In aller Liebe
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In aller Liebe

Wie wir unsere Mutter überleben

  1. 208 Seiten
  2. German
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In aller Liebe

Wie wir unsere Mutter überleben

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Mütter lieben ihre Kinder. Das scheint ein ewiges Gesetz. Auf viele Mütter trifft es auch zu. Gleichzeitig leiden aber mehr als 40 Prozent aller Kinder - egal welchen Alters - unter einer belastenden Mutterbeziehung, die bis in ihre Partnerschaften, ihre Berufsziele und ihre Rolle als Eltern nachwirkt. Der Psychologe Louis Schützenhöfer hat auf der Basis von 50 Tiefeninterviews mit Töchtern und Söhnen im Alter von 18 bis 84 Jahren vier belastende Muttertypen herausgearbeitet: Machtmutter, Opfermutter, narzisstische Mutter und lieblose Mutter. Entstanden ist kein Buch gegen Mütter, sondern eines für Töchter und Söhne. Damit sie den Mechanismus der eigenen problematischen Mutterbeziehung begreifen - und sich davon lösen können.

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Information

Die lieblose Mutter

Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn meiner Recherchen und Interviews diesen Muttertyp gar nicht im Sinn hatte. Erst in den Gesprächen mit Töchtern und Söhnen (meist Töchtern) kristallisierte sich das Bild der »lieblosen Mutter« deutlich heraus.
Ich muss darüber hinaus gestehen, dass ich bei den ersten Interviews, in denen mir dieser Typ geschildert wurde, erschrocken bin, wie man eben erschrickt, wenn man unvermutet auf die Frage, mit welchen Eigenschaften man die Mutter beschreiben würde, zur Antwort erhält: »kalt, herzlos, lieblos …«
Franziska (45) beschreibt ihre 82-jährige Mutter als negativ, destruktiv, mitleidlos, verletzend, abwertend und lebensfeindlich. Ihr derzeitiges Verhältnis zur Mutter sei distanziert und hasserfüllt, die körperliche Nähe sei ihr extrem unangenehm.
Oder Helga (47) über die Beziehung zu ihrer 74-jährigen Mutter:
»Ich habe immer gesagt, so wie meine Mutter will ich nicht werden. So lieblos und desinteressiert, so egozentrisch, wie sie ist. Ich möchte nicht einen einzigen Tag so leben, wie sie lebt.«
Es lässt sich nur schwer vorstellen, was in den Seelen der Kinder angerichtet wird, die mit einer Mutter aufwachsen müssen, die ihnen die Liebe versagt, die nicht fähig ist, Liebe in Worten, Gesten, Handlungen auszudrücken. Daran ändert auch nichts, wenn die Mutter in anderen Bereichen, wie das bei diesem Typ häufig anzutreffen ist, gut »funktioniert«, wenn die Kinder gesund ernährt und bei Krankheit gepflegt werden, passende Bekleidung bekommen oder eine gute Schule besuchen dürfen. Daher erscheinen solche Mütter nach außen hin oft wie besonders gute »Exemplare«. Von den Nöten der Kinder ahnt meist niemand etwas.
Um auch nur annähernd ermessen zu können, wie wichtig eine liebevolle Mutter für den heranwachsenden Menschen ist und welcher Schaden angerichtet wird, wenn sie einem Kind vorenthalten wird, machen wir einen kleinen Exkurs über die Mutterliebe.

Exkurs über Mutterliebe

Als wichtigstes Merkmal der idealen Mutterliebe wird meist ihre Bedingungslosigkeit hervorgehoben. Die Mutter liebt nicht, weil das Kind so oder so ist, weil es sich auf diese oder jene Art verhält, sondern sie liebt ihr Kind, weil es da ist. Bedingungslos. Ohne Anforderungen, ohne Erwartungen. Einfach so. Kinder einer solchen Mutter können sich dieser Liebe immer sicher sein, auch wenn sie Blödsinn machen, auch wenn sie ungezogen sind.
Aber – regt sich da unser kritischer Verstand – lernpsychologisch ist ein solches Verhalten doch totaler Unsinn. Das Kind soll sich doch im Leben bewähren und die Welt funktioniert nun einmal nach dem Prinzip der Belohnung des Richtigen (Guten) und der Bestrafung oder zumindest Nichtbelohnung des Falschen (Bösen), egal, ob es sich um die soziale, die physikalische, die legistische oder die religiöse Welt handelt. Was soll später aus einem Kind werden, das Zuwendung nicht nur für richtiges (oder als richtig definiertes) Verhalten bekommt, sondern auch für Handlungen, die davon abweichen?
Es kann gar kein Zweifel bestehen, dass die Art der Zuwendung, die an bestimmte Verhaltensweisen geknüpft ist, für jeden Erziehungsprozess von außerordentlicher Bedeutung ist.8 Damit wird die für jeden Menschen notwendige Anpassung erreicht. Aber unter Umständen auch neurotischer Ehrgeiz, Versagensangst, starres Festhalten an Verhaltensweisen, nur weil sie einmal erfolgreich waren.
Die bedingungslose Liebe der Mutter schafft hingegen etwas unglaublich Positives. Sie stellt das Urvertrauen in die Welt her. Sie gibt dem Verhalten Freiheit und spielerische Leichtigkeit. Sie macht Mut, neue Dinge zu probieren. Sie fördert das Schöpferische im Menschen und hilft, liebevoll und sorgsam mit sich selbst umzugehen und sich auch im Misserfolg zu mögen.
Gestatten sie mir einen Vergleich aus dem Golfspiel, das ich mit Leidenschaft (und zwar durchaus im Sinne von »leiden«) ausübe. Wenn ich als Golfspieler am Abschlag stehe und einen fehlerhaften Schwung produziere, indem ich z. B. mit geschlossener Schlagfläche auf den Ball treffe, wird mich die Welt der physikalischen Gesetze bestrafen und den Ball statt geradeaus nach links fliegen lassen (gilt nur für Rechtshänder). Wohl dem Golfer, dem dies bei einem breiten Fairway (Spielbahn mit kurz geschnittenem Gras, von dem man den Ball leichter spielen kann) passiert und dessen Ball trotz fehlerhaftem Schwung nicht im Rough (unbehandelter Teil des Golfplatzes) landet.
Das breite Fairway hat nicht nur den Riesenvorteil, dass ein Fehler nicht so streng bestraft wird und ich mir durchaus eine Abweichung erlauben darf. Es vermittelt mir auch ein Gefühl der Sicherheit und damit erhöht sich die Chance, dass mir ein wunderbarer, gerader Schlag gelingt.
Will man ein sehr guter Golfspieler werden, so muss man auch die schmalen Fairways bewältigen. Und gerade die interessantesten Golfplätze haben viele Tücken. Aber wenn ich das Spiel mit Selbstvertrauen spiele, dann wird mich ein Fehlschlag zwar schmerzen, doch ich werde ihn zur Kenntnis nehmen und als »zum Spiel gehörig« betrachten. Ohne Selbstvertrauen werde ich den Fehlschlag hingegen als Beweis dafür ansehen, dass ich ein miserabler Golfspieler bin und dieses verdammte Spiel sowieso nie lernen werde. Mit dem Fehlschlag habe ich gewissermaßen mich selbst getroffen, das Ich ist angeknackst, das Selbstvertrauen dahin.
Den hier als Beispiel angeführten Golfschlag können Sie nach Belieben ersetzen durch ein Vorstellungsgespräch, die Präsentation eines von Ihnen entwickelten Konzeptes vor den Kollegen und Ihrem Chef, die mutige Vertretung Ihrer Meinung, auch wenn die anderen Ihnen nicht zustimmen, oder andere Bewährungsproben.
Mutterliebe ist wie ein breites Fairway, das Sicherheit gibt und Fehler verzeiht. Sie ist ein Schutzschild, wenn man sich durch unbedachtes Verhalten den Unmut anderer Personen zugezogen hat. Sie ist ein Fangnetz, wenn man das Gleichgewicht verloren hat.
Nach Erich Fromm (2000) entspricht eine solche Liebe »einer tiefen Sehnsucht nicht nur des Kindes, sondern eines jeden menschlichen Wesens; wenn man dagegen seiner eigenen Verdienste wegen geliebt wird, so bleiben immer irgendwelche Zweifel bestehen; vielleicht habe ich es dem, der mich lieben soll, nicht recht gemacht, oder ich habe dies oder jenes falsch gemacht – immer muss ich fürchten, die Liebe könnte vergehen. Außerdem hinterlässt ›verdiente‹ Liebe leicht das bittere Gefühl, dass man nicht um seiner selbst willen geliebt wird, sondern dass man nur geliebt wird, weil man dem anderen einen Gefallen tut, dass man letzten Endes gar nicht geliebt, sondern zu einem bestimmten Zweck benutzt wird. Kein Wunder also, dass wir alle – als Kinder und als Erwachsene – an unserer Sehnsucht nach der mütterlichen Liebe festhalten. Die meisten Kinder haben das Glück, Mutterliebe zu empfangen.« (S. 54) Aber eben nur die meisten.
Bei der lieblosen Mutter geht es nicht darum, dass sie die Zuwendung versagt, wenn das Kind etwas Falsches gemacht hat. Viel schlimmer. Sie tut es auch bei richtigem Verhalten, grundsätzlich, immer. Die Kinder solcher Mütter können sich bemühen, wie sie wollen, sie erlangen die Liebe der Mutter nicht.
Dazu nochmals Erich Fromm: »Aber diese Bedingungslosigkeit der Mutterliebe hat auch ihre negative Seite. Sie braucht nicht nur nicht verdient zu werden – sie kann auch nicht erworben, erzeugt oder unter Kontrolle gehalten werden. Ist sie vorhanden, so ist sie ein Segen; ist sie nicht vorhanden, so ist es, als ob alle Schönheit aus dem Leben verschwunden wäre und ich kann nichts tun, um sie hervorzurufen.« (S. 52)

Keine Zärtlichkeit

Der Mangel an Zärtlichkeit gehört zu den prägenden Erfahrungen der Kinder liebloser Mütter. Es gibt kein Streicheln, Drücken, Herzen. Alle Töchter von lieblosen Müttern, die hier zu Wort kommen, haben von frühester Kindheit an unter dem fehlenden Köperkontakt gelitten. Aber sie konnten noch nicht wissen, was sie entbehren mussten, denn sie kannten nichts anderes.
Franziska habe ich bereits kurz vorgestellt. Sie hat von ihrer Mutter nie Zärtlichkeit erfahren.
»Zärtlichkeit von meiner Mutter? Da gibt es keine Erinnerung, da war nichts. Wenn ich verletzt war – und ich habe mich oft gestoßen, weil ich ein lebhaftes Kind war –, hat sie mich nie in den Arm genommen und getröstet. Sie hat nur gesagt: ›Übermut tut selten gut.‹«
Auch bei Susanne (47) war es so. Ihre Mutter starb vor zwei Jahren im 72. Lebensjahr. Auf die Frage, ob sie als Kind von ihrer Mutter Zärtlichkeit bekommen habe, sagte sie:
»Sehr wenig. Ich kann mich kaum erinnern. Nicht in der Form, wie mir das von meinen Kindern bekannt ist. Es hat mir irgendwie gefehlt. Meine Mutter war eine strenge Mutter, eine gute Hausfrau, sie hatte alles im Griff, aber sie hatte auch nie Zeit, zärtlich zu sein.
Ich habe Zärtlichkeit nicht in der Form bekommen, wie man sich das so vorstellt. Wir hatten eine Nachbarin, die mir ein Zärtlichkeitsersatz war. Sie war etwas jünger als meine Mutter und hatte mehrere Kinder. Und zu ihr habe ich mich zum Beispiel geflüchtet, wenn ich vor meiner Mutter Angst hatte, und sie hat mir eine Art Wärme entgegengebracht, die mir das irgendwie ersetzt hat, glaube ich.«
Dieses Zitat von Susanne zeigt, dass Kinder die Fähigkeit haben, sich das Fehlende zu holen, wo immer sie es kriegen können, wenn nur die Gelegenheit da ist und wenn man sie lässt.
Helga kam bereits kurz zu Wort. Sie ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie ist mit einem Lehrer verheiratet und hat einen 25-jährigen behinderten Sohn. Ihre Mutter (74) leidet seit dem 30. Lebensjahr an Multipler Sklerose. Helga hat ebenfalls keine Erinnerung an Zärtlichkeit von der Mutter:
»Nein. Kann ich mich nicht erinnern. Überhaupt nichts. Ich kann mich erinnern, dass ich beim Vater auf dem Schoß gesessen bin. Wenn er heimgekommen ist von der Arbeit und seine Jause gegessen hat, dann bin ich bei ihm auf dem Schoß gesessen. Aber bei der Mutter kann ich mich an überhaupt keinen Köperkontakt erinnern. Dass sie mir die Haare gewaschen hat, das weiß ich noch, aber sonst kann ich mich an nichts erinnern.«
Und auf die Frage, ob sie es vermisst habe:
»Habe ich es vermisst? Gute Frage. (Lange Pause) Das glaube ich nicht. Es war so unvorstellbar. Ich habe das gar nicht vermissen können. Einfach unvorstellbar, dass meine Mutter mir gegenüber jemals etwas Liebes gezeigt hätte.«

Keine Gefühle

Die lieblose Mutter ist nicht in der Lage, Gefühle zu zeigen, und sie will auch nicht, dass die Kinder es tun. Sie kann damit nichts anfangen. Gefühle verunsichern und ängstigen sie, sie wertet sie daher ab und unterdrückt sie.
Petra (38) wuchs mit einer solchen Verleugnung und Geringschätzung der Gefühle auf:
»Die Mutter ist hart zu sich selbst und zu anderen. Sie kann keine Gefühle zeigen. Sie erleidet und erduldet viel und hat nie gejammert. Gefühle zeigen ist in ihren Augen Schwäche. Da ist man angreifbar und verletzbar. Das hat schon ihre Mutter gesagt.«
Auch als sie ein totes Kind gebar, zeigte sie diese »Stärke«:
»Nach der ersten Tochter ist ein Sohn gekommen, das war eine Totgeburt. Und das Schlimmste für meine Mutter war, dass sie, als sie heimgekommen ist, nichts in den Händen gehalten hat. Und als ich sie einmal gefragt habe – erst vor einem halben Jahr –, wie das für sie und wie es für den Papa war, hat sie gesagt, sie haben nie mehr darüber gesprochen.«
Franziska bezieht in ihre Betrachtung, wie im Elternhaus mit Gefühlen umgegangen wurde, den Vater ausdrücklich mit ein.
»Mit Gefühlen waren sie hilflos. Wann immer ein Kind zornig, traurig, wütend, einsam oder was auch immer war, haben sie darauf nie reagiert. Es war ihnen unangenehm. Am leichtesten war noch der Umgang mit Zorn, da hat man halt eine Ohrfeige bekommen. Mit Gefühlen der Trauer aber waren sie völlig überfordert. Dann waren beide nicht in der Lage, auf jemanden besänftigend oder beruhigend einzuwirken. Man hat die Kinder mit ihrem Schmerz allein gelassen.«
Bei Helga hatte die Gefühlsverdrängung geradezu groteske Auswirkungen.
»Jegliche Art von Gefühlsausdruck hat sie unterbunden. Eine Erinnerung hat sich dabei sehr eingegraben bei mir: Immer, wenn ich geweint habe, hat sie gesagt: ›Wenn ich einmal sterbe, kannst du auch nichts anderes tun als weinen.‹ Das hat bei mir dazu geführt, dass ich mir das Weinen völlig abgewöhnt habe. Bei den ersten Todesfällen, die so gekommen sind, als ich um 20 war, musste ich auf den Friedhöfen einfach immer nur lachen. Es war grauenhaft für mich, als meine Schwiegergroßmutter gestorben ist: Ich habe ständig gegen das Lachen kämpfen müssen. Weinen? Das war undenkbar für mich.
Die Erlebnisse am Friedhof waren dann der erste Anlass, zur Psychotherapie zu gehen, und auch der Auslöser für meine Psychotherapieausbildung. Bei meinem ersten Selbsterfahrungsseminar habe ich erlebt, wie eine Frau geweint und der Therapeut sie daraufhin umarmt hat. Das war für mich so etwas Unfassbares, dass man so mit jemandem umgehen kann, der weint. Das hat mein Leben einfach umgekrempelt. Da habe ich gewusst, es gibt auch noch etwas anderes als die Lieblosigkeit: Gefühle ausdrücken.«

Kein Lob

Bei den Kindern liebloser Mütter fällt auf, dass sie sich ungeheuer anstrengen, um die Liebe oder wenigstens die Anerkennung der Mutter zu gewinnen. Aber was sie auch tun, sie bleibt ihnen versagt.
Petra berichtet von ihren vergeblichen Bemühungen:
»Ich habe als Kind immer versucht, die Anerkennung der Mutter zu gewinnen. Ich bin um drei Uhr in der Frühe aufgestanden, habe im Betrieb und im Haushalt geholfen. Aber trotz aller Anstrengungen ist von meiner Mutter nie ein anerkennendes Wort, geschweige denn ein Lob gekommen. Es war immer noch zu wenig, noch zu schlecht. Ich habe die Schuld immer bei mir gesucht. Ich habe mir gesagt: Es war noch nicht genug.«
Franziska merkt man bei ihrer Erzählung die Verbitterung noch heute an:
»Meine Mutter wurde wegen Darmkrebs operiert. Ich war damals in der Endphase meines Studiums, trotzdem habe ich den Haushalt für den Vater geführt. Außerdem litt ich sehr unter dem Gedanken, dass die Mutter sterben könnte. Der absolute Bruch war für mich erkennbar, als sie vom Krankenhaus heimgebracht wurde und aus dem Auto ausstieg und nach einem Blick in den Garten meinte, dass die Blumen nicht so schön wie sonst seien. Kein Wort darüber, dass ich neben dem Studium für den Vater gekocht, geputzt und gewaschen habe, nichts.«
Auch für Susanne gab es von der Mutter kaum Lob und Anerkennung, so sehr sie sich auch anstrengte:
»Mein Vater war derjenige, der mich für meine Leistungen gelobt hat. Und ich habe versucht, die Lieblosigkeit der Mutter in diese Richtung auszugleichen. Ich habe mich wahnsinnig bemüht z. B. immer eine gute Schülerin zu sein. Mein Vater war jemand, der das honoriert hat. Für meine Mutter war das selbstverständlich.«

Kein Interesse

Die bisher beschriebenen Eigenschaften der lieblosen Mutter – dass sie keine Zärtlichkeit gibt, keine Gefühle ausdrücken kann, das Kind nicht lobt – sind schlimm genug. Dahinter leuchtet aber immer noch die Hoffnung: Sie hat mich ja doch lieb, sie kann es nur nicht zeigen. Umso schlimmer ist die Erfahrung, dass sich die Mutter für das Kind nicht interessiert, dass es als Person nicht wahrgenommen wird. Petra berichtet von einem solchen traumatischen Erlebnis bei ihrer Abschlussprüfung an einer Handelsakademie:
»Als ich mit der Matura fertig war, habe ich zu Hause angerufen: Es war nur die Sekretärin da. Ich habe ihr gesagt: ›Falls es jemand interessiert, ich habe die Matura bestanden.‹ Und am Abend bin ich dann heimgekommen. Meine älteste Schwester und die Mama waren in der Küche. Meine Schwester hat mir gratuliert und meine Mutter hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt.«
Wenn man ...

Inhaltsverzeichnis

  1. [Titelinformationen]
  2. [Impressum]
  3. Vorwort
  4. Einleitung
  5. Der Muttermythos
  6. Die Machtmutter
  7. Die Opfermutter
  8. Die narzisstische Mutter
  9. Die lieblose Mutter
  10. Die Rolle der Väter
  11. Lösungen. Die Aufarbeitung der Mutterbeziehung
  12. Dank
  13. Literaturliste
  14. Anmerkungen
  15. [Informationen zum Buch]
  16. [Informationen zum Autor]