Der Schlüssel zur Treue
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Der Schlüssel zur Treue

Warum es sich lohnt, für die Liebe zu kämpfen

  1. 176 Seiten
  2. German
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Der Schlüssel zur Treue

Warum es sich lohnt, für die Liebe zu kämpfen

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Über dieses Buch

Am Beginn jeder Partnerschaft steht das Treueversprechen, und das ist normalerweise von beiden Partnern ernst gemeint. Doch im Laufe der Jahre kommt jeder der Partner auch an den Punkt, wo ihm bewusst wird, dass er auch auf sich selbst achten muss, sich selbst nicht aus dem Blick verlieren darf innerhalb der Paarbeziehung. Der Anspruch auf Selbstverwirklichung kann eine Partnerschaft auf eine harte Probe stellen. Der erfahrende Paartherapeut Hans Jellouschek zeigt, wie wir die richtige Balance zwischen Paartnerschaft und unseren eigenen Ansprüchen finden. und er verdeutlicht auf dem Hintergrund zahlreicher Beispiele aus seinen Paartherapien, wie jedes Paar seinen Weg finden kann. Treueversprechen und Selbstverwirklichung müssen kein Widerspruch sein. In der gemeinsamen Entwicklung zur größeren Ganzheit bemerkt das Paar, dass es ein lohnendes Ziel vor Augen hat, das es immer aufs Neue zu justieren gilt. Dann wird Treue nicht als Mangel, sondern als Gewinn erlebt.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783451807350

1. Kapitel: Zwei Fälle von Untreue

Zu Beginn möchte ich von zwei sehr unterschiedlichen Paaren berichten, die ich in der Therapie kennen gelernt habe, bei denen Untreue eine wichtige, auch sehr schmerzhafte Rolle gespielt hat. Diese beiden Paare werden uns das Buch hindurch begleiten, weil uns an ihnen Sinn und Unsinn von Treue sehr deutlich werden kann.

Anne und Dominik

Anne und Dominik kennen sich seit fünf Jahren, und seit drei Jahren leben sie als Paar zusammen. Anne ist 25, Dominik 27, sie hat Wirtschaft studiert und arbeitet als Controlerin in einem Unternehmen, er ist IT-Fachmann und – obwohl noch nicht lang in diesem Beruf tätig – bereits ein Spezialist auf seinem Gebiet. Sie haben keine Kinder, obwohl sich der Wunsch danach im letzten Jahr bei Anne immer wieder mal gemeldet hat. Die Besonderheit der beiden: Sie haben miteinander eine »offene Beziehung« vereinbart, das heißt: Seitensprünge und Liebesabenteuer sollen möglich bleiben und erlaubt sein. Die Anregung dazu kam vor allem von ihm, sie war zwar etwas skeptisch, aber war damit einverstanden, auch damit die Beziehung, die ja beide wollten, zustande kommen konnte. Beide haben diese Freiheit auch genutzt, Dominik häufiger als Anne, aber auch sie tat es ab und zu mal. Seit einiger Zeit merkt sie allerdings, dass sie das eigentlich nicht mehr will und dass es sie immer mehr zu stören beginnt, ja auch verletzt, wenn Dominik wieder einmal »ein kleines Abenteuer« hatte. Das befremdet ihn, es widerspricht ja ihrer Abmachung, das sieht auch sie, aber es ändert nichts an ihren Gefühlen. Mit diesem Konflikt und wegen dieses Konflikts kommen sie jetzt in die Beratung.

Nicola und Heinz

Sehr anders liegen die Dinge bei Nicola und Heinz, schon allein von ihrem Alter her. Sie sind ein Paar Mitte fünfzig, Nicola etwas jünger als Heinz. Er ist Ingenieur in der Auto­branche, sie hat Pädagogik studiert, diesen Beruf aber lange Jahre nicht ausgeübt, weil sie mit den gemeinsamen Kindern Gregor, heute 31, und Franziska, heute 27, so beschäftigt war. Als die Kinder, auf die beide Eltern sehr stolz sind, größer wurden, hat Nicola nochmals ein Wirtschaftsstudium absolviert und arbeitet jetzt in der Fortbildungsabteilung einer Firma, wo sie nun beides, ihr Pädagogik- und ihr Wirtschaftsstudium gut miteinander verbinden kann. Das Paar ist 34 Jahre zusammen und seit 32 Jahren verheiratet. In die Beratung kommen sie, weil Nicola vor kurzem »durch Zufall«, wie sie sagt, die schockierende Entdeckung gemacht hat, dass Heinz ihr untreu geworden ist. Das ist für sie ein schwerer Schlag. Heinz ist sehr beschämt, und sogleich nach dieser Entdeckung bricht er die Außenbeziehung – seine bisher erste und einzige – zu seiner »Sportsfreundin« ab. Aber damit ist die Angelegenheit nicht erledigt. Es ist nichts mehr, wie es war. Nicola nimmt Heinz seine Untreue sehr übel und vor allem auch, dass er sein Fremdgehen vor ihr verheimlicht hat. Das verletzt sie so tief, dass eine Trennung für sie – trotz der langen Jahre – drohend am Horizont auftaucht und ihr kaum noch vermeidbar erscheint. Das ist der Grund, dass beide sich entschließen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

Die Geschichte der beiden Paare

Wenn ein Konfliktthema wie Untreue zum Anlass einer Beratung wird, dann lohnt es sich immer, zu überlegen, was diesem Ereignis vorausging, denn sehr oft wird erst dadurch verständlich, wie es dazu gekommen ist.
Das junge Paar, Anne und Dominik, hat miteinander noch gar keine lange Geschichte. Als sie sich während des Studiums ineinander verliebten, lebten beide noch zu Hause. Kurz nach ihrem Auszug zogen beide zusammen in eine eigene Wohnung und verstanden sich somit »als Paar«. Beide hatten noch wenig Erfahrung mit anderen Männern und Frauen, ihrer beider Beziehung war die erste wirklich intensive. Das legte mir, dem Therapeuten, sofort eine Vermutung nahe: Ihre Beziehung hatte etwas mit der Ablösung beider vom Elternhaus zu tun. Ich fragte darum nach ihrer jeweiligen Rolle und Position in ihren Herkunftsfamilien. Dominik war das einzige Kind seiner Eltern. Er stand im Mittelpunkt, vor allem für seine Mutter. Sie vergötterte ihn förmlich und stand ihm bedingungslos für alle seine Bedürfnisse zur Verfügung. Weniger gut hatte es Anne. Als älteste Tochter mit zwei Geschwistern war sie vor allem die Unterstützerin ihrer Mutter. Und die brauchte sie auch sehr dringend, denn der Vater von Anne war seit mehreren Jahren leidend und bettlägerig. Annes Aufgabe war es vor allem, die Mutter bei der Pflege des Vaters zu entlasten. Deshalb war es für sie auch so wunderbar, in Dominik einen kerngesunden und tüchtigen Mann kennen gelernt zu haben, und Dominik wiederum fand es großartig, in Anne eine so liebevolle und fürsorgliche Partnerin gefunden zu haben. Fürsorge und die Fähigkeit, auf die Bedürfnisse anderer einzugehen, das hatte Anne ja gelernt und immer wieder geübt. Sie fand für die Beziehungskonstellation mit Dominik ein treffendes Bild: »Ich war für ihn immer der Flugzeugträger, von dem aus er seine Kampfeinsätze fliegen konnte. Wenn er davon zurückkam, war ich als Landeplatz immer da für ihn!« Hier fällt natürlich sofort auf: Beide nehmen in ihrer Beziehung ziemlich genau die Rollen ein, die sie schon in ihren Herkunftsfamilien spielten: Sie ist die Fürsorgliche, die immer für ihn da ist, wenn er es braucht, und er ist der große, bewunderte Star, der das auch ganz selbstverständlich findet. Das heißt aber, dass sie mit ihrer Beziehung nichts Neues kreierten. Sie wurde für ihn in etwa das, was seine Mutter für ihn war, und er zog, so wie ihr Vater, ihre Fürsorglichkeit auf sich. Hier eröffnete sich allmählich der Sinn und die Funktion ihrer wechselseitigen Abmachung eines toleranten Umgangs mit ihrer Untreue. Darauf werden wir später eingehen. Zunächst wenden wir uns wieder dem anderen, älteren Paar zu mit der Frage, was bei den beiden der Untreue vorausging.
Bei Nicola und Heinz stand aufgrund ihres weiter fortgeschrittenen Alters und der langen Dauer ihrer Beziehung (35 Jahre!) verständlicherweise der Bezug zu ihren jeweiligen Herkunftsfamilien nicht mehr so im Vordergrund. Die Beziehung wurde von beiden bis zur Entdeckung Nicolas als nicht sehr lebendig, aber recht stabil erlebt. Mit ihrer Kooperation bei der Erziehung der Kinder waren beide sogar hoch zufrieden, ja sie waren richtig stolz darauf, wie gut sie es mit denen »hingekriegt« hatten. Wirklich ernsthafte Konflikte zwischen ihnen hatte es bisher kaum gegeben. Das heißt aber wiederum nicht, dass sie rundum zufrieden mit ihrer Beziehung waren. Nicola hatte immer wieder vermisst, dass Heinz sich für ihre innere Befindlichkeit interessiert. »Er lebt in seiner Welt, wie es mir geht, das ist nicht interessant für ihn.« Das war für sie vor allem während ihres Zweitstudiums deutlich geworden, weil sie damals zeitweise arg unter Stress geraten war und seine Nachfrage und seinen Zuspruch dringend gebraucht hätte. Seine Antwort auf ihre Kritik war: »Du hast mir aber auch nie gezeigt, wie es dir ging. Du hast mir immer den Eindruck vermittelt, dass schon alles in Ordnung ist und du das alles gut schaffst.« Sie darauf: »Ja, und weißt du auch, warum? Wenn ich mal eine Bitte um Unterstützung geäußert habe, da hast du dich gleich manipuliert gefühlt und zurückgezogen. Du warst immer lieber draußen, bei deinen Kumpels und deinem Sport ….« Darauf wiederum er: »Da bist du aber nicht gerecht! Wie viel habe ich immer zu Hause gemacht! Alles, was zu reparieren war, habe ich übernommen. Finanzplanung, Hausbau und so weiter: Das war alles meine Sache!« Dem stimmte sie zu, aber: »Dabei bin ich als Person, wie es mir ging und was ich dachte oder fühlte, so gut wie nie vorgekommen!« So oder ähnlich verliefen immer wieder ihre Dialoge beim Rückblick auf ihre Beziehung. So überraschend und schockierend hier die Untreue empfunden wurde – übrigens nicht nur von Nicola, sondern im Grunde auch von Heinz –, auch hier eröffnete die Vorgeschichte dieses Ereignisses einen wichtigen Zugang zum Verständnis dieses Geschehens.

2. Kapitel: Untreue – eine Entwicklungschance?

Ein Treuegelöbnis zwischen Paaren bzw. dessen Einhaltung– diese These soll hier aufgestellt werden – ist in manchen Fällen fehl am Platz, es würde eine weitere Entwicklung der Partner und ihrer Beziehung unmöglich machen. Und nicht selten erweist sich das Brechen dieses Gelübdes im Nachhinein als hilfreich, ja sogar notwendig: Damit Entwicklung aus Stagnation und Erstarrung wieder in Gang kommt. Dies soll an unseren beiden Beispielpaaren auf den folgenden Seiten unter verschiedenen Blickwinkeln deutlich gemacht werden.

Anne und Dominik

Auf dem Hintergrund ihrer Herkunftsgeschichte wurde der Sinn ihrer »liberalen« Abmachung, sich gar nicht erst auf Treue im umfassenden, auch erotisch-sexuellen Sinn festzulegen, sehr bald klar, auch wenn zunächst den beiden dieser Sinn noch verborgen war. Um das zu verstehen, müssen wir etwas weiter ausholen.
Kleine Kinder brauchen in den ersten Jahren vor allem eine sichere Bindung bei Mutter und Vater. Wenn sie die erleben, fangen sie sehr bald an, sich auch nach außen zu wenden und ihre Umwelt zu erforschen. Das heißt: Sie beginnen, sich aus der ganz engen Bindung heraus auf den Weg zur individuellen Autonomie zu machen, indem sie anfangen, die Welt um sich herum zu erkunden. Zentral dabei ist aber die immer bereitstehende Möglichkeit, bei ängstigenden Erlebnissen wieder »kehrtzumachen« und zur Quelle ihrer Sicherheit bei Mama und Papa zurückzukehren, hier wieder Schutz zu suchen und Kraft für neue Erkundungen zu tanken. Dieser Prozess erreicht in der Zeit der Pubertät und Adoleszenz einen kritischen Punkt: Es geht hier um die allmähliche und schließlich vollständige Loslösung von einer kindlichen Bindung an die Eltern. Es geht um die ersten Schritte ins eigenständige Erwachsenenleben und um die Einübung eigenständiger, erwachsener Beziehungen, weil eine Rückkehr zur ursprünglichen Quelle der Sicherheit nicht mehr möglich ist und von den Heranwachsenden auch immer weniger gewollt wird. Das bringt viel Hin und Her mit sich: Auf die Eltern noch angewiesen sein, aber sich doch auf eigene Füße stellen wollen, sich selbst behaupten, aber es noch nicht können, weil die »eigenen Füße« noch nicht wirklich »tragen« …. Eltern Heranwachsender wissen davon ein Lied zu singen!
Allem Anschein nach war dieser Prozess von Anne und Dominik noch nicht wirklich vollzogen, als sie sich ineinander verliebten, ein Paar wurden und ein eigenständiges gemeinsames Leben beginnen wollten. Das wurde daran spürbar, dass Anne für Dominik die gleiche hingebungsvolle Rolle zu spielen begann, die Dominiks Mutter diesem gegenüber eingenommen hatte, und Dominik Annes gesamte Fürsorge auf sich zog, so wie ihr Vater in den letzten Jahren. Dominik nahm Anne für sich in Anspruch, wie es der bewunderte Liebling seiner Mutter immer ganz selbstverständlich getan hatte, und Anne nahm ihm gegenüber genauso selbstverständlich die Rolle der hingebungsvollen Tochter ein, die sie vorher ihrem Vater gegenüber gespielt hatte. Also »brauchten« sie gewissermaßen die wechselnden Außenbeziehungen, um immer wieder auch Distanz herzustellen, anstatt wieder die vollständig gebundene Kind-Rolle einzunehmen, die sie ihren Eltern gegenüber gespielt hatten.
Das ist ja die Funktion von erotischen und sexuellen Beziehungen in der Phase der Adoleszenz: Sie sind aufgrund ihrer emotionalen Intensität zum einen ein wichtiges Erfahrungsfeld für erwachsene Beziehungen, und deshalb zum anderen auch ein starker Motor zur Loslösung von den noch kindlichen Bindungen an die Eltern. Da Anne und Dominik wechselweise füreinander die Rollen ihrer Eltern übernommen hatten, brauchte es auch die Untreue, um immer wieder den nötigen Abstand zueinander herzustellen. Jeder der beiden »verschob« gewissermaßen seinen Ablöseprozess von den Eltern auf den anderen Partner. Das Problem war nur: Damit wurde ihre Beziehung nie zu einer Paarbeziehung auf gleicher Ebene, weil er ihr gegenüber die Vater- und sie ihm gegenüber die Mutter-Rolle einnahm. Dadurch versäumten es noch dazu beide, die anstehenden Lösungsprozesse jeweils mit der realen Mutter bzw. dem realen Vater zu vollziehen, die dadurch nicht wirklich ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rückten.
Anne spürte das immer deutlicher, deshalb wollte sie mit diesem Arrangement auch Schluss machen. Sie spürte allmählich, dass mit ihrer Vereinbarung eigene Bedürfnisse unbefriedigt blieben. Irgendwann hatte sie darum genug von ihrer ursprünglichen Abmachung der Freizügigkeit. Sie war in ein neues Stadium ihrer Entwicklung getreten. Für sie war in der Beziehung zu Dominik etwas Neues dran. Aber der war noch an einer anderen Stelle. Die Außenbeziehungen waren für ihn immer noch der Versuch, sich von der mütterlichen Überfürsorge zu befreien, für die allerdings jetzt Anne stand, sodass seine Gebundenheit an die Mutter dadurch eher verdeckt als gelöst wurde.
Anne verstand diese Zusammenhänge im therapeutischen Prozess dagegen sehr schnell. Sie hatte in der letzten Zeit mehr zu sich selbst gefunden. Ihr Wunsch nach einem Kind, den sie – nicht zuletzt wegen ihres voranschreitenden Alters – immer deutlicher spürte, hatte diesen Prozess noch vorangetrieben. Sie fühlte immer deutlicher: Ich möchte eine verbindlichere Beziehung. Ich möchte vom anderen »ganz« gewollt sein, und ich habe meinerseits das Bedürfnis, ein »ganzes Ja« zum anderen zu sagen. Das Problem war, dass Dominik das von seiner Seite noch nicht nachvollziehen und darum seinerseits auch nicht wünschen konnte. Ihre Beziehungsvorstellungen waren zu diesem Zeitpunkt also nicht vereinbar, und so blieb ihnen nur der schmerzvolle Schritt der Trennung….
Dem entsprechend lautet mein Fazit zu diesem Prozess: Die Abmachung von Dominik und Anne, sich wechselseitig Außenbeziehungen zu erlauben, hatte anfangs ihren Sinn. Sie spürten beide, dass es für ein wechselseitiges Treueversprechen noch zu früh gewesen wäre. Dazu waren sie beide noch zu sehr in einer – allerdings etwas verspäteten – Phase einer adoleszenten Ablösung vom Elternhaus. Und in dieser Phase haben ja wechselnde, auch erotische und sexuelle Beziehungen ihren Sinn und ihre Wichtigkeit. Ein Treueversprechen wäre also zweifellos hier eine zu frühe Einengung und Festlegung gewesen. Beide brauchten – im Interesse ihrer individuellen Entwicklung – die Freiheit, sich auch noch in anderen Beziehungen zu erleben und zu erproben. Das Problem war allerdings, dass sie – mit ausgelöst durch ihr frühes Zusammenziehen – anfingen, ihre Vater- bzw. Mutter-Abhängigkeit auf den Partner zu übertragen, wodurch sie aneinander »abzuarbeiten« begannen, was sie hätten mit Vater bzw. Mutter vollziehen müssen. Das spürte Anne, und darum war für sie etwas Neues dran, worin Dominik ihr aber leider nicht folgen konnte.

Nicola und Heinz

Wie sind die Dinge nun bei unserem älteren Paar zu sehen? In dieser langjährigen Paarbeziehung spielten ja die wechselseitigen Elternbeziehungen – jedenfalls zunächst und im Vordergrund – keine Rolle mehr. Für die beiden war auch klar, dass Treue zu ihrer Beziehung eigentlich dazugehörte und für sie verbindlich war. Darum war die Untreue von Heinz nach so langen Jahren auch – und zwar für beide – ein regelrechter Schock. Kann man diese Untreue aus der oben geschilderten Entwicklung ihrer Beziehung dennoch verstehen? Und was sagt uns das über den Sinn von Treue oder Untreue? Die schnelle Erklärung: »Naja, die Frau, um die es da ging, war halt jünger und attraktiver als die Ehefrau, da hat den Heinz eben die Lust gepackt…« Diese Erklärung scheint uns jedoch zu wenig zu sein und nicht den Kern der Sache zu treffen.
Was sich im Laufe der Beziehung der beiden vollzog, scheint mir typisch für viele langjährige Beziehungen zu sein: Sie »leiern aus«. Es gab zwischen Nicola und Heinz gar keine besonders heftigen Konfliktpunkte, es gab – wie oben erwähnt – sogar Freude und Zufriedenheit mit dem, was sie in den gemeinsamen Jahren zustande gebracht hatten. Aber es hatte sich in der letzten Zeit auch eine gewisse Unzufriedenheit mit der Beziehungsqualität breit gemacht, und zwar auf beiden Seiten: Nicola fühlte sich von Heinz in ihren Bedürfnissen nicht wirklich gesehen, und Heinz fühlte sich von Nicola nicht selten manipuliert, das heißt zu Handlungsweisen und Entscheidungen gebracht, die er bei näherem Hinsehen eigentlich gar nicht gewollt hatte. Außerdem empfand er seinen Einsatz für die Familie in praktischen Dingen von Nicola nicht ausreichend gewürdigt. Dies auch zu äußern, damit tat er sich allerdings schwer. Er ging eher so damit um, dass er’s runterschluckte und sich immer öfter entspannenden Tätigkeiten außerhalb der Familie zuwandte, wie Training und Skatrunden mit Freunden. Anders seine Frau: Wenn es ihr zu viel wurde, stellte sie ihn in den ersten Jahren zur Rede. Ab...

Inhaltsverzeichnis

  1. [Cover]
  2. [Titel]
  3. [Impressum]
  4. Vorwort
  5. Einleitung: Treue in der heutigen Zeit
  6. Teil I: Von Sinn und Unsinn eines Treueversprechens
  7. 1. Kapitel: Zwei Fälle von Untreue
  8. 2. Kapitel: Untreue – eine Entwicklungschance?
  9. 3. Kapitel: Sinn eines Treueversprechens
  10. 4. Kapitel: Wie Beziehungen erstarren
  11. 5. Kapitel: Das Wesen von Paarkonflikten
  12. 6. Kapitel: Das Treueversprechen und die Paarkonflikte
  13. Teil II Das Treueversprechen im Alltag der Partnerschaft
  14. 7. Kapitel: Austausch untereinander
  15. 8. Kapitel: Kompromisse schließen – Balance erreichen
  16. 9. Kapitel: Bereitschaft, zu vergeben
  17. 10. Kapitel: Sexualität und Treue
  18. 11. Kapitel: Treue als gemeinsamer Prozess
  19. 12. Kapitel: Treue und Trennung
  20. 13. Kapitel: Lob der Eifersucht
  21. Schluss: »Das Ganze im Fragment«
  22. Literatur
  23. Informationen zum Autor