Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft
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Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft

  1. 264 Seiten
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Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft

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Wenn Mephisto, die bekannte Figur aus Goethes "Faust", unsere Wirtschaftsregeln machen könnte, was würde er dann tun? Unter diesem Blickwinkel wird unser heutiges Wirtschaftssystem untersucht. Die Ergebnisse sind verblüffend und erklären einige Abläufe in unserem Wirtschaftsleben, die sonst nur schwer erklärlich wären.

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Information

Auswirkungen der Grundannahmen auf Wirtschaft und Gesellschaft
Der faustische Handel …
Der Kapitalismus, haben wir argumentiert, gründet auf einem faustischen Handel. Der Teufel der Habgier und des Wuchers wurden von der Leine gelassen, mit der stillschweifenden Annahme, dass sie, nachdem die Menschheit auf ihrer Not und Armut befreit hatten, wieder – und zwar endgültig – von der Bühne abtreten würden. … Doch wie wir aus Märchen und Sagen wissen, erfüllt der Teufel seine Versprechen nur nach ihrem Wortlaut, nicht nach ihrem Geist.“
R. und E. Skidelsky36
Nun soll untersucht werden, wie sich die geschilderten Grundannahmen des heutigen Ökonomie-Lehrgebäudes in der Realität auswirken.
Zinseszins ist gut, richtig und wichtig
Zinseszins, Umweltzerstörung und Kurzfristdenken
Das in den Ökonomie-Lehrbüchern zu Grunde gelegte Axiom vom Zinseszins bedeutet, dass, betriebswirtschaftliche gesehen, künftige Ein- und Auszahlungen auf- oder abgezinst werden müssen. Ein Beispiel: Nehmen wir an, ein Atomstrom-Konzern muss Rückstellungen für die Lagerung abgebrannter Brennstäbe für mehrere tausend Jahre bilden. Bei einem Zinssatz von 10% entsprechen
1 Mio. Euro in 10 Jahren heute 385.543 Euro,
1 Mio. Euro in 25 Jahren heute 92.296 Euro,
1 Mio. Euro in 50 Jahren heute 8.519 Euro,
1 Mio. Euro in 75 Jahren heute 786 Euro,
1 Mio. Euro in 100 Jahren heute 73 Euro,
1 Mio. Euro in 150 Jahren heute 56 Cent,
1 Mio. Euro in 200 Jahren heute 1 Cent.
Das heißt: eine Million Euro in 200 Jahren sind bei einem Zinssatz von 10 Prozent pro Jahr unter Berücksichtigung der gängigen betriebswirtschaftlichen Zinseszinsrechnung heute nur einen Cent wert. Mit anderen Worten: Das Lagern von Atommüll ist ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft praktisch kostenlos.
Daher war Atomstrom lange Zeit so billig auf dem stark verzerrten Markt zu haben. Würden die Kosten der Lagerung radioaktiver Abfälle realistisch bewertet, wäre Atomstrom die bei weitem teuerste Stromform überhaupt.37 Durch das Zinseszins-Denken werden alle künftigen Lasten und Nutzen so stark abgewertet, dass sie bei heutigen Entscheidungen keine nennenswerte Rolle mehr spielen. Die Bedürfnisse unserer Kinder oder gar Enkelkinder zählen nicht.
Das kann man verallgemeinern: Der Schaden, den eine Investition in ferner Zukunft auslöst, ist in der derzeit angewandten betriebswirtschaftlichen Rechnung heute fast nichts wert und wird deshalb bei den Investitionsentscheidungen auch nicht berücksichtigt. Das Gleiche gilt für die Erträge. Entscheidend ist, wie stark sich die Investition innerhalb der nächsten etwa zehn bis zwölf Jahre rentiert. Danach kann die Welt unter Ertragsgesichtspunkten untergehen – die Rentabilität beeinflusst das kaum mehr. Die Unternehmen werden daher in unserem gegenwärtigen Zinseszinssystem gedrängt, vor allem die kurzfristigen Vorteile zu berücksichtigen. Langfristige Schäden spielen bei den Entscheidungen praktisch keine Rolle. „Sie holzen Bäume ab, die über Generationen gewachsen sind, zerstören Böden und Fischbestände für kurzfristigen Ertrag, ruinieren unser Klima und riskieren Endlagerkosten für atomare Abfälle für hunderttausend Jahre. Der Erhalt von Trinkwasserquellen, sauberer Luft, Artenvielfalt, tropischen Regenwäldern und dem klimatischen Gleichgewicht ist nicht rentabel.“38
Unternehmen, die gegen diese Spielregeln des Marktes verstoßen, indem sie ethische, langfristige, menschen- und umweltgerechte Investitionen tätigen, haben in der Regel finanzielle Nachteile, verlieren an Unternehmenswert und können dadurch, wenn sie börsennotiert sind, leicht zu Übernahmeobjekten aggressiverer Investoren oder anderer Unternehmen werden. Mit anderen Worten: Ethisch verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln wird normalerweise vom Markt bestraft. Appelle an ethisches Verhalten helfen da wenig. Es besteht ein struktureller Anreiz, ja, für börsennotierte Unternehmen – das heißt beinahe alle Großunternehmen der Welt – ein Zwang zu kurzfristig gewinnorientiertem Handeln unter Nichtbeachtung der langfristigen Folgen. Daher kommt das so genannte „Quartalsdenken“ vieler US-Konzerne. Damit werden der Ausbeutung der Natur Tür und Tor geöffnet und eine Mentalität des „Nach-uns-die Sintflut“ geradezu erzwungen.
Die Rolle des WACC
In diesem Zusammenhang ist besonders wichtig, welchen Zinssatz die Unternehmen zu Grunde legen, wenn sie ihre Investitionsentscheidungen treffen. Je höher der verwendete Zinssatz ist, desto stärker kurzfristorientiert fallen die Entscheidungen aus, desto weniger zählen künftige Generationen, desto stärker ist die Naturausbeutung heute. Die börsennotierten Großunternehmen verwenden dafür normalerweise den WACC (weighted average cost of capital), den durchschnittlichen Kapitalkostensatz. Bei dessen Berechnung werden allerdings nur die zinstragenden Passiva sowie das Eigenkapital berücksichtigt, kostenlos überlassenes Fremdkapital wie Lieferantenverbindlichkeiten oder Rückstellungen werden bei der Berechnung nicht einbezogen. Dadurch wird der Durchschnittszinssatz stark erhöht.
So stellt sich mir Frage: Warum werden die kostenlosen Verbindlichkeiten einfach aus der Berechnung herausgeworfen, obwohl sie doch in Wirklichkeit den Unternehmen zur Verfügung stehen? Warum oder wozu wird der Zinssatz künstlich hochgerechnet? Die Lehrbücher geben darauf in der Regel keine Antwort. In den meisten Fällen wird nicht einmal die Frage gestellt. Der wahre Grund dafür dürfte Folgender sein: Dadurch können die Kapitalrenditen in die Höhe getrieben werden und die Kapitaleigentümer bekommen höhere Gewinne. Für mich ist diese Durchschnittsermittlung eine rein interessengetriebene Vorgehensweise, um einseitig die Kapitalgeber zu begünstigen – zu Lasten der Arbeitnehmer, der Umwelt und unserer Kinder. Die Lehrbücher betreiben hier Interessenpolitik, Lobbyarbeit, betreiben Politik zu Gunsten der Reichen und Mächtigen - und verkaufen es uns als objektive Wissenschaft.
Die fragwürdige moralische Legitimation von Zinsen und Dividenden
Fragt man Ökonomen oder sucht man in Lehrbüchern nach der moralischen Legitimation für Zinsen und Dividenden, erhält man normalerweise die Antwort: Wer anderen Kapital gibt, geht dadurch ein Risiko ein und muss dafür in Form von Dividenden oder Zinsen entschädigt werden. Diese Argumentation hinkt jedoch, ist sehr einseitig und wiederum Propaganda zu Gunsten der Wohlhabenden. Denn ein Arbeitnehmer, der bei einem Unternehmen arbeitet geht das Risiko ein, entlassen und arbeitslos zu werden. Aber für dieses Risiko fordern die Ökonomen kein Entgelt, sehen keine moralische Legitimation für eine Risikokompensation. Die gängige ökonomische Lehre ist in vielerlei Hinsicht einäugig und vertritt meistens implizit einseitig ideologisch die Interessen der Mächtigen, ohne dies explizit offenzulegen. Sie ist daher auf vielen Gebieten alles andere als eine neutrale, objektive Wissenschaft, sondern ruht auf einseitigen weltanschaulichen Grundannahmen.
Die moralischen Auswirkungen des Zinseszins-Denkens
Das Denken in den Kategorien von Zins und Zinseszins treibt das Wirtschaftswachstum zu Lasten der Umwelt und zu Lasten der Zukunft an. Unternehmen, die Schulden haben, stehen unter Druck zu wachsen, da sie sonst die Zinsen nur schwer bedienen können. Das gleiche gilt für private Haushalte und Regierungen: In dem Maße, in dem sie verschuldet sind, besteht Druck, die Einnahmen zu erhöhen, wenn man nicht seinen Lebensstandard durch die Zinszahlungen senken will. Das heutige Zinseszinssystem beruht also auf einem System des „mehr und mehr“. Um es am Laufen zu halten, muss auch für eine Mentalität des „mehr und mehr“ gesorgt werden, eine Mentalität der Gier und Unbescheidenheit. Tausende von Werbebotschaften – jeder Bundesbürger nimmt täglich 3.000 bis 13.000 Werbebotschaften auf – sorgen dafür, diese Mentalität der Gier und Unbescheidenheit hervorzurufen oder zu verstärken. Und von den Lehrkanzeln der Ökonomie wird täglich verkündet, dass wir Konsum- und Wirtschaftswachstum brauchen. Mehr ist besser. Das Dogma des Wirtschaftswachstums ist geradezu ein Credo der Ökonomen. Ich meine das ganz wörtlich. Es ist ein Glaubenssatz, ein Dogma, eine weltanschauliche Grundeinstellung. Es hat nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern ausschließlich mit Moralvorstellungen.
Martin Luther bringt gut auf den Punkt, was diese Mentalität auf moralischer Ebene bedeutet. „Und abermal (…) Wilche reich wollen werden, die fallen dem Teufel in den Strick, und in viel unnutze, schädliche Begierde, wilche die Leut versenken ins Verderben und Verdammniss.“ Luther empfiehlt daher guten Christenmenschen, dass sie „lieber wollten mit Gott arm, denn mit dem Teufel reich sein“.39 Mephisto hat also an denjenigen, die immer mehr haben wollen, die immer reicher werden wollen, seine Freude. Nicht umsonst war avaritia (Geiz, Habgier) eine der sieben Todsünden. Unser derzeitiges Wirtschaftssystem kann ohne das mephistophelische Prinzip der avaritia gar nicht bestehen. Zu erkennen, dass es sich hier um ein Mephisto-Prinzip handelt, das uns Menschen schädigt und uns Menschen schädigen soll, ist wichtig, um im Inneren den Impuls zu finden, es zu ändern.
Zinseszins kombiniert mit unbegrenzter Vermögensanhäufung
Unsichtbare Zahlungsströme: Wer zahlt an wen?
Unser gegenwärtiges Geldsystem verbirgt verschiedene Zahlungsströme, die gewissermaßen unterirdisch, unbewusst in unserem täglichen Wirtschaftsleben stattfinden. Ein bestimmter Teil dieser Zahlungsströme soll daher nun dargestellt werden. Ob wir es wissen oder nicht, ob wir es wollen oder nicht, durch jeden Kaufvorgang werden bestimmte Zahlungsflüsse ausgelöst.
Erstes Beispiel: Unser täglich Brot
Der Preis eines jeden Produktes, das wir kaufen, enthält Kapital- und Arbeitsanteile. Man kann sich das am Beispiel eines Brotkaufs klarmachen. Um das goldene Korn aus dem Boden hervorzuzaubern, braucht der Landwirt Boden, Kapital und seine Arbeitskraft. Wenn er den Boden pachtet, muss er an den Eigentümer Pacht zahlen. Wenn er das Land mit Kredit gekauft hat, muss er an die Bank Zinsen zahlen, auch wenn diese momentan recht niedrig sind. Wenn der Boden ihm selbst gehört, muss er – das ist für Nicht-Ökonomen anfangs recht unverständlich -, sogenannte kalkulatorische Eigenkapitalkosten dafür ansetzen, denn er könnte sein Land ja verpachten oder verkaufen. Also egal, wem der Boden gehört: Es fallen dafür Kosten an, die in den Produktpreis, das Korn einfließen. Für sein Betriebskapital, also die eingesetzten Maschinen oder das Saatgut, muss der Landwirt entweder Zinsen zahlen oder, wenn sie mit Eigenkapital finanziert sind, muss er entsprechende Eigenkapitalkosten dafür ansetzen. Auch diese Kosten werden auf das geerntete Getreide umgelegt. So ruht auf jedem geernteten Korn eine bestimmte Summe von Kapitalkosten für Pachten, Zinsen oder Eigenkapital.
Das Korn wandert zur Mühle, dort gilt das Gleiche. Die Mühle steht auf Grund und Boden, für den Kosten anfallen. Die Getreidemühle selbst stellt ein Kapitalgut dar, für das auch Kapitalkosten anfallen. Beim Bäcker passiert das Gleiche. Die Bäckerei steht auf Grund und Boden, benötigt Kapital in Form von Backöfen, Inneneinrichtung, Vorräten usw., w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrechte
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. Die Ziele Mephistos
  7. Wichtige Grundannahmen der heutigen Wirtschaftswissenschaften
  8. Auswirkungen der Grundannahmen auf Wirtschaft und Gesellschaft
  9. Mittel und Wege
  10. Jenseits der Ökonomie
  11. Wege in eine menschliche Wirtschaft
  12. Zusammenfassung und Resümee
  13. Ausblick. Statt einer Dystopie: Wie schön könnte unsere Welt werden!
  14. Literaturverzeichnis