Der Neubeginn der Philosophie
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Der Neubeginn der Philosophie

Über René Descartes' Discours de la Méthode und die Meditationes de prima philosophia

  1. 116 Seiten
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Der Neubeginn der Philosophie

Über René Descartes' Discours de la Méthode und die Meditationes de prima philosophia

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Über dieses Buch

Wie kaum ein anderer Denker steht René Descartes für den Neubeginn der Philosophie. Ein Neubeginn, der vor allem entlang seiner beiden Hauptwerke, ›Discours de la Méthode‹ und ›Meditationes de prima philosophia‹, auskristallisiert. Es ist die Zurückweisung der ungeheuren epistemischen Sicherheit des Mittelalters samt der Philosophie seiner Autoritäten, die Abkehr von der Naturphilosophie Aristoteles', die methodologisch fundierte und begrifflich präzise Ausgestaltung der tradierten Beziehung von Ich, Welt und Gott, aber auch die literarische Selbstinszenierung, die Descartes berühmt werden lässt.Vor dem Hintergrund der Philosophie des Mittelalters und den philosophiehistorischen Implikationen des Cartesianismus sollen die außergewöhnliche Bedeutung Descartes' für das moderne Denken, die Originalität seiner Philosophie und der Grundriss seiner beiden Hauptwerke herausgearbeitet werden.

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Information

Verlag
tredition
Jahr
2020
ISBN
9783347034693
§ 1 Hintergrundüberlegungen
Seit der Gründung der Academia Philosophia verstehen wir uns als Bindeglied zwischen der akademisch-universitären Philosophie einerseits und einer breiteren Hörerschaft andererseits. Es wäre schade, so dachten wir uns, wenn die Faszination philosophischer Weltdeutung nur jenem kleinen Kreis von Menschen vorbehalten bliebe, der sich von Berufswegen mit der Philosophie beschäftigt. Auch wenn die Hochzeit der Philosophie – so es sie denn jemals gegeben hat – in einer ökonomisierten und am Maßstab des Praktischen orientierten Gesellschaft allem Anschein nach vorüber ist, glauben wir nichtsdestoweniger, dass die Beschäftigung mit philosophischer Weltdeutung für unser geistiges Leben unverzichtbar ist. Der Entwurf einer feingliedrigen, vernünftigen und logisch zureichenden Weltanschauung, die Disziplinierung des Denkens und die Verbesserung der Urteilskraft können nirgendwo vorzüglicher gelingen als in der Philosophie. Nicht zuletzt deshalb bemühen wir uns um die Vermittlung wissenschaftlicher Philosophie und die Pflege eines breit angelegten philosophischen Diskurses; außerhalb der Mauern der Universitäten, eine fachfremde Hörerschaft im Blick, aber dennoch auf akademischem Niveau. Ein Programm, das uns immer wieder vor intellektuelle Herausforderungen stellt. Im Versuch, eine solche Herausforderung zu bewältigen, nämlich eine Textgrundlage für den philosophischen Diskurs im Rahmen unserer alljährlichen Sommerakademie zu erarbeiten, ist das vorliegende Buch entstanden: ›Der Neubeginn der Philosophie: Über René Descartes ’Discours de la Méthode und die Meditationes de prima philosophia – Grundriss eines philosophischen Meisterwerks‹. Man kann es daher im Sinne einer Propädeutik lesen – als Vorbereitung zum Studium der beiden Originaltexte – aber auch als eine in sich geschlossene Arbeit, deren Anspruch es ist, das Denken des 1596 in Frankreich, in La Haye en Touraine, dem heutigen Descartes, geborenen und 1650 in Stockholm verstorbenen Philosophen René Descartes systematisch nachzuzeichnen und im Prinzip verständlich zu machen. Dementsprechend geht es hier nicht darum, dieses Denkgebäude kritisch zu durchdringen, als vielmehr darum, es im Sinne einer gewissen Vertrautheit ein erstes Mal zu begehen. Grundlage dieser Begehung sind die bei Felix Meiner erschienen Werke ›Descartes, René: Discours de la Méthode, Hamburg, 2011‹1 sowie ›Descartes, René: Meditationes de prima philosophia, Hamburg, 2008‹2. Die Behandlung sowohl der Methodenlehre (1637), mithin der Erkenntnis- bzw. Wissenschaftstheorie Descartes’, als auch der Meditationen3 (1641), mithin seiner Metaphysik, in ein und derselben Arbeit, ruht auf zwei Gründen auf: Einerseits lässt sich die Methodenlehre, die Descartes, weit über seine Zeit hinaus, berühmt macht, als Vorwort der Meditationen lesen und andrerseits, was philosophisch schwerer wiegt, ist sie deren unmittelbare methodische Voraussetzung. Denn insofern die Metaphysik, wie von Descartes intendiert, eine Fundamentalmetaphysik sein soll, und zwar im Sinne einer Grundlagenwissenschaft, die „nicht nur das eine oder andere spezielle Problem zu lösen, sondern die Grundlage aller Metaphysik, aller wissenschaftlicher Erkenntnis, ja […] aller menschlichen Erkenntnis“4 überhaupt zu legen hat, muss gezeigt werden, wie sie möglich ist. Und eben dies geschieht im ›Discours de la Méthode‹. Der ›Discours de la Méthode‹ – der Entwurf der Methode – und die ›Meditationes de prima philosophia‹ – die Reflexionen über die erste Philosophie – sind also miteinander verwoben, sodass es systematisch vernünftig erscheint, sie auch im selben Atemzug einer Behandlung zuzuführen.
Am Beginn eines jeden philosophischen Nachdenkens steht die Suche nach einem Drehpunkt, der das Zentrum dieses Denkens zu bilden vermag, von dem aus die Fäden der Analyse gesponnen aber auch verstehend zurückverfolgt werden können. War es beispielsweise in unserer Beschäftigung mit Gottfried Wilhelm Leibniz die Frage nach der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt, bei Immanuel Kant der Versuch die Metaphysik auf wissenschaftliche Beine zu stellen oder bei John Rawls der Gedanke an ein rational begründetes Fundament einer gerechten Gesellschaft, so ist es bei René Descartes der epochemachende, bis in die Gegenwart hinein nachklingende, alle bloße Nachahmung verwerfende und den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit markierende Neubeginn der Philosophie.5 Ein Neubeginn, der sich erstens in der Zurückweisung der ungeheuren epistemischen Sicherheit des Mittelalters samt der Philosophie seiner Autoritäten zeigt; der zweitens in einem Bruch mit der Antike besteht, vor allem mit der am Beginn der Neuzeit vorherrschenden Naturphilosophie Aristoteles’, wodurch drittens das Verhältnis von Ich, Welt und Gott, das in den Jahrhunderten des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit auf vielfältige Weise gedeutet wird, eine methodologisch fundierte und begrifflich präzise Gestalt annimmt; und von dem sich viertens, letztlich nicht überraschend, zeigen wird, dass er über die weiteste Strecke gar keiner war. Dementsprechend werden wir uns zunächst, noch bevor wir uns mit Descartes selbst beschäftigen, mit der Philosophie des Mittelalters auseinandersetzen, sowie daran anschließend mit den philosophiehistorischen Implikationen des Cartesianismus. Denn nur vor diesem Hintergrund lässt sich die außergewöhnliche Bedeutung Descartes’ für das moderne Denken, die Originalität seiner Philosophie und die Wirkmächtigkeit seiner beiden Hauptwerke ›Discours de la Méthode‹ und ›Meditationes de prima philosophia‹ angemessen verstehen; lässt sich aber auch der Eindruck vermeiden, die hier vorgelegte Descartes-Exegese wäre nur eine fragmentarische Wiederholung eines zusammenhanglos daherkommenden und längst der Vergangenheit angehörenden Stücks Philosophie.
§ 1.1 Die Philosophie des Mittelalters
Spricht man von der Philosophie des Mittelalters, so überspannt man einen Zeitraum des abendländischen Denkens von rund eintausend Jahren. Ein Denken, das mit dem Untergang des weströmischen Reichs (476) bzw. der Schließung der Akademie Platons durch Kaiser Justinian I. (529) anhebt und mit dem Beginn der Reformation (1517), dem Anbruch der sogenannten Neuzeit, endet. Eingebettet in die Patristik6 – die Zeit der Kirchenväter7 – (in etwa 2. bis frühes 8. Jahrhundert) und die Scholastik8 – die Zeit der Schulen und der methodischen Beweisführung – (in etwa 11. bis ca. Ende 13. Jahrhundert) gibt es kaum eine andere Epoche der philosophischen Weltdeutung, deren Charakteristik so klar zutage tritt, wie jene der Philosophie des Mittelalters. Seit Augustinus von Hippo9 (354-430), dem größten der Kirchenväter und Lehrer des Abendlandes, insbesondere aber seit Bischof Anselm von Canterbury (1033-1109), gehorcht sie dem Motto: „Wisse um glauben, glaube um wissen zu können.“10 Die Philosophie, die bis hierher die großen Fragen um Welt, Mensch und Gott allein vermittelst der Vernunft zu beantworten suchte, „verbindet sich in dieser Periode mit dem religiösen Glauben und er mit ihr […]“11. Wie sonst zu keiner anderen Zeit „der abendländischen Geistesgeschichte lebt hier eine ganze Welt in der Sicherheit über das Dasein Gottes, seine Weisheit, Macht und Güte; über die Herkunft der Welt, ihre sinnvolle Ordnung und Regierung; über das Wesen des Menschen und seine Stellung im Kosmos, den Sinn seines Lebens, die Möglichkeiten seines Geistes im Erkennen des Weltseins und in der Gestaltung des eigenen Daseins; über seine Würde, Freiheit und Unsterblichkeit; über die Grundlagen des Rechts, die Ordnung der Staatsmacht und den Sinn der Geschichte“12. Der Wucht dieser Sicherheit nichts entgegenzusetzen vermögend, tritt die Philosophie zurück, denn die Lösung ihrer genuinen Probleme ist keine Kategorie mehr; „sie waren schon gelöst durch den Glauben“13. Das, was auf dem Boden dieses Glaubens stehend ab jetzt ihre Aufgabe ist, und bis zum Ende des Mittelalters auch bleiben wird, ist nur noch die „Begründung, Verteidigung, Erläuterung, wissenschaftliche Analyse und Synthese“14 der Inhalte desselben. Mithin: Die Philosophie eine Magd der Theologie. Ein Befund, der auf den einflussreichen Benediktinermönch und Kirchenlehrer Petrus Damiani (1006-1072) zurückgeht, für den die reine Philosophie eine Erfindung des Teufels ist und die Gesetze der Logik – für die Philosophie von alters her das Maß aller Dinge – vor Gott ungültig. Historisch gesehen erscheint es daher nicht verwunderlich, dass die Eigenständigkeit des philosophischen Denkens dieser Zeit vielfach bezweifelt wird. Doch man darf die Bedeutung der Philosophie des Mittelalters trotzdem nicht verkennen:
Einmal bildet das Mittelalter die Brücke von der Antike zur Neuzeit. Es hat nicht nur die alten Codices abgeschrieben, hat damit nicht nur Wissen und Kunst der Antike aufbewahrt, es hat in seinen Schulen auch die Kontinuität der philosophischen Problematik aufrechterhalten. Die so grundlegende Thematik, z. B. um die Substanz, die Kausalität, die Realität, Finalität, Universalität und Individualität, Sinnlichkeit und Erscheinungswelt, Verstand und Vernunft, Seele und Geist, Welt und Gott, taucht nicht erst im Humanismus und der Renaissance wieder wie neu und unmittelbar von der Antike kommend auf, sondern wird den neuzeitlichen Philosophen vom Mittelalter her übergeben. […] Und schließlich ist das Mittelalter in vieler Hinsicht vorbildlich: Formal durch die logische Schärfe und Stringenz seiner Gedankenführung und den objektiven Charakter seiner Wissenschaftsauffassung, bei der die Person immer zurücktritt hinter die Sache.15
Und inhaltlich durch seine Lehre vom Naturrecht, seine Lehrsätze über die Substanz, die Realität, die Seele, die Wahrheit, die Menschenrechte, das Wesen des Staates usw., die einen unverlierbaren Wert darstellen und worauf sich das Denken der Neuzeit, wenn auch in kritischer Absicht, wie selbstverständlich bezieht.16 Die tief greifenden philosophischen Gedanken und Ideen der Neuzeit, nicht zuletzt diejenigen Descartes’, die unsere Geistesgeschichte auf fundamentale Art verändern werden, sind keine creatio ex nihilo, die voraussetzungslos aus dem Nichts entstehen, sondern es handelt sich, wie Ernst Cassirer sagt, um die Weiterbildung gewisser großer geistiger Grundmotive, „die einen so allgemeinen Gehalt in sich tragen, daß sie den Wechsel der Zeiten überdauern. Jede Epoche bildet neue, ihr Gemäße Formen für sie aus; aber in all diesen Formen kehrt doch ein bestimmter gleichartiger Gedankeninhalt wieder. Hier gibt es keinen Sprung und keinen plötzlichen Bruch“17. Verschaffen wir uns daher einen Überblick über die philosophischen Errungenschaften der Patristik einerseits und der Scholastik andererseits:18
§ 1.1.1 Die Patristik
Was sich in der Patristik zunächst spiegelt, ist das Spannungsverhältnis des jungen Christentums zur Philosophie: Man lehnt sie ab und re-etabliert sie. Abgelehnt wird sie, weil man die Philosophen, die Wahrheits- und Weisheitssucher, schlicht und ergreifend nicht mehr benötigt. Wahrheit und Weisheit sind nämlich keine relativen, flüchtigen Gegenstände mehr, derer man, wenn überhaupt, nur mit äußerster Anstrengung habhaft zu werden vermag, sondern absolut, ewig und von Gott geoffenbart: ›“Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben […].“19‹ ist in der Bibel zu lesen, und weiter: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“20 Denn „die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst aus. Und der Vater, der in mir wohnt, der tut seine Werke.“21 Mit derartigen Evidenzen ausgestattet verwundert es freilich nicht, dass auf philosophische Weltdeutung verzichtet werden kann. Ein erster konkreter Hinweis auf Descartes’ philosophischen Neubeginn, denn der Geist dieser ungeheuren epistemischen Sicherheit wird die Philosophie des Mittelalters nicht mehr verlassen und Descartes wird einer der ersten sein, der wieder zweifelt. Nichtsdestoweniger aber wird die Philosophie, um zum Thema zurückzukommen, re-etabliert, indem der Vernunft, als einem von Gott gegebenen Erkenntnisvermögen, zumindest ein teilweises Recht eingeräumt wird, und es beispielsweise bei Paulus (10-60), dem Apostel und Theologen, heißt: „Was von Gott erkennbar ist, das ist […] [den Ungläubigen]22 offenbar; Gott hat es ihnen kundgetan, läßt sich doch sein unsichtbares Wesen und seine ewige Macht und Göttlichkeit seit Erschaffung der Welt durch seine Werke mit dem Auge des Geistes wahrnehmen.“23 Ein Für und Wider, das sich fortsetzt. Justin der Märtyrer (100-165) beispielsweise, einer der ersten Kirchenväter und Verteidiger des Christentums, heute im Übrigen der Patron der Philosophen, ist unzufrieden mit den alten Philosophenschulen: „Die Stoiker wissen nichts von Gott, die Peripatetiker sind zu geldgierig, die Pythagoreer zu theoretisch, die Platoniker zu kühn in ihren Behauptungen – nur für die Christen ist die Wahrheit zur Wirklichkeit geworden.“24 Doch andererseits musste ein hinreichend allgemeiner Standpunkt bezogen werden, der für die zu bekehre...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Urheberrechte
  3. Zum Gebrauch der vorliegenden Abhandlung
  4. Inhalt
  5. § 1 Hintergrundüberlegungen
  6. § 2 Discours de la Méthode
  7. § 3 Meditationes de prima philosophia
  8. § 4 Der Neubeginn der Philosophie: Eine Rekapitulation
  9. § 5 Die Philosophie des René Descartes: Ein Fazit
  10. Literaturverzeichnis