott redet immer ein concretissimum. Aber dieses götttliche concretissimum ist als solches weder vorherzusagen noch nachzusprechen. Was Gott redet, das ist nie und nirgends abstrahiert von Gott selbst bekannt und wahr. Es wird bekannt und wahr dadurch und darin, daß er selbst es sagt, daß er in Person in und mit dem von ihm Gesagten gegenwärtig ist. “76
„Wir meinen, wenn das alles nur m y t h o l o g i s c h e R e d e ist, von der dann noch ein ganz wesentlicher Teil zu streichen ist und ein anderer Teil ganz neu im Sinne Bultmanns gedeutet werden muss, wir meinen, wenn das so ist, d a n n b l e i b t n i c h t s m e h r v o n d e r e i g e n t l i c h e n S u b s t an z des Evangeliums übrig. “77
„Auf dem Spiel steht die Ehre Christi, der die unfehlbare Wahrheit selber ist. Ja, ja – oder nein, nein (Mt 5,37). Verrat oder Treue, Christus-Treue. “78
„Wenn das alles so gesagt wird [gemeint sind die vorher aufgezeigten 14 neutestamentlichen Stellen, die von Bultmann als erledigt bezeichnet wurden], was bleibt dann noch übrig? Ein Trümmerhaufen menschlicher Philosophie! Man kann doch nicht eine Erklärung der Schrift für den modernen
Menschen schaffen wollen, mit Hilfe der Unterschlagung wirklichster Wirklichkeiten der Schrift. “79
„Nach dem traditionellen Bibelverständnis kann überhaupt keine ernste Parallelisierung zwischen der christlichen Erlösung und der Gnosis gezogen werden. Gnostische Züge wie „trochotomische Konstitution“ des Menschen, „Präexistenz“ eines menschlichen „Funkens“, „schuldlose“ von Dämonen „gefesselt“, „dualistischen“ Konstitution des Menschen mit seinem hylischen und pneumatischen „Ich“, präexistente „Lichtgestalt“ des Erlösers, der sich aus Furcht vor den Dämonen in eine menschliche Natur „verhüllt“ und die „zerfetzten“ Seinen in die ursprüngliche Gestalt zurückkomponiert usw. usw., sind in der christlichen Heilsgeschichte, wie diese von jeher in der traditionellen Exegese interpretiert wird, nicht nur nicht parallel – wie Bultmann feststellen möchte – sondern absurd und ihr diametral entgegengesetzt. “80
„Einige Lehrer der theologischen Wissenschaft […] sind in der Gefahr, bei ihrem Bemühen um eine „Entmythologisierung des Neuen Testaments“; […] den Inhalt der Verkündigung zu vermindern oder gar zu verlieren. […] wir müssen sie fragen, ob sie darüber nicht die Tatsachen verleugnen, die die Schrift bezeugt.“81
„die in der Kundgebung gestellte Frage, ob sie [Bultmann und seine Freunde] nicht die Tatsachen verleugnen, die die Schrift bezeugt, war keine Frage, sondern eine in die Form einer rhetorischen Frage gekleidete
Behauptung.“82
„Gegenüber den Grundpositionen dieser [Bultmannscher] Theologie erhebt sich für uns die Frage, ob sie mit der evangelischen Lehre und dem Bekenntnis der christlichen Kirche übereinstimmen. […] Wir würden ‘Bedenken gegen die Lehre‘ nicht geltend machen, wenn wir nicht der Überzeugung wären, dass die Lehre, die sich in der theologischen Arbeit dieses Mannes ausspricht, mit der Heiligen Schrift und der Lehre der altkirchlichen wie reformatorischen Bekenntnisse nicht vereinbar ist, da sie die Grundlagen des biblischen Zeugnisses von dem Heilshandeln Gottes in Christus antastet und ihrer Substanz beraubt, indem sie das Heilsgeschehen nicht als Gottes Handeln in der Geschichte mit dem Menschen von Gott her versteht, sondern es mit den Begriffen der Existenz-philosophie vom Menschen her zu interpretieren sucht und es damit grundlegend verwandelt. “83
„Daß unser Glaube auf einem Hineing...