Aulus Gellius und die ›Noctes Atticae‹
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Aulus Gellius und die ›Noctes Atticae‹

Die literarische Konstruktion einer Sammlung

  1. 314 Seiten
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Aulus Gellius und die ›Noctes Atticae‹

Die literarische Konstruktion einer Sammlung

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Über dieses Buch

Millennium überschreitet Grenzen, Grenzen zwischen den Epochen und regionalen Räumen wie auch Grenzen zwischen den Disziplinen. Die Schriftenreihe Millennium-Studien ist, genauso wie das Jahrbuch, international, interdisziplinär und epochenübergreifend ausgerichtet. Das Herausgebergremium und der Beirat repräsentieren ein breites Fächerspektrum: Kunst- und literaturwissenschaftliche Beiträge kommen ebenso zu ihrem Recht wie historische, theologische und philosophische, und die Millennium-Studien bieten gleichermaßen Raum für Arbeiten zu den lateinischen und griechischen wie zu den orientalischen Kulturen.

In die Studien finden einschlägige Monographien und Sammelwerke aus dem gesamten Themenspektrum Aufnahme, zudem Kommentare und Editionen. Publikationssprachen sind vornehmlich Deutsch und Englisch; die Aufnahme französischer, italienischer und spanischer Arbeiten ist möglich.

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Peter von Möllendorff, Gießen (Gräzistik): [email protected]

Dennis Pausch, Dresden (Latinistik): [email protected]

Rene Pfeilschifter, Würzburg (Alte Geschichte): [email protected]

Karla Pollmann, Bristol (Frühes Christentum und Patristik): [email protected]

Alle Manuskripte werden von dem jeweiligen Herausgeber und von einem externen Gutachter beurteilt. Dabei gilt das Single-blind peer review -Verfahren.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110695144

1 Stand der Forschung und Ziel der Arbeit

Feinste Beredsamkeit gepaart mit umfassendem Wissen, so sieht Augustinus in De civitate dei 9,4 im 4. Jh. Gellius’ Beitrag für die lesende Nachwelt:
in libris, quibus titulus est noctium atticarum, scribit a. gellius, uir elegantissimi eloquii et multae undecumque scientiae, se nauigasse aliquando cum quodam philosopho nobili stoico.
In den Büchern, deren Titel Noctes Atticae
lautet, schreibt A. Gellius, ein Mann von stilsicherer Beredsamkeit und grossem Wissen in jeglicher Hinsicht, dass er einmal mit einem gewissen berühmten stoischen Philosophen gereist sei.1
Gerade der Hinweis auf Gellius’ umfassendes Wissen scheint sein Werk – eine Miszellanschrift, die sich durch inhaltliche und formale Buntheit der gesammelten Kurztexte auszeichnet, als deren gemeinsamer Nenner der zeitgenössische Bildungsdiskurs gelten kann – von einer literarischen Rezeption abzurücken. Augustinus’ Satz enthält aber noch mehr. Indem er ausführt, dass Gellius darüber schreibe, wie er einmal mit einem bekannten Stoiker zur See gefahren sei, deutet er auch einen Erlebnisbericht desselben an und führt uns Gellius als Erzähler vor, und zwar als einen so anschaulichen wie angenehmen, wie Augustinus im Laufe seiner Nacherzählung anmerkt:
is philosophus, sicut latius et uberius, quod ego breuiter adtingam, narrat a. gellius, cum illud nauigium horribili caelo et mari periculosissime iactaretur, ui timoris expalluit.
haec ut potui non quidem commodius a. gellio, sed certe breuius.
Wie A. Gellius ausführlicher und beredter erzählt, was ich nur kurz berühren werde, erblich dieser Philosoph aus Furcht, die ihn überkam, als das Schiff wegen des entsetzlichen Wetters und des Meeres gefährlich hin und her geworfen wurde.
Dies habe ich dargestellt, wie ich es vermochte, freilich nicht angenehmer, aber gewiss kürzer als A. Gellius.
Augustinus’ Bemerkungen zu Gellius legen damit nahe, dass er dessen Noctes Atticae mit einem gewissen ästhetischen Vergnügen gelesen hat, wie es einer literarischen Lektüre eignet. Gellius ist für Augustinus beides zugleich, Wissensvermittler und Erzähler.2 In den Noctes Atticae wird Wissen erzählt.
Diesem Umstand soll die vorliegende Untersuchung Rechnung tragen und danach fragen, was die Noctes Atticae abseits des Wissens, das die Sammlung vermittelt, lesenswert macht und ihre ästhetische Rezeption ermöglicht. Für kaum eine andere Textsorte scheint eine Bestimmung als entweder literarisch oder doxographisch so beweglich und fraglich wie für die Miszellanliteratur.3 Die Untersuchung soll also durch eine narratologisch bestimmte Interpretation einzelner Kapitel den erzählerischen Aspekt ins Zentrum rücken, der in den Noctes Atticae gegenüber der Wissensausbreitung vielleicht weniger augenscheinlich ist. Denn tatsächlich zeigt ein Blick auf die bisherige Auseinandersetzung mit den Noctes Atticae, dass sich die Gellius-Forschung dort, wo sie sich zu einem positiveren Urteil über den Autor durchgerungen hat – wie bei Nettleship 1883, Hertz 1886 (der die Noctes Atticae als eine „für alle Zeiten … reiche Fundgrube des Wissens“ bezeichnet)4 und später Marache 1952 – bislang auf Gellius’ Leistung als Wissenssammler und -vermittler konzentriert hat. Noch für Seel 1977 ist es ausgeschlossen, sich mit Gellius als Autor auseinanderzusetzen:
Ihn (scil. Gellius) lieben wir alle, aber wahrlich nicht um seiner selbst willen, sondern als unschätzbar wertvolle Durchgangsstelle für Älteres und Besseres: so etwas wie eine Sammellinse, die selbst gar nichts sagt, sondern nur anderes sehen lässt, freilich immer nur stückchenweise …; ein fleissiger Sammler und Aneinanderstückler, Besitzer eines erstaunlichen Zettelkastens.5
In solchen Urteilen wird Gellius am Massstab der Wissenstradierung gemessen und als Kompilator gewertet. Diese Perspektive wird in neueren Arbeiten zu einer kulturhistorischen Fragestellung ausgeweitet, etwa indem Beall 1988 über die Auflistung der in den Noctes Atticae behandelten Wissensgebiete und Testimonien hinaus Gellius’ Bildungskonzept skizziert und Holford-Strevens 22005 den Forscher und Universalgelehrten Gellius in seinem zeitgeschichtlichen Kontext der antoninischen Ära würdigt.6 Auch Heusch 2011 ist die kulturhistorische Perspektive eigen, indem sie untersucht, wie in den Noctes Atticae das Erinnerungsbewusstsein des 2. Jhs. reflektiert wird. Mit seiner Charakterisierung des Autors als eines „fleissige(n) Sammler(s) und Aneinanderstückler(s), Besitzer(s) eines erstaunlichen Zettelkastens“ gibt Seel, angesichts seiner Abwertung von Gellius wohl unbeabsichtigt, einen Fingerzeig auf einen durchaus schöpferischen Aspekt von Gellius’ Umgang mit der von ihm gesammelten Textwelt, indem dieser aus ihr auswählt und sie neu zusammensetzt. Das Neue und literarisch Kreative ist in den Noctes Atticae nicht im Dargestellten (dabei handelt es sich ja um die Tradierung von Kanonischem) sondern in seiner Kombination und Situierung zu sehen. Der schöpferische Akt, der diesem Prozess zugrunde liegt und, wie das Kapitel 3 dieser Arbeit zeigen wird, auch poetologische Reflexionen in Gang setzen kann, tritt deutlicher hervor, wenn wir Autoren wie Gellius der Unterscheidung bei Stadler 2014 folgend als verba-Sammler bezeichnen und von res-Sammlern abgrenzen, wie sie als Besitzer von Naturalienkabinetten in der frühen Neuzeit in Erscheinung treten. Diese res-Sammler wählen im Gegensatz zum verba-Sammler nicht aus, weder was die Gegenstände noch was ihre Anordnung betrifft. Sie schaffen nichts Neues, sondern bilden Grösseres im Kleineren nach vorgegebenem Muster ab.
Unter dem Hinweis auf den umfassenden Überblick von Heusch 2011 kann hier auf einen detaillierten Bericht zur bisherigen Gellius-Forschung verzichtet werden. Es seien aber einzelne Arbeiten, die den hier präsentierten narratologischen Zugang vorbereitet haben, besonders hervorgehoben, wie diejenige von Pausch mit dem TitelBiographie und Bildungskultur (2004). Pausch stellt Gellius zugleich in einen literarischen wie auch in einen kulturellen Kontext, indem er das Genre der Biographie als Ausdruck der Bildungskultur des 2. Jhs. untersucht und in diesem Rahmen Gellius’ Umgang mit biographischen Daten bestimmt. Auch Pausch streicht die wissensvermittelnde Funktion der Noctes Atticae hervor, wenn er das Kapitel zu Gellius unter den Titel „Zwischen Lexikoneintrag und Vorbildfunktion“ fasst.7 Er anerkennt darin aber auch die „anspruchsvolle Gestaltung“ und den im Dienste der Unterhaltung stehenden narrativen Wert der einzelnen Kapitel, welche durch ihre „anekdotische Erzählform“ einerseits und eine lockere, diskontinuierliche Folge von Kapiteln, die Erlebnissen und Fakten zur jeweiligen historischen Persönlichkeit gewidmet sind, andererseits dem Leser Unterhaltung bieten.8 Keulen 2009 geht die entgegengesetzte Richtung. Der Titel seiner Monographie Gellius the Satirist lässt eine Konzentration auf literarische Aspekte erwarten, die Untersuchung konzentriert sich dann aber auf das Bestreben der Bildungselite des 2. Jhs., sich im Bildungsdiskurs vorteilhaft zu positionieren, und stellt somit soziokulturelle Beobachtungen zum Verhältnis sowohl von Gellius zu den von ihm vorgeführten Zeitgenossen der zweiten Sophistik als auch von Rom zu Griechenland in den Vordergrund.9 Dennoch vermittelt Keulen in seiner Untersuchung auch wichtige Einblicke in die literarische Erzählweise der Noctes Atticae, indem er den Blick dafür öffnet, wie sich Gellius in seiner Inszenierung als Ich-Erzähler darum bemüht, sich gegenüber seinen Lehrern und scheinbaren Vorbildern positiv abzuheben. Keulens Gellius treibt sein Spiel mit Autoritäten. Der Blick auf diese ist in den Noctes Atticae vielschichtig und eröffnet literarische Diskursivität. Keulen leistet so eine literarische Würdigung der Noctes Atticae, wobei eine Analyse der Erzählweise, die über einzelne, sich zufällig aus der kulturhistorischen Perspektive ergebende Aspekte hinausgeht, immer noch aussteht. Diese Lücke vermag auch Anderson 2004 nicht zu schliessen, der in seinem Beitrag zu Gellius als Geschichtenerzähler (Aulus Gellius as a Storyteller) in der Skizzierung des inhaltlichen und formalen Repertoires letztlich wiederum star...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. 1 Stand der Forschung und Ziel der Arbeit
  5. 2 Narrativität der Enzyklopädie
  6. 3 Poetik des Sammelns
  7. 4 Fazit
  8. Personenregister
  9. Sachregister
  10. Stellenregister