Wer werden wir sein?
eBook - ePub

Wer werden wir sein?

Über die Zukunft des Menschen

  1. 192 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Wer werden wir sein?

Über die Zukunft des Menschen

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Wie hat sich unser Bild vom Menschen in den letzten zwei Jahrzehnten verändert? Welche Rolle spielen Phänomene wie die Digitalisierung, Ergebnisse der Hirnforschung, die Beschleunigung unserer Gesellschaft? Wie gelingt es der Neurowissenschaft, unseren Umgang mit Aggression zu verändern? Gibt es eine Neurobiologie des Glücks? Und was bedeutet das für uns? Andreas Lipinski hat führende Psychologen, Neurologen, Soziologen und Philosophen interviewt.Interviews u.a. mit Wolf Singer, Manfred Spitzer, Harald Welzer, Peter Bieri, Tobias Esch, Hartmut Rosa, Klaus Hurrelmann geben einen komprimierten Überblick darüber, auf welche Zukunft wir uns zubewegen.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Wer werden wir sein? von Andreas Lipinski im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Psicología & Psicología aplicada. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9783451819537
Wer werden
wir sein?
Blicke in die
Zukunft
Wie wollen wir leben?
Peter Bieri
Herr Bieri, Sie sagen „Es wäre auch möglich, etwas Anderes zu denken, zu fühlen, zu wollen ...“ Für die meisten Menschen scheint es äußerst schwierig zu sein, ihren Lebensentwurf zu verändern. Können Sie als Philosoph uns bei dieser Aufgabe helfen? Oder ist Ihre Betrachtungsweise in diesem Fall eher eine psychologische?
Da meine Überlegungen sich auf die Menschen beziehen, auf das, was sie können, was ihnen geschieht, sind sie natürlich immer auch ein Stück Psychologie. Sie unterscheiden sich aber von der psychologischen Sichtweise darin, dass sie sich in allgemeineren Kategorien bewegen, sie betreffen existenzielle Grundfragen. Was die Möglichkeit, anders zu denken, zu fühlen oder zu wollen anlangt, ist unsere wichtigste Fähigkeit, statt nur getrieben zu werden von dem, was in uns passiert und von außen ausgelöst wird – metaphorisch gesprochen –, „ein Schritt hinter uns zurücktreten zu können“ und einen kritischen Abstand zu uns selbst aufzubauen. Wir können uns in Form einer deskriptiven Bestandsaufnahme fragen, was denke und fühle ich eigentlich, was sind meine Bedürfnisse und Emotionen, kurz gesagt – wer bin ich? Wir können aber außerdem auch die Frage normativ stellen – wer möchte ich eigentlich sein? Bin ich zufrieden mit meiner Art zu denken und zu fühlen, mit dem, was ich mir wünsche und was ich will? Und weil wir eben imstande sind, einen solchen inneren Abstand zu uns selbst aufzubauen – einen beschreibenden und einen normativen –, können wir auch darangehen, uns zu verändern. Diese Fähigkeit ist nur uns Menschen eigen, Tiere können das nicht.
Die Frage „Wie wollen wir leben?“ könnte man um den Nebensatz ergänzen „... damit unser Leben erfüllter, freier, glücklicher wird“. Was wären die Grundbedingungen für ein solches Leben?
Die Frage „Wie wollen wir leben?“ bedeutet auch so viel wie: „Was gibt es in uns an Vorstellungen von uns selbst, von Situationen, in denen wir gerne wären?“, also allgemein gesprochen: „Welche sind unsere Vorstellungen vom glücklichen und gelungenen Leben?“ Es kommt also darauf an, diesen Vorstellungen auf die Spur zu kommen. Etwas Wichtiges scheint mir der Gedanke zu sein, dass wir, wenn wir uns mit dem Selbsterkennen beschäftigen und uns selbst zum Thema machen, viele Dinge über uns herausfinden, die sonst im Verborgenen bleiben würden. Wir leben die meiste Zeit als Getriebene, vieles von dem, was unser Leben bestimmt, liegt im Dunkeln und ist uns unbewusst. Ich plädiere dafür, den Radius des Bewusstseins nach innen zu vergrößern.
Sie nennen es auch „sich mit sich selbst auskennen ...“. Die meisten Menschen kennen sich z. B. aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung mit irgendeinem Lebensbereich besonders gut aus. Wäre es also nicht sinnvoll, „Selbsterkenntnis“ z. B. als Schulfach einzuführen oder sie sogar als ein Grundrecht zu definieren?
Die Fähigkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich mit sich selbst auszukennen, hat sehr viel mit dem Begriff der Bildung zu tun – im Unterschied zur formalen Ausbildung. Man kann die Menschen ausbilden im Sinne von trainieren, sodass sie sich in einem bestimmen Bereich, z. B. im Beruf, gewisse nützliche Fähigkeiten aneignen. Bildung dagegen ist eben der Weg, sich selbst zu erfahren und sich mit sich selbst auszukennen. Dieser Prozess fängt bereits in einem sehr frühen Alter an, wenn kleine Kinder ihre motorischen und sprachlichen Fähigkeiten entdecken, wenn sie ausprobieren, was sie bei anderen Menschen erreichen können. Und wenn ich mit meinen Überlegungen recht habe, ist dieser Prozess offen, nie abgeschlossen, weil uns jedes Lebensalter erlaubt, immer wieder neue Aspekte von uns selbst kennenzulernen. Alterungs- und Reifungsprozesse sind häufig mit Krisen verbunden, und wenn eine bestimmte Phase des Lebens zu Ende geht oder möglicherweise ins Leere läuft, dann wird spürbar, dass etwas Neues passieren muss. Der Weg aus solchen Krisen führt immer dazu, dass man sich besser kennenlernt und neue Aspekte und Dimensionen von sich selbst entdeckt. Daraus resultiert eben der endlose Bildungsprozess.
Sie vergleichen den so verstandenen Bildungsprozess mit dem Aufwachen und nennen – neben der Selbsterkenntnis oder der „Überführung des Unbewussten ins Bewusste“ – einen weiteren Grundpfeiler dieser Entwicklung: die Selbstbestimmung.
Ich halte Selbstbestimmung, genauso wie die Selbsterkenntnis, für eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein erfülltes Leben. Ich rede in diesem Zusammenhang selten von einem glücklichen Leben, weil Glück ein vielfältiger und schwer zu erfassender Begriff ist. Selbstbestimmung hat auch sehr viel mit Würde zu tun, also damit, in welchem Maße der Mensch selbst darüber bestimmt, wie sein Leben aussehen soll.
Wie erkenne ich aber, dass ich kein selbstbestimmtes Leben führe? Wie werfe ich alte, versklavende Vorstellungen über Bord, wo wir doch – gerade in Bezug auf die Frage unserer Lebensqualität – nicht selten Selbsttäuschungen unterliegen, die gar nicht leicht zu entlarven sind?
Es hat ebenfalls mit der Fähigkeit zu tun, das eigene Leben nicht blind vor sich hin zu leben, und darauf zu achten, was man tut und sagt, kurzum, mit dem Prozess des Aufwachens und des Bewusstwerdens. Dieser Gedanke des Wachseins gegenüber sich selbst ist nicht neu, es gibt ihn in den asiatischen Religionen, er kommt auch in der christlichen Religion vor und natürlich auch in der Aufklärung. Auch in dem heute so populären Wort Achtsamkeit ist diese Idee enthalten. Der Kern dieser Idee ist aber immer derselbe – die große Chance besteht für den Menschen in der Möglichkeit, einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen, ob er die Art, wie er denkt, fühlt – und redet, gut findet, d. h. einen kritischen Abstand zu sich selbst aufzubauen. Diese Prozesse sind natürlich oft langsam und zähflüssig und verlangen immer, dass man nach den Gründen einer Handlung fragt und nach dem Selbstbild des Handelnden. Das Selbstbild ist hierbei ein sehr wichtiger Aspekt, es wird langsam, wie durch Osmose, seit der frühesten Kindheit aufgebaut, ist versetzt mit den Interaktionen mit anderen Menschen, enthält Vorstellungen davon, wer man ist, was richtig und falsch ist. Es ist also eine sehr vage, bruchstückhafte, zum Teil inkohärente Vorstellung von sich selbst. Ich suche im Grunde genommen nach der Antwort auf die Frage, was es heißt, bewusst am eigenen Selbstbild zu arbeiten.
Die Arbeit am eigenen Selbstbild würde verlangen, dass man in sich hineinhört und sich der Diskrepanz bewusst wird zwischen den eigenen Gefühlen und dem, wie man tatsächlich lebt und handelt.
Das ist tatsächlich eine Quelle der Erkenntnis, wenn einem bewusst wird, dass die Dinge, die man tut, und die eigene Gefühlswelt nicht so recht zueinander passen. Dies setzt aber bereits eine gewisse Bewusstheit voraus.
Wie baue ich aber diese Grundbewusstheit auf?
Eine wichtige Quelle dieser Bewusstheit ist das, was die anderen mir sagen. Wir entdecken nicht selten, dass das Bild, das die anderen von uns haben, sich mit unserem eigenen nicht deckt, dass es hier Inkongruenzen gibt. Das müsste uns nachdenklich machen und dazu veranlassen, die anderen zu fragen, warum sie uns anders sehen, warum sie unser Tun nicht so wie wir bewerten. Wir müssten überlegen, was ist der Grund dafür, dass mich mehrere Menschen so und nicht anders sehen. Wenn dann ein Austausch darüber stattfinden würde, könnte das zu einer Korrektur des Selbstbildes führen.
Eine weitere Quelle für die Entwicklung der Grundbewusstheit sehen Sie in der Literatur.
Ja, Literatur ist deswegen wichtig, weil sie uns darüber belehrt, wie Andere leben, fühlen und denken, was ihnen zustößt. Indem ich die Geschichten über fremde Personen lese, frage ich mich mehr oder weniger bewusst, wie es mir in dieser oder jener Situation ergangen wäre, ich kann mein Verhalten daran messen. Zum Teil funktioniert es so ähnlich auch beim Anschauen von Filmen.
Lesen von Literatur alleine ist aber eher ein passiver Vorgang, der mit eigenen Erfahrungen kaum vergleichbar ist ...
Deshalb sehe ich auch die dritte, aktive Möglichkeit, sein Selbstbild zum Thema zu machen, darin, sich selbst zur Sprache zu bringen, also im Schreiben. Es muss nicht gleich Literatur sein, es würde reichen, Briefe zu schreiben, was heutzutage kaum noch jemand tut. Hierbei geht es darum, dass ich Worte für meine Gefühle, Gedanken und Mitteilungen finde und dadurch mich selbst erkennen kann.
Diesen drei Quellen der Selbsterkenntnis ist aber gemeinsam, dass sie mehr oder weniger außenbezogen sind. Auch beim Schreiben hoffen wir möglicherweise insgeheim, dass uns irgendwann eine Art Rückmeldung des potenziellen Lesers erreicht und so eine Verbindung zur Außenwelt hergestellt wird. Was ist aber mit der Suche im Inneren, können wir auch aus uns heraus Erkenntnisse über das eigene Selbstbild gewinnen?
Hier könnte Meditation der Zugang zur inneren Quelle der Selbsterkenntnis sein. Meditation nicht im esoterischen oder religiösen Sinne, sondern in der Art, dass man in der Hektik des Lebensvollzugs eine Pause macht, vielleicht auch mit entsprechenden Übungen verbunden, und sich erstmal vergegenwärtigt, wie die eigenen Empfindungen sind. Wir gehen oft mit latenten Ängsten und Beklemmungen durchs Leben, mit diffusen Erwartungen und Hoffnungen. Ein solches Horchen nach Innen kann eine Initialzündung für einen Prozess auslösen, der es ermöglicht, zunächst einmal nur zu spüren, wie es mir geht, was mich beschäftigt oder was mich quält. Im Grunde ist es eine Genauigkeit der Introspektion.
Aber haben wir nicht einfach Angst, die innere Wahrheit über uns zu erfahren, mit unsren wahren Gefühlen, manchmal auch mit unangenehmen Erinnerungen konfrontiert zu werden?
Daher wäre es äußerst wichtig, dass man bereits als Kind sowohl in der Familie wie auch im außerfamiliären Umfeld lernt, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, was man denkt und fühlt und dadurch von Anfang an die Erfahrung macht, einfach wacher zu werden. Ich habe es nie verstanden, warum Menschen nicht nach diesem Zustand streben wollen, da es doch viel interessanter ist, sein wahres Ich zu kennen, als nur vor sich hin zu leben.
Es sieht aber eher so aus, als würden die meisten Menschen gar nicht daran interessiert sein, sich selbst kennenzulernen ...
Das hat viel mit Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber zu tun. Es gibt in jedem von uns Empfindungen, Erfahrungen, Impulse und Fantasien, die uns nicht gefallen. Sie zu erkennen und ihre Existenz anzuerkennen, ist tatsächlich mit Ängsten verbunden. Deshalb ist wach und ehrlich mit sich selbst zu sein so anstrengend, weil es viel Mut und Courage von uns verlangt. Ich bin in einer kleinbürgerlichen Schweizer Familie aufgewachsen und hatte immer das dumpfe Gefühl, dass dieses kleinbürgerliche Leben nicht gut und nicht interessant genug ist. Deshalb habe ich angefangen, indische Religion und Mystik zu studieren, um etwas zu haben, das interessanter war und vor allem mit mir zu tun hatte.
Wie hat die kleinbürgerliche Welt diese Suche eines jungen Menschen nach neuen Lebensräumen aufgenommen?
Die Menschen um mich herum haben das nicht verstanden und es als eine pubertäre Phase abgetan. Was sie aber wirklich nicht begriffen haben, war die Tatsache, dass es eigentlich eine Revolte gegen ein blindes, unbewusst gelebtes Leben war. Das konnten sie nicht annehmen; wenn sie nämlich genau hingeguckt hätten, wäre ihre eigene Form des Lebens infrage gestellt und bedroht gewesen.
Die Angst also vor dem Auseinanderfallen der bisher aufgebauten Lebenskonstruktion und die fehlende Zuversicht, dass eine andere, bessere Konstruktion möglich wäre?
Dazu kommt auch noch die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass man, wenn man anfängt, die überkommenen Selbstbilder und Vorstellungen infrage zu stellen und sich neue aufzubauen, riskiert, ausgeschlossen zu werden.
Ist das nicht die eigentliche Quelle der lähmenden Angst, dieser inneren Starrheit des Erlebens und Wollens, von der Sie auch oft sprechen? Wie überwinde ich diese innere Passivität, die ja oft die Folge einer langen Vorgeschichte ist und möglicherweise tiefe Spuren in unserem innersten Wesen hinterlassen hat?
Der vielleicht beste Weg, diese innere Starre und die damit verbundene Unfreiheit zu überwinden, ist dann gegeben, wenn man in einer Lebenskrise Unterstützung bei einem Therapeuten sucht. Das kann helfen, die verborgenen Anteile des Selbstbilds überhaupt erst mal auszusprechen und sich dadurch bewusst zu machen. Die größte Hürde ist sicherlich, bestimmten Sachverhalten und Gefühlen überhaupt einen Namen zu geben und sie dann auch noch vor einem fremden Menschen auszusprechen. Ich glaube aber, dass die Verbalisierung der Innenwelt, das Finden der richtigen Worte, vielleicht der allerwichtigste Schritt ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Wer sind wir? Unsere Welt heute
  3. Was kommt auf uns zu? Eine Welt im Umbruch
  4. Wer werden wir sein? Blicke in die Zukunft
  5. Zu den Beiträgern
  6. Nachweis
  7. Information zum Autor