Die Pastoralbriefe - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar
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Die Pastoralbriefe - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar

Treue in Dienst und Glauben

  1. 312 Seiten
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Die Pastoralbriefe - Ein heilsgeschichtlicher Kommentar

Treue in Dienst und Glauben

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Über dieses Buch

In den Pastoralbriefen schreibt Paulus seinen Mitarbeitern, wie sie ihren Dienst für Gott verstehen und ausführen sollen. Glauben, d. h. die vertrauensvolle Hinwendung zu Jesus Christus als Herr über Leben und Tod, als Heiland und Erlöser, steht bei Paulus immer in einem engen Zusammenhang mit der Dienstbereitschaft, denn aus dem Begreifen, wie das Verhältnis zwischen Christus und dem Menschen sein soll, erwächst unmittelbar das Handelnwollen für diesen Christus. Es geht ja um das Heil nicht nur der eigenen Person, das allumfassend die eigene Persönlichkeit voll und ganz erfassen und durchdringen soll. Es geht um das Heil Israels und aller Nationen, ja, der ganzen unerlösten Schöpfung.Die Treue in Dienst und Glauben hat demzufolge ein weites Spektrum an Lebenserfahrungen und ist Gefahren ausgesetzt, denen man sich bewusst werden muss. Dazu gehören auch die Forderungen der Traditionalisten, wie Paulus herausstellt. Seine Lehre über Gott und das Heil für die Menschen war eine andere als die der Juden. Mit der Konfrontation der neuen mit der alten Glaubensrichtung entstanden Konflikte, die bis zum heutigen Tag andauern und die zweitausendjährige Geschichte des Judentums mit dem Kirchenchristentum begleiteten.Paulus und seine Anhänger waren zunächst krasse Außenseiter und Störfaktoren im religiösen Getriebe ihrer Zeit, sie setzten jedoch Meilensteine zur Entstehung einer Weltbewegung.Paulus zu verstehen, ist indes der Schlüssel zum Verständnis der Heilsgeschichte Gottes.

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Information

Verlag
tredition
Jahr
2019
ISBN
9783749711345
Der erste Brief an Timotheus
Vorbemerkungen
In den Pastoralbriefen schreibt Paulus seinen Mitarbeitern, wie sie ihren Dienst für Gott verstehen und ausführen sollen. Glauben, d.h. die vertrauensvolle Hinwendung zu Jesus Christus als Herr über Leben und Tod, als Heiland und Erlöser, steht bei Paulus immer in einem engen Zusammenhang mit der Dienstbereitschaft, denn aus dem Glauben, dem Begreifen, wie das Verhältnis zwischen Christus und dem Menschen sein soll, erwächst unmittelbar das Handelnwollen für diesen Christus. Es geht ja um das Heil nicht nur der eigenen Person, das allumfassend die eigene Persönlichkeit voll und ganz erfassen und durchdringen soll. Es geht um das Heil Israels und aller Nationen, ja, der ganzen unerlösten Schöpfung. So jedenfalls sieht es Paulus. Glauben – das ist Lebenspraxis und Umsetzung der Nachfolge, die bei jedem etwas anders aussehen kann, weil die Berufenen verschiedene Gaben und Aufgaben haben. Treue – das ist die uneingeschränkte Zurverfügungstellung dessen, was man ist und hat für den Gott Israels und damit auch, weil man es sonst nicht könnte, die vertrauensvolle Hingabe.
Dies sagt sich auch deshalb so leicht, weil Paulus, wie alle, die seinem Vorbild gefolgt sind, eine unmittelbare Bestätigung der Richtigkeit dieses Weges bekommen hat. Ob man die im Eifer des Gefechtes immer gleich versteht und erkennt, ist wieder eine andere Sache. Dennoch gilt, das Gehen mit Christus geschieht nie allein und Christus hinterlässt Seine unverkennbaren Spuren im Werdegang des Menschen, der auch zunehmend bewusst gemacht worden sein wird.
Die Treue in Dienst und Glauben hat ein weites Spektrum an Lebenserfahrungen. Sie ist aber auch Gefahren ausgesetzt. Zu allererst Gefahren des Weges selbst. Im Falle von Paulus und seinen Gefährten waren vor allem Juden immer wieder als Widersacher erkannt worden. Sie waren in den kleinasiatischen und griechischen Gemeinden, als auch in Rom und in den übrigen Provinzen des Römischen Reiches die Hüter des Glaubens an den Gott Israels. Die Anhänger Jesu waren zunächst nur als Sektierer betrachtet worden. Daran änderte sich auch nichts, nachdem die Gemeinde um Jakobus, den Bruder Jesu, in Jerusalem beträchtlich angewachsen war und viele Sympathisanten bekommen hatte. Es war eine der ersten Prioritäten dieser Ortsgemeinde, die Juden in Jerusalem und Judäa und dann auch Samarien und Galiläa von ihrer Existenzberechtigung zu überzeugen. Darin waren sie nur mäßig erfolgreich. Jesus hatte ihnen das vorausgesagt (Mt 10,23).
Die Legitimität ihres Anliegens nachzuweisen gelang ihnen also nur teilweise. Ihre erste Errungenschaft war dabei gewesen, dass diese Glaubensrichtung überhaupt als Sekte geduldet war. Das wiederum konnte nur gelingen, weil die Jesusjünger sehr darauf bedacht waren, die Torah zu halten und ein gesittetes Leben zu führen. Man nannte das auch im Volksmund „Gerechtigkeit“. Wenn Jakobus zu den nichtmessianischen Juden sprach, sprach man die gleiche Sprache und Jakobus wurde verstanden, wenn er sagte: „Der Glaube, wenn er keine Werke hat, ist in sich selbst tot.“ (Jak 2,17) und „Der Glaube wirkt mit seinen Werken zusammen und der Glaube wird aus den Werken vollendet.“ (Jak 2,22) Das war damals bei den Juden gängige Meinung und geltende Glaubensmaxime und ist es bis zum heutigen Tag für orthodoxe Juden geblieben, denn das war die Lehre des Alten Testaments. Was die Gemeindemitglieder in Jerusalem, die auch nur das Alte Testament als geschriebenes Wort Gottes hatten, von den übrigen Juden unterschied, war der Glaube an Jesus Christus als Messias.
Ganz anders war die Verkündigung des Paulus zu bewerten. Man verstand ihn als Gegner der Beschneidung und der Torah. Dazu hatte man schwerwiegende theologische und von Gottes Wort her gestützte Einwände gegen die paulinischen Lehren. Darüber hinaus vertrat Paulus aber etwas, was für viele Juden vielleicht sogar noch schlimmer war. Paulus griff die Sonderstellung Israels, nach ihrem Verständnis, an, denn bisher konnte nur ein Jude in den Genuss der Verheißungen und der Bündnisse mit Gott kommen. *1 Paulus lehrte, dass ein Nichtjude kein Jude werden musste und kein Mitglied in der Gemeinschaft des israelitischen Volkes. Das war nicht hinnehmbar. Und das war auch genau der Punkt, der den Jüngern Jesu schwer verdaulich war. Das zeigen einige der Vorkommnisse, die in der Apostelgeschichte, aber auch in den Briefen von Paulus beschrieben werden. *2
Und so hatte Paulus mit den seinen einen Mehrfrontenkrieg auszufechten. Da waren die Heiden, die sich gegen diese Verleumdungen von Paulus, der ihre Götter als Taugenichtse darstellte, zur Wehr setzten; da waren die Behörden, die die öffentliche Ordnung zu schützen hatten, die Paulus mit seinen Reden gefährdete; und schließlich waren da die Juden, die in ihm einen Häretiker erkannten, der Unfrieden und Verwirrung in die Synagogengemeinden brachte, wobei es klar ist, dass es darunter messianische Juden gab, die Paulus als schärfste Gegner erkannte, denn sie vertraten den orthodoxen Glauben an Jesus Christus, so wie er schon seit Jahrzehnten von den Getreuen Jesu gelebt worden war.
Paulus war ein krasser Außenseiter und wurde von den meisten als Störfaktor betrachtet. Es wäre unerklärlich wie es dieser Mann mit seiner Hand voll Freunde geschafft haben konnte, die in der Entstehung begriffene Weltreligion so entscheidend mitzuprägen, wenn man nicht den Beistand, den er für sich behauptete, nicht wirklich gehabt hätte. Nicht die Briefe eines Bartholomäus oder Andreas oder Philippus sind erhalten geblieben, sondern eines Paulus.
Dass Paulus kein Gegner der Torah oder Beschneidung war, wie er immer wieder dargestellt worden war, blieb seinen Kritikern unverständlich. Das nicht zu verstehen, ist überhaupt ein Merkmal dafür, dass man heilsgeschichtlich keinen Horizont hat, unter dem man alles andere eingeordnet hat. Das erklärt die unendlich vielen christlichen Kirchen und Abspaltungen, deren Lehren im Vergleich zueinander wie Kraut und Rüben ins Feld schießen. Paulus zu verstehen, ist der Schlüssel zum Verständnis der Heilsgeschichte Gottes. Wer die Theologie des Paulus nicht verstanden hat, kennt Gott nicht so, wie Er erkannt werden will.
1.
Rechte Lehre, rechter Glauben
1 Tim 1,1-12
Paulus bezeichnet im ersten Satz im Brief an Timotheus Christus als Retter und Hoffnung. Das griechische „Elpis“ kann auch mit „Zuversicht“ oder „Erwartung“ übersetzt werden. * 3 Die „Hoffnung“ hat im Kirchenglauben einen Anklang von Bangigkeit. Man hofft, weiß aber nicht, wie berechtigt die Hoffnung ist. Die Kirchenchristen „hoffen“ dass sie in den Himmel kommen, sie hoffen, dass es bei ihnen ausreicht und dass sie nicht in die Hölle kommen. Das hat mit der biblischen Hoffnung ebenso wenig zu tun wie das biblische Glauben, griechisch „Pistis“, mit dem Kirchenglauben der zweifelnden Menschen. *4
So wie „Pistis“ eigentlich für „Vertrauen“ oder „Treue“ steht, sollte man auch in dem „Elpis“ eine „Erwartung“ sehen. „Elpis“ ist eine Erwartung von etwas, was sicherlich kommt. Eine Schwangere ist „in guter Hoffnung“, nicht etwa darüber, dass ein Kind geboren wird, denn das ist sicher. Die bange Frage ist nur, ob mit der Geburt alles gut geht. Und ob der ängstliche Erzeuger nicht vor Schwäche umfällt.
Die Kirchentradition hat sowohl Vertrauen in Gott als auch die Erwartung der Ankunft Jesu und das Vertrauen in die verlässliche Realisierung Seiner Worte verloren. Die Kirchen sind, wenn man ihnen ihre Verlautbarungen glaubt, wie Frauen mit einer eingebildeten Schwangerschaft, die hoffen, dass die Niederkunft gelingt. Wo nichts ist, kann auch nichts gelingen!
Eine gewisse Hoffnungslosigkeit in Bezug auf die echte Treue zu Gott, hat sich in den kirchlichen Glaubenspraktiken ebenso wie in ihren Theologien niedergeschlagen, die sehr düster und „hoffnungslos“, apokalyptisch negativ und traurig sind, und daher eben auch in ihren Bibelübersetzungen. Die Bibelübersetzer und die, die sich berufen fühlten, sie zu revidieren, gehören und gehörten ja immer auch einer bestimmten Glaubensrichtung an und so ist es erwartungsgemäß, wenn sie ihre persönliche Sichtweise in die Texte hineininterpretierten.
Man „glaubt“ jetzt nur noch und „hofft“. Man glaubt nur noch so ungefähr, dass das, was die Bibel sagt – wenigstens allegorisch ansatzweise – stimmt. Man hofft nur noch, dass alles gut wird mit einem oder mit Zweien. Die Kirchentradition hat Paulus schon bald nicht mehr verstanden, weil sie sowohl den „Glauben“ verleugnet und verändert hat, als auch die „Hoffnung“. Den Glauben verstand man nicht mehr wie Paulus und Jesus als enges Treueverhältnis zu Gott und in Christus. Eine kalte Ferne hat sich eingestellt. Und man verstand ihn auch deshalb nicht mehr so, weil man es ja auch nicht anders kannte. Man befand sich nicht in einem solchen Treueverhältnis, sondern in einem Traditionsverhältnis. Man war Kind der Kirche, nicht Kind Gottes. Wenn man zwei Auslegungs – und Übersetzungsvarianten hatte, wählte man die der Tradition, nicht die des Geistes Christi, weil man sich ihm entfremdet hatte. *5
Dass die zunehmende Entfremdung des Kirchenvolks mit dem Gott der Bibel keine Vermutung ist, belegt die Kirchengeschichte recht eindrücklich, so eindrücklich, dass viele Kirchengegner das als Grund für ihre Ablehnung des Christentums anführen. Die Kirche ersetzte schon sehr früh die nicht gegebene Beziehung zu Gott durch Ersatzbefriedigungen. Und so verlor die Kirche die frühe Erwartung der Wiederkunft Jesu auch sehr schnell, denn Er kam ja tatsächlich nicht. Und das hatten die Jünger Jesu ohne Zweifel erwartet. Aber nachdem Jahr um Jahr und schließlich Jahrzehnt um Jahrzehnt vergangen waren, begannen die theologische Aufarbeitung und die Suche nach den Gründen. Man konnte sich darin den Juden anschließen, denn die warteten im ersten Jahrhundert sehnsüchtig auf das erste Kommen des Messias. Die Christen erwarteten das zweite Kommen des Messias. Irgendwann war den Christen klar geworden: so schnell gibt es diese Rückkehr Jesu nicht. Zweitausend Jahre später glauben viele gar nicht mehr daran, dass Jesus überhaupt noch zurückkehrt. Sie sagen dann vielleicht noch höflich, wenn er nicht in dein Herz gekommen ist, kommt er gar nicht mehr. Und ganz falsch ist dieser Gedanke nicht.
Hat Paulus dieses zweite Kommen Jesu als Richter der Welt und Messias Israels gemeint, als er von seiner „Elpis“, Erwartung, redete? Für Paulus reichte die Bedeutung des Begriffes weit über das bloße körperliche Präsenz Jesu hinaus, denn ihm ging es in all seinen Briefen vornehmlich um die innerliche, geistliche Präsenz Jesu. Das ist die Erwartung, von der er immerzu redete, über den Christus „in uns“ und „in euch“. Und das passt auch zu dem Christus als „Soter“ und Retter. Doch bevor Jesu der Retter einzelner und aller Nationen wird, kommt Er doch zuerst als Messias Israels zu Seinem Volk Israel.
„Paulus begrüßt in seinem ersten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus mit einem Segenswunsch, den jeder, der damals in der Evangelisation war, gut gebrauchen konnte: „Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und von Christus Jesus, unserem Herrn!“ (1 Tim 1,2).
Paulus und die Mitarbeiter hatten bereits viele gefährliche Situationen wegen der Verkündigung des Evangeliums erlebt. Sie hatten Volksaufläufe verursacht, bei denen man ihnen verdeutlicht hatte, dass sie nicht erwünscht waren. Man hatte sie verflucht, geschlagen, eingesperrt. Wenn einem draußen auf den Straßen Krieg entgegenschlägt und es drinnen im Herzen stürmt, kann einen nur der Gott des Friedens aufrichten und durchtragen. Und wenn einen der Hass und die Ablehnung der Menschen niederdrückt, wird man nur durch die Gnade und Barmherzigkeit Gottes gestärkt und neu ausgerichtet.
Gnade, Barmherzigkeit und Frieden, das sind Wesensmerkmale Gottes, die im Alten Testament häufiger vorkommen als die meisten anderen Zeichen der Güte Gottes. Der „Frieden“, das ist der Schalom. Mit „Frieden“ ist das im Deutschen nicht ausreichend übersetzt. Der Schalom Israels ist nicht nur äußerer Frieden, dass man in Sicherheit vor Feinden und in Wohlergehen wohnt. Man muss ja vor allem seinen Frieden mit Gott geschlossen haben. Und das kann man nur, wenn man mit Ihm eins geworden ist. Die Israeliten hatten dazu die Torah, die ihnen das Ziel des Schalom vorgab. Es war eine Vorstellung eines vorläufigen Friedens bei ihnen, die sie zu leben versuchten, denn sie hatten allezeit ihre Feinde von außen. Sie vermochten die Segnungen der Torahfrömmigkeit nicht auszureizen und erzielten daher immer nur einen relativen Schalom, der sich von den Friedenshoffnungen anderer Völker nicht sehr unterschied.
Christus war im Grunde der erste Jude, der einen anderen Schalom verkörperte. Und der steht in einem engen Zusammenhang mit den anderen Wesensmerkmalen Gottes, weil sie eins mit der Person Gottes sind. Was Paulus dazu in seinen Briefen zu sagen hat, übersteigt noch einmal das, was von den anderen Aposteln überliefert ist. Und nur im Johannesevangelium gibt es eine Übereinstimmung der Friedensvorstellung des Schreibers und des Rufers mit dem, was Paulus im 1 Kor 15 den Korinthern über die Unterordnung der ganzen Schöpfung unter Christus zu sagen hatte (1 Kor 15,20-27). Johannes lässt dort Jesus über das Einssein mit Ihm und dem Vater reden (Joh 17,11.21ff)). Es wäre unverständlich, warum die Synoptiker Matthäus, Markus und Lukas diese wichtige Rede von Jesus ausgelassen haben, wenn man nicht wüsste, dass sie eine andere Aufgabe hatten als Johannes mit seinem verspäteten Bericht über das Leben Jesu.
Paulus greift also eigentlich das auf und macht es groß, was Jesus erst in Seinen letzten Tagen angesprochen hat. Er hat es aber als Bitte gegenüber dem Vater angesprochen wie ein politisches Vermächtnis. Wenn man an die nachfolgenden Ereignisse denkt und wie sich die Jünger Jesu dabei verhalten haben, muss man zu dem Schluss kommen, dass sie noch sehr weit davon entfernt waren, mit Jesus oder dem Vatergott eins zu sein. Einem wunderwirkenden Propheten, der alle mit seiner Weisheit und seinem Wissen in die Tasche steckt nachzufolgen, ist keine Kunst. Jede Bewegung, die aus kleinen Anfängen erwächst und sich halten will, muss irgend etwas zu bieten haben, was andere nicht haben. Die Lethargie und Bequemlichkeit des normalen Menschen kann nur aufgerüttelt werden, mit Absonderlichkeiten, die gewinnbringend erscheinen. Das Evangelium ist zweifellos eine Absonderlichkeit in der Welt. Aber es hat die Rettung vor der Ungewissheit des Postmortem anzubieten. Deshalb glauben so viele dem Evangelium, ohne wirklich bekehrt zu sein. *6 Normale Menschen wünschen sich nicht die Gnade und Barmherzigkeit und den Frieden Gottes. So zu reden wie Paulus redet, setzt eine ständige Vergegenwärtigung eines dringlichen Einswerdeprozesses mit Gott bzw. Jesus Christus voraus. Paulus war der Lehrer der Gnade Gottes. Er durfte mehr als jeder andere einen Blick auf die Länge und Weite der Gnade Gottes werfen. Nicht nur Israel und erst recht nicht nur ein Rest Israels wird das Heil erleben, sondern auch die Nationen. Niemand hatte zuvor so eine weite Vorausschau oder einen solchen Tiefblick auf und in die Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen. Daher kommt bei Paulus auch immer der Wunsch durch, dass doch jeder Mensch von dieser Gnade durchdrungen sei und sich nach Gottes Barmherzigkeit und Frieden ausstrecke. Niemand vor ihm, außer Jesus, konnte so kompetent über diese drei Merkmale Gottes nachdenken und reden. *7
Paulus weist gleich zu Beginn seines Briefes Timotheus an, sich nicht auf sinnlose Diskussionen und Streitfragen einzulassen (1 Tim 1,3-4). Er nennt Fabeln, Geschlechtsregister und Gesetzeslehren, also wieder menschliche Traditionen und falsches Schriftverständnis, bei dem vieles, was die Schrift auch sagt, weggelassen oder falsch ausgelegt wird. Das Vollendungsgemäße, d.h. das was auf die Vollendung des Planes Gottes zustrebt, ist „Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1 Tim 1,5). Die Lehre, die das beinhaltet und zur Mitte des Vorhabens Gottes hat, seine Liebe walten und zum Ziel bringen zu lassen, nennt Paulus „Vollendung aber der Anweisung“. Luther übersetzt hier mit „Hauptsumme aller Lehre“, Menge mit „Endziel der Heilsverkündigung“. Griechisch heißt es „telos tes parangelias“ „telos“ ist das Ziel, der Zweck, die Vollendung, „parangelia“ ist der Befehl, die Weisung, die Lebensregel. *8 Menge und Luther haben frei interpretiert. Die Liebe ist allenfalls eine von vielen Summen der Lehren und nur eines von vielen Zielen der Heilsverkündigung. Man überset...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrechte
  4. Inhalt
  5. Der erste Brief an Timotheus
  6. Der zweite Brief an Timotheus
  7. Der Titusbrief