Curtius Rufus in Straßburg
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Curtius Rufus in Straßburg

Imitation und Quellenbenutzung in den Supplementen Johannes Freinsheims

  1. 355 Seiten
  2. German
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Curtius Rufus in Straßburg

Imitation und Quellenbenutzung in den Supplementen Johannes Freinsheims

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Johannes Freinsheims (1608–1660) Ergänzungen der unvollständig überlieferten Alexandergeschichte des Q. Curtius Rufus (wahrsch. 1. Jh.) sind trotz ihrer großen Verbreitung bisher noch nicht im Rahmen einer monographischen Studie erforscht worden.Die vorliegende Arbeit will diese Lücke schließen. Auf Basis philologischer und literaturwissenschaftlicher Methoden argumentiert sie unter Einbezug von historischen, philosophischen und quantitativ-stilistischen Betrachtungen dafür, dass Freinsheims Supplemente als literarischer Beitrag zur Bewältigung der politisch-militärischen Krisen während des Dreißigjährigen Krieg und als subtiles Eintreten für die protestantische Sache gewertet werden können. Der Text wäre demnach als Geschichtsschreibung eigenen Rechts aufzufassen, die vorbildhaftes monarchisches Verhalten in Kriegs- und Friedenszeiten möglichst objektiv darstellen wollte, ihre propagandistische Stoßrichtung aber nie ganz verbergen konnte.Über das Studium des Textes hinaus werden Aspekte des humanistischen Geschichtsverständnisses und der frühneuzeitlichen Politikwissenschaft beleuchtet und Eindrücke der engen Verflechtungen von Gelehrten und politischen Akteuren während des Dreißigjährigen Krieges geboten.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110700268

1 Einleitung

„Fast muss man froh sein über die Verluste, weil Freinsheim sie ja mit so glücklicher Hand behoben hat!“, „Wenn er bösartig gewesen wäre, hätte er den Text als echt verkaufen können.“1 Zwei zeitgenössische Urteile über eines der meistgedruckten Supplemente der neulateinischen Literatur: Johannes Freinsheims2 (1608–1660) Ergänzungen der Historiae Alexandri des kaiserzeitlichen Historikers Q. Curtius Rufus.3 Seit ihrer Veröffentlichung im Jahr 1639 wurden sie lange Zeit so gut wie jeder neuen Edition beigegeben. In späteren Jahrhunderten nahm das Interesse zwar merklich ab, doch sind die Supplemente nach wie vor so präsent, dass sich die Herausgeber der vor wenigen Jahren im Reclam-Verlag erschienenen Curtius Rufus-Bilingue dazu entschlossen haben, Auszüge davon zu übernehmen.4 Obwohl Freinsheims Ergänzungen durch Paul Gerhard Schmidt bereits vor über fünfzig Jahren für die moderne Forschung wiederentdeckt wurden,5sind sie noch nie in den Mittelpunkt einer monographischen Studie gestellt worden. Diesem Desiderat möchte die vorliegende Arbeit begegnen. Entlang von Schmidts Beobachtungen, die nach wie vor die Rezeption des Supplements prägen, soll im Folgenden das Problemfeld umrissen und die Fragestellung skizziert werden.
Die Alexandergeschichte des kaiserzeitlichen Historikers Q. Curtius Rufus ist die einzige bekannte antike ‚Alexandermonographie‘ in lateinischer Sprache, ein historiographischer Bericht also, der sich ausschließlich dem Leben und den Taten Alexanders6 des Großen (356–323 v. Chr.) widmet. Verfasst wurde er wahrscheinlich im ersten nachchristlichen Jahrhundert.7 Den Humanismus erreichte das Werk, das bis dahin kaum Spuren der Rezeption hinterlassen hatte, jedoch nicht unbeschadet: Die „handschriftliche Überlieferung, deren älteste Zeugen aus dem 9. Jh. stammen, fußt auf einem Archetypus, der an den drei neuralgischen Punkten Anfang, Mitte und Ende verstümmelt war“,8 verloren sind das erste und zweite Buch, das Ende des fünften, der Anfang des sechsten und Teile des zehnten Buches.9 Während die moderne Forschung den Verlust in diesem und ähnlichen Fällen als unwiederbringlich einstuft und sich auf die Edition der erhaltenen Teile beschränkt, war es zu früheren Zeiten, vor allem vom 16. bis 18. Jahrhundert, nicht unüblich, auf tatsächliche oder vermeintliche Leerstellen eines überlieferten Textes mit der Produktion von Supplementen, also von Ergänzungen, zu reagieren und überlieferungsbedingte physische Schäden zu ersetzen oder scheinbar unentwickelte Erzählungen fortzuführen.10 Man schrieb einen neuen Text, der sich formal, inhaltlich und stilistisch an den verlustbehafteten anlehnte und prinzipiell nicht als autonomes Werk, sondern nur in ‚Symbiose‘ mit seinem ‚Wirtstext‘ rezipiert werden sollte. Natürlich waren die Historiae Alexandri aufgrund der genannten Lücken und ihrer großen Beliebtheit geradezu prädestiniert, durch Ergänzungen vervollständigt zu werden.11 Tatsächlich beginnt die Geschichte ihrer (lateinischsprachigen) Supplementierung bereits um 1100 in Frankreich, wo ein anonymer Verfasser die Bücher 1 und 2 auf Basis von Trogus/Iustin und einer Kurzfassung des lateinischen Alexanderromans ergänzte.12
Im Jahr 1639 schreib sich auch Johannes Freinsheim in die Liste der Curtius Rufus-Ergänzer ein.13 Er wollte es besser machen als seine Vorgänger, die, wie beispielsweise der französische Anonymus oder Christoph Bruno mit seinem Supplement des Jahres 1545, in Umfang und Sprachstil unbefriedigend deutlich von der Vorlage abwichen oder ihren Editionen gar nur die lateinischen Übersetzungen von Arrian und Diodor beigaben, um wenigstens inhaltlich zum dritten Buch der Historiae Alexandri aufzuschließen.14 Bei seiner Arbeit setzte sich Freinsheim, metaphorisch gesprochen, die Maske des Curtius Rufus auf, imitierte dessen Stil und versuchte genauso zu schreiben, wie es der Römer vor rund 1 500 Jahren hätte getan haben können.15 Die Sachinformationen schöpfte er aus der Parallelüberlieferung, wobei er auf dem Rand der Druckseite stets minutiös protokollierte, welche Quelle gerade sprudelte.
Im Jahr 1640 legte Freinsheim der Fachwelt dann ein ‚Curtius Rufus-Komplettpaket‘ vor, das eine intensive Beschäftigung mit dem antiken Historiker dokumentiert und neben den Supplementen eine neue Edition der Historiae Alexandri und einen umfangreichen Lemmakommentar bot.16 Jeder einzelne dieser Teile stellt eine bemerkenswerte Leistung dar: Mit der Edition sicherte sich Freinsheim einen festen Platz unter den Curtius Rufus-Kritikern;17 der Kommentar ist „enorm ausführlich“ und auch deshalb „bis heute unübertroffen“, weil er die (erhaltene) Alexandergeschichte vollständig abdeckt.18 Freinsheims Bedeutung für die Curtius Rufus-Philologie spiegelt sich beispielsweise darin, dass spätere Herausgeber mit seiner Edition eine Zäsur zu setzen pflegten und eine aetas Freinshemiana eingeläutet sahen, obwohl in den Jahren und Jahrzehnten zuvor kein Mangel an Ausgaben, Kommentaren und sonstiger gelehrter Beschäftigung mit der curtianischen Alexandergeschichte zu verzeichnen war.19
Da, wie gesagt, Freinsheims Curtius Rufus-Supplemente von der modernen Forschung noch nie monographisch behandelt wurden, knüpfen die erkenntnisleitenden Fragen der vorliegenden Arbeit am explizit oder implizit von Paul Gerhard Schmidt und späteren Beiträgen bekundeten Klärungsbedarf an. Um das Supplement in seinen zeitgenössischen Kontext einzuordnen, wird der Blick außerdem über den Text hinaus auf den Autor Freinsheim und sein persönliches und wissenschaftliches Umfeld geweitet. Dies wird die abschließende Interpretation in eine Richtung lenken, die bisher zu wenig beachtet wurde.
Ein erster Fragenkomplex betrifft Freinsheims Umgang mit den Quellen, aus denen er die verlorenen Teile der Historiae Alexandri rekonstruierte. Da er sich diesbezüglich so gut wie gar nicht rechtfertigt, müssen Detailstudien am Text die Antworten auf folgende Fragen liefern: Wie hat Freinsheim seine Quellen ausgewählt? Hatte die Praxis, sie am Seitenrand zu notieren, bereits Vorbilder?20 Warumsind die Angaben „teils präzise, nicht immer allerdings zuverlässig, teils auch sehr vage“?21 Hat Freinsheim griechische Quellen im Original oder in lateinischer Übersetzung benutzt? Hat er deren Inhalt wirklich nach „Gutdünken [...] gekürzt oder erweitert?“22 Wie verträgt sich das Versprechen, genau wie Curtius Rufus zu berichten, mit der Benutzung von Autoren, die nachweislich später geschrieben haben? Ein zweiter Fragenkatalog betrifft Freinsheims Imitationsleistung, deren heutige Bewertung immer noch durch die von Schmidt zitierten, zeitgenössischen Beurteilungen geprägt ist. Ein Rezensent verstieg sich sogar zu der Behauptung, Freinsheim hätte die Supplemente als Fälschung des hypothetisch aufgefundenen Originals ausgeben können und wäre nicht entlarvt worden.23 Obwohl Freinsheim seine Ergänzungen sehr sorgfältig vom Rest der Alexandergeschichte abgrenzte, sodass zu keiner Zeit der Eindruck entsteht, er hätte die Fachwelt zum Narren halten wollen, und das zeitgenössische Lob sicherlich konventionell ist und panegyrisch übersteigert, soll diese Spur dennoch verfolgt werden, da sie Einsichten in sein Verständnis von imitatio und seine eigentlichen Intentionen liefern wird: Hat Freinsheim den Stil von Curtius Rufus wirklich so exakt nachgeahmt, dass er das Supplement als Fälschung hätte ausgeben können? Woran hätten zeitgenössische Echtheitskritiker eine Fälschung erkannt? Welche Stilbrüche galt es zu vermeiden? Welches Verständnis von Ähnlichkeit lag den zeitgenössischen Lobpreisungen überhaupt zugrunde? War es auf den Sprachstil beschränkt oder schloss es inhaltliche und methodische Ähnlichkeit ein, zu deren Gunsten Abstriche beim Stil in Kauf genommen wurden?
An diese Fragen, die sich aus der Rezeption von Schmidts Beobachtungen ergeben, schließen sich weitere an, die den literaturwissenschaftlichen Status des Supplements betreffen und klären sollen, ob ‚nur‘ ein Stück Schöner Literatur avant la lettre vorliegt, das so oder so ähnlich zu jeder Zeit hätte entstehen können, oder ob Intentionen erkennbar werden, die dem Supplement eine zeitgenössische Signatur aufprägen: Wie weit trug die Illusion, dass der Text wirklich von Curtius Rufus verfasst worden sein könnte? Inwiefern gehörte diese Illusion zur intendierten Rezeption und stellte eine condicio sine qua non dar? Hat das Supplement neben einem literarischen auch einen wissenschaftlichen Anteil und wenn ja, in welchem Verhältnis stehen die beiden? Handelt es sich also eher um ein ‚Supplement zu Geschichtsschreibung‘ oder um ‚Geschichtsschreibung als Supplement‘? An welchen Leserkreis richteten sich die Ergänzungen bzw. welchen Zweck, wenn überhaupt, verfolgten sie?
Bezugspunkt der Untersuchung ist das Supplement zum Zeitpunkt seiner Publikation. Aspekte der zeitgenössischen Rezeption, wie zum Beispiel die Beliebtheit, die Verbreitung oder der Einsatz in der Lehre, bleiben weitgehend unberücksichtigt.24 Da die Analyse literarisch ausgerichtet ist und die Realia von der modernen Forschung bestens erschlossen sind, kann auf eine systematische Darstellung des Alexanderzuges oder der historischen Person Alexanders des Großen verzichtet werden.
Die Arbeit gliedert sich in die beiden Teile „Geschichte und Geschichtsschreibung im Straßburger Kreis“ (Kapitel 2 bis 4) und „Gestaltung und Imitation“ des Supplements (Kapitel 6 bis 10). Der erste Teil holt etwas weiter aus und vollzieht die wissenschaftliche Sozialisation Freinsheims nach. Kapitel 2 stellt die Politikkonzeption des flämischen Philologen Justus Lipsius (1547–1606) und seine Lesart antiker, insbesondere kaiserzeitlicher Geschichtsschreiber vor, die als wesentliche Einflussgrößen für das in Freinsheims Umfeld vorherrschende Verständnis von gelungener monarchischer Machtausübung und die nutzenorientierte Textexegese anzusehen sind (Kapitel 2.1 und 2.2). Der praktische Nutzen, den man sich von Geschichtsschreibung versprach, wird dabei ebenso skizziert wie die Regeln, die ein Historiker zu beachten hatte, damit sich dieser auch tatsächlich einstellte (Kapitel 2.3.1 und 2.3.2). Das Nutzenpostulat geht auf die Antike zurück und galt Freinsheims Zeitgenossen als unverrückbarer Eckpfeiler der Beschäftigung mit Geschichte (Kapitel 2.3). Kapitel 2 legt also die Basis für die Untersuchung von Freinsheims Supplement, wobei sich insb...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. 1 Einleitung
  5. Teil I: Geschichte und Geschichtsschreibung im Straßburger Kreis
  6. Teil II: Das Supplement: Gestaltung und Imitation
  7. Literaturverzeichnis
  8. Index nominum
  9. Index locorum