Ein Jahr auf Ibiza
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Ein Jahr auf Ibiza

Reise in den Alltag

  1. 192 Seiten
  2. German
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Ein Jahr auf Ibiza

Reise in den Alltag

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Über dieses Buch

Anne Funk beginnt eine verhängnisvolle Affäre. Wie man in Sachen Liebe Schluss macht, eine Freundschaft beendet, von falschen Idealen ablässt – das alles hatte sie bis dato in ihrer Lebenskarriere gelernt. Aber so kurz vor der 30 will sie von einem anderen Alltag kosten. Ein Jahr auf Ibiza – quasi als Tapas, die ihr wieder Appetit auf das Menü ihres Lebens machen sollen.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783451800580

Juni

WAS? DU HAST NOCH KEINEN JOB?“ Antonia seufzte.
Ich kramte meinen Auswanderer-Ratgeber hervor und hielt ihn ihr triumphierend unter die Nase. Unter dem Titel „Jobsuche am besten vor Ort“ wurde dort Schritt für Schritt erklärt, warum die Uhren auf Ibiza anders ticken. Wo viel Tourismus, da viele Saisonarbeiter. Mehr als vier Millionen Touristen kommen jährlich auf die Insel. Sie alle wollen verköstigt, beherbergt und animiert werden. In meiner Gleichung bedeutete das auch mindestens ebenso viele Saisonjobs.
Antonia klärte mich geduldig auf, dass die Idee, sich direkt vorzustellen, sicher sinnvoll sei. Und natürlich war es jetzt im Mai zu Beginn der Saison ein guter Zeitpunkt. Aber meine Vorstellungen seien wohl etwas überzogen.
„Als Journalistin wollen viele auf der Insel arbeiten. Und ehrlich, Anne: Die meisten sprechen perfekt Spanisch. Üppig ist die Auswahl an deutschen Titeln mal eben nicht. Du brauchst einen Plan B.“
Den hatte ich natürlich: Als Reiseführerin, als Kellnerin und sogar als Disco-Promoter wollte ich mich versuchen. Nein, akademisches Ambiente und einen Traumjob, der mich bis zur Rente versorgen sollte, suchte ich nun wirklich nicht. War es nicht der Charme, diese besondere Freiheit, nicht für Familie, Hypotheken und teure Fernreisen zu sorgen, den ich suchte?
Und ob! Studiert hatte ich ausreichend und ebenso viele Artikel recherchiert und geschrieben. Also sollte es etwas sein, das ich vermutlich nur hier, nur jetzt machen könnte. Ich war jung und ich brauchte Geld, konnte kaum Spanisch,aber sprach passables Englisch. So why not, Event-Promoter?
Was so hip nach „Ich mach was mit Werbung“ klingt, bedeutet nichts anderes als Disco-Köder für die Touris spielen. Nein, in Wahrheit ist es viel mehr. Schicke Jungs und Mädels aus aller Welt hüpfen tagsüber halb nackt und beinahe karnevalesk als Disco-Karawane über die Strände und akquirieren Club-Besucher für die Motto-Partys des Abends. Sie winken mit Rabatten auf den Eintritt, lächeln, sind die Lebensfreude in Person und wedeln im Fall des Pacha mit riesigen Pappkirschen – dem Label meines legendären Lieblingsclubs. Das wollte ich auch.
Denn mit dem Pacha konnte ich mich durchaus identifizieren. Gegründet im Hippiezeitalter anno 1973 hat sich der Club von einer Finca, in der schon damals ausschweifend gefeiert wurde, zu einem Lebensgefühl entwickelt, das untrennbar mit Ibiza verbunden ist. Gründer Ricardo Urgell wollte einen Ort schaffen, an dem sich jeder wie ein arabischer Prinz fühlt. Heute ist Pacha ein echtes Königreich mit mehr als zwanzig Filialen in aller Welt. Ja, und auch echte Prinzen sollen dort schon gefeiert haben wie z.B. Prinz William.
Aber auch der gesamte Pop- und Geld-Adel schlägt sich gern in Pachas VIP-Bereich die Nächte und den Schampus um die Ohren. Neben seinem Mythos und seinen Menschen lebt die Legende natürlich von der Musik. Feinste House-Musik erfüllt meist das terrassenartige Ensemble – eine schicke Mischung aus Bauhaus und Zirkuszelt. Wer im Pacha Ibiza auflegen darf, gehört zweifelsohne zur Elite – und wer dort bedient oder als Gogo tanzt, hat Künstlerstatus.
So weit, so glamourös. Aber wie um Himmels willen sollte ich einen Job im Club-Olymp ergattern? Aufgerüscht vorsprechen? Meine DJ-Connections spielen lassen oder die Tageszeitung auf genau diesen Job durchforsten?
Ich fragte Antonia um Rat.
„Klasse Idee, Süße. Aber die Jobs dürften um diese Zeit bereits alle vergeben sein. Besonders beliebt sind sie übrigens bei Briten – die sich vermutlich schon im vergangenen Jahr auf ihren Summer-Job beworben haben. Na, und die Arbeitszeiten sind nicht gerade hundefreundlich. Nach dem Job gehst du mit deinen Freunden feiern – das ist so Usus. Und ich möchte dich sehen, wie du das ausschlägst.“
Da kam mir die Idee. Geregelte Arbeitszeiten, die Insel kennenlernen, rumkommen – genau. Ich würde Kalle bei seinem Housekeeping unterstützen! Spanisch brauchte ich dazu vorerst nicht. Der Kontakt war gemacht, und so müde und abgeschlagen, wie er oft von seinen Touren zurückkam, konnte er Unterstützung gebrauchen.
Gartenpflege, Pool-Schrubben, reiche Kinder animieren – das war doch was für mich. Das wollte ich. Und ich war mir sicher, einige Episoden zu erleben, die ich später meinen Enkeln erzählen konnte.
Kalle war einverstanden mit meiner Schnapsidee. In den kommenden Monaten würde sein Pensum ohnehin ansteigen, und er könne meine Hilfe gebrauchen – und Elisa war froh, ihren Mann bald öfter als „zwischen den Yoga-Sessions“ zu sehen, und freute sich insgeheim auf seine Mithilfe auf der eigenen Finca.
Denn gerade jetzt war für sie eine intensive Zeit. Die letzten Saisonvorbereitungen und Renovierungen waren noch nicht abgeschlossen, aber die ersten Gäste hatten sich längst hier eingenistet. Aus Klientensicht durchaus verständlich – und, na ja, lukrativ eben auch.
✽✽✽
Der Mai auf Ibiza ist ein besonderer Monat – betriebsam, aber nicht so hektisch wie die darauffolgende Hochsaison. Die Club-, Restaurant- und Hotelbesitzer feilen an neuen Angeboten, letzten Bookings und ihrem Image. Nach und nach blitzen alle Locations, und die Sonne brennt dabei immer stärker. Tagsüber Bikiniwetter,abends fröstelnd kühl für die Sonneninsel, ist Lagen-Look im Mai besonders trendy.
Es war einer dieser typischen Mai-Tage, als Elisa nach unserer morgendlichen Yoga-Session spontan eine Gruppentour nach Es Vedrà anzettelte. Ein Raunen ging durch die Menge der müden Yogis. Viele kannten den magischen Felsen von romantisch-mystischen YouTube-Clips, von blumigen Umschreibungen ihrer Reiseführer oder von diversen Legenden. Aber Es Vedrà muss man fühlen. Und das dachte sich auch unser Chef-Yogi. Wir sollten das Insel-Wahrzeichen in zwei Varianten je nach Gusto erleben:
„Ihr habt die Möglichkeit, entweder ganz klassisch die Bucht Cala d’Hort zu besuchen, oder aber mit mir zu Atlantis zu wandern. Die Strandbesucher brauchen Bikini und Co. Die Atlantis-Yogis brauchen festes Schuhwerk und eine gute Portion Mut. Alles klar?“
Ein Nicken ging durch die Menge.
„Prima“, meinte Elisa. „Wir treffen uns in fünfzehn Minuten an den Autos.“
Sechzig Minuten später war die Stunde der Wahrheit gekommen, und wir teilten uns auf in mutige Yogis und Sonnenanbeter.
Ich kannte und mochte die Cala d’Hort mit ihrem feinen, schmalen Sandstreifen, geschützt von einer immensen Felswand und von zwei urigen Restaurants gesäumt. Also entschied ich mich für die Wagemutvariante. Immerhin war ich nicht zum Spaß auf der Insel.
Elisa lüftete das Geheimnis um Atlantis.
Die Hippies hatten diesen magischen Platz so getauft. Was einst als Steinbruch für die Fincas und für Ibizas Stadtmauer diente, machte auf die Blumenkinder ordentlich Eindruck. Es entstand eine bizarre Felslandschaft, die auch heute noch an eine versunkene Stadt erinnert. Neben kleinen Steintürmen, Peace-Zeichen und in Fels geritzten Buddha-Statuen, die die Hippies als Ode an diesem magischen Platz hinterließen, findet man hier auch die spärlichen Reste eines Hauses, eine Höhle und eine Lagune mit wunderbar kristallklarem Wasser. Der Anblick war atemberaubend, und ich konnte verstehen, wieso dieser Platz bei Einheimischen beliebt war und noch heute unter den Hippies als Ort mit besonderer spiritueller Note gehandelt wurde.
Ich machte mich daran, ein „Steinmännchen“ zusammenzutragen. Eine Bastelei, die offenbar zum guten Ton beim Atlantis-Besuch gehörte – und außerdem Glück bringen sollte. Ich dachte fest an die bevorstehenden Monate und äußerte stumm den Wunsch, das Leben hier immer so aufsaugen zu können wie in diesem Augenblick, der voller Lebendigkeit war.
Stück für Stück rutschte die Sonne ein bisschen tiefer gen Meer, und Elisa bedeutete uns, die Steinmännchen schneller zu basteln, und trommelte die Yoga-Gruppe zum Rückzug zusammen.
Der Aufstieg hatte es in sich, und ich verstand schnell, warum wir uns tummeln mussten, wenn wir nicht als bibbernde Yogis in der Höhle zurückbleiben wollten. Wildromantisch. Aber eben auch kalt. Karg. Und vermutlich auch ziemlich gespenstisch.
Denn es ranken sich zahlreiche Mythen um Es Vedrà. So soll Es Vedrà eine unglaubliche Energie besitzen; vergleichbar mit der Energie der Pyramiden oder dem magischen Kreis von Stonehenge. Sämtliche Navigationssysteme versagen in einem gewissen Umkreis um den Felsen. Exakte Messungen sind dann unmöglich – eine Geschichte, die mir der Kapitän eines Animationsboots auf Ibiza so eins zu eins bestätigt hat.
So soll der Felsen aufgrund seiner magnetischen Störungen auch Menschen und Tiere verwirren. Die Legenden über zahlreiche verirrte Wesen, die nie wiederkehrten, übertreffen sich gegenseitig. Und auch in der Legende von Homers Odysseus soll Es Vedrà eine Hauptrolle spielen. Wissenschaftler schwören Stein und Bein, dass Odysseus hier von den Sirenen verzaubert wurde. Verführerisch ist die Aura des Felsen allemal, wenn er so im sinkenden Sonnenlicht vom Nebelkranz umrahmt wird. Er wirkt mächtig, aber nicht gruselig.
Wie eine eigene Instanz, die Menschen anlockt, die sie abstößt, die abschreckt und fasziniert zugleich. Wer die Insel verlässt, sagen die Einheimischen, soll Ibiza grüßen, um wiederzukehren. Bestenfalls Es Vedrà mit Trommeln huldigen. Zum Glück blieb mir dieses Ritual erspart.
Und natürlich hat die Legende auch eine Variante in Sachen Liebe parat: So soll Es Vedrà die heilige Insel der karthagischen Liebesgöttin Tanit sein. Eine Variante, die mir besonders gut gefiel. Weil Es Vedrà eine magische Anziehung besitzt, gegen die man sich kaum wehren kann. Aber eben wenig Verschreckendes und Aufgeregtes.
„Autsch! Fuck!“, wurde ich aus meinen romantischen Träumereien aufgeschreckt. Anita, die eben noch neben mir ächzte und krabbelte, war von einem Felsvorsprung abgerutscht und klammerte sich an eine kleine Ausbuchtung. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht sprach Bände. Gefahr drohte. Bis ein Yogi flucht, dauert es in der Regel lange, und wir hopsten ad hoc zur Unfallstelle. Anita kämpfte. Unter ihr fünf Meter freier Fall. Über ihr eine Meute aufgehuschter Freundinnen. Wir ermutigen sie, eine Hand zu lösen und uns zu reichen. Wir hoben mit aller Kraft. Bekamen erst ihren Arm, dann ihre Gürtelschlaufe und dann die ganze Anita zu greifen und hoben sie vorsichtig auf das Plateau.
Erleichtert kicherten wir. Und Anita zeigte uns stolz ihre Heldenschrammen. „Mensch, Anita, du wirst uns doch nicht noch bei Es Vedrà abtrünnig werden. Wir haben noch die Abend-Yogastunde vor uns“, lachte Elisa – froh, dass ihrem Schützling nichts passiert war. So markiert und inspiriert, tapsten wir zu den Autos zurück, wo uns die Strand-Yogis mit hochroten Gesichtern und schläfriger Miene begrüßten. Wir tuckerten zurück auf die Finca, wo Kalle uns zur Beruhigung aller mit einer riesigen Paella erwartete.
„Diebstähle? Sonnenstichgeschädigte? Tote?“, fragte er uns. Ich deutete wortlos auf Anitas Schrammen, und Kalle zeigte sich zufrieden. Er hatte weitaus Schlimmeres gesehen, was seine Aufzählung ja bereits erahnen ließ. „Täuscht euch nicht. Ein Ausflug nach Es Vedrà ist abenteuerlich. Und selten kam jemand ohne Abenteuer zurück. Aber wenn euer einziges Abenteuer die verschrammte Anita ist, habt ihr euch jetzt eine abenteuerliche Paella à la Chef verdient.“
Wir nahmen an der langen Tafel Platz, naschten Oliven und selbst gemachte Aioli. Kalle verteilte großzügig Vino de la tierra de Ibiza und eiskaltes Wasser, das mit Limettenscheiben versetzt war. Nach unserem Es Vedrà-Ausflug hatten wir jede Menge Energie und Erfrischung nötig – ob Strand- oder Kletteryogi. Saftige Hühnchenbrocken und Gambas zierten die Paella und unsere Gaumen, und wir verputzten drei XXL-Pfannen, ohne auch nur an Kalorien, Kohlehydrate am Abend oder vegetarischen Lebenswandel zu denken. Kalle freute sich über unseren Appetit, und Mona charmierte die gesamte Yogi-Truppe, um einen Happen zu erwischen, der ihr nicht verwehrt blieb. Wir kuschelten uns in unsere Fleece-Jacken, wollten nicht frösteln und genossen die gehaltvolle Stärkung aus ganzem Herzen.
Wir lästerten über Yuppie-Chefs und neidische Nachbarinnen, elende Exfreunde und missionierende Yogis. Der Abend war lang und zünftig, und ich wünschte, dass er nie aufhören würde. Bis Mona mich am Ärmel zupfte. Sie war mein mahnender Weckruf und bedeutete mir, endlich schlafen zu gehen. Ich streichelte ihr verliebt über das schwarze Fell, und sie kuschelte ihre Schnauze in mein Shirt, das nach Paella duftete.
Zeit für einen tiefen Schlaf, Zeit für süße Träume nach einem magischen Tag. Wir marschierten zu zweit noch ein wenig den Feldweg der Finca auf und ab, bis Mona sich gelöst hatte, und huschten schnurstracks in die Koje bzw. ins Körbchen.
Ich träumte in dieser Nacht sehr wirr, versuchte, Es Vedrà hochzuklettern,rutschte immer wieder ab und konnte unvernünftigerweise nicht aufhören zu kraxeln. Tief unter mir saßen meine ehemaligen Arbeitskollegen in einem Schlauchboot und winkten nervös – ich solle endlich mit dem Quatsch aufhören und zurück zu ihnen ins Boot kommen.
Ich wollte nicht und kämpfte weiter. Wenn ich erst oben auf Es Vedrà angekommen war, würde ich mit einem fantastischen Ausblick belohnt. Dann hätte ich Es Vedrà, dann hätte ich Ibiza bezwungen. Aber war das meine Aufgabe auf der Insel?
Ich wachte schweißgebadet auf – neben mir Mona, die ebenfalls zu träumen schien. Allerdings friedlicher: Sie wedelte mit dem Schwanz und ruderte seitlings mit ihren kleinen Beinchen in der Luft. Nein, Sorgen machte sich die Kleine wohl nicht. Vielmehr schien sie auf der Suche nach einem besonders leckeren Schatz zu sein. The easy way of life. Ich sollte mir ein Beispiel an meiner Hündin nehmen!
Ich kuschelte mich an sie, aber nicht lange, denn schon dudelte der Wecker los. Zeit für Yoga, summte er bestimmend. Ich streckte mich und war mit einem Satz in meinen Yoga-Klamotten. Die anstrengende Morgensession mit Elisa würde mich wieder erden und den Traum der vergangenen Nacht wegspülen.
Gesagt, getan. Und damit nicht genug: Nach dem Frühstück stand mein „Vorstellungsgespräch“ bei einem Kunden an, den Kalle mir vermittelt hatte. Philippe – französischer Jungunternehmer, gut aussehend, smart, zeitweise liiert und unglaublich reich – so lautete Kalles Kurzcharakterisierung. „Wenn du mich fragst, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen“, brummte Kalle. Seine Villa bei Aguas Blancas im Nordosten schätzte Kalle auf drei Millionen. „Ich meine, der Kerl ist gerade mal 35. Und macht Kohle mit Clubs in Paris. Aber …“, lenkte er ein, „er zahlt gut und pünktlich. Und bislang kam er nicht auf verrückte Ideen. Sprich, du musst keine Kindergeburtstage mit Pony organisieren – weil er keine hat. Und er mag Hunde – du darfst, nein du sollst Mona ausdrücklich mitbringen.“
Ich war die Zuversicht in Person. Wir düsten im Jeep gen Norden,vorbei am Hippiemarkt in San Carlos und vorbei an Anitas Bar. Die ibizenkische Kultbar liegt in einer Kurve, und wer an den winzigen Tischchen Platz nimmt, muss aufpassen, dass seine Füße nicht von schnittigen Schlitten abgemäht werden, die hier gerne die Kurve schneiden. Anitas Bar ist mit einem Wort „urig“. Damals der Hotspot der ländlichen Hippie-Community – heute eine Lebensphilosophie, die von ihrem ursprünglichen Charakter nichts eingebüßt hat. Obwohl Einheimische und Touristen, aber auch Stars hier ganz gemütlich zusammen trinken und essen. Nina Hagen und Niki Lauda waren schon da. Die Holzbriefkästen der Dorfgemeinde und die Telefonkabine sind trotzdem nicht dem Rummel um Anitas Bar gewichen, und die herzliche Atmosphäre und die ibizenkischen Köstlichkeiten genießen die Gäste Seite an Seite – ohne Unterschied, ohne VIP-Bereich.
Für ein Gläschen hatten Kalle und ich leider keine Zeit – Philippe und seine Finca warteten auf uns. Und wirklich: Er begrüßte uns, die Arme ausgebreitet und ein Mr.-Smart-Lächeln im Gesicht.
„Bienvenue!“, schmetterte er uns entgegen, und ich sah mir seine Pupillen etwas genauer an – möglich, dass Kalle mit seinen Mutmaßungen recht hatte. Keine Spur von Koks-Konsum, dafür ein Duftnebel, der mich ganz schwindelig werden ließ. Vermutlich betäubte er seine Damenbekanntschaften mit diesem Parfum und …
„Ahhhhhh, le chien …“, rief er aus. Mona trottete vergnügt auf ihn zu und ließ sich ausgiebig knuddeln. Der Mann schien okay zu sein. So viel Vertrauen fasste sie bei Fremden sonst selten. Philippe war stolz, uns sein Haus zu zeigen: eine traumhafte Bauhaus-Villa mit Blick auf die See, deren Pool über die Klippen ins Meer zu führen schien. Im Garten ein Beduinenzelt, das wohl als Herberge der letzten Party diente. Und ein herrlich einladendes Day-Bett, das mit dicken reinweißen Polstern mehr zur Siesta denn zur Gartenarbeit einlud. Aber dafür sollte ich ja nun im 900 Quadratmeter großen Areal zuständig sein. Die XXL-Palmen pflegen, die Pool-Bar regelmäßig neu ausstatten und das Innere des Hauses in Schuss halten. Alle zwei Wochen wollte er im Sommer herkommen – mal zwei Tage, mal eine Woche oder länger. „Hängt von meiner Agenda ab, verstehst du?“ Ah, er duzte mich ungefragt. Noch ehe ich überlegen konnte, ob die Clubszene daran schuld war...

Inhaltsverzeichnis

  1. [Titelinformationen]
  2. [Impressum]
  3. prólogo
  4. April
  5. Mai
  6. Juni
  7. Juli
  8. August
  9. September
  10. Oktober
  11. November
  12. Dezember
  13. Januar
  14. Februar
  15. März
  16. epílogo