Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie
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Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie

  1. 280 Seiten
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Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie

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Der Band versammelt Beiträge, die das Wissen von Diplomaten und die darauf aufbauenden diplomatischen Strategien in der Frühen Neuzeit hinterfragen.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110621983

Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie

Lügen im Namen des Friedens

Strategien der englischen Diplomatie vor Beginn des Reichstages 1613
Stefanie Freyer
Legatus est vir bonus peregre missus ad mentiendum Reipublicae causa.
Sir Henry Wotton
Diesen – bis heute vielzitierten – Satz schrieb Henry Wotton (1568‒1639) im Jahre 1604 in das Stammbuch des Augsburgers Kaufmanns Hans Christoph Flechaimer (1575‒1625), als er sich auf dem Weg nach Venedig befand, um dort seinen Dienst als neu berufener englischer Gesandter anzutreten.1 Die Überlegung, dass ein Gesandter zwar ein ehrenwerter Mann sei, aber dennoch die Aufgabe habe, im Ausland für sein Land zu lügen, ließe sich in Anbetracht des Reiseziels durchaus als Ankündigung lesen, wie Wotton seine Arbeit in Venedig auszuführen gedachte. In diesem Sinne interpretierte zumindest der Kontroverstheologe Caspar Schoppe (1576‒1649) Wottons nicht ganz eindeutige, aber mit Sicherheit nicht für den öffentlichen Diskurs2 bestimmte Zeilen und nutzte sie einige Jahre später für „bissige Kritik“ an dem englischen Gesandten und dessen Dienstherrn.3 Schoppe hatte sich nach seiner Konversion zum katholischen Glauben rasch zu einem überaus produktiven, viel rezipierten Autor entwickelt, der mit unzähligen Schmähschriften gegen Protestanten hervortrat.4 Dazu gehörte auch der 1611 gedruckte „Ecclesiasticus“, in dem er den englischen König mithilfe des Stammbuchzitates angriff und behauptete, Wottons Worte seien absolut glaubwürdig, da sie direkt aus seiner Gesandteninstruktion stammen würden.5 Jakob I. selbst habe also den Auftrag zum Lügen gegeben. So einem König, der in suspekter Weise dem Moral- und Ehrverständnis Calvins folge, sei nicht zu trauen.6 Die Schrift erweckte europaweit großen Unmut. In Paris wurde der „Ecclesiasticus“ wegen beleidigender Passagen über den ermordeten König Heinrich IV. verboten und verbrannt.7 König Jakob I. reagierte ähnlich entschieden und nicht minder dramatisch, als er eine Effigie Schoppes in London hinrichten ließ; zudem forderte er seinen Gesandten auf, sich zu seinen diffamierenden Zeilen zu erklären.8 Wotton tat dies öffentlichkeitswirksam mit der 1613 gedruckten, achtseitigen „Epistola de Scioppio“, in der er seine Zeilen nachdrücklich zum Scherz erklärte.9 Spitzfindig wies er zudem darauf hin, dass die von Schoppe so boshaft missverstandene Definition in ihrer allgemein gehaltenen Formulierung keine konfessionelle Präferenz preisgebe und somit alle Gesandten, auch die des Papstes, einschließe.
Dass sich Wotton nicht in grundlegende Unschuldsbeteuerungen verstrickte, sondern sich mit einem missglückten Scherz entschuldigte, spiegelt den zeitgenössisch intensiv diskutierten Usus der Diplomatie wider, zwischen vertrauensbildender Ehrlichkeit und Misstrauen schürender Unaufrichtigkeit je nach ihrer politischen Wirksamkeit situativ abzuwägen.10 Moralische Bedenken spielten dabei eine eher untergeordnete Rolle, da das officiosum mendacium, d. h. das intentionale, pflichtbewusste Lügen im Interesse des Dienstherrn bzw. des Staates, schon um 1600 als neccessitas galt.11 Auch englische Gesandte erwogen die Optionen der (Dis‐)Simulation und entschieden sich gerade zu der Zeit, als König Jakob I. von Schoppe als Lügner verunglimpft wurde, nicht immer für die Ehrlichkeit. Das zeigen die Korrespondenzen von Wottons englischem Amtskollegen Stephen Lesieur (vor 1575 – ca. 1638), der unter Königin Elisabeth I. und ab 1603 unter König Jakob I. wiederholt ins römisch-deutsche Reich geschickt worden war. Von Lesieurs letzter Entsendung, die im Herbst 1612 begann und ursprünglich verstetigt werden sollte,12 ist ein dichter Briefwechsel erhalten. Darin berichtet er in enger Abfolge an seinen Dienstherrn und an hohe Regierungsbeamte über sein Tun und seine Beobachtungen der politischen Entwicklungen. Eine Analyse dieser Schreiben zeigt, auf welche Art und Weise, in welcher Situation und mit welchen Zielen sich die englische Diplomatie der Unwahrheit bediente und inwieweit Falschinformationen als strategisches Instrument eingesetzt wurden.
Beispielhaft deutlich wird das an einer Proposition, die Stephen Lesieur Kaiser Matthias I. persönlich bei einer Audienz im Januar 1613 vorstellte und sodann auch in Italienisch verschriftlicht übergab.13 Im Namen seines Königs gratuliert er darin Matthias I. zur neu erlangten Kaiserwürde und erinnert ihn daran, dass er diese Wahl auch Protestanten, insbesondere den Unionsfürsten, zu verdanken habe. Im Zuge dessen behauptet er, dass England nun auch Mitglied der Protestantischen Union sei. Das Gleiche gelte für das katholische Frankreich.14 Beides entsprach nicht der Wahrheit und sorgte aufgrund seiner politischen Sprengkraft für langanhaltende Verstimmungen, die das Agieren des englischen Gesandten im Vorfeld und später auch während des Regensburger Reichstags 1613 überschatteten.
Im Folgenden wird zunächst der Kontext skizziert, in dem der englische Gesandte die Behauptung über die vermeintlichen Mitgliedschaften vorbrachte, um deutlich zu machen, worin die politische Brisanz dieser Falschinformation lag. Dazu gilt es, (1) die verfahrene Situation des schwankenden römisch-deutschen Reiches sowie (2) die Position Englands im europäischen Mächtekreis darzulegen. Darauf aufbauend können sodann (3) die Entscheidung gegen Ehrlichkeit zugunsten politischer Wirksamkeit nachvollzogen und (4) die damit verbundenen Chancen und Risiken fallbeispielhaft erwogen werden. Gezeigt werden soll, in welcher Konstellation Falschinformationen als diplomatisches Instrument strategisch eingesetzt werden konnten und warum sie sich in besonderer Weise dazu eigneten, emotionale Reaktionen in politischen Außenbeziehungen zu provozieren. Diese konstellationsorientierte Analyse greift den akteurszentrierten Ansatz15 der neueren Diplomatiegeschichte und Überlegungen der Emotionsgeschichte16 auf, geht mit dem Fokus auf das Situative aber darüber hinaus, um die Faktoren fassen zu können, unter denen der Einsatz von Falschinformationen politisch (un‐)wirksam werden konnte.

1 Die politische Brisanz der englischen Proposition für das schwankende Reich

Als Stephen Lesieur im September 1612 von Jakob I. als Gesandter der englischen Krone an den Kaiserhof nach Wien geschickt wurde, befand sich das römisch-deutsche Reich in einer ernsthaften Krise17 und schwankte zwischen Polarisierung und Konsensbemühungen.18 Unter Kaiser Rudolf II. hatten sich die Reichsstände zunehmend entfremdet und stritten sich immer unerbittlicher um jene Punkte, die der Augsburger Religionsfrieden 1555 ungelöst in die Zukunft vertagt hatte.19 Das betraf insbesondere die Säkularisierungen durch die Protestanten, die von den Katholiken lange Zeit geduldet worden waren, gegen Ende des 16. Jahrhunderts aber mit wiederholter Billigung durch das Reichskammergericht verstärkt zurückgefordert wurden.20 Die Protestanten wiesen entsprechende Forderungen und Urteile als parteiisch zurück, konnten aber kaum alternative Rechtswege zur Lösung bemühen, da auch der katholische Reichshofrat und der Reichsdeputationstag wegen des schlechteren Konfessionsproporzes abgelehnt wurden.21 Einen letzten legitimen Ausweg bot der Reichstag, auf dem alle Reichsstände zusammenkamen und in drei Kollegien diskutierten und entschieden, wie die Politik des Reiches nach innen und nach außen gestaltet sein sollte. Als höchstes Verfassungsorgan konnte er nicht nur Steuern beschließen und Gesetze erlassen, sondern auch Partikularinteressen und Konkurrenzen föderal austarieren, um Konsens für die gemeinsame Reichspolitik herzustellen und auf diese Weise Frieden zu sichern.22 Die unterschiedlichen Lesarten des Religionsfriedens blockierten jedoch auch diesen institutionellen Weg der Problemlösung zunehmend. 1608 brachen die Reichsstände im Dissens über das Vorgehen im Falle Donauwörths den Reichstag ab und gingen ohne...

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