Das Wesen des Christentums
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Das Wesen des Christentums

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"Das Wesen des Christentums" ist ein 1841 bei Otto Wigand in Leipzig erschienenes Werk von Ludwig Feuerbach. Es handelt sich um die zentrale Schrift seiner Religionskritik und damit um eine äußerst wichtige Veröffentlichung der Religionsphilosophie des 19. Jahrhunderts. In diesem Werk legt Feuerbach seine Projektionstheorie dar. Ludwig Andreas Feuerbach (28. Juli 1804 in Landshut − 13. September 1872 in Rechenberg bei Nürnbergwar ein deutscher Philosoph und Anthropologe, dessen Religions- und Idealismuskritik bedeutenden Einfluss auf die Bewegung des Vormärz hatte und einen Erkenntnisstandpunkt formulierte, der für die modernen Humanwissenschaften, wie zum Beispiel die Psychologie und Ethnologie, grundlegend geworden ist.

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Information

Anhang

​ Erläuterungen, Bemerkungen, Belegstellen

I
Das Bewußtsein des unendlichen Wesens ist nichts andres als das Bewußtsein des Menschen von der Unendlichkeit seines Wesens, oder: in dem unendlichen Wesen, dem Gegenstande der Religion, ist dem Menschen nur sein eignes unendliches Wesen Gegenstand.
»Gott«, sagt der hl. Thomas Aquino, »ist kein Körper. Jeder Körper ist endlich. Über jeden endlichen Körper können wir aber in der Vernunft und Einbildungskraft hinausgehen. Wenn also Gott ein Körper ist, so können unsre Vernunft und Einbildungskraft etwas über Gott denken: was sich widerspricht.« (Summa contra gentiles, lib. I.c.20.) »Die Himmel und Engel haben endliche Kräfte, sie können also nicht die unendliche Fassungskraft unsres Geistes ausfüllen, non poterunt mentis nostrae captum implere, qui ad recipiendum immensus est.« (J.L. Vives, de Verit. Fidei Christ, lib. I. de fine hom.) »Die Seligkeit ist unser letztes, unser einziges Verlangen. Aber dieses Verlangen kann kein irdisches Gut stillen, denn alles Irdische ist unter dem menschlichen Geiste. Gott allein ist es, der des Menschen Verlangen stillen, den Menschen selig machen kann, denn der menschliche Geist erkennt durch seinen Verstand und verlangt durch seinen Willen das allgemeine (d.i. unendliche) Gut, aber nur in Gott wird das universelle Gut gefunden.« (Thomas Aq., de Princ. Regim. lib. I.c.8.) »Der Gegenstand des menschlichen Verstandes ist das allgemeine Wahre (universale verum, d.h. das Wahre überhaupt oder das nicht auf eine bestimmte Art eingeschränkte Wahre); der Gegenstand des menschlichen Willens oder Verlangens aber das allgemeine Gut, welches nicht in irgendeinem erschaffnen (d.h. endlichen) Wesen, sondern nur in Gott sich findet. Gott allein kann also den menschlichen Willen ausfüllen.« (Ders., Summa Theol. sac, Prima Secundae, Qu. II. 8.) Wenn nun aber nichts Körperliches, nichts Irdisches, d.h. nichts Bestimmtes, nichts Endliches, wenn nur das unendliche Wesen der dem menschlichen Geiste entsprechende, angemeßne Gegenstand ist, nur es allein den menschlichen Willen und Verstand ausfüllen kann, so ist doch offenbar in dem unendlichen Wesen dem Menschen nur die Unendlichkeit des eignen Wesens Gegenstand, das unendliche Wesen nichts andres, als ein Ausdruck, eine Erscheinung, eine Offenbarung oder Vergegenständlichung von dem eignen unbeschränkten Wesen des Menschen. »Ein sterbliches Wesen weiß nichts von einem unsterblichen Wesen« (Sallustius bei H. Grotius, de Verit. Relig. Christ, lib. I. § 24. Not. 1), d.h. das, dem unsterbliches Wesen Gegenstand ist, ist selbst unsterbliches Wesen. In dem unendlichen Wesen ist mir nur als Subjekt, als Wesen Gegenstand, was ein Prädikat, eine Eigenschaft von mir selbst ist. Das unendliche Wesen ist nichts als die personifizierte Unendlichkeit des Menschen, Gott nichts als die personifizierte, als ein Wesen vorgestellte Gottheit oder Göttlichkeit des Menschen.
II
»Die erkennenden Wesen unterscheiden sich darin von den nicht erkennenden, daß diese nur ihre eigne Form haben, jene aber auch die Form eines andren Wesens, denn die Form oder Gestalt des Erkannten ist in dem Erkennenden. Hieraus erhellt, daß die Natur des nicht erkennenden Wesens mehr eingeschränkt und eingeengt ist, die Natur des erkennenden Wesens aber eine größere Ausdehnung und Weite hat. Daher der Philosoph (Aristoteles) sagt: Die Seele ist gewissermaßen alles. Die Einschränkung einer Form (eines Wesens) kommt aber von der Natur, der Materie her. Je mehr daher etwas immateriell ist, desto mehr nähert es sich der Unendlichkeit.« (Thomas Aq., Summa, P.I, Qu. 14. Art. 2.) »Alles, was eine unendliche Kraft (virtutem infinitam) hat, hat ein unendliches Wesen; aber der Geist oder Verstand hat eine unendliche Kraft, denn er erfaßt das Allgemeine, welches sich auf Unendliches erstrecken kann. Und dies, daß die Verstandeskraft sich gewissermaßen auf Unendliches erstrecken kann, kommt daher, daß sie keine materielle Kraft oder Form ist, denn die Verstandeskraft ist keine Tätigkeit irgendeines körperlichen Organs.« (Ebend., Qu. 7. Art. 2.) »Nicht unser Fleisch ist nach dem Bilde Gottes, sondern unsre Seele, welche frei ist und überallhin ungebunden schweift, welche an die entferntesten Orte uns versetzt, die Abwesenden sieht, in einem Nu das Universum überschaut.« (Ambrosius, Hexaem. VI. c. 8.) »Unumschriebenheit, Unbeschränktheit im wahren und eigentlichen Sinne kommt nur Gott zu, aber ein Bild von ihr ist der menschliche Geist, welcher im Augenblick Morgen und Abend, Norden und Süden, Himmel und Erde nicht in der Tat, sondern in der Vorstellung allein durchmustert.« (Theodoret., Quaest. in Genes., Inter. 20.) »Dürfen wir die Wahrheit unerschrocken aussprechen, so ist in der Tat der Mensch über den Göttern selbst, oder sie haben wenigstens gänzlich gleiche Kräfte. Wenn nämlich ein himmlischer Gott auf die Erde herabsteigt, so verläßt er die Grenze des Himmels. Der Mensch aber erhebt sich in den Himmel und mißt ihn aus und sieht die Beschaffenheiten seiner Höhen und Tiefen und nimmt alles andre genau wahr, und doch, was das Wichtigste ist, verläßt er nicht die Erde, indem er sich in die Höhe schwingt. So sehr kann sich der Mensch ausdehnen. Daher können wir kühnlich sagen, daß der irdische Mensch ein sterblicher Gott, der himmlische Gott aber ein unsterblicher Mensch ist.« (Hermes Trism., Poemander, c. 10; 24; 25.) »Das Vermögen zu erkennen und handeln ist bei dem Menschen nicht wie bei den übrigen Tieren beschränkt, sondern unerschöpflich und unendlich und daher Gott ähnlich.« (Hugo Gr., a. a. O.) Die Unendlichkeit des menschlichen Wesens, die wir zuerst nur indirekt, durch Folgerung erkannten, haben wir in diesen Sätzen, die sich übrigens zahllos vermehren ließen, direkt, unumwunden ausgesprochen. Die psychologische Unendlichkeit ist der Grund der theologischen oder metaphysischen Unendlichkeit. Die Unermeßlichkeit, die nicht auf Ort und Zeit eingeschränkte Existenz, die Allgegenwart Gottes ist die versinnlichte, vergegenständlichte Allgegenwart und Unermeßlichkeit der menschlichen Vorstellungs- und Einbildungskraft.
III
Das unendliche oder göttliche Wesen ist das geistige Wesen des Menschen, welches aber vom Menschen abgesondert und als ein selbständiges Wesen vorgestellt wird. Gott ist Geist, das heißt der Wahrheit nach: der Geist ist Gott. Wie das Subjekt, so das Objekt, wie der Sinn, so der Gegenstand. Gott – als abstraktes, d.i. abgezogenes, unsinnliches Wesen – ist nicht den Sinnen oder der sinnlichen Einbildungskraft, sondern nur der Vernunft Gegenstand, also ist er nur das Vernunftwesen, nur die sich als göttliches Wesen gegenständliche Vernunft.
»Gott fehlt keine Vollkommenheit, welche in irgendeiner Wesensgattung gefunden wird. Unter den Vollkommenheiten der Wesen ist aber die vorzüglichste die Intelligenz, der Verstand, denn dadurch ist ein Wesen gewissermaßen alles, indem es die Vollkommenheiten aller Dinge in sich faßt: Gott ist also ein erkennendes, denkendes Wesen.« (Thomas Aq., Summa c. gent. lib. I.c. 44. 5.) »Weil die Alten jede abgesonderte Substanz Gott nannten, so folgte daraus, daß unsre Seele, d.i. der Verstand, durch den wir erkennen, göttlicher Natur sei, daher auch einige Christen unsrer Zeit, welche einen (sc. vom Menschen) abgesonderten tätigen Verstand in uns annehmen, ausdrücklich sagten, daß der tätige Verstand Gott ist. Diese Meinung konnte aber auch aus der Ähnlichkeit unsrer Seele mit Gott entspringen, denn da das Erkennen vor allem eine charakteristische Eigenschaft Gottes ist und keinem niederen Wesen zukommt außer dem Menschen wegen seiner Seele, so konnte es scheinen, daß die Seele zur göttlichen Natur gehöre.« (Ders. das., lib. II. c. 85.) »Der Weise ist mit Gott durch eine gewisse Verwandtschaft verbunden, weil er sich mit der Intelligenz beschäftigt, welche ist das Wesen Gottes selbst.« (Synesius in Petavii Theol. dog. T. I. lib. IV. c. 1 § 1.) »Der Verstand ist der Zusammenhang oder das Band zwischen uns und Gott.« (R. Moses ebend., T. IV. lib. IV. c. 13 § 8.) »Eine weit größere Einheit findet zwischen Gott und dem Menschen statt, als zwischen der Seele und dem Fleisch; denn eine größere Einheit ist zwischen geistigen Naturen, als zwischen einer geistigen und körperlichen Natur. Gott aber ist eine geistige Natur, und der Mensch ist ebenfalls eine geistige Natur.« (Hugo Victor ebend., § 14.) »Unter allen Kreaturen kann sich allein der vernünftige Geist zur Erforschung Gottes erheben, denn er nähert sich ihm am meisten durch die Ähnlichkeit seines Wesens. Je mehr sich daher der vernünftige Geist der Selbsterkenntnis befleißigt, desto tüchtiger wird er zur Erkenntnis Gottes.« (Anselmus, Monolog., c.66.) »Der menschliche Geist ist mit nichts zu vergleichen als mit Gott selbst.« (Cicero, Quaest. Tusc.) »Gott selbst kann nicht anders gedacht werden, denn als freier und ungebundner, von aller sterblichen Zusammensetzung abgesonderter Geist.« (Ders., a.a.O.) Die Alten nannten überhaupt geradezu die Seele, den Geist, die Vernunft Gott, während die Christen direkt oder mit Worten die Nichtverschiedenheit Gottes vom menschlichen Geiste leugnen, indirekt aber oder in der Tat behaupten. Die Christen warfen daher den Heiden vor, daß sie die Vernunft vergöttert hätten; aber die Christen tun dasselbe. Der Unterschied ist nur dieser, daß die Christen mit dem Vernunft- oder Abstraktionsvermögen des Menschen zugleich das Gegenteil desselben, das Gefühlswesen, kurz, das ganze Wesen des Menschen vergötterten und dadurch – abgesehen von andren in dieser Schrift entwickelten Gründen den vom Menschen abgeschiednen Geist, welcher bei den Alten den unverkennbaren Charakter einer subjektiven, menschlichen Abstraktion hatte, zu einem, wenigstens ihrer Einbildung nach, selber fühlbaren, materiellen Wesen machten. »Das beschauliche Leben«, sagt vortrefflich Thomas Aq. (in seiner Exposit. in Cantica Cantic, Parisiis 1515, fol. 8), »hat bei den Theologen (d.i. Christen) und den Philosophen (d. i. Heiden) nicht dieselbe Bedeutung. Die Philosophen setzen die Glückseligkeit, den Zweck der Beschauung in die Weisheit, die Ausübung der Denkkraft; aber die Theologen setzen ihn mehr in das Schmecken, als Denken, mehr in die Liebe und Süßigkeit, als in die Beschauung. Wenn wir daher die Sinne zur Bezeichnung dieses Unterschieds wählen wollen, so können wir sagen: das beschauliche Leben der Philosophen erquicke Augen und Ohren – denn unter allen Sinnen tragen diese am meisten zur Erkenntnis und Wissenschaft bei –, die geistliche Beschauung aber erquicke den Geschmack, den Geruch und das Gefühl.« Bemerkt muß übrigens noch werden, daß die Christen deswegen hauptsächlich auch Gott vom Geiste, von der Seele des Menschen unterscheiden, weil sie den Geist, die Seele mit dem individuellen, d.i. wirklichen, sinnlichen, leiblichen Wesen identifizieren, während die Alten die Vernunft, den Geist im Menschen selbst als ein abgesondertes Wesen, als ein Wesen für sich dachten. Wenn und wo daher die Christen leugnen, daß Gott der Geist oder die Seele des Menschen sei, so bedeutet der Geist den denkenden Menschen, die Seele den empfindenden, begehrlichen Menschen oder die mit dem Leibe verbundne, die leiblich, sinnlich bestimmte Seele. So sagt z.B. Augustin (contra Fortunatum): »Etwas andres ist Gott, etwas andres die Seele. Gott ist unverletzlich, unverderblich, undurchdringlich, unbefleckbar. Die Seele aber sündigt usw. Wenn also die Seele die Substanz Gottes ist, so irrt die Substanz Gottes, so wird die Substanz Gottes verdorben usw.« Und Thomas Aq. (S.c. Gent. lib. II. c. 25): »Gott ist ewig, die Seele aber war nicht vor ihrem Leibe. Gott ist unveränderlich, aber in der Seele Veränderung. Gott ist reine Tätigkeit, aber in der Seele ist Fähigkeit (Leiden) und Tätigkeit, also kann die Seele nicht etwas von der göttlichen Substanz sein.« Aber was ist diese Seele anders als der Mensch? Die Seele selbst ist ebenso unverderblich, undurchdringlich, unbefleckbar als Gott, denn sie ist nach den Christen selbst unteilbar, einfach, immateriell, unverwüstlich, unsterblich; kurz, alles, was sie der Seele in der Moral absprechen, das sprechen sie ihr in der Metaphysik zu. Die metaphysischen Bestimmungen, die Wesensbestimmungen der Gottheit und Seele sind dieselben. Dies zeigt sich besonders in der Unsterblichkeitslehre, wo sie, sei es nun ausdrücklich oder geistlich, die Bestimmungen der Gottheit der Seele zueignen. So sagt z. B. Grotius (de Verit. Rel. ehr. lib. I. c. 23): »Die Natur der Seele hängt von nichts ab; es gibt keinen Gegensatz der Seele«, d. h., sie ist das absolute, das unendliche Wesen; denn auch Gott, »die allgemeine Ursache, die universale Natur«, hat nichts zu ihrem Gegensatz, wie es ausdrücklich z. B. bei Thomas Aq. in seinem Kommentar zum Dionysius heißt. Um daher die Existenz Gottes, d. h. eines von der Seele unterschiednen Wesens zu beweisen, leugnen die Christen die Existenz der Seele als eines vom Leibe, vom Materiellen unterschiedenen Wesens, identifizieren sie die Seele mit dem leibhaften Menschen; um aber die Existenz der Unsterblichkeit zu beweisen, leugnen sie die Verschiedenheit der Seele von der Gottheit, machen sie die Seele zu einem vom Leibe unterschiednen und unabhängigen, göttlichen Wesen, gestehen sie also ein, daß die Seele Gottes die Seele des Menschen ist, denn die Seele der Theologie ist einzig die unsterbliche Seele. »Wegen des ewigen Lebens allein sind wir eigentlich Christen.« Augustin (De Civ. Dei lib. VI. c. 9).
IV
Gott ist nicht dieser oder jener, nicht dein oder mein Geist; er ist der Geist, der aber selbst wieder als ein singulärer, einzelner, selbständiger Geist gedacht oder vorgestellt wird. Gott ist überhaupt der und zwar als Gattungsbegriff individualisierte oder personifizierte Gattungsbegriff, die als Gattung im Unterschiede von den Individuen existierend gedachte Gattung. »Gott ist der Inbegriff aller Realitäten« heißt: Gott ist der Inbegriff aller Gattungen oder Gattungsbegriffe. Der Unterschied zwischen dem Heidentum und Christentum ist in dieser Beziehung der, daß bei den Heiden die Gattung ein gedachtes Wesen ist, welches nur in den sinnlichen, wirklichen Individuen Existenz hat, bei den Christen die Gattung als solche, als gedachtes Wesen für sich selbständige Existenz hat. Die Heiden unterschieden Denken und Sein, die Christen identifizierten beides. Der Polytheismus beruht auf dem Unterschied, der Monotheismus auf der Einheit von Denken und Sein, Gattung und Individuum.
»Man sagt nicht, der Mensch oder das Tier ist die Weiße, weil die Weiße nicht für sich einzeln existiert, sondern durch das existierende Subjekt vereinzelt oder individualisiert wird. Ebenso sagt man nicht, daß Sokrates oder der Mensch die Menschheit ist, aber die göttliche Wesenheit ist für sich einzeln existierend und in sich selbst individualisiert. (Divina essentia est per se singulariter existens et in se ipsa individuata.) Die göttliche Wesenheit wird daher zum Prädikat Gottes gemacht, so daß man sagt: Gott ist seine Wesenheit, d. h., wie es richtig der Kommentator Francisc. Ferrariensis zu dieser Stelle erklärt: Gott ist die Gottheit.« (Thomas Aq., S. c. Gent. lib. I. c. 21.) »Das abstrakte Sein kann nur eines sein, gleichwie die Weiße, wenn sie abstrakt existierte, nur eine wäre. Aber Gott ist selbst das abstrakte Sein (Deus est ipsum esse abstractum, d. h. das Sein als Sein, der Begriff des Seins, der aber als ein Seiendes zugleich gedacht wird), da er sein Sein ist. Es kann daher nur ein Gott sein.« (Ders. a. a. O., c. 42.) »Bei den aus Form und Materie zusammengesetzten Wesen unterscheiden sich notwendig die Natur oder Wesenheit und das Subjekt oder Individuum (suppositum), weil die Wesenheit oder Natur nur das in sich faßt, was in die Definition der Spezies oder Gattung fällt. So begreift die Menschheit das in sich, was in die Definition des Menschen fällt, denn dieser Mensch ist Mensch, und das bedeutet eben die Menschheit, das nämlich, wodurch der Mensch ist Mensch. Aber die individuelle Materie mit allen individualisierenden Akzidenzen geht nicht in die Definition der Gattung ein, denn in die Definition des Menschen kommt nicht dieses Fleisch und diese Knochen, die Weiße oder Schwärze oder sonst etwas dergleichen; diese Akzidenzen werden ausgeschlossen aus der Menschheit und nur eingeschlossen in dem, was Mensch (d. h. menschliches Individuum) ist, daher der Mensch etwas in sich hat, was die Menschheit nicht hat, und folglich ist der Mensch und die Menschheit nicht ganz dasselbe. Da aber, wo keine Zusammensetzung ist aus Form und Materie (d. h. aus Geist und Fleisch, Gattung und Individuum), wo die Individualisierung nicht durch die individuelle Materie, d. h. durch diese Materie geschieht, sondern die Formen durch und für sich selbst individualisiert sind, da sind notwendig die Formen selbst die bestehenden Subjekte oder Individuen, so daß in ihnen kein Unterschied ist zwischen Individuum und Wesen oder Gattung (non differt suppositum et natura). Da nun aber Gott nicht zusammengesetzt ist aus Materie und Form, so ist notwendig Gott seine Gottheit (d. h. die Gottheit), sein Leben (d. h. das Leben) und alle sonstigen Prädikate.« (Ders., Summ. Sacrae Theol., P. I. Qu. 3. Art. 3.) D. h. eben: Gott ist ein bloßes Prädikat, das aber als Subjekt, ein bloßer Gattungsbegriff, der aber als Einzelwesen vorgestellt, und darum, obgleich ein nur abstraktes Wesen, als wirkliches, existierendes Wesen gedacht wird. » Je weniger bestimmt daher, je allgemeiner und unbedingter ein Name ist, desto mehr eignet er sich für Gott. Unter allen Namen ist darum der geeignetste für Gott der Name: ›Ich bin, der ich bin‹, 2. Mose 3, 14, der Name des Seins schlechtweg, denn er ist der universellste.« (Ders., Qu. 13. Art. 11.) » Je spezieller die Namen sind, desto mehr bestimmen sie eine der Kreatur zukommende Weise.« (Ders., Qu. 33, Art. 1. Siehe hierüber auch Petavius, de Trinit. lib. V. c. 6 § 10.) »Wenn wir die Namen der Erzeugung und des Sohnes von den erschaffnen Dingen auf Gott übertragen, so sondern wir im Geiste alles Grobe (Materielle) und Vergängliche davon ab, wie z. B. die Teilung der Substanz, die Zeitordnung; nur dies eine behalten wir: die Gemeinschaft oder Mitteilung des Wesens und der Natur. Ebenso, wenn wir Gott das Wort nennen, so lassen wir weg, was in dem Begriffe dieses Wortes liegt, inwiefern es den Kreaturen zukommt, wie z. B. das Unselbständige und Flüchtige.« (Isidorus Pelusiota bei Petavius, de Trinit. lib. VII. c. 14 § 6.) Das heißt: der Sohn, wie er in Gott ist, der göttliche Sohn ist nichts andres als der Sohn in abstracto, der Begriff des Sohns; das Wort, wie es in Gott ist, das göttliche Wort ist nicht dieses oder jenes vom Menschen ausgesprochne, in der Luft verhallende, nicht ein deutsches oder griechisches, römisches oder hebräisches Wort, sondern das Wort an sich, das Wort überhaupt, der Gattungsbegriff des Wortes, welchem natürlich alle Bestimmungen der Gottheit: Un- und Übersinnlichkeit, Ewigkeit, Unwandelbarkeit, Einfachheit, zukommen. Ganz entsprechend dem Grundbegriff oder Grundwesen der Gottheit ist es daher, daß in der Trinität die inneren Eigenschaften der Gottheit als Personen, als Wesen individualisiert werden. Gott ist nichts andres als ein Inbegriff, eine Menge von Adjektiven, die als Substantive, von Prädikaten, von Abstraktionen, die als Subjekte, als Wesen vorgestellt werden. Mit demselben Rechte, mit dem der Geist, die Weisheit, die Vorsehung, die Güte, die Macht, kurz, allgemeine, vom Menschen und der Natur abgezogne Begriffe in Gott zu Wesen gemacht werden, mit demselben Rechte werden die abgezognen Eigenschaften der Vaterschaft, der Sohnschaft zu Personen verdichtet. »Die heilige Schrift schreibt Gott Hände, Augen, Herz und andere Organe zu, um damit eine gewisse Wirksamkeit oder Tätigkeit Gottes auszudrücken, so aber, daß, obgleich alles Plumpe, Unvollkommne und Körperliche abgezogen wird, dennoch die eigentliche, wirkliche Tätigkeit dieser Organe ihm zugeschrieben wird. Denn Gott hört und sieht und will und denkt wirklich, ob er gleich die Körperteile nicht hat und gebraucht, denen diese Begriffe oder Tätigkeiten entsprechen. Ebenso sagt die Schrift, daß der Sohn aus der Gebärmutter vom Vater erzeugt sei, denn obgleich in Gott keine Gebärmutter, überhaupt nichts Körperliches ist, so ist doch in ihm wahre Erzeugung, wahre Geburt, die eben mit dem Worte Gebärmutter angezeigt wird.« Petavius (Ebend., lib. V. c. 7 § 4). In der Erkenntnis, daß Gott nichts andres ist als der als Gattungsbegriff personifizierte oder individualisierte Gattungsbegriff, haben wir den Schlüssel zu allen Geheimnissen der Theologie, die Erklärung aller ihrer Unerklärlichkeiten und Unbegreiflichkeiten, die Auflösung aller der verwirrenden Widersprüche und Schwierigkeiten, über die sich sonst die Theologen und Philosophen vergeblich den Kopf zerbrochen haben. Wir erkennen daraus, woher es kommt, daß man von Gott nur »en général und überhaupt reden kann«, bei allen speziellen Fragen aber, bei allen Fragen nach der Art und Weise die Antwort in der Theologie verneinend ausfällt, daher nämlich, daß bei dem Gattungsbegriff, wie übrigens schon früher bei dem Schöpfungsakt gezeigt wurde, alle speziellen und individuellen Bestimmungen wegfallen, Bestimmungen, die aber gleichwohl der Glaube oder die Theologie in Gott als an sich, nur nicht für unsre Erkenntnis vorhanden annimmt, weil sie diesen Gattungsbegriff als ein wirkliches, gegenständliches Wesen vorstellt. Wir erkennen daraus, welches der wahre Sinn der Unendlichkeit, der Ursächlichkeit, der Erhabenheit, der Vollkommenheit, der ebensowohl positiven als negativen Natur Gottes ist. Gott ist in demselben Sinne das Wesen, von dem alles ebensowohl bejaht als verneint werden kann, in demselben Sinne alles und nichts, in welchem z.B. die Farbe alle Farben und keine, nämlich besondere und einzelne Farbe ist; in demselben Sinne unendlich, in welchem es die Gattung ist, welche nicht auf diesen Ort, diese Zeit, dieses Individuum, diese Art eingeschränkt ist, denn »die Allgemeinheiten, die Gattungen (Universalia) sind überall und immer« (Thomas Aq., Summ. Theol. P. I., Qu. 46. Art. 2); in demselben Sinne über den Menschen, in welchem die Farbe über den Farben ist, denn »die Menschheit ist über den Menschen« (ders. im Vorwort seiner Exposit. in Dionysii A. divina Nomina ); in demselben Sinne das höchste Wesen und als dieses der Grund und die Ursache aller Wesen, in welchem es überhaupt die Gattung ist, wenn sie im Unterschiede von den Individuen als ein selbständiges Wesen vorgestellt wird; in demselben Sinne das vollkommene Wesen, in welchem es den Individuen gegenüber die Gattung ist, denn die Farbe ist alle Farben, während die wirkliche, individuelle Farbe immer nur eine mit Ausschluß aller andren ist, die Gattung daher der Inbegriff aller Vollkommenheiten, welche an die Individuen verteilt sind. »Gott ist das für sich bestehende Sein selbst (ipsum esse per se subsistens). Darum begreift er alle Vollkommenheiten des Seins in sich, denn es ist offenbar, daß, wenn etwas Warmes nicht alle Vollkommenheit der Wärme in sich hat, dies nur darin seinen Grund hat, daß die Wärme nicht auf vollständige Weise partizipiert (d.i. verwirklicht wird), daß aber, wenn die Wärme für sich selbst existierte, ihr auch nichts von der Vollkommenheit der Wärme fehlen könnte.« (Thomas Aq. a.a.O., Qu.4. Art.2.) Wir erkennen hieraus, wie töricht es ist, wenn man sich Gott in einem Individuum dargestellt oder verwirklicht vorstellt, so töricht, als wenn man sich die Farbe, ein von den einzelnen und besondern Farben abgezognes Gedankenwesen, in einer Farbe verwirklicht vorstellen wollte; wie richtig, wie notwendig dagegen es ist, wenn man in der Auflösung und Zurückführung des göttlichen Wesens auf die wirklichen Wesen, von welchen es abstrahiert ist, dasselbe sich in der Allheit der Individuen verwirklicht denkt, denn Gott wird ja ausdrücklich als das Wesen vorgestellt und bestimmt, welches alle Vollkommenheiten, alle Tugenden, die in den wirklichen Wesen zerstreut und verteilt sind, vereint besitzt. »Obgleich Gott«, sagt z.B. Thomas Aq. in seinem Kommentar zu Dionysius A. (cap.11), »in sich selbst unteilbar bleibt, so werden doch seine Gaben, d.h. seine Vollkommenheiten und Kräfte von den Kreaturen zerteilt und teilweise je nach ihrer verschiedenen Empfänglichkeit aufgenommen.«
V
Gott ist kein physiologisches oder kosmisches, sondern ein psychologisches Wesen.
Wer keinen Gott in die Natur schon hineinlegt, der bringt auch keinen aus ihr heraus. Die Beweise von der Existenz Gottes aus der Natur sind nur Beweise von der Unwissenheit und Arroganz des Menschen, mit welcher er die Schranken seines Kopfes zu Schranken der Natur macht. Nimmt man auch Zwecke in der Natur an – der Zweck der Natur liegt nicht außer und über der Natur, sowenig als der Zweck des Auges, das Sehen, außer und über dem Wesen, dem Bau, dem Organismus des Auges liegt, und führt daher auf kein Wesen außer und über der Natur. Der Zweck ist in der Natur nicht unterschieden und unabhängig vom Mittel, von der Beschaffenheit des Organs; die Natur hört nur durch das Ohr, sieht nur durch das Auge, denkt nur durch das Hirn, aber ein Gott hört ohne Ohren, sieht ohne Augen und denkt ohne Hirn. Woher ist der Zweck? ruft der Theist, indem er den Zweck von den Mitteln in Gedanken absondert und für sich selbst denkt, aber ich frage: woher sind denn die Mittel? wie kann aus einem Wesen, das ohne Kopf denkt, ein Wesen entspringen, das nur in und mit dem Kopf denkt? wozu braucht denn ein immaterielles, ohne Mittel wirkendes, allmächtiges Wesen materielle Mittel? Der Schluß von der Natur auf einen Gott, d.h. ein von der Natur unterschiedenes, übernatürliches, geistiges Wesen als Ursache derselben ist daher nur da am Orte und gerechtfertigt, wo der Mensch glaubt, daß man auch ohne Augen sehen und ohne Ohren hören kann, wo das Band zwischen der Ursache und Wirkung, dem Mittel und Zweck, dem Organ und der Funktion einzig das allmächtige, göttliche Wesen ist. »Die natürlichen Dinge«, sagt z.B. Calvin, »sind nichts andres als Werkzeuge, die Gott beständig nur so viel wirken läßt, als er will, und nach Gefallen dreht und wendet, je nachdem er dieses oder jenes durch sie machen will. Kein Geschöpf hat eine so bewundernswürdige und auffallende Kraft wie die Sonne. Sie beleuchtet den ganzen Erdball mit ihrem Glanze, sie erhält und erquickt alle Tier...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Das Wesen des Christentums
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. ​Vorwort
  5. ​Vorrede zur zweiten Auflage (1843)
  6. ​Vorwort zur dritten Auflage (1848)
  7. Erstes Kapitel
  8. Zweites Kapitel
  9. Drittes Kapitel
  10. Viertes Kapitel
  11. Fünftes Kapitel
  12. Sechstes Kapitel
  13. ​Siebentes Kapitel
  14. ​Achtes Kapitel
  15. ​Neuntes Kapitel
  16. ​Zehntes Kapitel
  17. ​Elftes Kapitel
  18. ​Zwölftes Kapitel
  19. ​Dreizehntes Kapitel
  20. ​Vierzehntes Kapitel
  21. ​Fünfzehntes Kapitel
  22. ​Sechzehntes Kapitel
  23. ​Siebzehntes Kapitel
  24. ​Achtzehntes Kapitel
  25. ​Neunzehntes Kapitel
  26. Zwanzigstes Kapitel
  27. Einundzwanzigstes Kapitel
  28. Zweiundzwanzigstes Kapitel
  29. Dreiundzwanzigstes Kapitel
  30. Vierundzwanzigstes Kapitel
  31. Fünfundzwanzigstes Kapitel
  32. ​Sechsundzwanzigstes Kapitel
  33. ​Siebenundzwanzigstes Kapitel
  34. ​Achtundzwanzigstes Kapitel
  35. Anhang
  36. Danksagung