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Elija – ein Name ist Programm
Elija, der Tischbiter aus Tischbe in Gilead
1 Könige 17,1
Manchmal, wenn man einem Menschen zum ersten Mal persönlich begegnet, bringt man ja sozusagen schon etwas mit … und das ist mit Ihnen und Elija vielleicht nicht anders. Gar nicht unwahrscheinlich, dass Sie schon irgendetwas über ihn gehört haben, möglicherweise fallen Ihnen irgendwelche Geschichten ein oder Bilder, die Elija darstellen. Oder sogar Musik? Ja, das kann alles sein!
Kein Wunder: Neben Abraham und Mose ist Elija die Gestalt des Alten Testaments, die im Neuen Testament am häufigsten erwähnt wird. Zusammen mit Mose ist Elija dabei, als Jesus verklärt wird. Als Jesus seine Jünger fragt, für wen die Leute ihn halten, ist eine der Antworten: Für Elija. Und sogar bei seiner Kreuzigung, als Jesus nach Gott ruft, was in seiner Sprache »Eli« heißt, glauben manche, er ruft nach Elija. Manche kennen die Geschichte von Elija unter dem Ginsterstrauch, als er sich den Tod wünscht – und ihm ein Engel Brot und Wasser hinstellt. Andere erinnern sich vielleicht an die Szene auf dem Berg Horeb, als Gott dem Elija nicht im Feuer, nicht im Erdbeben und nicht im Sturm erscheint, sondern in einem sanften Säuseln. Marc Chagall, Sieger Köder und viele andere Künstler haben eindrucksvolle Bilder von Elija gemalt – und Felix Mendelssohn-Bartholdy hat die Geschichte des Elija musikalisch in einem Oratorium zum Ausdruck gebracht.
Auch als Vorname ist »Elija« in den letzten Jahren etwas populärer geworden (übrigens: Namenstag ist der 20. Juli) – und er ist der Patron, also der Schutzheilige, der Flieger.
Elija taucht im 1. Buch der Könige im 17. Kapitel vollkommen unvermittelt auf. Es geht keine Berufungsgeschichte voraus. Elija ist plötzlich einfach da. Ein Mann, ein Prophet, voll Leidenschaft für Gott, in einem Moment unsagbar erfolgreich – und dann plötzlich »burn-out«, am Ende.
Deshalb finde ich, dass man ihn ruhig auch zum Patron der ehren- und hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter ernennen sollte – mit Leidenschaft für die Sache Gottes eintreten – und doch manchmal am Ende sein, nicht mehr weiterwissen!
Und dann ein neuer Anfang, ein neuer Beginn, ein neuer Auftrag – weil Gott ganz anders ist.
Irgendwie – ein interessanter Mensch, dieser Elija.
Vielleicht können wir ihn noch einmal ganz neu entdecken, wenn wir ihn auf seinem Lebensweg begleiten, wenn wir aus den Mosaiksteinen, aus dem, was wir bisher über ihn gehört haben, ein Bild entwerfen – und wenn wir ihm erlauben, uns damit auf unserem Weg zu begleiten.
Nach herkömmlichen Maßstäben wissen wir nicht viel über Elija. Er kommt aus Tischbe in Gilead, das liegt im heutigen Jordanien. Die Bibel berichtet von seiner Begegnung mit König Ahab – der regierte 875 bis 854 v. Chr., das kann man rekonstruieren –, also hat wohl auch Elija im 9. Jahrhundert vor Christus gelebt.
Wenn er denn überhaupt gelebt hat … manche Exegeten sagen, dass Elija so sehr die Idealgestalt eines Propheten darstellt, dass er gar nicht historisch war, sondern sozusagen »das konstruierte Idealbild«.
Aber bevor Sie das Buch jetzt schon enttäuscht zur Seite legen: Ganz ehrlich gesagt – es hat auch den kleinen Prinzen und den Fuchs (die aus dem Buch von Antoine de Saint-Exupéry) nicht gegeben. Und doch gibt es sie irgendwie … und auch wenn ihre Geschichte nie wirklich so geschehen ist, so ist sie doch trotzdem wahr.
In früheren Zeiten, als es noch kein Fernsehen und kein Internet und keine Handys gab, hat man menschliche Erfahrungen nicht in irgendwelchen Lehrsätzen zusammengefasst, sondern sie in Geschichten, in Märchen gekleidet. Und wenn man abends am Lagerfeuer diese Geschichten erzählt hat, dann wurden damit zugleich diese Lebenserfahrungen weitergegeben. Und das gilt auch noch heute: Aus Lebensgeschichten lernt man mehr als aus knochentrockenen, offiziell amtlichen Lehrmeinungen.
Zugegeben, der Fuchs und der kleine Prinz – die hätten heute in den Nachrichten keine Chance, da sind knallharte Fakten gefragt. Ein kleiner Prinz und seine Liebe zu dem Fuchs als Meldung in den Nachrichten? Undenkbar! Und doch gibt es sie, diese so wunderschöne Geschichte! Und irgendwie ist sie ja doch wahr – wenn auch anders wahr …
Also – ganz egal, ob Elija faktisch gelebt hat oder nicht –seine Geschichte hat eine Botschaft für uns. Diese Botschaft ist in eine Geschichte eingekleidet, die teilweise auf historisch belegbare Ereignisse und Personen zurückgreift wie zum Beispiel auf König Ahab und Isebel, seine Frau.
Aber die eigentliche Wahrheit dieser Geschichte ist eine andere.
Deshalb ist es vielleicht auch gar nicht so entscheidend wichtig, was wir von Elija zu diesem Zeitpunkt wissen – zumindest die Bibel hält es nicht für notwendig, uns mehr darüber zu erzählen.
Die Frage ist, ob wir uns zusammen mit Elija auf einen Weg machen, bei dem wir ihn besser kennenlernen werden – und vielleicht auch uns selbst.
Übrigens: Elija stellt sich indirekt schon selbst vor – nämlich mit seinem Namen. »Elija« heißt: »Mein Gott ist Jahwe (JHWH)«, in seinem Namen ist bereits sein Bekenntnis zu Gott enthalten – sein Name ist zugleich sein Programm.
»Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus dem Sklavenhaus herausgeführt hat …«
Exodus 20,2
Die Schlüsselerfahrung der Geschichten des Alten Testamentes ist der »Exodus«, der Aufbruch der Israeliten aus Ägypten, und der Bund Gottes mit seinem Volk.
Dies ist das zentrale Ereignis, das alle Erfahrungen der Israeliten mit ihrem Gott bestimmt und prägt – und aus dem heraus sie alle Geschehnisse deuten.
Man kann sich das durchaus sehr konkret und plastisch vorstellen: Da gab es eine Gruppe von Menschen, die aufgrund einer Hungersnot nach Ägypten gezogen waren – und sich dort vermehrten und zahlreich wurden. Die einheimischen Bewohner aber hatten Angst vor den Fremden und zwangen sie zur Arbeit. (Falls Sie nachlesen wollen: Exodus 1,1-14.) Die Israeliten geraten ins Elend, sie werden zu Sklaven gemacht, leiden Not, ihre neugeborenen Söhne werden getötet.
Gott aber erinnert sich des Bundes, den er mit diesem Volk geschlossen hat, er erbarmt sich seines Volkes und beruft Mose als ihren Führer. Ihm sagt er: »Ich habe das Elend meines Volkes gesehen. Darum bin ich herabgestiegen, um es aus der Gewalt der Ägypter zu befreien.« Mose fragt Gott: »Wenn ich zu den Israeliten komme und ihnen sage: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mich fragen: Wie lautet sein Name?, was soll ich ihnen antworten?« Gott antwortet, indem er seinen Namen priwii nennt und ihn erklärt: »Ich bin der Ich-bin-da. So sollst du zu den Israeliten sprechen: JHWH, der Ich-bin-da, hat mich zu euch gesandt« (vgl. Exodus 3,1-15).
Und was danach in der Bibel erzählt wird, ist so eine Art Krimi unserer Urururur…eltern. Mose will nicht Führer des Volkes sein – und doch ist er von Gott dazu berufen. Der Pharao will die billigen und nützlichen Sklaven nicht ziehen lassen und muss doch erleben, dass eine machtvolle Kraft an ihrer Seite ist und für sie kämpft.
Schließlich muss er nachgeben, und er lässt die Israeliten ziehen – um gleich darauf seine Entscheidung zu bedauern und ihnen mit seinem Heer nachzusetzen. Und dann kommt es zu dieser dramatischen Szene am Roten Meer, in der Mose aufgrund der Kraft Gottes das Meer spaltet, die Israeliten unbeschadet hindurchziehen – und in dem Moment, als die Ägypter ihnen nachsetzen, das Meer wieder zurückflutet und alle Verfolger unter sich begräbt.
Gut, es braucht noch Jahre, bis das Volk Israel schließlich dort anlangt, wo es seinen Platz finden soll – und nicht immer wollen sie das, was Gott will. Aber irgendwann wird schließlich das Gelobte (das heißt versprochene) Land erreicht – und vergessen sind die Erfahrungen der Mühsal, der Wanderschaft, des Leidens. Es bleibt die Erfahrung, dass Gott selbst sie aus der Gefangenschaft befreit hat, sie auf ihrem Weg begleitet hat, mit ihnen war – allen Feinden zum Trotz.
Und diese Erfahrung des Exodus bleibt, trägt durch alle neuen Bedrängnisse hindurch, gibt Hoffnung, schenkt Zuversicht in der größten Not. Gott hat schon einmal sein Volk aus einer schier aussichtslosen Lage befreit – er wird es wieder tun. Das ist der Glaube des Volkes Israel – und er trägt bis heute durch.
Der Gott, an den wir glauben, ist ein befreiender Gott – und jeder, der aus ihm einen Gott machen will, der sich seinen eigenen Interessen unterordnet, der hat Gott nicht verstanden. Als Zeichen für diese Unbegreiflichkeit Gottes wird der biblische Gottesname JHWH von Jüdinnen und Juden seit Jahrtausenden nicht mehr ausgesprochen (die Aussprache dürfte etwa »Jahwe« lauten), sondern umschrieben. Auch christliche Bibelübersetzungen schreiben stattdessen »der Herr«. Gott übersteigt unser Denken, er entzieht sich unsere...