Psychologie der Schwangerschaft
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Psychologie der Schwangerschaft

Veränderungen bewusst erleben und sich selbst verstehen

  1. 288 Seiten
  2. German
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Psychologie der Schwangerschaft

Veränderungen bewusst erleben und sich selbst verstehen

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Über dieses Buch

Eltern zu werden geht mit tiefgreifenden Veränderungen der Persönlichkeit einher, vergleichbar mit denen in der Pubertät. Nicht nur der weibliche Köprer verändert sich daher, auch in der Psyche der werdenden Eltern spielen sich intensive physische Umwälzungen ab. Beide, Mutter und Vater, müssen mit mit Ängsten, Hoffnungen und mit neuen familiären Beziehungen zurecht kommen. Die Autorinnen beschreiben erstmalig detailliert die psychischen Prozesse, die Schwangerschaft, Geburt und Stillen für Paare mit sich bringen.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783451809941

Zweiter Teil: Das Seelenleben in der Schwangerschaft

Kapitel 6: Warum ist die Schwangerschaft eine Krise?

Nach Ansicht des deutsch-amerikanischen Psychoanalytikers Erik Erikson formt sich die Identität der Persönlichkeit aus verschiedenen Entwicklungsstadien, die teleskopartig so miteinander verbunden sind, dass jeweils ein Stadium die Basis für das nächstfolgende bildet. Der Übergang von einem Stadium ins nächste ist durch Entwicklungskrisen gekennzeichnet, die das gesamte Leben durchziehen. Mit Eriksons Theorie gewinnt der Begriff Krise seine ursprüngliche Bedeutung zurück: den der Transformation – und nicht den der Katastrophe. In diesem Sinn kann eine Krise als Moment des Stolperns auf verschiedenen Wegen der Reifung und Veränderung verstanden werden: bei den körperlichen Veränderungen, bei der Umgestaltung der Psyche und auch hinsichtlich der eigenen Bindungen. Die Folge ist stets ein Konflikt: mit sich selbst und mit den Bezugspersonen. Es kommt zu Ängsten und Unsicherheiten, man sucht nach Ansprechpartnern. In den allermeisten Fällen ist eine solche Ambivalenz durchaus bedeutsam – man schwankt zwischen dem Risiko, das vertraute Leben zu verändern, einerseits und der Aussicht auf neue Gestaltungsmöglichkeiten andererseits. Im Unterschied zu psychologischen oder psychiatrischen Störungen ist die Entwicklungskrise allerdings zeitlich beschränkt. Sie dient dazu, eine neue Art von Gleichgewicht auszutarieren, durch das die Identität neu konturiert wird. In der Regel gehen diese Krisen also mit Reifungsprozessen einher, mit deren Hilfe sich der Einzelne einen neuen Platz erarbeitet, sich innerhalb der Generationenfolge bewusst positioniert und Zugang zu neuen Rollen und Wirkungsmöglichkeiten erhält. Von der Art und Weise, wie eine solche Krise bewältig wird – ob vollständig oder teilweise, ob ausgeglichen oder unausgeglichen –, hängt es ab, inwiefern die betreffende Person in der Lage ist, mit dem neu erreichten Zustand sowie künftigen Krisen umzugehen.
Schwangerschaft, Geburt und die Begegnung mit dem Kind sind intensiv erlebte Momente des Wandels und der Veränderung innerhalb des Lebenszyklus. Sie rufen daher eine Krise von großer Tragweite hervor, die für nicht eben geringe Unordnung sorgt. Eltern zu werden ist eine Krise, die in vier Punkten mit der Krise während der Adoleszenz vergleichbar ist.

Große körperliche Veränderungen in einer kurzen Zeitspanne

Für gewöhnlich durchleben Mädchen während der Pubertät und Frauen in der Schwangerschaft erhebliche körperliche Veränderungen in einer relativ kurzen Zeitspanne. Es handelt sich um eine regelrechte Umwälzung des Körpers, die als ebenso intensiv wie überraschend wahrgenommen wird und mit einer Vervollständigung der Weiblichkeit sowie mit dem Zugang zu neuen Formen von Sexualität verbunden ist: Frau und Mutter werden zu können. Was wahrgenommen und empfunden wird, ist vor allem der Wandel des Körpers, der unbekannt, fremd, gelegentlich sogar beunruhigend fremd erscheint. In einzelnen Fällen müssen sich schwangere Frauen mit dem Gefühl auseinandersetzen, die Grenzen des eigenen Körpers nicht mehr kontrollieren zu können und mit einem tiefgreifenden Wandel des Selbstbildes konfrontiert zu sein – beides beängstigende Erfahrungen, über die sich nicht so leicht sprechen lässt. So oder so tragen diese körperlichen Veränderungen zu einem Ausbruch der Krise bei und verlangen der Psyche ein beachtliches Stück Bewältigungsarbeit ab. In den folgenden Abschnitten soll das körperliche Erleben der schwangeren Frau, der Gebärenden und der stillenden Mutter genauer unter die Lupe genommen werden.

Der Generationswechsel

Jugendzeit und Schwangerschaft bringen erhebliche generationsbedingte Veränderungen mit sich. Das Mädchen wird durch die Pubertät zur Frau und erlangt in der Mehrheit der Fälle Zugang zu den Mysterien der Weiblichkeit und der Erwachsenensexualität. Seine Mutter ist nicht mehr unbedingt im gebärfähigen Alter, was dazu führt, dass sie diese auf Sexualität und Weiblichkeit bezogene Rolle schrittweise der nachfolgenden Generation überlässt. Mit Beginn der Schwangerschaft wird die Frau, die zuvor nur Tochter, Schwester, Sexualpartnerin und Lebenspartnerin gewesen ist, zur Mutter eines noch unbekannten Kindes. Mit dem gezeugten Kind tritt eine neue Generation in die Welt, die Erwachsenen werden nun zu Eltern und deren Eltern zu Großeltern. Damit vollzieht sich ein echter Generationswechsel, in dessen Verlauf die Präsenz eines neuen Kindes die Erwachsenen dazu bringt, eine elterliche Identität auszuprägen, und die Großeltern auffordert, den Mittelpunkt des Geschehens zu verlassen und stattdessen die Mutter-Kind-Dyade beziehungsweise die Eltern-Kind-Triade zu unterstützen.

Ein Wandel der Identität

Unsere Identität setzt sich aus dem Zusammenspiel von Bildern zusammen, die wir von uns selbst haben. Sie konstituiert sich Schritt für Schritt in unserer Innenwelt aufgrund der vielfältigen Erfahrungen, die wir erleben und die uns prägen. So besteht unsere Identität aus vielen Facetten, die in der Folge kurz benannt werden sollen, da sie während der entwicklungsbedingten Krisen massiv auf die Probe gestellt werden.
  • Die Identität betrifft zunächst ein körperliches Ich, das als eigentliche Basis unserer Existenz betrachtet werden kann und unser Sein zugleich zusammenhält und begrenzt. Hier geht es darum, inwieweit unsere Bedürfnisse im Kleinkindalter berücksichtigt wurden, sodass wir lernen konnten, unseren eigenen Körper zu spüren, unsere Wahrnehmungen zu strukturieren und das Körperliche in unsere Psyche zu integrieren. Wir sprechen hier auch von den Spuren, die unsere ersten Abgrenzungs- und Trennungserfahrungen von den Eltern hinterlassen und die dazu beigetragen haben, dass wir uns als autonome Persönlichkeiten wahrnehmen, die mit den anderen in Verbindung stehen. Das körperliche Ich garantiert, ebenso fundamental wie unbewusst, den Zusammenhalt unserer perzeptiven, sensorischen, emotionalen und psychischen Erfahrungen, und zwar in jedem einzelnen Augenblick. Zugleich schützt es uns durch ein hinreichendes Gefühl klarer Konturen vor Grenzüberschreitungen. Seine bewusste Seite ist das Selbstbild, das sich zum einen aus dem Bild zusammensetzt, das wir selbst von uns haben, und zum anderen aus dem, das sich andere von uns machen. Wenn bei der Konstituierung des körperlichen Ichs Störungen auftreten, kann dies zu schwerwiegenden Ängsten vor Grenz- und Kontrollverlust und zu Beeinträchtigungen der Psyche führen.
  • Auf der Grundlage des körperlichen Ichs bilden sich die Elternbilder aus. Man kann diese Vorstellungen gewissermaßen als Substrate der Erfahrungen betrachten, die wir im Laufe unserer Kindheit und Jugend mit Blick darauf gemacht haben, was das jeweils ist: eine Mutter, ein Vater, ein Kind, ein Mann, eine Frau, ein Paar und eine Familie. Was die bewusste Seite dieser Elternbilder betrifft, so entsprechen sie der Art und Weise, wie wir die Bindungen zu den wichtigsten Menschen in unserem Leben gestalten. Auf der Ebene des Unterbewusstseins geht es um die Mechanismen, mit deren Hilfe sich unsere Psyche in die großen Geheimnisse der Menschheit einfügt: die Geschlechterdifferenz und den Generationenunterschied, die Liebe zwischen Eltern und Kindern, die Sexualität und die Weitergabe von Leben und schließlich den Tod (siehe oben). Die Elternbilder funktionieren in der gleichen Weise wie Prägungen. Sie helfen uns, die Selbstwahrnehmung und die Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen, wiederherzustellen und sie in einer bestimmten Weise zu verändern.
  • Schließlich wird unsere Innenwelt durch die Konstituierung einer familiären Identität erweitert, die durch unsere generationalen Bindungen geprägt ist, durch eine Gruppenidentität, eine berufliche, kulturelle und nationale Identität. Diese Aspekte von Identität sind der Versuch, zwischen unseren individuellen und relationalen Bedürfnissen, unserem Bedürfnis nach Autonomie und der Notwendigkeit, uns in unserem Umfeld und in der Gesellschaft zu verorten, zu einem Ausgleich zu gelangen.
Narziss, ein junger Mann, der von unerfüllbarer Liebe zu sich selbst erfasst wird, und Echo, eine Nymphe, die in Narziss verliebt ist, ihm aber nur die Worte zurückgeben kann, die er an sie richtet, sind mythologische Figuren, von denen sich Sigmund Freud leiten ließ, als er den Begriff des Narzissmus definierte. In dieser Sicht bildet der Narzissmus die psychische Basis, die entscheidende Grundlage des Ichs, auf die sich die verschiedenen Aspekte der Identität stützen. Unsere Identität, solide auf dem Fundament des Narzissmus ruhend, gibt uns Struktur und zugleich das Gefühl einer hinreichenden und kontinuierlichen Existenz. Darüber hi­naus eröffnet sie uns die Möglichkeit, uns dauerhaft gegenüber anderen zu positionieren. Daher sorgt eine gefestigte Identität dafür, dass wir die Fähigkeit entwickeln, uns, durch alle Veränderungen und Wechselfälle hinweg, an den Lauf der Dinge anzupassen und trotzdem wir selbst zu bleiben. Hier sei noch einmal hervorgehoben, dass Entwicklungskrisen eine Neuorientierung der Identität erforderlich machen. Sie ermöglichen es uns, einen Entwicklungsstand zu erreichen, der wiederum neue Perspektiven eröffnet. Eine solche Neuausrichtung der Identität erfolgt unweigerlich dadurch, dass wir die prägenden Momente unserer Lebensgeschichte auf den Prüfstand stellen und dabei latent bestehende Konflikte aktualisieren. So gesehen sind bei den Entwicklungskrisen während der Pubertät und der Schwangerschaft jene Bruchstücke unserer individuellen wie unserer familiären Geschichte im Spiel, die dazu beigetragen haben, dass wir zu dem Menschen geworden sind, der wir sind. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um eine Aktualisierung der Elternbilder, deren wichtigste Aspekte sich tief in unser Inneres eingeprägt haben. Auf diese Weise liefern die Bruchstücke, die in der Vergangenheit zur Konstruktion unserer Lebensgeschichte beigetragen haben, ein solides Fundament, auf dem sich die neuen Identitäten als Erwachsene beziehungsweise als Eltern entfalten. Umgekehrt können uns schmerzhafte Fragmente unserer Geschichte, die im Zuge einer entwicklungsbedingten Krise aktualisiert werden, durcheinanderbringen und dazu führen, dass wir durch die Wiederholung dessen, was uns schon einmal Leid zugefügt hat, erneut straucheln. Letztlich bewirkt die Überwindung einer Krise, dass ein neues Gleichgewicht entstehen kann. Es ermöglicht es uns, die prägenden Momente unserer Vergangenheit anders zu bewerten und unsere Identität neu zu definieren – ob nun als Tochter, Schwester, Frau, Geliebte, Lebenspartnerin oder schließlich als Mutter.

Die Suche nach einer Bezugsperson

Die körperlichen Veränderungen, der Generationswechsel und das Wiederaufleben zentraler Momente aus der Vergangenheit, die zu einer Neudefinierung der Identität beitragen, können auch Zukunfts- und Verlustängste mit Blick auf das eigene Selbst, Unsicherheit, Traurigkeit und Nostalgie mit Blick auf die Vergangenheit auslösen. Das Gleichgewicht, auf das wir uns stützen, erscheint brüchig, lange bevor eine neue Ordnung den Sockel unserer Existenz begründen kann. Aus diesem Grund ist die Adoleszenz nicht nur die Zeit, in der die Sinne erwachen und das Leben wie ein romantischer Roman erscheint, und ebenso wenig ist eine Schwangerschaft stets ein freudiges Erwarten jenes glücklichen Ereignisses, als das sie von unserer Gesellschaft idealisiert wird. Die Schwangerschaft lässt sich als eine Entwicklungskrise verstehen, die Ängste auslöst und Unsicherheiten und Zweifel hervorbringt, nicht als jenes ausschließlich befriedigende Erlebnis, zu der die Mutterschaft in der Bilderbogenromantik der Erwachsenenwelt überhöht wird. Viele Frauen fühlen sich von diesen idealisierten Bildern der Schwangerschaft und der Begegnung mit dem Baby überfordert und obendrein schuldig, weil ihre eigenen Gefühle so widersprüchlich sind und sie Zweifel und Unsicherheit empfinden. Genau das ist jedoch normal und sogar wünschenswert.
Jugendzeit und Schwangerschaft sind Entwicklungskrisen, die von den Möglichkeiten und Schwächen des jungen Mädchens beziehungsweise der schwangeren Frau geprägt sind. Das Gefühl, verletzlich zu sein, das sich auf sämtliche Lebensbereiche erstrecken kann, führt dazu, dass die Betroffene nach Bezugspersonen sucht. Mütter, Schwestern, Freundinnen oder der Lebenspartner sind nicht selten überrascht, einen ungewohnten Platz einnehmen zu sollen, wenn sie gewissermaßen als Schutzwall gegen die Auswirkungen der tiefgreifenden Entwicklungskrise in Beschlag genommen werden. Dass diese Forderung so massiv ausfällt, lässt sich nicht zuletzt durch das Bedürfnis erklären, sich mit einer Frau oder einer anderen hilfreichen Person zu identifizieren, die mit Blick auf Weiblichkeit beziehungsweise Elternschaft bereits eine größere Kompetenz erworben hat, aber auch aus dem stark empfundenen Drang nach Unterstützung und Halt. Es lässt sich leicht vorstellen, wie schwierig die Situation für diejenigen ist, deren Suche erfolglos bleibt. Auf medizinischer Ebene ist diese Suche nach Hilfe ein wunderbarer therapeutischer Ansatz, erlaubt sie es doch der Klientin, die ganze Last der Entwicklungskrise und die prägenden Auswirkungen der Vergangenheit auf den Schultern des Arztes abzuladen.
Diese wenigen Hinweise helfen zu verstehen, wie wichtig es ist, sich der Ähnlichkeiten und der Unterschiede zwischen den Entwicklungskrisen während der Pubertät und der beginnenden Schwangerschaft bewusst zu werden. Was in der Adoleszenz problematisch war, kann es auch während der Schwangerschaft wieder sein. Was schweigend übergangen wurde, kommt wieder auf den Tisch. Wo es Unterstützung gab, wird eine Linie der Kontinuität zur Erfahrung der Elternschaft hergestellt.

Kapitel 7: »Hilfe, ich werde nicht schwanger!« – das Warten auf die Schwangerschaft

Seit den 1960er-Jahren gilt in unserer postmodernen Wohlstandsgesellschaft der Gebrauch von Verhütungsmitteln als selbstverständlich. Das hat zu tiefgreifenden Veränderungen in der Sexualität geführt und auch dazu, dass die Frau sehr viel mehr Freiheit im Umgang mit ihrem eigenen Körper gewonnen hat. Parallel dazu hat sich die Rollenverteilung zwischen Frau, Mann und Kind ebenfalls verändert. Die Frau muss einen Kompromiss zwischen ihren beruflichen Zielen, ihrer Weiblichkeit, ihrem Beziehungsleben und ihren Freundschaften finden, was meist dazu führt, dass die Entscheidung für ein erstes Kind hinausgezögert wird. Männlichkeit hingegen wird gegenwärtig weniger mit Attributen wie Kraft und Virilität verbunden. Daher erlauben sich die Männer, ihre Neugier, das heißt ihre Lust daran, ein Kind zu betreuen und es großzuziehen, immer offener auszuleben. Das wiederum führt dazu, dass einzelne Männer mit ihren Partnerinnen um die Mutterrolle konkurrieren. Der medizinische Fortschritt schließlich gewährleistet eine hervorragende Versorgung während und nach der Geburt. Darüber hinaus erlaubt er es Männern und Frauen, noch im fortgeschrittenen Alter Eltern zu werden. Dadurch entsteht bei den Paaren die Illusion, dass sie die Weitergabe von Leben vollständig in der Hand hätten. So gesehen haben die großen wissenschaftlichen und technischen Fortschritte auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin diese Illusion von der Kontrolle über die Befruchtung begünstigt. Einige technologische Errungenschaften, die ein großes Medienecho gefunden haben, lassen vermuten, mittlerweile sei vieles möglich, auch wenn bestimmte Meisterleistungen noch eine Ausnahme bildeten. Die Wirklichkeit ist zugleich komplizierter und differenzierter. Sie verweist uns immer wieder auf die Grenzen der Medizin: In Wahrheit lässt sich die Weitergabe des Lebens in keiner Weise kontrollieren. Paare mit Kinderwunsch, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, haben einen mühsamen und steinigen Weg vor sich. Bei der Hälfte der Paare bleibt der Versuch einer künstlichen Befruchtung erfolglos, und 20 Prozent derjenigen, die eine Beratung in Anspruch genommen haben, ...

Inhaltsverzeichnis

  1. [Cover]
  2. [Titel]
  3. [Impressum]
  4. Vorbemerkung
  5. Einführung
  6. Erster Teil: Eltern werden
  7. Zweiter Teil: Das Seelenleben in der Schwangerschaft
  8. Dritter Teil: Die Psyche rund um die Geburt und die Begegnung mit dem Kind
  9. Vierter Teil: Psychiatrische Aspekte der Schwangerschaft und der ersten Zeit nach der Geburt
  10. Schlussbemerkung
  11. Literatur
  12. Informationen zu den Autoren