Vorformen zünftlerischen Denkens und Handelns in der Antike
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Vorformen zünftlerischen Denkens und Handelns in der Antike

Insbesondere in Babylonien und in Judäa

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Vorformen zünftlerischen Denkens und Handelns in der Antike

Insbesondere in Babylonien und in Judäa

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Über dieses Buch

In Publikationen zur Geschichte der Berufserziehung wird für den Beginn des zünftlerischen Denkens und Handelns frühestens das 12. Jahrhundert n. Chr. festgelegt. Ungeachtet dessen finden sich Vorläufer zünftlerischen Denkens und Handelns bereits in der Antike, insbesondere zeigen dies die hier vorgestellten Beispiele Babyloniens und Judäas.

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Information

1 Berufsausbildung in Babylon

Bereits um 1700 v. Chr. gab es in Babylonien ein nach König Hammurabi 1 benanntes Gesetzeswerk, das in 280 Paragraphen nicht nur das gesamte Straf-, Zivil- und Handelsrecht umfasste, sondern auch eine Rechtsgrundlage für die Berufsausbil- dung - eine Art “Berufsbildungsgesetz” - darstellte 2.
Wie im Berufsbildungsgesetz unserer Tage finden sich in der Gesetzesstele Hammurabis Vorschriften über den Abschluss und die Unterzeichnung von Lehrverträgen; auch waren die Ausbildungszeiten für freie und unfreie Lehrlinge genau festgelegt, wie überhaupt die Abfassung von Arbeitsverträgen eine erstaunlich große Rolle im altbabylonischen Recht spielte. So heißt es im § 274 der Gesetzesstele Hammurabis:
“Wenn ein Bürger einen zünftigen [Hervorhebung vom Verfasser] Handwerker jeweils mietet, so [gi] 3 bt er als Miete eines [...] 5 Gran Silber,
als Miete eines Ziegelstreichers 5 (?) [ Gran Sil ] ber,
als M [ iete eines Leinenw ] ebers (?) [ Gran ] Silber,
[ als Miete eines Siegelschn ] eiders (?) [ Gran Silber],
[ als Miete eines Juwe ] liers (?) [ Gran Si ] lber,
[ als Miete eines Schm ] iedes (?) [ Gran Si ] lber,
[ als Miete eines ] Tischlers 4 (?) Gran Silber,
als Mieter eines Lederarbeiters [ ... ] Gran Silber,
als Mieter eines Rohrarbeiters [ ... ] Gran Silber,
als Miete eines Baumeisters [ ... ] Gran Silber [ an ] 1 [ Tage ]” (Eilers 1932, S.52f.).
Tagelöhnern wurde weitaus weniger bezahlt. Sie erhielten nur ungefähr 1/50 eines Sekels, dem ein Wert von 8 g Silber entsprach, also 0,16 g Silber. Der Warenaustausch erfolgte durchweg auf der Grundlage der Silberwährung. Abgaben konnten auch in Naturalien geleistet werden. 1 Gur (d.h. 120 l) Getreide oder Datteln entsprach dabei einem Sekel. Münzen waren noch unbekannt (vgl. Schmökel 1958, S. 18 und 20).
Die gesetzliche Verankerung solcher Arbeitsverträge weist dem Handwerk in Babylonien eine besondere Bedeutung zu. Es wurde hoch geachtet, galt geradezu als eine göttliche Einrichtung, und war, ähnlich wie im Mittelalter, in Gilden bzw. Zünften organisiert (vgl. Historia Mundi 1953, S. 315). Wir dürfen davon ausgehen, dass die straffe Organisation dieser “Zünfte” und ihre planmäßige Einordnung in das Wirtschaftsleben als eine wichtige Regierungsaufgabe betrachtet wurde (vgl. Schmökel 1958, S.18).
Die gesellschaftliche Struktur Babyloniens lässt sich aus den verfügbaren Quellen nicht genau feststellen. Von einer Adelsschicht in der uns geläufigen Auffassung kann wohl nicht die Rede sein. Die Höhe der sozialen Stellung eines jeden richtete sich jedenfalls nicht nur nach seiner Herkunft, sondern in hohem Maße nach seiner beruflichen Stellung (vgl. Historia Mundi 1953, S. 315).
Der Beruf des Vaters entschied letztlich über den sozialen Status seiner Nachkommen; denn die Tradierung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten geschah meist innerhalb der Familie (vgl. Schmökel 1958, S. 18). Für Ausnahmefälle - etwa wenn kein leiblicher Nachkomme vorhanden war - ermöglichten die §§ 188 und 189 der Gesetzesstele Hammurabis die Adoption:
“ § 188: Wenn ein Gildenhandwerker einen Sohn als Ziehkind angenommen hat und ihm sein Hand-werk beibringt, so kann dies nicht vindiziert werden; § 189: Wenn er ihm nicht sein Handwerk beibringt, so kann dieses Ziehkind ins Haus seines Vaters zurückkehren” (Eilers 1932, S. 44f.).
Somit können wir an der Berufsausbildung Altbabyloniens bereits typische Ausprägungen dessen erkennen, was uns später, bei der Betrachtung des mittelalterlichen Zunftwesens, erneut und in noch deutlicherer Konturierung begegnen wird:
1. Die göttliche Abkunft allen beruflichen Tuns, die als früher Vorläufer des als Vocatio, gleichsam als ein Aufruf Gottes, erlebten Berufsverständnisses des Mittelalters angesehen werden kann,
2. die ständische Gliederung der Gesellschaft, zu deren Fortbestehen,
3. die zunftartige Gliederung in Berufsgenossenschaften beiträgt, und schließlich
4. die außerordentliche Bedeutung der Familie als Trägerin der beruflichen Erziehung.
Der Eintritt in das Berufsleben, sofern er nicht aufgrund eines normalen Kindschaftsverhältnisses geschah, so sagt uns § 188 der Gesetzesstele Hammurabis, führte auch damals zugleich in das Haus und die Tischgemeinschaft des “Meisters”; § 189 der Gesetzesstele gibt uns ferner den wichtigen Hinweis, dass mit der Aufnahme eines “Lehrlings” in die häusliche Gemeinschaft die Pflicht verbunden war, dem “Lehrling” sein Handwerk beizubringen. Wir können diese Textstelle als eine erste ausdrückliche Anweisung zu einer ordnungsgemäßen Berufsausbildung verstehen. Über die innere Ausgestaltung, die methodische Handhabung solchen beruflichen Lehrens wird uns jedoch nichts überliefert. Wir können nur annehmen, dass es sich weitgehend um ein Imitationslernen gehandelt haben wird, bei dem der Lernende durch Zuschauen und Mittun, aufgrund okkasionell sich vollziehender Lernprozesse, seine beruflichen Fähigkeiten erwarb. Ähnliches dürfte auch für die Berufsausbildung der Hebräer gelten, deren nähere Betrachtung aufschlussreich sein wird, weil die Hebräer, als geographische Nachbarn und während des babylonischen Exils von der damals in Babylonien bestehenden Kultur mit beeinflusst worden sein dürften. Abgesehen davon wird auch die vom christlichen Ethos getragene Berufsausbildung des Mittelalters der Überlieferung alttestamentlichen Brauchtums eine Reihe von Impulsen verdanken.

2 Berufsausbildung in Judäa

Unsere Kenntnis des jüdischen Handwerkerlebens stützt sich im wesentlichen auf Aussagen des Alten Testamentes und auf den Talmud, der die Gesetze des jüdischen Lebens sammelt und reflektiert. 4 Direkte Rückschlüsse auf spezielle Ausbildungsmaßnahmen können aus diesen und weiteren uns zugänglichen Schriften (siehe z.B. Kalischer, 1912) nicht abgeleitet werden. Die vorliegenden Texte lassen jedoch Auffassungen, Sitten und Gebräuche erkennen, die den Gepflogenheiten des mittelalterli-chen Zunftwesens bereits recht nahe kommen.

2.1 Die göttliche Abkunft allen beruflichen Tuns

Weil das Handwerk als ein unmittelbarer Ausfluss göttlichen Geistes galt (vgl. Kalischer 1912, S. 594), war alle Arbeit eine gegen Gott zu übende Bundespflicht der Israeliten (vgl. ebd., S. 583). Der erste von Gott namentlich berufene Handwerker war Bezaleel:
“Siehe, ich habe mit Namen berufen Bezaleel, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamme Juda, und habe ihn erfüllt mit dem Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit allerlei Geschicklichkeit, kunstreich zu arbeiten an Gold, Silber, Erz, kunstreich Steine zu schneiden und einzusetzen, und kunstreich zu zimmern an Holz, zu machen allerlei Werk.” (2. Mose; 31, 2 - 5).
Damit war theologisch der Weg zu einer positiven Wertung der Arbeit geebnet, und es leuchtet ein, dass der theozentrische Aspekt der Berufsarbeit im Alten Testament besonders stark hervortritt (vgl. Auer 1966, S. 36). Der arbeitende Mensch war gleichsam Nachahmer der Schöpfertätigkeit Gottes und dessen Treuhänder. Vom Salbenmischer wird das ausdrücklich bekundet: Er “fertigt Salben, damit Jahwes Schöpfungswerk kein Ende nehme” (Sirach 38, 89). Im Gegensatz zur hellenistischen Auffassung über die Handarbeit genoss das Handwerk aufgrund seiner göttlichen Weihe bei den Israeliten ein so hohes Ansehen, dass selbst der Hohepriester aus dem Handwerkerstand hervorgehen durfte (vgl. Kalischer 1912, S. 600 und 605). Nur wenige Handwerke waren davon ausgenommen, nämlich solche, bei denen man die Gefahr der Versuchung zu einer sittlichen Verfehlung unterstellte. Sie galten als Leute, die ihre Auftraggeber zu prellen suchten (vgl. Kidduschin 82; ). Mehr als hundert Rabbinen, die der Talmud nennt, waren zugleich Handwerker und führten Handwerkernamen (vgl. Delitzsch 1879, S. 77 un...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Titel
  4. Inhalt
  5. Über den Autor
  6. 1 Berufsausbildung in Babylon
  7. 2 Berufsausbildung in Judäa
  8. 3 Handwerkstypische Ausbildungsformen in den Zünften
  9. Fußnoten
  10. Literatur