Die Bibel verstehen
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Hinführung zum Buch der Bücher

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Über dieses Buch

Anselm Grün beantwortet in diesem Buch die Frage, wie die Bibel mit Gewinn für das eigene Leben gelesen werden kann. Er stellt alle Bücher der Bibel der Reihen nach kurz mit ihren wichtigsten Inhalten vor und legt ihre Impulse für heute offen. Ein Schlüssel zum spirituellen Verständnis der Bibel.

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Information

GOTTES BUNDESGESCHICHTE

Gottes Bundesgeschichte

1 IM URSPRUNG

In wunderbaren Bildern schildert uns das erste Buch der Bibel, die Genesis (das heißt «Entstehung»), dass Gott diese Welt und den Menschen geschaffen hat. Es ist kein naturwissenschaftlicher Bericht über die Erschaffung der Welt, sondern ein mythisches Gedicht. Alles in dieser Welt ist von Gott geschaffen – gut geschaffen. Alles, was ist, ist gut. Die Krone der Schöpfung – der Mensch. Er ist nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen. Gott hat ihn als Mann und Frau geschaffen. Und gerade in dieser Polarität zwischen Mann und Frau ist der Mensch zum Abbild Gottes und seiner göttlichen Liebe geworden. Gottes Schönheit spiegelt sich in der Schönheit der Schöpfung und vor allem im Angesicht des Menschen.
Der Schöpfungsbericht (Gen 1,1–2,25) will unseren Blick aber nicht nur auf die Vergangenheit richten. In sechs Tagen hat Gott die Welt geschaffen. Am siebten Tag ruhte er aus von seinen Werken. Das wird zum Bild für die Zeit des Menschen. Sechs Tage sind zum Arbeiten da. Und in unserer Arbeit setzen wir Gottes Schöpfungswerk fort. Da bebauen wir die Erde, die Gott uns anvertraut hat. Wir hegen und pflegen sie, damit sie Frucht bringe, die Gott uns zugedacht hat. Am siebten Tag ruhen wir aus von unseren Werken. Da dürfen wir feiern und genießen, dass unser Leben gut ist. Die frühen Kirchenväter nennen das menschliche Leben ein dauerndes Fest. Im Fest des Sonntags feiern wir, dass Gott der eigentliche Grund und das letzte Ziel unseres Lebens ist. In Gott dürfen wir uns der Ruhe erfreuen und genießen, was ist.
Doch in die gute Schöpfung kam ein Riss. Der Mensch neigt sich dem Bösen zu. Die Geschichte vom Sündenfall (Gen 3,1–24) will uns erklären, wie der gute Mensch böse wurde. Der Mensch konnte nicht aushalten, dass er nicht selber Gott sei, dass er auf Gott, seinen Schöpfer, angewiesen sei. Er wollte sein wie Gott. Darin besteht die Ursünde des Menschen, sich über seine Menschlichkeit zu erheben und sich wie Gott zu gebärden.
Wohin das führt, wenn der Mensch wie Gott sein will, das zeigen die drei Geschichten von Kain und Abel (Gen 4,1–16), von Noach und der Flut und vom Turmbau zu Babel. Wer immer wie Gott sein will, wer immer der Größte sein will, der kann sich nicht an seinem Bruder freuen. Er muss jeden, der ihn an Größe übertrifft, töten. Doch das Morden macht ihn nicht glücklich. Es erzeugt in ihm Schuldgefühle. Und die Schuld treibt ihn ruhelos in dieser Welt umher. Wer schuldig geworden ist, der kann es nicht mehr bei sich aushalten. Die Schuld treibt ihn wieder hin zu Gott, in dessen vergebender Liebe der Mensch allein zur Ruhe kommen kann.
Die Erzählung von der Arche Noach (Gen 6,9–9,17) finden wir ähnlich bei vielen Völkern. In ihr drückt sich die Erfahrung aus, dass der Mensch diese Welt durch seine Bosheit in ein Chaos zu stürzen vermag. Doch selbst die größte Flut kann die Welt nicht vernichten. Gott schließt seinen Bund mit den Menschen. Der Regenbogen wird zum Zeichen dafür, dass Gott zu dieser Welt steht und die Bosheit der Menschen umgreift, so dass sie die Schöpfung nicht verderben kann.
Der Turmbau zu Babel (Gen 11,1–9) erinnert an das Streben des Menschen, immer höher hinaus zu wollen. Das gilt nicht nur für seine Bauten, die umso gefährdeter sind, je höher sie in den Himmel ragen. Das gilt für alles Tun. Wer wie Gott sein will, der verdirbt die Welt. Sein Götzenwerk stürzt in sich zusammen. Und wer wie Gott sein will, der isoliert sich. Er wird unfähig zu wahrer Kommunikation. Er sieht in allen Menschen nur den Feind. Daher weigert er sich, mit ihnen zu kommunizieren, sich und das Seine in der Sprache miteinander zu teilen: Die babylonische Sprachverwirrung beschreibt nicht etwas Vergangenes, sondern unseren heutigen Zustand. Sprachwissenschaftler haben unsere heutige Sprache «Wörterbuch eines Unmenschen» genannt. Da geht es nicht um Teilen, um gemeinsame Erfahrung von Liebe und Freude, sondern um Beherrschen, Bestimmen, Beeinflussen.
Die ersten Kapitel im Buch Genesis wollen uns immer wieder an den eigenen Ursprung erinnern. Gott hat die Welt gut geschaffen. Und auch der Mensch ist gut. Aber zugleich werden wir erinnert an die Gefährdung durch das Böse. Indem wir die biblischen Geschichten meditieren, werden wir eingeladen, dankbar für die gute Schöpfung zu sein, mit Gott und im Geiste Gottes diese Welt zu gestalten und mit Gott immer wieder auszuruhen von den Werken, um Gottes Schöpfung zu genießen. Aber zugleich zeigen uns die Geschichten unsere Gefährdung auf. Wenn wir uns über unser Menschsein erheben, dann rächt sich das in unserem Leben. So zeigt uns die Bibel unsere Spannung zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen dem gelingenden Leben und dem Scheitern. Über allem aber steht Gott, der das Gute, das er geschaffen hat, auch in uns vollenden möchte.
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Die Erde aber war wüst und leer. Finsternis lag über dem Abgrund und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.
Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war, und Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis. Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
Nun sprach Gott: Es werde ein Gewölbe inmitten der Wasser und scheide zwischen Wasser und Wasser! Und es geschah so. Gott machte das Gewölbe und es schied zwischen den Wassern unterhalb des Gewölbes und den Wassern oberhalb des Gewölbes. Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag.
Nun sprach Gott: Es sammle sich das Wasser, das unter dem Himmel ist, zu einer Ansammlung und es erscheine das trockene Land! Und es geschah so. Gott nannte das trockene Land Erde und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Es lasse die Erde Grünes her vorsprießen, Pflanzen, die Samen bringen, und Bäume, die Früchte auf der Erde tragen, in denen ihr Same ist! Und es geschah so. Die Erde brachte Grünes her vor, Pflanzen, die Samen bringen nach ihrer Art, und Bäume, die Früchte tragen nach ihrer Art, in denen ihr Same ist. Und Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.
Nun sprach Gott: Es sollen Leuchten werden am Gewölbe des Himmels, damit sie scheiden zwischen dem Tag und der Nacht; sie sollen als Zeichen dienen für Festzeiten, Tage und Jahre. Sie sollen Leuchten sein am Gewölbe des Himmels, um über die Erde zu leuchten. Und es geschah so. Gott machte die beiden großen Leuchten, die größere Leuchte zur Herrschaft über den Tag, die kleinere Leuchte zur Herrschaft über die Nacht, dazu die Sterne. Gott setzte sie an das Gewölbe des Himmels, damit sie über die Erde leuchten, damit sie über den Tag und über die Nacht herrschen und zwischen dem Licht und der Finsternis scheiden. Und Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.
Nun sprach Gott: Es sollen die Wasser wimmeln vom Gewimmel lebendiger Wesen, und Vögel sollen über die Erde am Gewölbe des Himmels hinfliegen! Und es geschah so. Gott schuf die großen Seetiere und alle lebendigen Wesen, die sich regen und von denen das Wasser wimmelt, nach ihren Arten, und alle geflügelten Vögel nach ihren Arten. Und Gott sah, dass es gut war. Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch und er füllt das Wasser in den Meeren mit Leben und die Vögel sollen sich vermehren auf der Erde. Es wurde Abend und es wurde Morgen: fünfter Tag.
Nun sprach Gott: Die Erde bringe lebendige Wesen her vor nach ihren Arten: Vieh, Kriechtiere und Wild des Feldes nach ihren Arten! Und es geschah so. Gott machte das Wild des Feldes nach seinen Arten, das Vieh nach seinen Arten und alle Kriechtiere auf dem Erdboden nach seinen Arten. Und Gott sah, dass es gut war. Nun sprach Gott: Lasst uns den Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels, über das Vieh und über alles Wild des Feldes und über alle Kriechtiere auf dem Erdboden! Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch und bevölkert die Erde und macht sie euch untertan! Herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen! Dann sprach Gott: Seht, ich übergebe euch alle Pflanzen, die Samen bringen auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen: das sei eure Nahrung. Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt und Leben in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung! Und es geschah so. Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: sechster Tag.
So wurden Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer vollendet. Gott vollendete am siebten Tag sein Werk, das er gemacht hatte, und ruhte am siebten Tag von seinem ganzen Werk, das er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn, denn an ihm ruhte er von seinem ganzen Schöpfungswerk.
Dies ist die Entstehungsgeschichte des Himmels und der Erde, als sie erschaffen wurden.
GENESIS 1,1–2,4A

2 ABRAHAM

Abraham ist der Urvater Israels und der Vater des Glaubens für alle Menschen. An ihm wird deutlich, was aus einem Menschen wird, wenn er sich auf Gott einlässt, wenn er sich von Gott herauslocken lässt aus Altem und Vertrautem (Gen 12,1–25,11). Abraham zieht weg aus seiner Heimat. Er lässt seine Vergangenheit los, um sich der Zukunft zuzuwenden. Er lässt den Besitz los, um in Gott seinen Reichtum zu finden. Er lässt das Sichtbare los, um sich auf das Unsichtbare einzulassen. Er zieht weg aus allem, was ihn festhält, aus allem, was das einmalige Bild trübt, das Gott sich von ihm gemacht hat.
Gott schließt einen Bund mit Abraham. Durch ihn werden alle Geschlechter gesegnet. Wer sich wie Abraham auf den Glauben einlässt, dessen Leben wird gesegnet. Doch Abraham ist nicht der fehlerfreie Mensch. Er ist wie wir. In Gerar wird seine Feigheit offenbar, als er seine Frau als Schwester ausgibt, um sein eigenes Leben zu retten. Auch in der Auseinandersetzung zwischen seiner Frau Sarai und seiner Magd Hagar spielt Abraham keine rühmliche Rolle. Dennoch erweist Gott Abraham immer wieder seine Gnade. Er besucht ihn und bindet sich an ihn. Die Beschneidung wird zum Bundeszeichen, dass Gott seine schützende Hand nie von ihm und seinen Nachkommen zurückziehen wird.
Wer wie Abraham glaubt, wird gesegnet. Wer sich von Gott abwendet wie die Leute in Sodom, der geht in Feuer und Schwefel unter. Selbst die Fürbitte Abrahams kann die Menschen in Sodom nicht vor dem Feuer bewahren. Nur sein Neffe Lot wird gerettet. Die Zerstörung von Sodom scheint eine bedrohliche Botschaft zu sein. Doch sie will uns einladen, unser Leben an Gott auszurichten. Sonst geraten wir in das Feuer der eigenen Leidenschaften, die uns verzehren. Nicht Gott muss das Feuer vom Himmel werfen. Wir verbrennen uns selbst, wenn wir nicht in der Ordnung bleiben, die uns zugedacht ist und die es uns ermöglicht, unsere Würde als Menschen zu feiern.
Gott stellt den Abraham auf die Probe. Die Geschichte vom Opfer seines Sohnes Isaak erschreckt viele Menschen. Doch es ist eine archaische Geschichte, die durchaus auch unsere Seele anspricht. Denn wir haben in uns oft genug ein grausames Gottesbild. Wir meinen, diesen Gott nur dadurch zufriedenzustellen, dass wir uns und den Sohn oder die Tochter, die das Ursprüngliche und Unverfälschte in uns repräsentieren, auf dem Altar unseres Perfektionismus zum Opfer bringen. Es ist nicht Gott, der uns das Opfer befiehlt, sondern unser Bild von Gott. Doch Gott ist anders. Wir sollen nicht das Liebste opfern, sondern den Widder, den Erfolg, die Karriere, das, woran wir uns festklammern und was uns nicht loslässt. Der Widder hat sich im Gestrüpp verfangen. So verfangen wir uns im Gestrüpp unseres Lebens, wenn wir nur äußerlich auf Erfolg und Leistung aus sind. Es geht darum, Gott als Gott anzuerkennen. Das allein führt uns zum Leben.
Abraham ist das Urbild des Glaubens. Als Glaubende sind wir aufgerufen, immer wieder auszuziehen aus allem, was uns festhalten möchte, auszuziehen aus den Gefühlen der Vergangenheit und auszuziehen aus dem Sichtbaren, um uns auf den Weg zu Gott zu machen. Doch unser Glaube ist genauso angefochten wie der des Abraham. Unser Glaube hat uns nicht von unseren Fehlern und Schwächen befreit. So gehen wir mit Abraham unseren Weg und folgen dem Ruf, der an uns ergeht. Und wir hoffen, dass wir mit unseren Stärken und Schwächen für andere zum Segen werden.
Der Herr sprach zu Abram: Ziehe fort aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich will dich zu einem großen Volk machen. Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen; du sollst ein Segen sein. Ich werde segnen, die dich segnen, und die dich verwünschen, werde ich verfluchen! Durch dich sollen gesegnet sein alle Generationen der Erde.
GENESIS 12,1–3

3 JAKOB

Jakob ist der Stammvater Israels. Doch seine Geschichte erzählt uns die Bibel nicht nur, um Vergangenes zu berichten. In Jakob erkennen wir uns und unseren Reifungsweg wieder (Gen 25,19–33,11). Jakob ist der schlaue Mensch, der durch seine Intelligenz seinen Bruder Esau austrickst. Er kauft ihm sein Erstgeburtsrecht ab. Er macht seinen Bruder klein, um sich selbst groß zu machen. Er verdrängt den Bruder, um selbst im Mittelpunkt zu stehen. Und er erlistet sich den Segen seines Vaters. Doch dann bekommt er Angst. Sein Bruder verfolgt ihn und möchte ihn töten. Jakob und Esau – ein Bild für uns. Jeder trägt in sich einen Schattenbruder, eine Schattenschwester. Wer seinen Schatten überlisten möchte, der muss damit rechnen, dass ihn der Schatten überallhin verfolgt. Und so muss er voller Angst vor sich und seiner Wahrheit davonlaufen.
Doch Jakob geht in die Schule Gottes. Sein Schwiegervater Laban versucht, ihn zu betrügen. Aber am Ende ist Jakob schlauer. Er muss zwar 20 Jahre seines Lebens bei Laban verbringen. Doch zuletzt kann Jakob mit großem Reichtum nach Hause ziehen. Jetzt scheint er endgültig der Sieger zu sein. Aber nun wird ihm gemeldet, dass sein Bruder Esau ihm entgegenzieht. Da bekommt der schlaue und mutige Jakob Angst. Vor seinem Schatten kann er nicht davonlaufen. Ihm muss er sich stellen. Und das macht ihm Angst. Vor seinem Schatten ist niemand sicher, auch wenn er noch so sehr auf der Karriereleiter nach oben geht.
Jakob stellt sich seinem Schatten. Er bringt seine Frauen und Kinder und all seinen Besitz über die Furt des Jabbok und bleibt allein zurück. Da kämpft er mit seinem Schatten. Und in dem dunklen Mann begegnet ihm Gott selbst, der mit ihm ringt und ihn schließlich segnet. Jetzt wird Jakob verwandelt. Er bekommt einen neuen Namen. Nicht mehr Jakob (das heißt «Betrüger»), sondern Israel (das heißt «Gottesstreiter») soll er heißen. Weil er seinem Schatten begegnet ist und darin Gott erfahren hat, der ihn mit seinen hellen und dunklen Seiten geschaffen hat, wird er zum Segen für sein Volk, zum Stammvater vieler Menschen. Nun kann er seinem Bruder Esau begegnen und ihn umarmen. Aber er vertraut nun nicht mehr auf die eigene Kraft, sondern auf Gottes Gnade. Er hinkt. Er wird langsamer, um so Gottes Handeln an sich wahrzunehmen. – Eine zutiefst spirituelle Erfahrung, auch heute.
Jakob zeigt uns – spätestens in der Lebensmitte –, dass wir allein mit unserer Schlauheit und Gerissenheit, allein unserem Verstand vertrauend das Leben nicht meistern werden. Wir müssen uns dem eigenen Schatten stellen. Das ist schmerzlich. Der Kampf zeichnet uns. Wir tragen die Wunde mit uns. Aber wir werden trotzdem zum Segen für andere. Gerade in unserem Schatten begegnen wir Gott, dem Gott, der uns befähigt, uns nun auch mit den Menschen zu versöhnen, die uns auf den ersten Augenblick feindlich erscheinen, weil sie uns an die eigenen Schattenseiten erinnern. So zeigt uns die Jakobsgeschichte, wie Versöhnung mit uns selbst und miteinander möglich ist.

4 JOSEF UND SEINE BRÜDER

Josef ist der jüngste Sohn Jakobs und zugleich sein Lieblingssohn. Das macht seine Brüder eifersüchtig. Sie werfen ihn in die Zisterne und verkaufen ihn an Kaufleute. So kommt d...

Inhaltsverzeichnis

  1. EINLADUNG
  2. EINFÜHRUNG: DIE BIBEL LESEN
  3. VERZEICHNIS DER BIBLISCHEN BÜCHER UND ABKÜRZUNGEN
  4. GOTTES BUNDESGESCHICHTE
  5. WEISHEIT ZUM LEBEN
  6. DIE PROPHETEN
  7. DIE JESUS-GESCHICHTE
  8. DIE BRIEFE DES PAULUS
  9. BRIEFE AUS DER URCHRISTENHEIT
  10. DIE OFFENBARUNG DES JOHANNES
  11. SCHLUSSWORT
  12. BIBELSTELLENVERZEICHNIS