Professor Unrat ... oder Das Ende eines Tyrannen
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Professor Unrat ... oder Das Ende eines Tyrannen

Romanvorlage des Films ›Der blaue Engel‹

  1. 195 Seiten
  2. German
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Professor Unrat ... oder Das Ende eines Tyrannen

Romanvorlage des Films ›Der blaue Engel‹

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Heinrich Mann: Professor Unrat... oder Das Ende eines Tyrannen | Romanvorlage des Films Der blaue Engel | Neu editierte 2021er-Ausgabe, mit zahlreichen erläuternden Fußnoten | Der 57-jährige Gymnasiallehrer Raat, von seinen Schülern spöttisch Unrat genannt, ist ein humorloser Spießer, dem es im Unterricht mehr um Gehorsam denn um Bildung geht. Um einen besonders gehassten Schüler zu konfrontieren, sucht er abends die Varieté-Bar Der blaue Engel auf, wo er diesen vermutet. Doch er trifft auf die Tänzerin Rosa Fröhlich, deren erotischer Ausstrahlung er auf der Stelle verfällt. Es gelingt ihr, den Professor so sehr zu umgarnen, dass er sie in blinder Liebe und sexueller Gier sogar heiratet. Rosa jedoch denkt nicht daran, ihrem bisherigen Lebensstil abzuschwören... | Mit diesem Roman, dessen Verfilmung mit Marlene Dietrich (Der blaue Engel) zu einem Welterfolg des deutschen Films wurde, gelang Heinrich Mann eine meisterhafte Karikatur der Wilhelminischen Zeit. © Redaktion eClassica, 2021

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Information

Verlag
EClassica
Jahr
2021
ISBN
9783969538876

PROFESSER UNRAT
oder Das Ende eines Tyrannen

I

Da er Raat hieß, nannte die ganze Schule ihn Unrat. Nichts konnte einfacher und natürlicher sein. Der und jener Professor wechselten zuweilen ihr Pseudonym. Ein neuer Schub Schüler gelangte in die Klasse, legte mordgierig eine vom vorigen Jahrgang noch nicht genug gewürdigte Komik an dem Lehrer bloß und nannte sie schonungslos bei Namen. Unrat aber trug den seinigen seit vielen Generationen, der ganzen Stadt war er geläufig, seine Kollegen benutzten ihn außerhalb des Gymnasiums und auch drinnen, sobald er den Rücken drehte. Die Herren, die in ihrem Hause Schüler verpflegten und sie zur Arbeit anhielten, sprachen vor ihren Pensionären vom Professor Unrat. Der aufgeweckte Kopf, der den Ordinarius der Untersekunda hätte neu beobachten und nochmals abstempeln wollen, wäre nie durchgedrungen; schon darum nicht, weil der gewohnte Ruf auf den alten Lehrer noch so gut seine Wirkung übte wie vor sechsundzwanzig Jahren. Man brauchte nur auf dem Schulhof, sobald er vorbeikam, einander zuzuschreien:
»Riecht es hier nicht nach Unrat?«
Oder:
»Oho! Ich wittere Unrat!«
Und sofort zuckte der Alte heftig mit der Schulter, immer mit der rechten, zu hohen, und sandte schief aus seinen Brillengläsern einen grünen Blick, den die Schüler falsch nannten, und der scheu und rachsüchtig war: der Blick eines Tyrannen mit schlechtem Gewissen, der in den Falten der Mäntel nach Dolchen späht. Sein hölzernes Kinn mit dem dünnen, graugelben Bärtchen daran klappte herunter und hinauf. Er konnte dem Schüler, der geschrien hatte, »nichts beweisen« und musste weiterschleichen auf seinen magern, eingeknickten Beinen und unter seinem fettigen Maurerhut.
Zu seiner Jubelfeier im Vorjahr hatte das Gymnasium ihm einen Fackelzug gebracht. Er war auf seinen Balkon getreten und hatte geredet. Während alle Köpfe, in den Nacken gelegt, zu ihm hinaufsahen, war plötzlich eine unschöne Quetschstimme losgegangen:
»Da ist Unrat in der Luft!«
Andere hatten wiederholt:
»Unrat in der Luft! Unrat in der Luft!«
Der Professor dort oben fing an zu stottern, obwohl er den Zwischenfall vorausgesehn hatte, und sah dabei jedem der Schreier in den geöffneten Mund. Die andern Herren standen in der Nähe; er fühlte, dass er wieder einmal »nichts beweisen« könne; aber er merkte sich alle Namen. Schon tags darauf gab der mit der gequetschten Stimme dadurch, dass er das Heimatsdorf der Jungfrau von Orleans nicht kannte, dem Professor Gelegenheit zu der Versicherung, er werde ihm im Leben noch oftmals hinderlich sein. Richtig war dieser Kieselack zu Ostern nicht versetzt worden. Mit ihm blieben die meisten in der Klasse zurück von denen, die am Jubiläumsabend geschrien hatten, so auch von Ertzum. Lohmann hatte nicht geschrien und blieb dennoch sitzen. Dieser erleichterte die Absicht Unrats durch seine Trägheit und jener durch seine Unbegabtheit. Nächsten Spätherbst nun, an einem Vormittag um elf, in der Pause vor dem Klassenaufsatz über die Jungfrau von Orleans, geschah es, dass von Ertzum, der der Jungfrau immer noch nicht nähergetreten war und eine Katastrophe voraussah, in einem Anfall schwerfälliger Verzweiflung das Fenster aufriss und aufs Geratewohl, mit wüster Stimme in den Nebel hinausbrüllte:
»Unrat!«
Es war ihm unbekannt, ob der Professor in der Nähe sei, und es war ihm gleichgültig. Der arme, breite Landjunker war nur von dem Bedürfnis fortgerissen worden, noch einen kurzen Augenblick seinen Organen freies Spiel zu gewähren, bevor er sich für zwei Stunden hinhocken musste vor ein weißes Blatt, das leer war, und es mit Worten bedecken aus seinem Kopf heraus, der auch leer war. Tatsächlich aber ging Unrat grade über den Hof. Als der Ruf aus dem Fenster ihn traf, machte er einen eckigen Sprung. Im Nebel droben unterschied er von Ertzums knorrigen Umriss. Kein Schüler hielt sich drunten auf, keinem konnte von Ertzum das Wort zugerufen haben. »Dieses Mal«, dachte Unrat frohlockend, »hat er mich gemeint. Diesmal kann ich es ihm beweisen!«
Er nahm die Treppe in fünf Sätzen, riss die Klassentür auf, hastete zwischen den Bänken hindurch, schwang sich, in das Katheder gekrallt, auf die Stufe. Da blieb er bebend stehn und musste Atem schöpfen. Die Sekundaner hatten sich zu seiner Begrüßung erhoben, und äußerster Lärm war jäh in ein Schweigen versunken, das förmlich betäubte. Sie sahen ihrem Ordinarius zu, wie einem gemeingefährlichen Vieh, das man leider nicht totschlagen durfte, und das augenblicklich sogar einen peinlichen Vorteil über sie gewonnen hatte. Unrats Brust arbeitete heftig; schließlich sagte er mit seiner begrabenen Stimme:
»Es ist mir da vorhin immer mal wieder ein Wort zugerufen worden, eine Bezeichnung – ein Name denn also: ich bin nicht gewillt, ihn mir bieten zu lassen. Ich werde diese Schmähung durch solche Menschen, als welche ich Sie kennen zu lernen leider Gelegenheit hatte, nie dulden, merken Sie sich das! Ich werde Sie fassen, wo immer ich es vermag. Ihre Verworfenheit, von Ertzum, nicht genug damit, dass sie mir Abscheu einflößt, soll sie an der Festigkeit eines Entschlusses wie Glas zerbrechen, den ich Ihnen hiermit verkünde. Noch heute werde ich von Ihrer Tat dem Herrn Direktor Anzeige erstatten, und was in meiner Macht steht, soll – traun1 fürwahr – geschehen, damit die Anstalt wenigstens von dem schlimmsten Abschaum der menschlichen Gesellschaft befreit werde!«
Darauf riss er sich den Mantel von den Schultern und zischte:
»Setzen!«
Die Klasse setzte sich, nur von Ertzum blieb stehn. Sein dicker, gelb punktierter Kopf war jetzt so feuerrot wie die Borsten oben darauf. Er wollte etwas sagen, setzte mehrmals an, gab es wieder auf. Schließlich stieß er heraus:
»Ich bin es nicht gewesen, Herr Professor!«
Mehrere Stimmen unterstützten ihn, opferfreudig und solidarisch:
»Er ist es nicht gewesen!«
Unrat stampfte auf:
»Stille!... Und Sie, von Ertzum, merken Sie sich, dass Sie nicht der erste Ihres Namens sind, den ich in seiner Laufbahn – gewiss nun freilich – beträchtlich aufgehalten habe, und dass ich Ihnen auch ferner Ihr Fortkommen, wenn nicht gar unmöglich machen, so doch, wie seinerzeit Ihrem Onkel, wesentlich erschweren werde. Sie wollen Offizier werden, nicht wahr, von Ertzum? Das wollte Ihr Onkel auch. Weil er jedoch das Ziel der Klasse nie erreichte und das Reifezeugnis für den Einjährig-Freiwilligen-Dienst – aufgemerkt nun also – ihm dauernd versagt werden musste, kam er auf eine sogenannte Presse, wo er jedoch ebenfalls gescheitert sein mag, sodass er endlich nur infolge eines besonderen Gnadenaktes seines Landesherrn – doch nun immerhin – den Zutritt zur Offizierskarriere erlangte, die er dann aber, scheint es, bald wieder unterbrechen musste. Wohlan! Das Schicksal Ihres Onkels, von Ertzum, dürfte auch das Ihre werden oder doch dem jenes sich ähnlich gestalten. Ich wünsche Ihnen Glück dazu, von Ertzum. Mein Urteil über Ihre Familie, von Ertzum, steht seit fünfzehn Jahren fest ... Und nun –«
Hierbei schwoll Unrats Stimme unterirdisch an.
»Sie sind nicht würdig, an der erhabenen Jungfrauengestalt, zu der wir jetzt übergehen, Ihre geistlose Feder zu wetzen. Fort mit Ihnen ins Kabuff!«
Von Ertzum, langsam von Verständnis, lauschte noch immer. Vor angestrengter Aufmerksamkeit ahmte er unbewusst mit den Kiefern die Bewegungen nach, die der Professor mit den seinigen vollführte. Unrats Kinn, in dessen oberem Rand mehrere gelbe Gräten staken, rollte, während er sprach, zwischen den hölzernen Mundfalten wie auf Geleisen, und sein Speichel spritzte bis auf die vorderste Bank. Er schrie auf:
»Sie haben die Kühnheit, Bursche!... Fort, sage ich, ins Kabuff!«
Aufgescheucht drängte von Ertzum sich aus der Bank hervor. Kieselack raunte ihm zu:
»Mensch, wehr dich doch!«
Lohmann, dahinter, verhieß unterdrückt:
»Lass nur, den kriegen wir noch wieder kirre.«
Der Verurteilte trollte sich am Katheder vorbei, in das Gelass, das der Klasse als Garderobe diente, und worin es stockfinster war. Unrat stöhnte vor Erleichterung, als hinter dem breiten Menschen sich die Tür geschlossen hatte.
»Nun wollen wir die Zeit nachholen«, sagte er, »die uns dieser Bursche gestohlen hat. Angst, hier haben Sie das Thema, schreiben Sie es an die Tafel.«
Der Primus nahm den Zettel vor seine kurzsichtigen Augen und machte sich langsam ans Schreiben. Alle sahen mit Spannung unter der Kreide die Buchstaben entstehn, von denen so viel abhing. Wenn es nun eine Szene betraf, die man zufällig nie ›präpariert‹ hatte, dann hatte man ›keinen Dunst‹ und ›saß drin‹. Aus Aberglaube sagte man, noch bevor die Silben an der Tafel einen Sinn annahmen:
»O Gott, ich fall’ rein.«
Schließlich stand dort oben zu lesen:
»Johanna: Es waren drei Gebete, die du tatst;
Gib wohl acht, Dauphin, ob i...

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  5. Impressum
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