Peacemaker
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Peacemaker

Mein Krieg. Mein Friede. Unsere Zukunft.

  1. 160 Seiten
  2. German
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Peacemaker

Mein Krieg. Mein Friede. Unsere Zukunft.

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Über dieses Buch

Simon Jacob reist für das Projekt "Peacemaker" seit Jahren durch Syrien, Irak und Iran. Als Angehöriger eines bedeutenden Clans aus der Region kommt er an Orte und zu Menschen, die für andere Menschen aus dem Westen unerreichbar sind. In seinem Buch nimmt er den Leser mit auf eine faszinierende Reise, voller Abenteuer und Schrecken, aber auch Mut, Hoffnung und Aufbruch. Sein emotionaler Erfahrungsbericht fängt den Leser ein und gibt ihm intime Einblicke in Jacobs ganz persönliche Entwicklung. Zugleich kann er Zusammenhänge erklären, die in Europa nicht verstanden werden und die entscheidend sind für die Frage nach der Zukunft – nicht nur dort, sondern auch bei uns. Simon Jacob, der auch Vorsitzender des Zentralrates Orientalischer Christen in Deutschland ist, verbindet Analysen und Lösungsansätze mit Erfahrungen und Begegnungen und schafft ein einzigartiges Buch mit klarer Botschaft: "Frieden im Nahen Osten ist möglich und ich glaube auch daran – gerade weil ich in all diesen Ländern war."Im Zentrum des Buches stehen seine Reisen und Erfahrungen, vor allem auch das Projekt "Peacemaker": Als Simon Jacob von einer Nahostreise zurückkam, war er geprägt von traurigen Momenten, Gewaltexzessen, Klagen und Weinen. Zugleich beunruhigten ihn die europaweiten Erfolge der Rechtspopulisten. Jacob fasste einen Plan, die Idee war simpel: Er wollte sich mit Kamera, Smartphone und jeder Menge Improvisationstalent auf den Weg machen, um Menschen, einfache Menschen, im Nahen Osten zu treffen. Solche, die trotz allem noch an den Frieden glauben. Er wollte zeigen, dass der Nahe Osten viel mehr ist als Terrorismus, dass die interkulturelle und interreligiöse Grenze überwunden werden kann. Allein von September 2015 bis März 2016 legte er 40.000 Kilometer zurück, reiste über Antakya und die türkisch-kurdischen Gebiete nach Georgien, Armenien, Syrien, den Irak und Iran, machte mehrere Tausend Bilder, veröffentlichte über 180 Artikel, führte unzählige Interviews und Gigabytes an Videointerviews. Er sprach mit Menschen, lauschte ihren Nöten und ihrem Leid, brachte Bildung und förderte den interreligiösen Dialog. Er sah Leid, aber auch Lebensfreude und Hoffnung. Sein Projekt "Peacemaker" begann, Wellen zu schlagen.In diesem Buch berichtet er von seinen Erlebnissen und Abenteuern, davon, wie nah Grausamkeit und Hoffnung beieinander liegen und er schildert die Veränderungen, die er gemacht hat. Seine ganz persönliche Geschichte, die über seinen eigenen Krieg und Frieden erzählt, darüber, wie er seinen christlichen Glauben und den Glauben an die Menschlichkeit wiedergefunden hat. Und die auch einen anderen Blick auf die Welt zulässt und zeigt, dass und wie Frieden möglich ist und warum er so fest daran glaubt."Nach meiner Rückkehr nach Deutschland erhielt ich einen verzweifelten Anruf der Mutter, die ich besucht hatte. Der Vater war nach Syrien gereist, um Pässe zu besorgen und nicht mehr zurückgekommen. Die Mutter rief mich nachts an, verzweifelt, weinend, schreiend und bat mich darum, den Kindern und ihr zu helfen. Die Erinnerung an den herzzerreißenden Anruf und andere Bilder lassen mich seitdem nachts immer wieder aus dem Schlaf hochschrecken. Und doch sind es nicht nur die Toten, die mich beschäftigen. Oder die machthungrigen und fanatischen Verbrecher. Es sind die Lebenden, besonders die Mütter und Kinder. Für sie müssen wirFrieden schaffen! Als Akt der Menschlichkeit – und in der Hoffnung, dass sie eine Zukunft haben."

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Information

Project Peacemaker

Die Erlebnisse und Erinnerungen der letzten Jahre beflügeln meine Gedanken, und eigentlich könnte ich noch Hunderte Seiten füllen. Doch ich muss viele Erfahrungen, die kostbar sind und prägend, überspringen, direkt hin zu einem völlig neuen Lebensabschnitt, der Mitte 2015 beginnt. Beginnt mit einer mehrmonatigen Reise, mehr als 40.000 Kilometer lang, die viel von dem zum Abschluss bringt, was auf- und angebrochen ist in den letzten Jahren. Manche halten mich für verrückt, andere für lebensmüde und wieder andere, meine Eltern zum Beispiel, würden mich am liebsten von diesem Vorhaben abbringen. Die, die mich für verrückt halten, es mir aber aus Gründen der Höflichkeit nicht direkt ins Gesicht sagen, sind meine deutsch-deutschen Freunde, die mit meinem Aktionismus nicht viel anfangen können und bis heute nicht begriffen haben, wie viel Leidenschaft das nahöstliche Christentum, mein Christentum, für mich bedeutet, gepaart mit der Logik und einer strukturierten Denkweise, die ich in Deutschland erlernt habe.
Im April 2015 komme ich von meiner letzten Nahostreise zurück. Noch immer die traurigen Momente und die Gewaltexzesse, die Klagen und das Weinen im Gedächtnis, schmiede ich einen Plan. Mir kommt es manchmal so vor, dass jeder im Westen denkt, alle Bewohner des Nahen Ostens seien nur noch Terroristen, die am liebsten Frauen vergewaltigen und Ungläubigen den Kopf abschneiden. Die mediale Saat des IS ist aufgegangen. Ich weiß natürlich, dass es erstens nicht so ist und zweitens auch nicht alle Europäer so denken. Doch die europaweiten Erfolge der Rechtspopulisten sind für mich ein Antrieb, etwas dagegen zu tun. Die Idee ist simpel: Ich will mich mit Kamera, Smartphone und jeder Menge Improvisationstalent auf den Weg machen, um Menschen, einfache Menschen eben, im Nahen Osten zu treffen. Solche, die trotz allem noch an den Frieden glauben. In Istanbul will ich starten, weiter reisen über Antakya und die türkisch-kurdischen Gebiete nach Georgien, Armenien, Syrien, den Irak und Iran. Um es vorwegzunehmen: Von September 2015 bis März 2016 lege ich 40.000 Kilometer zurück, schieße mehrere Tausend Bilder, veröffentliche über 180 Artikel, führe unzählige Interviews und Gigabytes an Videointerviews. Ich sehe wieder viel Leid, aber eben auch viel Spaß und Hoffnung. Und ich bekomme mit, wie das »Project Peacemaker« beginnt, Wellen zu schlagen; die Medien fragen an, und nach meiner Rückkehr sagt ein Mann bei einem Workshop in Berlin zu mir: »Sie sind doch der mit dem Project Peacemaker.« Der Mann ist Joachim Gauck und Bundespräsident.

»Ich rede mit dir, weil du der Jugend angehörst«

Das wichtigste Projekt meines Lebens begann mit einer schallenden Ohrfeige. Zumindest fühlten sie sich so an, die Worte des Generalvikars des Patriarchats der Syrisch-Katholischen Kirche in Istanbul: »Was wollt ihr Journalisten wieder hier, ihr könnt doch ohnehin nichts bewegen. Euch fehlt der Glaube.« Als mich der über sechzig Jahre alte und im Tur Abdin auf die Welt gekommene Geistliche näher betrachtete, meine Lederjacke, die Turnschuhe dazu und das Emblem der »Peacemaker-Tour« auf meiner Schulter sah, schien er doch den Drang zu verspüren, mir gerade wegen meines jugendlichen Auftretens eine Audienz zu gewähren. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gebracht, sagte er: »Nicht, dass es etwas bringt, aber ich rede mit dir, weil du der Jugend angehörst.«
Die zweite Ohrfeige kassierte ich, als mich der an Ahab aus dem Roman »Moby Dick« erinnernde Geistliche darauf aufmerksam machte, dass kein Geistlicher zwischen uns und Gott stehen dürfe. Gott allein sei vollkommen. Dabei überraschte er mich mit einer philosophischen Denkrichtung, die ich so nicht von ihm erwartet hätte: »Wenn ich als Buddhist auf die Welt gekommen wäre, wäre ich Buddhist. Als Muslim ein Muslim und als Jude ein Jude. Oder sogar Atheist.« Was sollte Gott, oder die Kraft, die Gott darstellt, dazu bewegen, den einen zu bevorzugen und einen anderen nach hinten zu stellen? Der Mensch entscheidet nicht, in welche Welt er hineingeboren wird. Wichtig ist, was er daraus macht. Vater Yusuf erklärte mir so seine Sicht und präsentierte mir danach stolz seine Bibliothek mit Schriften, teilweise mehrere hundert Jahre alt, die er eingehend untersucht und studiert hatte. Dann band er mit allergrößter Vorsicht mehrere Korane auf, zwei davon auf Kurdisch und Farsi. Nachdenklich die Stirn runzelnd erklärte er mir, dass die arabische Version des Korans mehrere Textpassagen in Aramäisch enthalten würde. Das hatte ich noch nie zuvor gehört. Ich war beeindruckt, doch die nächste Ohrfeige wartete schon auf mich: Ich sollte einige Schriften in Aramäisch lesen. Da ich als Kind das letzte Mal Texte in aramäischer Sprache gelesen und geschrieben hatte, fiel mir das enorm schwer. Der Geistliche mahnte mich sofort: »Wenn du keinen Respekt vor der Schrift hast, wirst du Kulturen und Religionen nie verstehen. Und damit das Ziel verfehlen, Frieden zu schaffen.«

Eris – Oliven und der Weg zum Frieden

Ich hatte in der Türkei aufwühlende Tage hinter mir. War bei den Wahlen gewesen, hatte die explosive Stimmung hautnah miterlebt und das Gefühl, dass dort etwas im Umbruch war, man es aber nur schwer fassen konnte. Wir waren nun auf dem Weg nach Tokacli, wo wir einen Geistlichen der Rum-Orthodoxen Gemeinde besuchen wollten. Kurz vor dem Dorf trafen wir auf Eris, einen jungen Schweizer-Deutschen, der uns hilfsbereit den Weg in das Dorf zeigte. Wir verabredeten uns zu einem Gespräch.
Eris ist das Kind von Flüchtlingen. Aus politischen Gründen musste der Vater, der heute als Psychiater in der Schweiz lebt und arbeitet, die Türkei verlassen. Eris war damals fünf. Es dauerte, bis er sich in der neuen Heimat zurechtfand. Er studierte Journalismus, machte dann in anderen Bereichen Karriere, erfüllt war er jedoch nicht. Es fehlte ihm etwas. Was sollte er tun? Eris beschloss, das Erbe seiner Eltern anzutreten und Biooliven nahe der syrischen Grenze anzubauen.
Eine verrückte Idee? Vielleicht, besonders in diesen Zeiten. Für Eris aber nicht nur ein Schritt auf dem Weg zu sich selbst, sondern auch auf andere zu: »Der eigentliche Krieg, den sie hier haben, ist der Kampf ums Überleben«, stellte er fest und erklärte weiter, dass es gerade für die Flüchtlinge wichtig sei, Zeichen zu setzen. Ihnen Perspektiven aufzuzeigen, mit technologischem Know-How neue Trends aufzugreifen, wie zum Beispiel die »Slow-Food« Bewegung, die gerade auch in der Türkei Einzug hält.
Eris löste bei mir durch diese Erklärung Ehrfurcht aus, und seine Entscheidung schien mir bedeutender als viele der Versprechen und Millionenzusagen manch eines Staates, die Flüchtlingen zwar temporär behilflich waren, letztendlich jedoch keine echten Perspektiven boten, die nicht die Ursachen für Flucht und Vertreibung bekämpften. Eris wollte genau dagegen ankämpfen, überspitzt gesagt: Frieden durch Biooliven. Denn Frieden fängt mit kleinen Früchten an. Unser Gespräch mit diesem jungen Menschen voller Idealismus machte es mir jeden Tag leichter, religiöse und auch ethnische Grenzen zwischen den Menschen verschwinden zu lassen. Ich werde oft nach Zeichen der Hoffnung und des Friedens gefragt und deshalb schreibe ich dieses Buch. Weil ich viele Zeichen gesehen habe. Sie sind nur manchmal so klein wie Oliven.

Brücken zwischen den Menschen

Als ich davon hörte, dass es im früheren Antiochien, im heutigen Antakya in der Provinz Hatay einen Laienchor aus Sunniten, Alawiten, Christen, Juden sowie Armeniern, Kurden, Syrern und anderen Ethnien gab, war für mich klar, dass ich diese Menschen treffen musste. Ich fuhr deshalb nach Antakya, dieser Stadt, von der ich vorher schon erzählt habe und die seit der Antike für ihre religiös und kulturell vielfältige Gesellschaft bekannt war und immer noch ist.
Am Ziel angekommen, empfing mich Yilmaz Özfirat, der Organisator des multireligiösen Chors. Einer seiner ersten Sätze: »Hör auf, so deutsch zu sein und schau nicht immer auf deine Uhr.« Er lächelte. Wir saßen in seinem Büro im »Cem-Haus«, das traditionelle Gebetshaus der alawitischen Religionsgemeinschaft. Wir bekamen Tee und Höflichkeit, durften einige Kunstwerke und Schriften bewundern, ehe wir wenig später den Chor trafen. Gerade lief eine Probe, und was wir sehen und hören durften, erstaunte uns alle, berührte uns zutiefst. Die Mitglieder, ungefähr die Hälfte davon Frauen, stammten aus allen Schichten, der Arzt sang zusammen mit der Hausfrau, der Pförtner gemeinsam mit der Gemüsehändlerin. Und alle, obwohl sie nicht aller Sprachen mächtig waren, sangen, egal, ob jüdische, christliche oder muslimisch geprägte Lieder, ob auf Arabisch, Aramäisch, Bosnisch, Kurdisch oder Türkisch. Später vedeutlichte Yilmaz Özfirat seine Idee: »Wenn ich heute mit meinem Chor nach Damaskus eingeladen werden würde und ich könnte dort etwas bewirken, so würde ich ohne Zögern sofort fahren.« Der Chor in Antakya ist ein Beispiel dafür, dass Menschen verschiedenster Religionen und Ethnien im Nahen Osten im Stande sind, Frieden zu schaffen. Eigenständig und ganz ohne westliche Hilfe.
Die Begegnung mit dem Chor beeindruckte mich noch, als ich David Cagan, dessen Wurzeln im Tur Abdin in Midyat liegen, traf. David hatte einige Zeit in Deutschland gelebt und die Sprache nicht verlernt. Überhaupt war zu erkennen, dass Bildung und das Erlernen von Sprachen für David eine besondere Bedeutung hatten: Er hatte mehrere Privatschulen gegründet; der studierte Mathematiker und Archäologe, der nebenbei ein Fernstudium für Philosophie begonnen hatte, leitete gemeinsam mit zwei sunnitischen und alawitischen Partnern die drei Privatschulen, deren Fokus auf die wichtigsten Naturwissenschaften gerichtet war. Seine Überzeugung: »Bildung schlägt eine Brücke zwischen den Menschen.« In seinen Klassen lernten Schüler unterschiedlichster Ethnien und Religionen zusammen, die ersten Brücken entstanden schon. Für Cagan nur ein Anfang. Er beschrieb mir die Situation der Christen in Hatay, positiv und deutlich verbessert, sogar alte Kirchen konnten ohne große Probleme restauriert werden. Doch auch das nur ein Anfang – ein hoffnungsvoller allerdings.

Granatapfelklopfen auf den Spuren des Musa

Zwischen 1915 und 1918 fand ein Völkermord an den Christen der Türkei statt, der bis zum heutigen Tag nicht aufgearbeitet wurde und für politische Brisanz sorgt. Der heutigen Bevölkerung in der Türkei, die in vielerlei Hinsicht bestrebt ist, einen Dialog zu suchen, ist nicht die Schuld zu geben an dem, was in der Vergangenheit passiert ist. Und deswegen beginnt Versöhnung zunächst im Dialog.
Das letzte armenische Dorf in der Türkei, nahe am Berg »Musa Dagi« gelegen, dessen Bewohner die Nachfahren der damals Vertriebenen sind, zeigt beispielhaft, wie Versöhnung funktionieren kann. Vater Trifon, unser geistlicher Beistand von der Rum-Orthodoxen Kirche, begleitete uns auf unserer Reise dahin. Im Dorf angekommen und mit den richtigen Ansprechpartnern vor mir, löste ich mein Versprechen ein, das ich Kemal Balkan, einem Deutsch-türkischen Künstler in Deutschland, gegeben hatte. Ich überreichte dem Dorf ein Kunstwerk, das Kemal als Zeichen der Versöhnung dem letzten Dorf der Armenier gewidmet hatte. Einen schöneren Ort, eingebettet in eine friedliche Landschaft, in der Frauen und Männer in Harmonie und Ruhe aus den Trümmern etwas so Wunderbares aufgebaut haben, findet man nur schwer. Ein Symbol, das das Zusammenleben der Völker demonstriert. Im dorfeigenen Laden betrachtete ich die Produkte, die das Dorf für den regionalen Handel produziert. Olivenöl, Seife, Marmelade made in »Vakyfli Köyö« wurden zum Verkauf angeboten. Besonders die Produktion des »Granatapfelsirups«, dem heilende Wirkung nachgesagt wird, hatte es mir angetan. Unter dem Gelächter älterer Hausfrauen misslang es mir jedoch, dabei zu helfen, die Kerne aus den Früchten zu schlagen.
Doch immerhin konnte ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht diesen schönen Ort verlassen, der Hoffnung aufkeimen lässt, wenn es um einen Neuanfang geht – und wenn dieser mit Granatapfelsirup beginnt.
Nach diesem kurzen Zwischenhalt machte ich mich irgendwie beflügelt, aber auch gespannt auf den Weg nach Mardin, denn dort sollten einige entscheidende Treffen vor mir liegen. Ungefähr 250 Kilometer westlich von Mardin liegt Sanliurfa, das für die Christenheit so geschichtsträchtige frühere Urfa. Einige Tage zuvor hatte der IS dort zwei junge Syrer enthauptet, die aus dem Untergrund über die Lage in Raqqa, der Hauptstadt des IS, das knapp 150 Kilometer südlich von Sanliurfa liegt, berichtet hatten. Der Arm des IS reicht längst über die Grenze, sei es mit Waffenhandel, Schmuggel, Erpressungen, Entführungen oder Morden. Das Ganze war längst ein blühendes Geschäft geworden. Milizen aus dem Irak und Syrien deckten sich hier ein, für 500 bis 600 US-Dollar bekam man eine AK 47. Der Weg nach Europa war teurer, aber ebenfalls zu kaufen, man zahlte zwischen 5.000 und 10.000 Dollar. Sogar syrische Ausweise wurden angeboten, für knapp 2.000 Dollar. Früher lag man bei der Hälfte, doch nach dem »Wir schaffen das« der deutschen Kanzlerin hatte sich der Preis verdoppelt. Sogar Sprachkurse wurden angeboten, um die Tarnung perfekt zu machen – ich dachte mit Sorgen daran, dass daheim in Deutschland kaum einer von die...

Inhaltsverzeichnis

  1. Peacemaker
  2. Impressum
  3. Widmung
  4. Inhalt
  5. »Hier wird es wieder Leben geben«
  6. Einleitung
  7. Keine Heimat mehr
  8. Ist das dein Name?
  9. Zurück auf heiligem Boden
  10. Der Arabische Frühling und erste Vorahnungen: Meine Reise beginnt
  11. »Woher nimmst du das Recht, für meinen Bruder Rache zu üben?«
  12. Auf in ein mörderisches Land
  13. Unterwegs im Libanon und der Blick nach Europa
  14. Sie lieben den Tod, wir lieben das Leben
  15. Project Peacemaker
  16. »Mein Glaube ist meine Hoffnung. Das Licht meine Rettung«
  17. Friede für die Welt
  18. Krieg und Frieden
  19. Der Weg des Friedens
  20. Lebensgefahr in Europa
  21. Gemeinsam auf dem Weg
  22. Danksagung
  23. Über den Autor