Ein geschundener Frühling
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Ein geschundener Frühling

Prag 1968

  1. 92 Seiten
  2. German
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Ein geschundener Frühling

Prag 1968

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Über dieses Buch

Der 21 August 1968 in Prag steht für eine ungezügelte Großmacht- und Gewaltpolitik.Man kann die Ereignisse aber auch als Abschnitt auf dem Weg der Erosion von Macht sehen. Ein Schritt weiter, auf dem Weg bis zum Zerfall der Sowjetunion von 1991.

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Information

21. August 1968
Die Ferien hatten in der Nacht vom 20. auf den 21. August ein abruptes Ende. Mit dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes wurde das Modell des Prager Frühlings gewaltsam beendet.
In der Nacht wurden wir von Fluglärm, dem dumpfen Dröhnen der Transportflugzeuge, aus den Betten gerissen. In den frühen Morgenstunden überflogen in kurzen Abständen große, dunkle Truppentransporter das Stadtviertel. Im Morgengrauen konnte man aus dem Fenstern Kolonnen der einmarschierenden Soldaten beobachten. Die am Haus vorbei marschierenden Soldaten in ihren moosgrünen Uniformen machten einen lustlosen, wenig militärischen Eindruck.
Die Nachbarn sagten, es seien ungarische Truppen, die sich auf Befehl der Intervention anschließen mussten. Alle waren aufgeregt, kaum jemand wusste, was im Regierungsviertel vor sich ging.
Da der Rundfunk unterbrochen wurde, waren alle auf mündliche Informationen und Gerüchte angewiesen. Sie widersprachen sich mit jeder neuen Meldung. Bald hieß es, Dubcek sei festgenommen worden. Dann kam die Meldung, dass die alten Stalinisten wieder an der Macht seien, dann, der Westen würde die Intervention verurteilen. Die Nato Truppen wären in Alarmbereitschaft und die Grenzen seien offen. Kurz darauf hieß es, alle Übergänge wären geschlossen und streng bewacht, Es kamen auch Nachrichten über spontanen Widerstand der Bevölkerung gegen die Soldaten der Okkupanten. Nur durch die knappen Übersetzungen der Informationen sowie das Erleben der Sorge und der Befürchtungen meiner Freunde ließen mich die Lage spüren.
Der Prager Frühling hätte ohne die besondere Stellung der Medien wohl kaum so stattgefunden. Erwiesen ist, dass es den Redakteuren des Prager Rundfunks gelang, über die aktuelle Situation zu berichten.
Über die Ereignisse lässt sich heute auf der Seite des Radio Praha auf Deutsch nachlesen: http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/der-21-august-1968-und-der-tschechoslowakische-rundfunk
>In jenen ersten Stunden der Okkupation spielte der Rundfunk eine entscheidende Rolle. Die Kommunisten, die die Warschauer-Pakt-Truppen ins Land gerufen und gehofft hatten, eine neue, Moskau treue Regierung einzusetzen, wollten über den Rundfunk ihre Sicht der Dinge verbreiten und die Bevölkerung von der Richtigkeit des Einmarsches überzeugen. Außerdem wollten sie den Eindruck der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen verbreiten.
Die Redakteure des Rundfunks konnten jedoch über eine nicht gekappte Leitung die tatsächliche Stellungnahme der Regierung absetzen:
"Gestern, am 20. August 1968 gegen 23 Uhr haben Truppen der Sowjetunion, der Polnischen Volksrepublik, der Deutschen Demokratischen Republik, der Ungarischen Volksrepublik und der Bulgarischen Volksrepublik die Staatsgrenzen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik überschritten. Dies geschah ohne das Wissen des Präsidenten der Republik, des Vorsitzenden der Nationalversammlung, des Regierungsvorsitzenden und des Generalsekretärs des ZK der Partei. Das Präsidium des ZK der KPC erachtet den Akt der Besetzung als widersprechend nicht nur den Grundprinzipien der Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten, sondern auch als eine Bestreitung der Grundnormen des internationalen Rechts."
Damit hatte der Rundfunk denjenigen, die den Prager Frühling beenden und eine neue, auf Moskauer Kurs eingeschworene Regierung mit Gewalt einsetzen wollten, einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Panzer auf dem Wenzelsplatz
Am 21. August morgens stellte sich die Situation für mich verwirrend und aufregend dar. Der Appell von Herrn und Frau Hlava, lieber im Haus zu bleiben und die Entwicklung abzuwarten, nützte nichts und hielt mich nicht davon ab, in die Stadt zu gehen. Mit Ivo verließ ich das Haus, wir verloren uns jedoch bald im Gedränge. Eine große Menge Menschen strömte in die Innenstadt. Inmitten dieser gelangte ich bis zum oberen Teil des Wenzelsplatz, nicht weit vom Nationalmuseum entfernt.
Weder Befürchtungen noch Ermahnungen hielten mich davon ab, auf die Straße zu gehen, um die sich überschlagenden Ereignisse mitzuverfolgen. Ich tat dies aus Aufregung, Befürchtung und Neugier. Aus diesem Grund hatte ich auch meine Kamera mitgenommen und konnte Aufnahmen machen.
Prager Bürger am 21. August der Weg zum
Wenzelsplatz
Die Menschen kamen aus allen Stadtvierteln und Fabriken und begaben sich zum Zentrum der Stadt: dem Wenzelsplatz.
© Foto Wolf Stikklas
Der Protestzug wuchs. Bürger, Büropersonal, Mitarbeiter aus Kaufhäusern und Arbeiter schlossen sich an.
© Foto Wolf Stikklas
Busse und überladene LKWs mit protestierenden Arbeitern, ausgerüstet mit tschechischen Fahnen und Plakaten, fuhren auf den Wenzelsplatz zu. Der Platz füllte sich in Kürze mit immer mehr Leuten, bald war kein Durchkommen mehr möglich.
Der Wenzelsplatz füllte sich mehr und mehr mit Menschen
Die Prager waren weder eingeschüchtert noch verängstigt. Sie machten einen entschlossenen Eindruck, diskutierten die Lage und brachten ihren Protest deutlich zum Ausdruck.
© Foto Wolf Stikklas
Zorniger Protest
Dieser Protest war, soweit ich es verfolgen konnte, zwar voller Zorn, jedoch seitens der Prager Bürger gewaltlos. Aus verschieden Teilen der Stadt wurde von Barrikaden berichtet, die von Panzern mühelos überrollt wurden.
Ankunft der Panzer
© Foto Wolf Stikklas
In den darauffolgenden Minuten erreichten russische Panzer den Platz und drängten die Leute beiseite. Nachdem sie vor dem Nationalmuseum aufgefahren waren, kamen die Kolonnen zum Halt.
T54
Die Kampfpanzer der T54 Klasse boten, trotz der harmlos klingenden Bezeichnung „Panzer der Schildkrötenklasse“, ein angsteinflößendes Bild. Der Name „Schildkrötenklasse“ bezog sich auf den Turm der Panzer. Für Betrachter wirkte er wie ein umgedrehter Topf, diese gerundete Form sollte feindlichen Beschuss ablenken. Ein weiteres Merkmal war die eigenartige Beladung der Panzer mit Fässern aus Stahl. Offensichtlich enthielten sie Treibstoff, um auch eine Weiterfahrt der Kampfmaschinen zu ermöglichen und um ihren Radius auszuweiten. Das Bild der Panzer auf dem Wenzelsplatz, umringt von Zivilisten, hat sich heute im kollektiven Gedächtnis weltweit verfestigt.
© Foto Wolf Stikklas
Der Wenzelsplatz unter der Kontrolle der Sowjetarmee
© Foto Wolf Stikklas
Den Platz beherrschten nun russische Panzer mit laufenden Motoren. Sie ließen die Straße mit ihren Abgasen vibrieren, legten sie, in einem Schleier aus Qualm und Ruß, um den Platz. Noch konnte man sich den Tanks bis auf wenige Meter nähern. Unerschrockene junge Tschechen waren inzwischen auf die Panzer geklettert, sie versuchten, so konnte ich sehen, mit den Panzerfahrern zu sprechen.
Die Panzerbesatzungen waren ebenfalls sehr jung, teilweise vermittelten sie einen verunsicherten Eindruck.
Wie später in der deutschen Presse nachzulesen war, hatten sie den Befehl, Prag vor einer vermeintlich drohenden westdeutschen Invasion zu schützen. Dieser Widerspruch zwischen Erlebtem und den Befehlen war wohl Grund für ihre spürbare Verunsicherung.
Dass es sich um keine Rettungsaktion, sondern um eine militärische Invasion handelte, war auch für die jungen Panzersoldaten inzwischen offensichtlich. Beherzte junge Männer waren auf die Panzer geklettert. Dass Zivilpersonen die Panzer bestiegen und mit den Besatzungen auf Russisch sprachen, damit hatten die Invasoren nicht gerechnet. Sie versuchten, den Soldaten klar zu machen, dass weder Nato Truppen noch sonst jemand die Freiheit der Tschechoslowakei bedrohte. Es wären ihre Panzer, die die Souveränität des Landes niederwalzten. Die Russen befürchteten, dass die Panzerkletterer die Treibstofffässer aufschlagen und öffnen könnten. Aus dieser Befürchtung heraus sollten die Umstehenden vertrieben werden.
Der Protest nahm zu und die Stimmung wurde aggressiver.
Auf dem Wenzelsplatz spitzte damit sich die Situation im Verlauf immer weiter zu. Bedrohlich wurde es dann, als Männer versuchten, die auffälligen, außen angebrachten Treibstofftanks zu öffnen und den auslaufenden Diesel zu entzünden. Hierauf änderte sich die Lage in Sekunden.
© Foto Wolf Stikklas
Auf einen neuen Befehl hin begannen nun mehrere Panzer anzufahren und mit ihren Bordmaschinengewehren zunächst in die Luft und dann auf die Fassaden der umstehenden Gebäude zu schießen. Mit anderen Demonstranten und Beobachtern der Ereignisse rannten wir auf die offenstehenden Hauseingänge zu, um nicht von den Kugeln, Querschlägern und splitternde...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Prag im August
  5. Einleitung: Das Jahr 1968
  6. Meine Einladung nach Prag
  7. Die Vorgeschichte
  8. 1968 Ein globales Wendejahr
  9. Der tschechische Frühling
  10. Meine Ferienpläne für den Sommer
  11. Die Drohung
  12. 21. August 1968
  13. Danach