TEIL 1
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“If you ask why, you will never understand” ist ein Zitat aus dem Buch “Bis zum Äussersten”1 von Bennie Lindberg. Es hat nichts mit Portallösungen, Microsoft Technologien oder IT überhaupt zu tun, aber mir gefällt der Spruch und der Gedanke dahinter. Nicht zuletzt hat es auch einen Bezug zu diesem Buch hier. Wenn Sie sich beim Lesen des Buchtitels, diesem Vorwort oder beim Inhaltsverzeichnis fragen, was das hier alles soll, dann macht es wenig Sinn, weiterzulesen. In diesem Fall trotzdem Danke für’s Kaufen sowie das Interesse am Buch und dem Thema und weiterhin viel Glück und Erfolg.
Seit über 10 Jahren beschäftige ich mich mit Portallösungen und Webtechnologie im Microsoft Umfeld. In dieser Zeit habe ich … blablabla.
Nein, also jetzt nochmal richtig. Sie hätten dieses Buch nicht gekauft, wenn Ihnen nicht schon zu oft ein Vortrag, der genau so anfängt, gehalten worden wäre.
Unternehmen geben Hunderttausende und Millionen von Euro für webbasierte Lösungen aus. So weit so gut. Qualität kostet eben, das ist allgemein bekannt.
Das Entscheidende sind nicht die Kosten, die entstehen – obwohl: zusehends ist sicherlich auch das ein Aspekt, vor allem wenn man die Halbwertszeit solcher Lösungen betrachtet. Das Problem ist, dass trotz all der Mühe, Zeit und der Geldmittel, die investiert werden, am Ende leider häufig ein Produkt steht, das nur mäßig gut ankommt.
Auch zu diesem Thema gibt es Bücher, HowTo-Videos, Seminare und Wunderheiler wie Sand am Meer, und wie bei fast allen Themen gibt es auch hier Ratgeber und Trainer, die wirklich gut sind und nicht nur eine Methode predigen bzw. nachplappern, sondern diese Disziplin wirklich beherrschen.
Wenn Sie es also schaffen, Zeit, Geld, das richtige Konzept, Managementunterstützung, Ressourcen, IT, Entwicklung, Chancenmanagement und die richtigen Berater auf den Punkt zusammen zu bringen, haben Sie eine durchaus realistische Chance, ein erfolgreiches Portalprojekt umzusetzen. Als Berater sollten Sie versuchen, Bill Gates, Steve Jobs, Alfred Hitchcock, Mister Spock, Captain Kirk, Sigmund Freud, Dr. Eckart von Hirschhausen, Harald Lesch, Mary Poppins, Helmut Schmidt und noch ein paar andere herausragende Persönlichkeiten in ihrem Projektteam zu vereinen. Mal abgesehen davon, dass es einige von denen gar nicht oder nicht mehr gibt - wäre auch das wahrscheinlich kein Garant für einen Erfolg. Nicht zuletzt deshalb, weil diese Leute sich wahrscheinlich ziemlich schnell in die Haare bekämen. Man stelle sich nur mal Mister Spock und Steve Jobs zusammen an einem Tisch vor.
Also, wie nun?! Naja, warum nicht in der IT auch endlich mal einen Ansatz wählen, der in anderen Bereichen der Industrie schon lange erfolgreich als „Berater“ zum Einsatz kommt – die Evolution, die Natur und soziale Systeme.
Nehmen wir zum Beispiel ein Ameisenvolk. Selbst dem flüchtigen Betrachter fällt sofort auf, wie gut organisiert die Tiere sind. Natürlich wissen wir es nicht mit allerletzter Gewissheit, vermutlich ist es aber nicht so gewesen, dass sich das Ameisenvolk irgendwelche Berater bei einem benachbarten Ameisenstaat eingekauft hat, für, sagen wir mal, 3 Grillen und einen Regenwurm, plus Reisekosten, um zu planen, wie das Volk zu organisieren sei, die tägliche Arbeit abzubilden ist oder wie Neuigkeiten zu kommunizieren sind. Es folgt einer natürlichen Ordnung. Jeder Ameisenforscher – eine Liste aller Ameisenforscher die es weltweit gibt, finden Sie im Übrigen hier: http://www.antwiki.org/wiki/Welcome_to_AntWiki – kann das ganz sicher auch im Detail erklären. Fakt ist, dass basierend auf Regeln und Prozessen, die evolutionär gelernt und verankert sind, das Ganze funktioniert.
Informationen, Verhaltensregeln, Ordnung und Muster sowie Vorgaben und Prozesse müssen also auch anders in einer komplexen sozialen Struktur verankert werden können als das bisher oft im Rahmen von Portallösungen versucht wurde.
Wie funktioniert sowas im Alltag? Wenn wir auf eine rote Ampel zufahren, fangen wir auch nicht jedes Mal neu an zu überlegen, dass wir nun die Geschwindigkeit verringern müssen und Auskuppeln und Bremsen angesagt ist. Wir haben verinnerlicht, was zu tun ist, nachdem wir es in der Fahrschule gelernt haben. Das lässt sich eins zu eins auf Portallösungen übertragen.
Beschulungskonzept ist hier das Stichwort. Was aber nun, wenn die Ampel an der Kreuzung ausgefallen ist oder ein Verkehrskreisel an Stelle einer ampelgeregelten Kreuzung vorgefunden wird. Kommt es dann zum Verkehrschaos? In aller Regel nicht – und das ist der Unterschied.
Bedeutet das nun, dass bisher nur unfähige Leute Portallösungen konzipiert und umgesetzt haben? Nein, natürlich nicht. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die Technologien, um die es im Folgenden gehen wird, uns erst seit kurzem zur Verfügung stehen, teilweise sind sie sogar noch in der Entwicklung.
Eine weitere Eigenart von komplexen Systemen und lernenden Strukturen spielt hier eine große Rolle. Ein gelerntes und verinnerlichtes Verhaltensmuster wird beibehalten. Warum auch nicht, es hat die ganze Zeit so funktioniert. Alles Neue hat es damit also erst einmal schwer.
In den letzten 30 bis 40 Jahren haben wir gelernt, unsere Inhalte in Ordnern und Ordnerstrukturen abzulegen. Solange die Menge an Informationen nicht zu groß bzw. komplex wird, lässt sich damit auch hervorragend arbeiten. Diese Denkweise, Informationen zu strukturieren und zu kategorisieren ist stark angelehnt an die früheren Registraturen und Bibliothekskataloge – da stammt auch das typische Ordnersymbol her.
Das System war also, gerade in den Anfangsjahren des Informationszeitalters, absolut brauchbar und wurde daher als valide gelernt und in unseren Verhaltensmustern abgespeichert. Die Welt hat sich verändert und die Menge an Daten, die wir tagtäglich produzieren und die in der einen oder anderen Form für uns relevant sind oder sein könnten, wächst und wächst. Das Problem ist nun, dass es uns nur schwer bis gar nicht gelingt, dieser Veränderung gerecht zu werden.
Wenn wir uns solche Entwicklungen von außen bzw. rückblickend ansehen, erscheinen sie sehr viel klarer. Ein Beispiel gibt uns die US amerikanische Automobilindustrie. In den 1950er und 1960er Jahren strotzte diese vor Kraft, Ansehen und Geld. Ein Zitat aus dieser Zeit sagt „Wir machen Geld – keine Autos“ oder „der US amerikanische Automarkt ist losgelöst vom Rest der Welt“. Und das stimmte damals ja auch.
Was man jedoch völlig übersah, waren die Veränderungen, die sich ergaben, als die Japaner und zuletzt auch die Europäer begannen, auf den US Automarkt zu drängen. Die US Autobauer waren schlicht blind für diese Entwicklung, denn ihre Vorgehensweise und Firmenpolitik hatte ja jahrelang sehr gut funktioniert und war daher als valide gelernt und etabliert. Wohin das führte, wissen wir alle.
Als erkannt wurde, dass man umdenken muss, war es fast zu spät. Lee Iacocca brachte es als Vorstandsvorsitzender von Chrysler auf den Punkt, als er sagte: „Die einzige Möglichkeit ist, gute Produkte herzustellen, sie mit konkurrenzfähigen Preisen zu versehen und dazu einen ordentlichen Kundendienst anzubieten. Wenn man das fertigbringt, dann rennen einem die Käufer die Tür ein“ Leider kamen diese Erkenntnis und das Umdenken sehr spät.
Angelehnt an das Beispiel der Automobilindustrie in den USA könnte man also den Rückschluss ziehen, dass sich das Problem irgendwann einfach von selbst löst, weil überholte und ineffiziente Lösungen aussterben oder irgendwann die nötigen Lektionen gelernt werden. Dieser Ansatz führt ziemlich sicher, zumindest zum Teil, tatsächlich zur Lösung. Auch solche technischen Evolutionen unterliegen zuletzt der Theorie der Evolution in der Natur: „was funktioniert, wird sich durchsetzen“ und was nicht funktioniert, wird aussterben.
Ein paar Aspekte gilt es hier aber noch zu bedenken. Umberto Eco schreibt in seinem Roman „Das Foucaultsche Pendel 2 – Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung und die ist die falsche.” Oder anders gesagt: Verlässt man sich darauf, dass sich das Problem auswächst, stirbt gegebenenfalls das Unternehmen zusammen mit dem Problem aus.
Was für die heute 50-jährigen fließendes Wasser und Strom ist, nämlich eine Selbstverständlichkeit, das sind für die kommende Generation an Berufstätigen, Sachbearbeitern, Abteilungsleitern und Managern Techniken, wie Tagging, Apps, Machine Learning, Software as a Service, virale Kommunikation usw. Also technologische Ansätze, die bewiesen haben, dass sie Lösungen für aktuelle Probleme wie Datenflut, Informationsmanagement etc. bieten. Diese Ansätze sind rein evolutionär entstanden, haben sich durchgesetzt und bewährt, wenn auch zurzeit hauptsächlich noch im privaten Umfeld, und funktionieren deshalb so erfolgreich.
Diese Techniken sind die Bausteine für Portallösungen und Informationsarchitekturen der Gegenwart und der Zukunft.
Warum scheitern so viele Intranet-/Extranet- oder auch Internet-Projekte bzw. warum ist trotz immenser Aufwände und Anstrengungen, guter Vorbereitung und Techniken wie Mitarbeiterbefragungen, Early Adoption, agilem Vorgehen usw. die Resonanz und das Feedback meistens eher mäßig? Oder warum ist der Erfolg meist nur von kurzer Dauer, sollte das alles nicht zutreffen und es ist wirklich gelungen, eine erfolgreiche Portallösung umzusetzen, die auch gut angenommen wird?
Mathematik
Gehen wir das Thema einmal rein mathematisch bzw. statistisch an. Das Problem bei dieser Herangehensweise ist, wie eigentlich immer, wenn Praxis und Theorie aufeinander treffen, dass eine abstrahierte Annahme eben immer nur eine Annahme bleibt.
Bei einer theoretischen Betrachtung kommt noch ein anderes Phänomen hinzu, welches das folgende Beispiel sehr schön beschreibt:
Astrophysiker haben errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschheit zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem Asteroiden ausgelöscht wird, bei ca. eins zu einer Million liegt. Da wir und unsere affenähnlichen Vorfahren, seit nunmehr ungefähr sieben Millionen Jahren auf diesem Planeten leben, beträgt die Wahrscheinlichkeit mittlerweile gut und gerne siebenhundert Prozent. Mit anderen Worten: wir müssten also alle bereits sieben Mal gestorben sein. Was will ich damit sagen? Nun, nicht, dass wir alle demnächst durch einen Asteroiden ums Leben kommen werden.Ich möchte vielmehr auf etwas aufmerksam machen, was Ereignisse von geringer Wahrscheinlichkeit, Statistik und theoretische Betrachtungen im Allgemeinen betrifft: Shit happens!
… aus einem Statistikvortrag …
Der Text stammt sinngemäß aus einem Roman von Adam Fawler3. Ich weiß also nicht einmal genau, ob das tatsächlich so stimmt. Das ist aber auch nicht maßgebend. Es verdeutlich das grundlegende Problem, wenn wir uns Dingen des täglichen Lebens bzw. sehr komplexen Systemen über vereinfachte Annahmen nähern.
Nichts desto trotz will ich es hier einmal tun. Sie werden sehen, warum und was es dabei zu verdeutlichen gilt.
Szenario 1:
Folgende Fragestellung: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei von 20 Personen, wenn sie das Gleiche suchen, in einer Navigation mit 25 Menüpunkten, auf den gleichen Menüpunkt klicken?
20 Personen sind eine durchschnittliche Größe für ein Team, eine Abteilung etc. und 25 Menüpunkte ergeben sich in heutigen Portalen sehr schnell. Nehmen wir z. B. 5 Hauptnavigationspunkte mit jeweils 5 Unternavigationspunkten und das ist noch niedrig gegriffen. Seit der Einführung von Megamenüs kommt man da ganz schnell auf deutlich komplexere Strukturen.
Klar ist, dass diese Fragestellung sehr abstrahiert ist, denn man grenzt ja alleine schon aufgrund des Themas ein, nach welchem man sucht. Interessant ist aber auch, dass man vom Bauchgefühl her gleich zwei unterschiedliche Meinungen hat: „Ja, das könnte zufällig so sein, dass 2 genau auf den gleichen Menüpunkt klicken“ und „Ist ja eher unwahrscheinlich, dass die zufällig gleich klicken“.
Das spiegelt sich auch in zwei unterschi...