20 BEISPIELE FÜR NEUES DENKEN
Um sich konkretere Vorstellungen über das neue Denken machen zu können, werden hier 20 Beispiele vorgestellt. Dazu werden Begriffe ausgewählt, die in unserem alten Denken eine zentrale und wichtige Bedeutung haben:
1. Intelligenz
2. Reichtum
3. Armut
4. Demokratie
5. Zeit
6. Bildung
7. Zukunft
8. Familie
9. Freiheit
10. Sicherheit
11. Energie
12. Problemlösen
13. Politik
14. Macht
15. Gesundheit
16. Gehirn
17. Selbstbewusstsein
18. Werte
19. Es
20. Neu denken.
BEISPIEL 1: INTELLIGENZ
Vor ca. 50 Jahren war man besonders intelligent, wenn man mathematische, mechanische, logische und semantische Prüfungsaufgaben überdurchschnittlich schnell lösen konnte. Wenn der Prüfungskandidat aber im Intelligenztest dem Prüfer Gegenfragen stellte, (so wie ich damals: „Soll ich Ihre Frage so … oder so … verstehen?“, „Wäre die Antwort … auch richtig?“, „Warum haben Sie die Frage so formuliert?“), dann kostete das Zeit und wertvolle Punkte. Man bekam als abschließende Beurteilung: „Du hättest einen höheren IQ bekommen, wenn Du nicht so viele Fragen gestellt hättest.“ Leider hatte ich nicht nur zu viele Fragen gestellt, sondern mir auch zu viele Lösungsmöglichkeiten überlegt. Überspitzt formuliert bedeutete das, dass man damals besonders intelligent war, wenn der Dressureffekt der Schulbildung besonders erfolgreich war, gemäß dem Prinzip: „Du sollst nicht denken, sondern nur das antworten, was der Prüfer hören will.“ Dieses Prinzip wird auch heute noch an Schulen und Universitäten gepflegt.
Intelligenz wird gemessen in Intelligenztests, die von Menschen erfunden wurden, die sich selbst für intelligent halten. Das offenbart einen unintelligenten Zirkelschluss. Der in den Tests ermittelte Messwert für Intelligenz, der sog. Intelligenzquotient, bewirkt, dass immer die Hälfte der Menschen als unterdurchschnittlich intelligent gilt, unabhängig davon, wie hoch das allgemeine Intelligenzniveau ist. Wie intelligent dieser Test ist, kann mit neuem Denken hinterfragt werden.
Bereits 1923 formulierte der US-Psychologe Edward Boring die durchaus ernstgemeinte Definition: „Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst“. Das wird auch aktuell bestätigt vom weltweit größten Verein für hochbegabte Menschen „Mensa“106. Diese Definition hat allerdings die gleiche einschränkende Aussagekraft wie der hypothetische Satz: „Sehen ist das, was der Sehtest misst.“ Wenn dieser Satz gelten würde, dann könnten wir nur Buchstaben, Ziffern
oder durchbrochene Kreise
sehen bzw. erkennen.
Die Kritiker der ersten Intelligenztests vermissten schon damals eine Wertschätzung von Phantasie und Ideenreichtum. Auch heute haben Intelligenzquotienten immer noch zu wenig mit Genialität oder Kreativität zu tun, weil es dafür keine quantitativen Messmethoden gibt.
Das alte Prüfkriterium, das neben dem Intelligenztest immer noch die breiteste Anerkennung bekommt, ist der Erfolg der Probanden in Schule und Beruf, gemessen am späteren Prestige und Einkommen. Auf diese Weise bleibt die Fähigkeit, das griechisch-römische Denken (Sicherung von Macht, Profession, Geld, Hab und Gut) möglichst fehlerfrei und schnell zu reproduzieren, auch heute noch der gängigste Qualitätsmaßstab für Intelligenz.
In den 80er Jahren entstand ein Bewusstsein dafür, dass Intelligenz vielmehr in verschiedenen Formen existiert. Der US-amerikanische Erziehungswissenschaftler Howard Gardner entwickelte das Modell der sog. multiplen Intelligenzen107:
- sprachlich-linguistische Intelligenz
- logisch-mathematische Intelligenz
- musikalisch-rhythmische Intelligenz
- bildlich-räumliche Intelligenz
- körperlich-kinästhetische Intelligenz
- naturalistische Intelligenz
- interpersonale Intelligenz
- intrapersonelle Intelligenz
- spirituelle Intelligenz.
Einige dieser neun Intelligenzen von H. Gardner wurden und werden in streng voneinander getrennten Schulfächern herausgebildet. Fächerübergreifend denkende Pädagogen konnten sich mit Gardners erweiterten Intelligenzmodell gut anfreunden und entwickelten einen fächerverbindenden Unterricht108. Die akademischen Intelligenzforscher konnten dieses Modell der multiplen Intelligenzen jedoch nicht akzeptieren. Sie vermissen eine durchgängige quantitative Messbarkeit, die sie bislang nur für die ersten beiden Intelligenzen entwickelt haben. Sie streiten auch heute noch weltweit um ein gemeinsames Verständnis über die allgemeingültigen Grundlagen der Intelligenz und ihrer Messmethoden.
Aus meiner persönlichen Sicht fehlt in Gardners Theorie eine ganz besondere Form der Intelligenz, nämlich eine Meta-Intelligenz, die fähig ist, die o.g. neun Intelligenzen miteinander zu verknüpfen. Sie kann kombinatorisch mehrere Intelligenzen zu einer Komposition zusammen führen, die etwas Großartigeres hervorbringt, als die einzelnen alleine vermögen. Man könnte sie auch systemische Intelligenz nennen. Sie wäre eine besonders wertvolle Form des neuen Denkens. Ihre Aufgabe ist nicht, auf hierarchisch höherer Ebene herauszufinden, welche der neun Intelligenzen den höheren Intelligenzquotienten verdient, sondern zu klären:
- welche Probleme dadurch entstehen, dass wir den bisher messbaren Intelligenzen eine so hohe Bedeutung beimessen,
- wie man aus dem Wissen von verschiedenen – und ggf. widersprüchlichen – Intelligenzen etwas Übergeordnetes und Konstruktives generieren kann, was die einzelnen nicht können, wie z.B. eine kollektive Intelligenz,
- ob es etwas geben könnte, das intelligenter / geistreicher / scharfsinniger / kreativer / weiser ist als die Intelligenz, wie wir sie uns derzeit vorstellen. Denkbar wäre z.B. eine Weisheit von außerirdischen Wesen, deren Entwicklungsstufe bei Weitem fortgeschrittener ist als die der Erdenmenschen. Wir sollten nicht selbstherrlich davon ausgehen, dass wir – was unsere Weisheit betrifft – bereits das Ende der Geschichte erreicht haben. Diesen Fehler haben schon viele Generationen vor uns gemacht. Wir sollten also nicht nur demütig sein sondern auch neugierig auf die Mängel unserer heutigen Intelligenz, die vielleicht – und hoffentlich bald – aufgedeckt werden.
Das sollte zum Ziel haben, dass der rasante Fortschritt nicht nur in der materialistisch-technischen Welt funktioniert, sondern auch in der ideell-geistigen Erkenntnisfähigkeit.
BEISPIEL 2: REICHTUM
Reichtum bedeutet für die meisten Menschen einen Überfluss an Geld und Besitz. Diese Assoziation mit materiellen Gütern ist überwiegend kulturell bedingt und deshalb eingeengt – oder härter formuliert: engstirnig. Das Streben nach Reichtum scheint für die Allgemeinheit der einzige oder beste Weg zu sein, eine möglichst hohe Lebensqualität, ein Glücklichsein und ggf. mehr Macht zu erreichen. Viele erbringen dafür große Opfer (Strapazen, Schmerzen, Trennung, Sorgen, Sucht, etc.), ohne jemals die erträumten Segnungen des Reichtums zu erfahren.
Wer aber eine Freiheit in seinem Denken hat, der kann mit der Vorstellung von Reichtum auch nicht-finanzielle bzw. ideelle Werte in Verbindung bringen, wie z.B. Reichtum an:
- Gesundheit
- Bildung, Lebenserfahrung, Fähigkeiten, Talente
- Arbeit
- Selbstwertgefühl
- Würde
- Anmut, Liebenswürdigkeit
- Güte, Liebe
- Vertrauen
- Tatkraft, Mut
- Kreativität, Phantasie, Ideen
- Zuversicht
- Freude, Heiterkeit, Humor
- Natur
- Zeit, Freizeit
- Frieden
- Stille
- Weisheit
- Sinn.
Mit diesen Vorstellungen empfinde ich mich als ein besonders reicher Mensch. Von meinen Reichtümern kann ich abgeben, ohne ärmer zu werden. Außerdem besteht für mich ein besonderer Reichtum darin, dass es jede Menge von Denkarten gibt. Insofern hat mich die Arbeit an diesem Buch persönlich sehr reich gemacht.
Dieser Reichtum an Denkarten könnte prinzipiell jedem Menschen kostenlos zur Verfügung stehen. Wenn man nun bedenkt, dass unsere Erde außerdem einen noch nie dagewesenen Reichtum an Menschen hat, dann müsste doch irgendwo auf der Welt ein Denken entstehen können, wie man Kriege, Verhungern, Folter, etc. verhindern kann! Irgendwo auf dieser Welt? Warum nicht hier? Mit diesem Buch? Zusammen mit einem Leser, einer Leserin, oder mit vielen? Dieses neue Denken wäre der allergrößte Reichtum, den die Menschen je erschaffen konnten. Das würde eine neue Entwicklungsstufe des homo sapiens einleiten.
BEISPIEL 3: ARMUT
Ich könnte diesen Absatz über Armut – ganz analog zum vorigen Absatz über Reichtum – beginnen mit der alten Vorstellung von Armut bezüglich Geld, Essen und Besitz. Diese Vorstellung entsteht aus der Sicht eines wohlsituierten Mitteleuropäers. Aus der Sicht eines Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis könnte man feststellen, dass wir Mitteleuropäer auch an Armut leiden: wir seien arm an Zeit, an Verbundenheit mit der Natur, Sozialkontakten, Kindern, Lebensfreude, Blick für das Wesentliche.
Welche A...