Mission Manifest
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Mission Manifest

Die Thesen für das Comeback der Kirche

  1. 240 Seiten
  2. German
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Mission Manifest

Die Thesen für das Comeback der Kirche

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Kirche in Deutschland ist oft erstarrt, Glaube immer weniger lebendig. Immer klarer wird: Deutschland, Österreich und die Schweiz sind 'Missionsländer' geworden. Mit zehn Thesen zeigt dieses Buch, was sich in der Kirche ändern muss und wie das geht. Es ist eine mitreißende Forderung, dass Mission wieder die höchste Priorität hat. Und sie ist eine Einladung an alle, die sich nicht damit abfinden wollen, dass der Glaube verdunstet – der eigene Glaube und der der Welt. Die Initiatoren Johannes Hartl, Bernhard Meuser und Karl Wallner haben selbst zur Feder gegriffen, oder sie haben engagierte Vertreter der Erneuerungsbewegungen gebeten, die Präambel und die zehn Thesen von Mission Manifest zu erläutern. Dazu Stellung genommen haben Michael Prüller, Markus Wittal, P. Karl Wallner OCist, Sophia Kuby, Maxi Oettingen, Marie-Sophie Maasburg, Martin Iten, Katharina Fassler-Maloney und P. Hans Buob Sac.Die Autoren und Initiatoren des Mission Manifest leben und arbeiten seit Jahren im Herzen kirchlicher Aufbrüche; sie verbindet die Sehnsucht, dass die Kirche sich nachhaltig verändert, damit sie bleibt, was sie von Jesus her ist. Sie sind sich sicher: Das, was die Kirche jetzt braucht, ist das, was ihr immer schon aus verhängnisvollen Verstrickungen heraushalf: Bekehrung, Gebet, Mut für ungewöhnliche Lösungen, unbefangenes, gewinnendes Zugehen auf Nichtchristen, eine Neuorientierung anhand der Heiligen Schrift, aber vor allem die Hinwendung zu Gott – und zwar in realem Vertrauen, dass ER die versiegten "Bäche im Südland" (Ps 126, 4) wieder füllen kann und füllen wird, wenn er angerufen wird. Zwei bis dato ziemlich nachrangige Begriffe – davon sind sie überzeugt – werden für die Zukunft der Kirche immer wichtiger werden: die Begriffe "Jünger" und "Mission". Eine Kirche ohne Nachfolger Jesu (= Jünger) ist ein Unding, ebenso wie es ein Unding ist, wenn die Kirche ihre "Mission" nicht mehr kennt, oder noch direkter formuliert: ihren Daseinszweck verloren hat.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783451813047

Michael Prüller

Präambel

Nach menschlichem Ermessen wird die Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz in wenigen Jahren kaum mehr eine gesellschaftlich wahrnehmbare Rolle spielen. Das ist weniger schade um die Kirche als schlimm für die Menschen, die Gott verlieren oder Jesus nie kennenlernen. Wir sind katholische Christen in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die unter der »Erosion des Glaubens«, von der Papst Franziskus spricht, leiden. Wir wissen: Unsere Heimatländer sind Missionsländer geworden. Wir sind bereit für Mission. Wir wünschen, dass unsere Länder zu Jesus finden. Wir laden alle ein, die sich verbindlich mit uns hineinbegeben wollen in eine Welle des Gebets. Wir möchten diejenigen zusammenführen, die den Mut zu ungewöhnlichen Schritten haben. »Das Gebot der Stunde«, sagt auch Papst Franziskus, »ist die pastorale Neuausrichtung, also dafür zu sorgen, dass die Strukturen der Kirche alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des ›Aufbruchs‹ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet«. Viele Bischöfe sind diesem Aufruf gefolgt und haben ihn sogar noch verstärkt. Unsere Initiative von unten möchte sie unterstützen

1. Wüste. Blüten. Wüste.

In der Erzdiözese Wien, für die ich arbeite, hat sich im vergangenen Jahr die Zahl der Erwachsenen, die sich auf ihre Taufe vorbereiten, verdreifacht. Das hat viel Interesse bei den Medien hervorgerufen, und wir konnten eine Reihe von Interviews organisieren. Journalisten stellten Fragen wie: »Was hat Sie am Christentum so beeindruckt, dass Sie sich dafür entschieden haben?« Oder: »Was erwarten Sie sich von der katholischen Kirche?« Die Interviewten sind häufig jung; sie schauen manchmal etwas konsterniert, als ob sie mit Fragen dieser Art wenig anfangen können. Sie sprechen lieber über Jesus Christus. Wie sie ihn kennengelernt haben. Wie er für sie Alles geworden ist. Gelegentlich sind es Migranten, und sie erzählen, wie sie unter Lebensgefahr zuhause begonnen haben, in der Bibel zu lesen und dabei immer stärker seine Gegenwart gespürt haben. Wie sie in ihrem Glauben ein Glück erfahren haben, einer Hoffnung begegnet sind, wie sie sie nicht gekannt haben. Und wie sehr sie sich danach sehnen, durch die Taufe ganz zu Christus zu gehören. Den Journalisten ist das manchmal fast peinlich. Irgendwie wäre es ihnen lieber, ihre Interviewpartner würden über etwas Greifbares reden. Über christliche Werte zum Beispiel. Über die Mitmenschlichkeit in einem tollen Pfarrcafé. Aber nicht über Sachen, die man nicht ganz ernst nehmen kann. Denn nähme man das ernst, könnte man ja nicht weiterleben wie bisher! Im Grunde geht es vielen von uns, den von Schnullerzeiten an kirchlich sozialisierten Menschen, nicht viel anders als diesen Journalisten. Wir können uns kaum mehr vorstellen, welche Freude es ist, als erwachsener Mensch Christus zu entdecken.

2. Manchmal sind es nur ein Bild oder ein Film.

Die Erwachsenen, die um die Taufe bitten, fragen wir immer, ob sie uns nicht ihren Weg in den Glauben schildern könnten. Häufig hat man den Eindruck: Es sind nicht die Menschen, die nach Gott suchen, sondern es ist Gott, der sich einen Weg zu den Menschen bahnt. Oft überraschend, manchmal in kleinen Schritten, manchmal mit Wucht, manchmal über lange Zeiträume hinweg.
Ein paar Geschichten – sie sind nicht erfunden: Eine Frau setzte sich in eine Kirche, weil sie mit ihrem Liebeskummer nicht fertig wurde – und fing dort an zu glauben. Manchen schließt die vielstimmige Kirchenmusik auf eine Weise das Herz auf, dass sie gar nicht anders können, als Christus hineinzulassen. Jemand bekam von einer Fremden im Park eine Bibel geschenkt. Ein anderer ging seiner Frau zuliebe in die Kirche und erlebte, wie er Gott den kleinen Finger reichte und der ihn gleich fest umarmte. Eine Mutter lernte durch die Erstkommunionvorbereitung der Tochter dieses fremde Wesen namens »Gott« kennen. Ein anderer Täufling geriet aus ganz pragmatischen Gründen in eine christliche Gemeinschaft, war überrascht vom Vertrauen, der Zuneigung, der Offenheit und der Liebe der Gastgeber – und begann sich dafür zu interessieren, woher das kommt. Manchmal ist der Auslöser nur ein Kruzifix, manchmal nur ein Bild oder ein Film … Jemand war Gast in einer Familie, in der gebetet wurde. Wieder jemand anderes wurde bei einer Straßenmission angesprochen. Anderen erschien Christus sogar im Traum und offenbarte sich ihnen als der Erlöser.
Wenn sich mancher auch die Augen reibt: Es gibt eine in der Stille wachsende Kirche. Und überall, wo sie das tut, begegnet man Schicksalen, die man nicht wieder vergisst. Der Sohn einer der berüchtigsten Bankräuber- und Drogenschmugglerfamilien Londons bekehrte sich – im Gefängnis – und bekehrt nun andere. Eine Ärztin, die früher Schwangerschaftsabbrüche durchführte, betreut jetzt Straßenkinder. Und das sind nur die spektakulären Fälle. Es sind viele Menschen und es werden mehr, die mit Freude und Staunen von ihrem neu- oder wiedergefundenen Glauben berichten.
Alle sind auf ihrem Weg auf Menschen gestoßen, die zunächst einmal vorbehaltslos gut zu ihnen waren. Irgendwann, als die Zeit dafür reif war, haben diese Menschen dann zu ihnen auch von Gott gesprochen. Mir kommt das Wort des heiligen Vinzenz von Paul, dem Gründers des Lazaristenordens, in den Sinn: »Gott befiehlt uns bloß, die Netze auszuwerfen, nicht aber, Fische zu fangen, weil er es ist, der sie ins Netz gehen lässt.« Er macht das tatsächlich, täglich, vor unseren Augen. Und wenn er es tut, ist es umwerfend. Mich bewegt das: Gott ist groß! Der Gott, den es nach dem Menschen und seiner liebenden Antwort dürstet. Nie bin ich Gott so nahe, wie wenn ich ihn anderen nahebringe. Keine Minute ist so groß wie die, in der jemand seine Größe erkennt. Keine Aufgabe ist so schön wie die, das Werkzeug seiner Liebe, seiner Sehnsucht nach jedem Menschen zu sein. Missionar zu sein, Werkzeug der Bekehrung, ist eine große Freude. Es ist die wunderbarste und glücklichste Vollendung des Christseins.

3. Aber warum verliert die Kirche dann an Bedeutung?

Aber wenn die Menschen Gott suchen und glücklich sind, wenn sie ihn finden, warum wenden sich dann immer mehr Menschen von der Kirche ab statt ihr zu? Ist es so, wie es in der Präambel des Mission Manifest steht, um das es in diesem Buch geht: Wird unsere Kirche bedeutungslos?
In vielerlei Hinsicht natürlich nicht: Die hochprofessionelle Caritas, unsere Schulen und Kindergärten florieren und bauen aus. Kirchliche Spitäler, Pflege- und Altersheime werden weiterhin eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft erfüllen. Und die Kirche ist auch noch viel zu finanzstark und sie bietet noch zu viele Chancen auf Aufträge und Jobs, um über Nacht bedeutungslos zu werden.
Dazu wissen wir auch noch nicht, was die Suche nach einer europäischen Identität angesichts der Herausforderung der islamischen Migration bringen wird. Wird es zu einer Renaissance des kirchlichen Brauchtums kommen, zu einer Wiederentdeckung der Fronleichnamsumzüge und Nikolausfeiern? Und behält die schöne Erzählung von Maria, Josef und dem Eselchen im schneebedeckten Stall nicht auch dann noch ihre besinnlichkeitssteigernde Wirkung, wenn man sie für ein Märchen der Brüder Grimm hält?
Das mag alles sein. In ihrer »Macht« jedenfalls, Menschen an sich zu binden, nähert sich die Kirche aber tatsächlich asymptotisch der Bedeutungslosigkeit. Für Österreich habe ich die exakten Zahlen, aber sie sehen wohl auch für Deutschland und die Schweiz sehr ähnlich aus: In der unmittelbaren Nachkriegszeit fanden sich in jeder österreichischen Pfarre im Durchschnitt 720 Menschen am Sonntag zu den Gottesdiensten ein. 1995 waren es nur noch 440. Heute sind es 190. Geht dieser Trend ungebremst weiter, werden es in einem weiteren Vierteljahrhundert nur noch 80 Kirchgänger sein. Und in zwei Generationen, im Jahr 2065, sind es dann magere 30. Gut – 30 Menschen können immer noch einen stimmungsvollen Gottesdienst feiern. Sie können auch noch zwei Bibelkreise füllen. Sie können sogar noch regelmäßig faire Schokolade aus Ecuador verkaufen. Aber für eine Pfarrgemeinde, die in die Welt hinausstrahlt, ist das längst nicht mehr genug. Ersparen wir uns die ganze, deprimierende Statistik-Kiste, den Blick auf die Abnahme der Taufen und kirchlichen Trauungen sowie das fast flächendeckende Verschwinden der Beichte. Das stille Ableben einer katholischen Zeitschrift nach der anderen. Klar ist: Die Struktur unserer Kirchen wird sich dramatisch verändern. Nicht soll oder muss, sondern: wird. Das ist unausweichlich. Wir können uns nur aussuchen, ob wir diesen Prozess erleiden oder aktiv gestalten möchten.

4. Wegfallende Gründe

Aber die Erosion der Strukturen bedeutet nicht, dass der ­Inhalt verschwindet. Schauen wir einmal genauer hin: Ist es nicht so, dass von 100 Gründen, sonntags in die Kirche zu gehen, geschätzte 98 heute nicht mehr ziehen – von der Angst, im Dorf als Nicht-Kirchgänger als asozial zu gelten, bis hin zur Hoffnung, in der Kirche einen Partner zu finden? Aber die zwei wichtigsten Gründe bleiben: Die Freundschaft mit Christus zu vertiefen und ihr gemeinsam mit anderen Ausdruck zu verleihen. Was wir erleben, ist vielleicht nicht so sehr eine Abnahme des Glaubens als eine Reduktion auf den Glauben. Das Unwesentliche fällt weg. Wer bleibt, hat substanzielle Gründe.
Wer braucht heute noch einen Gottesdienst, um aus seiner Einsamkeit auszubrechen, wenn er sich über Facebook ein analoges Feeling verschaffen kann? Welcher 17-Jährige ist heute noch auf den Tischtennistisch im Pfarrheim angewiesen, wenn er es am Wochenende mit seinen Freunden nett haben will? Niemand muss mehr ins Kloster, um Krankenschwester werden zu können. Niemand muss mehr Ministrant werden, damit ihm der Pfarrer das Gymnasium zahlt. Wer Angst um seinen Job hat, zündet nicht mehr Kerzen an, sondern setzt auf lebenslanges Lernen und den Betriebsrat. Wer um seine Gesundheit bangt, konsultiert Ärzte und schließt eine Zusatzversicherung ab. Wen die Schwermut überkommt, der geht zum Psychiater. Landwirte setzen eher auf eine vernünftige Ernteversicherung als auf Flurprozessionen. Und wen es drängt, entgrenzende Erfahrungen mit der Urkraft des Universums zu machen, der hat ausufernd Gelegenheit, das im Reich der Sexualität zu tun, was in der Regel ja auch deutlich lustvoller erlebt wird und einen niederschwelligeren Zugang hat als etwa eine Einführung ins mystische Gebet.
An Opiaten aller Art herrscht kein Mangel. Ambrose Bierce definierte schon 1911 in seinem »Wörterbuch des Teufels«, was Opium ist: »Eine unversperrte Tür im Gefängnis des Ichs. Sie führt in den Gefängnishof.« Aber der Ausflug in den Gefängnishof ist schon ziemlich cool, wenn man nicht weiß, wie man sonst aus dem Ego-Gefängnis herauskommen kann.
Der Kirche ist eine letzte Domäne geblieben: die Welt außerhalb von »Ich bin ich und muss mir selbst genügen«. Wer Gott sucht, der findet ihn eher selten beim Trachtenfest, Clubbing oder im rituellen Aufsuchen von Gourmetlokalen. Er findet ihn auch kaum beim Entschlacken, bei Pilates oder bei den Glückssteinen. Für Menschen, die Gott suchen, ist die Kirche immer noch der Hafen, in den man mit seiner Sehnsucht einlaufen kann. Hier liegt die Stärke der Kirchen, hier haben sie ihren USP, ihren Unique selling point: Sie vermitteln »die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus, eine Glaubensgemeinschaft, die einen aufnimmt, einen Horizont von Sinn und Leben« (Papst Franziskus »Evangelii Gaudium«).
Damit stehen sie heute freilich einer Fülle von Ablenkungen gegenüber: Wen die Sinnkrise überfällt, der kann sich mit dem Frustkauf eines Paars Schuhe, einem Kinobesuch, einem neuen Ego-Shooter, dem aktuellen Justin-Bieber-Video oder einem hilfreichen Psychopharmakon lange Zeit recht erfolgreich vor der Konfrontation mit seinem Schöpfer herumschwindeln. Jammern ändert daran aber gar nichts, weder die Klage über die Unfähigkeit der Kirche noch die Brandrede gegen die Schlechtigkeit unserer Zeit. Es ist, wie es ist.

5. Alles schon mal dagewesen

Und das ist nicht zum ersten Mal so. Die Geschichte der Kirche ist eine Geschichte ihrer Krisen. Wenn wir wie hypnotisiert auf den in Zahlen messbaren Niedergang starren, müssen wir uns nicht alleine fühlen: Das haben nämlich schon viele Generationen vor uns getan. Es gibt nicht wenige Kulturhistoriker, die zu dem Schluss gekommen sind, das »christliche Europa« habe nie wirklich existiert. Wir müssen uns also hüten vor einer nostalgischen Idealisierung der europäischen Vergangenheit aus dem Blickwinkel der Gegenwart. Wir denken von den zwanzig Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs her, in der die christlichen Kirchen eine ganz außergewöhnliche Hochblüte erlebten, die uns heute aber wie der »Normalzustand« vorkommt. Dabei ist der Normalzustand der, den wir jetzt haben.
Seit ich mit 16 Jahren in der elterlichen Bibliothek ein Buch mit Alfred Delps im Gestapo-Gefängnis verfassten Aufsätzen gefunden habe, hat der Jesuitenpater eine besondere Wirkung auf mich. Die Nationalsozialisten richteten ihn an Lichtmess 1945 hin, weil er mit Kreisen aus dem Widerstand Pläne für eine Neuordnung Deutschlands nach dem Naziterror entworfen hatte. Seine Gedanken, die er im Angesicht des Todes niederschrieb, sind teils von einer atemberaubenden Aktualität. Schon 1941 sagt er in einem Vortrag: »Die Sprache der Zahlen zeigt eine ständige Abnahme der kirchlich gebundenen Menschen.« Und: »Mensch der Kirche sein heißt heute: einsam sein, fremd sein, die Fühlung mit vielen Dingen verloren haben, missverstanden und falsch verstanden werden.« Die Erfahrung der spirituellen Wüste sprach Delp schon damals klar und nüchtern aus: »Wir sind Missionsland geworden. Diese Erkenntnis muss vollzogen werden. Die Umwelt und die bestimmenden Faktoren allen Lebens sind unchristlich. (…) Missionsland darf man nur betreten mit einem echten Missionswillen, das heißt mit einem Willen, an den anderen Menschen sich auf allen Wegen heranzupirschen und ihn zu gewinnen für Gott den Herrn.«
Und Delp sah eine müde gewordene, verbürgerlichte Kirche, die sich damit aufhält, »ihre Devotionalien zu putzen« und nichts spürt »von dem großen Marsch und Rhythmus, der uns quält und drängt.»Der Mensch kann die Kirche krank machen dadurch, (…) dass er gleichsam nur in die Kirche sich flüchten möchte zur eigenen Sicherheit und Geborgenheit. Wie anders gingen wir durch die Geschichte, wenn wir uns angehaucht fühlten von dem Heilswillen Gottes! Kirche ist man nicht aus ein bissche...

Inhaltsverzeichnis

  1. Mission Manifest
  2. Impressum
  3. Inhalt
  4. Eine Präambel und zehn Thesen
  5. Einleitung
  6. Michael Prüller
  7. Markus Wittal
  8. Pater Karl Wallner OCist
  9. Sophia Kuby
  10. Maximilian Oettingen
  11. Marie-Sophie Maasburg
  12. Johannes Hartl
  13. Bernhard Meuser
  14. Martin Iten
  15. Katharina Fassler
  16. Pater Hans Buob SAC
  17. Über die Autoren