Das große Buch der Lebenskunst
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Das große Buch der Lebenskunst

Was den Alltag gut und einfach macht

  1. 320 Seiten
  2. German
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Das große Buch der Lebenskunst

Was den Alltag gut und einfach macht

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Über dieses Buch

Wer überzogene Ansprüche hat, an sich oder an andere, steht sich selbst im Weg. Wer gut zu sich selbst ist, hat es im Alltag leichter. Lebenskunst kann man lernen. Lebenslust, Leichtigkeit und die Freude daran, sich auf das Leben einzulassen, offen zu sein für das Überraschende: dazu gibt Anselm Grün Anregungen.

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Information

ES LOHNT SICH, DIE TAGE ZU LEBEN

NIMM DIR ZEIT –
GIB DEINER SEELE ATEM

ALLES HAT SEINE ZEIT

„Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit.“ Ein alter Indianer soll dies einem forschen weißen Geschäftsmann zur Antwort gegeben haben. Hinter dieser Antwort steckt eine tiefe Einsicht darüber, wie wir mit den Anforderungen und den Möglichkeiten des Lebens umgehen. Und es wird auch deutlich, wie sehr ein mechanisches und ein spirituelles Verständnis von Zeit gegeneinander stehen.
Die Griechen unterscheiden zwischen chronos und kairos. Chronos ist die messbare Zeit. Nicht umsonst sprechen wir vom Chronometer, vom Zeitmesser. Im Westen unterwerfen wir uns der messbaren Zeit. Wir machen minutengenaue Termine aus, schauen ständig auf die Uhr, ob der andere seinen Termin auch pünktlich wahrnimmt, ob wir selbst auch zur vereinbarten Zeit eintreffen. Alles muss in einer ganz bestimmten Zeit bewältigt werden. Die messbare Zeit zwingt uns, unser Leben in ein enges Korsett zu zwängen. Der Gott des Chronos ist ein Tyrann.
Die Indianer huldigen eher dem Gott Kairos. Kairos ist der günstige Augenblick, die willkommene Zeit. Während chronos die quantitative Zeit meint, bezeichnet kairos eine besondere Qualität der Zeit. Es ist der zu ergreifende Augenblick, auf den ich mich einlasse, in dem ich ganz da bin. Die Indianer verstehen unter Zeit offensichtlich den rechten Augenblick. Sie lassen sich Zeit. Sie genießen die Zeit. Sie erfahren die Zeit. Wer sich dem Diktat des Chronos unterwirft, der erfährt die Zeit nicht als etwas Willkommenes und Wohltuendes, sondern als Tyrannei. Die Indianer nehmen die Zeit wahr. Wenn ich ganz im Augenblick bin, dann erfahre ich die Zeit. Dann steht die Zeit manchmal still. Und ich erfahre, dass jetzt der rechte Zeitpunkt ist, entweder innezuhalten oder etwas zu tun, etwas wachsen zu lassen oder etwas zu entscheiden. Von dieser Zeit sagt der alttestamentliche Weise, der im Buch Kohelet die Weisheit Griechenlands mit der Weisheit Israels verbunden hat: „Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz.“ (Koh 3, 1–4)

SPÜRE DIE ZEIT

„Alle versuchen, die Zeit totzuschlagen. Und keiner will sterben.“ Es ist ein paradoxer Satz, den dieses französische Sprichwort formuliert. Wir schlagen die Zeit tot. Aber indem wir die Zeit totschlagen, wollen wir dem Tod selber aus dem Weg gehen. Wir schlagen die Zeit tot, um dem Tod nicht begegnen zu müssen. Der eine schlägt die Zeit tot, indem er von einem Fernsehprogramm zum andern hüpft, der andere, indem er seine Zeit mit leeren Aktivitäten voll stopft. Der eine weicht der Zeit aus, indem er sich dem Gerede hingibt. Man redet über Belangloses, nur damit die Zeit vergeht. Man möchte die Zeit nicht spüren, weil man mit der Zeit auch ihre Begrenztheit wahrnehmen würde. In der Begrenztheit schaut der Tod in unsere Zeit hinein. Er ist die eigentliche Grenze für unsere Zeit. Wir schlagen lieber die Zeit tot, als dem Tod in die Augen zu schauen. Doch nur wer sich dem Tod stellt, wird die Zeit bewusst wahrnehmen und erleben.
Der Tod zeigt uns, worauf es wirklich ankommt. Wir können nichts mitnehmen, weder unsern Erfolg, noch unsern Besitz, noch die Menschen, die wir lieben. Wir können nur unsere leeren Hände ausstrecken und uns in liebende Arme fallen lassen. Im Angesicht des Todes können wir gelassen leben, im richtigen Abstand zu den Dingen. Unsere Arbeit, unser Besitz, die Menschen um uns herum, alles erhält sein richtiges Maß. Mit dem Tod leben heißt auch, bewusst und ganz in der Gegenwart leben, spüren, was Leben im letzten ist: ein Geschenk. Es kommt nicht auf unsere Leistung an.
Lebendige Zeit gelingt also nur dem, der den Tod wahrnimmt.
Tot wird die Zeit, wenn der Tod verdrängt wird.

ENTSCHLEUNIGEN

„Wer vertraut, wird nichts beschleunigen wollen“ (Jesaja 28, 16).
Nicht nur in der Wirtschaft, in allen Bereichen der Gesellschaft wird immer mehr beschleunigt. Weise Menschen setzen dagegen auf Entschleunigung. Dahinter steht die Erkenntnis, dass der Mensch krank wird, wenn sein Leben immer schneller wird. Der Prophet Jesaja hat schon vor 2 700 Jahren erkannt, dass der Grund aller Beschleunigung und Hast mangelndes Vertrauen ist. Wer vertraut, der lässt die Dinge, wie sie sind. Er traut dem Wachstum, das im Wesen der Dinge liegt. Die Pflanze wächst nach ihrem inneren Gesetz. Auch der Mensch hat seinen Rhythmus, der für sein Leben passt. Wenn dieser Rhythmus immer schneller wird, kommt die Seele nicht nach. Sie wird verwirrt. Wer meint, er müsse immer schneller werden, wird letztlich von der Angst getrieben. Die Angst ist die Triebfeder der Beschleunigung. Wer Angst hat, kann nicht stehen bleiben. Er kann nicht warten. Er kann nicht zuschauen. Er muss alles selbst in die Hand nehmen, weil er meint, sonst würden sich die Dinge seiner Hand entziehen. Er misstraut allem, was er nicht selber tut. Und er hat Angst vor den kleinen Unterbrechungen des Alltags. Da würde er ja mit sich selbst konfrontiert. Doch das kann er nicht aushalten, also muss er immer tätig sein, immer etwas in der Hand haben, was er vor sein Herz halten kann, damit er die Unruhe und Ängstlichkeit seines Herzens nicht wahrnimmt.

GESCHENKTE ZEIT

„Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.“
Es war ein kluger Mann, der das gesagt hat.
Zeit ist Geld. Das ist unser heutiges Motto. Die Arbeit wird nach Minutentakt eingeteilt. In die kurze Arbeitszeit wird alles hineingepackt, damit sie möglichst effektiv wird. Doch mit der gewonnenen Zeit können die meisten Menschen nichts anfangen. Sie können die Zeit nicht genießen, sondern packen in ihre Freizeit möglichst viele „events“ hinein. Es muss auch in der Freizeit etwas los sein. Man muss die Zeit nützen. Doch wenn man beobachtet, womit die Zeit genutzt wird, so merkt man, dass es entweder andere Tätigkeiten sind oder aber Vergnügen. Doch bei den vielen Aktivitäten kommt oft nichts heraus. Und die Vergnügen verhelfen nicht wirklich zur Ruhe. Auch in der Freizeit findet der Mensch keine Ruhe. Er lenkt sich nur ab. Er läuft vor der eigenen Wahrheit davon. Ruhe findet nur, wer sich seiner inneren Wirklichkeit stellt und sie bejaht, wie sie ist. Wer Zeit wirklich gewinnen will, muss keine Zeitstrategien entwickeln, wie es im heutigen Management üblich ist. Derjenige gewinnt vielmehr am meisten Zeit, der in jedem Augenblick ganz präsent ist. Für den gibt es keine verlorene Zeit. Für den ist jede Zeit erfüllte Zeit. Ganz gleich, ob er arbeitet oder nichts tut, ob er liest oder Musik hört, ob er spazieren geht oder mit seinen Kindern spielt, er ist ganz in dem, was er tut. Er spürt das Geschenk der Zeit, für ihn ist alles geschenkte Zeit. Er muss die Freizeit nicht der Arbeitszeit abzwingen, für ihn ist jede Zeit freie Zeit, Zeit zu leben.

REIFEN LASSEN

„Nur der Geduldige erntet, was reif ist“, so lautet ein afrikanisches Sprichwort. Was es besagt, gilt auch bei uns: Reifen braucht seine Zeit. Es gibt Früchte, die sehr langsam reifen. Das Korn braucht neun Monate, um heranzureifen. Der Mensch ist nur neun Monate im Mutterschoß, aber er braucht sein ganzes Leben lang, um reif zu werden. Ganz reif wird die Frucht des Menschen erst durch seinen Tod.
Das deutsche Wort „Geduld“ kommt von „dulden = tragen, ertragen, auf sich nehmen“. Mit dulden verbinden wir, dass jemand etwas Schweres auf sich nimmt, dass er Leid trägt. Geduld bedeutet jedoch heute eher: „Langmut, Ausharren, Warten“. Die Italiener rufen einem Ungeduldigen zu: „Patientia“. Dieses Wort hängt zusammen mit dem Italienischen „pati = leiden“. Offensichtlich spiegeln die deutsche und italienische Sprache die Erfahrung wider, dass der, der warten muss, etwas Schweres auf sich nimmt. Was ist das Schwere, das der Geduldige trägt? Es ist kein Leid. Es ist nur die Zeit. Es ist die Zeit, in der er nichts tun kann als warten. Und das ist offensichtlich für viele Menschen das Allerschwerste. Sie meinen, jeden Augenblick im Griff zu haben, alles selber machen zu können. Geduldig sein heißt, einfach da sein, warten, bis etwas reif ist. Nur wer das Nichtstunkönnen, das Nichtssehen, das Ausgeliefertsein an die Prozesse des Wachsens und Reifens aushält, wird ernten können, was reif ist. Wir denken, die Afrikaner sind doch viel geduldiger als wir. Sie können warten. Sie können sich dem Augenblick hingeben, während bei uns alle Wünsche sofort erfüllt werden müssen. Doch offensichtlich kennen auch die Afrikaner ungeduldige Menschen, die nicht warten können, bis etwas reif ist. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass er alles selber machen will. Im Warten trägt er schwer an seiner Ohnmacht, dass das Wachsen und Reifen nicht ihm gehorcht, sondern einem anderen, dem inneren Prozess oder Gott, der das Wachsen und Reifen bewirkt.

WER HETZT, DER HASST SICH SELBST

„Nimm dir Zeit – und nicht das Leben!“ Was die Verkehrswacht als Motto – und als Aufforderung für bedächtiges Tempo beim Autofahren – formuliert hat, das birgt eine tiefere Wahrheit in sich. Wir dürfen uns die Zeit nehmen. Sie liegt uns bereit. Wir brauchen sie nur zu ergreifen, wir brauchen sie nur ganz bewusst zu erleben. Dann nehmen wir uns Zeit, dann genießen wir die Zeit. Sich das Leben nehmen hat im Deutschen eine andere Bedeutung: den Suizid. Wer sich keine Zeit nimmt, der verdirbt sich das Leben und oft genug bezahlt er seine Ruhelosigkeit und Hetze mit dem Leben. Wer hetzt, der hasst sich selbst. Er lebt nicht für sich, sondern gegen sich. Er verwechselt Leben mit Hast und Hetze. Das führt häufig zu Schlaganfall und Herzinfarkt. Das, was man mit der Hetze alles erreichen wollte, wird einem jählings aus der Hand gerissen. Wer sich dagegen Zeit nimmt, der hat mehr Zeit für das, was er im Leben verwirklichen möchte. Er wird ruhig an sein Ziel kommen. Er erlebt schon seine Lebensfahrt als Vergnügen und braucht sich nicht nach einer anstrengenden Fahrt zu erholen. Er holt sich in jedem Augenblick das, was er zum Leben braucht. Wer leben will, der muss sich Zeit nehmen. Ohne Zeit gibt es kein Leben. Das Leben vollzieht sich in der Zeit. Und nur wer sich auf seinen ihm angemessenen Zeitrhythmus einlässt, schwingt in das Leben ein, das für ihn stimmt.
Unruhe gehört zwar zu unserem Leben. Und sie treibt uns an, weiter zu wachsen, nicht zu früh uns zur Ruhe zu legen, sondern wirklich zu leben. Aber dann braucht es auch wieder Phasen der Ruhe, in denen sich etwas setzen kann. Sonst verselbständigt sich die Unruhe. Manchmal braucht die innere Unruhe gerade Zeiten der äußeren Ruhe, damit sie sich überhaupt zu Wort melden kann. Da bedarf es dann eines längeren Rückzugs, um die leisen Impulse zu hören, die einen beunruhigen und einem zeigen, dass das, was man gerade lebt, so nicht mehr stimmt.

IM RHYTHMUS LEBEN

„Wer die Nacht nicht ehrt, ist des Tages nicht wert.“ Dieses italienische Sprichwort enthält eine tiefe Weisheit: Die frühen Mönche haben die Nacht immer heilig gehalten. Die Nacht ist der Raum des Schweigens, in dem Gott zu mir sprechen möchte. Gott spricht zu mir im Traum und zeigt mir, wie es um mich steht oder welche Schritte mich zum Leben führen. Gott spricht zu mir, wenn ich nachts aufwache und nicht mehr schlafen kann. Im Schlaf tauchen wir nach einer jüdischen Tradition in die eigentliche Wirklichkeit ein. Wir werden angeschlossen an das göttliche Leben. Das nächtliche Schweigen gibt dem Schlaf und dem Traum einen helfenden und heiligen Raum. Die Stille der Nacht täte uns daher allen gut.
Für viele Menschen wird die Nacht heute zum Tag. Sie sitzen halbe Nächte vor dem Fernseher. Andere sind Nachtarbeiter. Sie kommen nicht ins Bett, weil sie dies oder jenes noch erledigen wollen. Andere bleiben bei einer gesellschaftlichen Runde einfach sitzen. Sie meinen, etwas zu verpassen, wenn sie ins Bett gehen. Wer kein Gespür hat für die Würde der Nacht – so meint das italienische Sprichwort –, der wird auch den Tag nicht gut bestehen. Er wird müde in den Tag hineinschlittern und nur halb mitbekommen, was am Tag geschieht. Er wird keinen Blick haben für das Geheimnis des Morgens, für die Frische des Morgens, die das Herz erquickt, für das Aufsteigen des Lichtes, das das Herz erhellt. Nur wer im Rhythmus des Tages und der Nacht lebt, erfährt das Geheimnis des Lebens.
Tag und Nacht sind Bilder für das Leben. Der Morgen hat eine eigene Qualität. „Morgenstund hat Gold im Mund“, sagt das Sprichwort. Wer den Morgen bewusst erlebt, wird voller Schwung am Vormittag an die Arbeit gehen. Er wird die Müdigkeit des Mittags genießen und sich die Pause eines kurzen Mittagsschlafes gönnen. Er wird den Nachmittag mit seinen eigenen Stimmungen erfahren. Und er wird den Abend dankbar genießen, sich ausruhen von der Arbeit des Tages. Er wird am Abend Abschied nehmen vom Tag, um sich in Gottes gütige Hände fallen zu lassen. Wer den Rhythmus des Tages und der Nacht durcheinanderbringt, dessen Seele wird verwirrt. Er verliert das In-sich-Ruhen, das Sich-Hineinschwingen in den Rhythmus des Lebens.

EWIGKEIT IST JETZT

„Die Menschen verbringen ihre ganze Zeit mit Vorbereiten, Vorbereiten, Vorbereiten ... Nur um dem nächsten Leben dann völlig unvorbereitet zu begegnen.“ Das sagt der tibetische Weise Drakpa Gyaltsen über die Menschen im Westen.
Viele Menschen bereiten sich in der Tat ständig nur darauf vor, wirklich leben zu können, anstatt das Leben zu ergreifen, das schon da ist. Das Leben ist in jedem Augenblick. Wer ganz im Augenblick ist, der lebt jetzt schon. Doch oft benutzen wir unsere spirituellen oder auch psychologischen Techniken und Methoden lediglich dazu, uns für die Zukunft zu wappnen. Wir glauben, uns erst dann den heutigen Anforderungen stellen zu können, wenn wir unsere gesamte Vergangenheit aufgearbeitet haben. Doch manche bleiben in der Aufarbeitung ihrer Verletzungsgeschichte stecken. Sie kommen nie zum Leben. Andere bereiten sich durch gute Vorsätze darauf vor, irgendwann einmal gelassen und heiter leben zu können. Aber sie kreisen immer nur um die Vorsätze, die sie doch nicht erfüllen. Und sie kommen nie zur inneren Heiterkeit, die schon in ihnen bereitliegt. Sie bräuchten nur ihren ganzen Druck loszulassen, mit dem sie sich zwingen, die Voraussetzungen des Lebens zu erfüllen. Der Druck erzeugt kein Leben. Er behindert es nur.
Das Leben ist in jedem Augenblick gegenwärtig. Es liegt vor meinen Füßen. Ich muss es nur betreten. Ich brauche keine lange Vorbereitung. Der nächste Schritt ist ein Schritt ins Leben, wenn ich ihn bewusst vollziehe. Wer ganz im Augenblick lebt, der spürt hier und jetzt schon, dass Zeit und Ewigkeit zusammenfallen. Für den bricht die Ewigkeit in seine Zeit ein. Er hat jetzt schon ein Gespür für das ewige Leben, für das „nächste Leben“. Er bezieht den Tod mit ein in sein Leben. Er denkt an den Tod nicht als etwas Zukünftiges, auf das er sich vorbereiten muss, sondern als etwas, das ihn jetzt einlädt, im Augenblick zu leben.

LEBE IN DER GEGENWART

„Wenn uns Verzweiflung überkommt, liegt das gewöhnlich daran, dass wir zu viel an die Vergangenheit und an die Zukunft denken“: Verzweiflung kommt nach dieser Erkenntnis der heiligen Therese von Lisieux davon, dass wir zu viel an die Vergangenheit und Zukunft denken. Wenn wir ständig die Verletzungen der Vergangenheit betrachten, steigt in uns vielleicht Verzweiflung hoch über die Einsamkeit, die wir als Kind erfahren haben, über die Überforderung, über die Kränkung und die Demütigungen. Wir sollen die Vergangenheit nicht verdrängen. Aber es gibt auch ein Zuviel an Beschäftigung mit vergangenen Verletzungen. Genauso wenig hilft es uns, wenn wir ständig an die Zukunft denken: Wie wird sie sein? Werde ich den Anforderungen gerecht werden? Werde ich nicht krank, werde ich Krebs haben? Wird mein Ehepartner auch treu sein? Wird die Gemeinschaft mich tragen können? All diese Überlegungen um die Zukunft können mich in die Verzweiflung führen. Ich zweifle daran, dass die Zukunft gut wird. Ich male mir alles Schlimme aus. Und dann bleibt nicht nur der Zweifel, sondern die Verzweiflung, die völlige Hoffnungslosigkeit.
Der einzige Weg, der Verzweiflung zu entrinnen, besteht darin, in der Gegenwart zu leben. Wenn ich ja sage zum Augenblick, zu dem, was gerade ist, dann zerbreche ich mir nicht den Kopf um Vergangenheit und Zukunft. Der Augenblick ist kurz. Er ist nur gerade jetzt. Wenn ich mich auf diesen Augenblick einlasse und ganz gegenwärtig bin, dann hat die Verzweiflung keinen Raum, in den sie eindringen kann. Ich bin ganz in der Gegenwart. Ich bin nicht geteilt, nicht „zwiefältig“, sondern eins. Und wer eins ist mit sich und dem Augenblick, der ist gefeit vor Zweifel und Verzweiflung.

WACH AUF ZUR WIRKLICHKEIT

„Seine Träume verwirklichen kann man erst, wenn man aus ihnen erwacht“, hat ein lebenskluger Realist einmal gesagt. Jeder von uns kennt Lebensträume. Als Kind wollten wir einen ganz bestimmten Beruf ergreifen. In der Jugend träumten wir von einer großen Liebe. Auch heute träumen wir immer wieder, nicht nur von einem schönen Urlaub, sondern davon, dass unser Leben gelingt. Träume bringen uns mit den eigenen Möglichkeiten in Berührung. Das gilt nicht nur von den Nachtträumen, in denen wir unserer inneren Wirklichkeit begegnen, aber zugleich auch entdecken, welche Schritte wir gehen sollten, damit unser Leben stimmig wird. Vor allem gilt es von den Tagträumen, in denen wir uns in ein gelingendes Leben hineinträumen. Manchmal träumen wir uns da Luftschlösser zurecht. Sie bewegen nichts. Wir fliehen in die Tagträume, um der tristen Welt zu entrinnen. Doch solche Träume verwandeln uns nic...

Inhaltsverzeichnis

  1. EINLEITUNG
  2. DER KERN DES GLÜCKS – SEI, DER DU BIST
  3. ES LOHNT SICH, DIE TAGE ZU LEBEN
  4. GIB DEINER ARBEIT SINN
  5. SUCHE TIEFE IN ALLEN BEZIEHUNGEN
  6. NIMM DEINE FREUNDE ALS GESCHENK
  7. TRAU DER LIEBE – UND GEH IHR AUF DEN GRUND
  8. LASS VERWANDLUNG GESCHEHEN
  9. GEH BIS AN DEINER SEHNSUCHT RAND
  10. LEBE STATT GELEBT ZU WERDEN
  11. Quellenhinweis
  12. Das Buch
  13. Der Autor