Naturgesetze
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Naturgesetze

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Über dieses Buch

Der naturgesetzliche Charakter der Welt macht Naturvorgänge vorhersagbar, erklärbar und gezielt manipulierbar. Daher bildet der Naturgesetzesbegriff einen integralen Bestandteil der wissenschaftlichen und philosophischen Konzeption der Realität. Die Naturwissenschaften zielen offenbar auf die Entdeckung der Naturgesetze ab, aber sie kümmern sich üblicherweise nicht um die Fragen was Naturgesetze eigentlich sind und was die Naturgesetze letztlich zu Gesetzen macht. Diese Frage nach dem Unterschied zwischen Gesetzen und nicht-Gesetzen steht im Mittelpunkt der philosophischen Debatte über Naturgesetze.

Das Hauptziel dieser Monographie besteht dementsprechend darin, einen detaillierten systematischen Überblick über die wichtigsten Antworten auf diese Frage zu geben. Basierend auf einem Katalog von Adäquatheitsbedingungen für eine Naturgesetzestheorie, diskutieren die Autoren die wichtigsten zeitgenössischen Naturgesetzeskonzeptionen kritisch.

Abschließend präsentieren die Autoren eine verbesserte Version der Beste Systeme Theorie und argumentierten für deren Überlegenheit gegenüber rivalisierenden Naturgesetzestheorien.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110516944

Teil 1: Systematisch-historische Vorbemerkungen

1.0 Warum interessieren wir uns für Naturgesetze?

Ein Gelehrter in seinem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker;
er steht auch vor den Naturgesetzen wie ein Kind vor der Märchenwelt.
Marie Curie
Unser Universum weist bemerkenswerte Regelmäßigkeiten auf. Wir finden zahlreiche stabile Strukturen und regelhaft miteinander interagierende Systeme vor, die von Mikroobjekten wie Atomen, über die Gegenstände unserer alltäglichen Erfahrungswelt bis hin zu Makrostrukturen wie Sonnensystemen und Galaxien reichen. Diese Stabilität und Regelhaftigkeit erfährt ihren deutlichsten Ausdruck in den Naturgesetzen. Prominente historische Beispiele für physikalische Gesetze sind Keplers Gesetze und Newtons Bewegungsgleichungen. Bis in die Populärkultur vorgedrungen ist die einsteinsche Masse-Energie-Äquivalenz E=mc2 aus der speziellen Relativitätstheorie. Der gesetzmäßige Charakter unserer Welt (oft auch als „nomischer“ oder „nomologischer Charakter“ bezeichnet; von griechisch nómos für ‚Gesetz‘) macht Naturvorgänge vorhersagbar und erlaubt uns, natürliche Systeme auf spezifische Weise zu manipulieren. Dies wiederum bildet die Grundlage für alle Formen der Technologie wie wir sie heute kennen. Naturgesetze spielen überdies eine wichtige Rolle in wissenschaftlichen Erklärungen und sind somit unverzichtbar für unser Verständnis der Natur. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass die Entdeckung der Naturgesetze im Mittelpunkt (natur‐)wissenschaftlicher Untersuchungen steht.
Neben Marie Curie würdigen andere berühmte Physikerinnen und Physiker die zentrale Bedeutung der Naturgesetze. So tragen Richard Feynmans berühmte populärwissenschaftliche Messenger Lectures aus dem Jahre 1967 den Titel The Character of Physical Law und in der Einleitung zu seinem dreibändigen monumentalen Standardwerk Feynman Vorlesungen über Physik urteilt er über das in den vorhergegangenen zwei Jahrhunderten massiv angewachsene physikalische Wissen:
Überraschenderweise ist es trotz der gewaltigen Arbeit, die in dieser Zeit geleistet wurde, möglich, die enorme Menge von Ergebnissen weitgehend zu verdichten – das heißt, Gesetze zu finden, die all unser Wissen zusammenfassen (Feynman 1963: 1 – 1, unsere Übersetzung).
In dem 1982 unter anderem von Paul Dirac und Piotr Kapitza verfassten Erice Statement, einem auch heute wieder brandaktuellen Plädoyer für die Freiheit der Forschung und für nukleare Abrüstung, das von über 10.000 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen und zahlreichen Regierungschefs unterzeichnet wurde, heißt es: „In der Tat ist die Wissenschaft das Studium der fundamentalen Naturgesetze“. Deshalb sollten
Wissenschaftler, die all ihre Zeit dem theoretischen oder experimentellen Studium der grundlegenden Naturgesetze widmen möchten, auf keinen Fall für diese freie Wahl, ausschließlich reine Wissenschaft zu betreiben, leiden. (Dirac, Kapitza, Zichichi 1982, unsere Übersetzung)
Roger Penrose schließlich eröffnet sein Werk The Road to Reality – A Complete Guide to the Laws of the Universe mit den folgenden Worten:
Der Zweck dieses Buches ist es, den Lesern ein Gefühl dafür zu vermitteln, was zweifelsohne eine der wichtigsten und aufregendsten Entdeckungsreisen ist, die die Menschheit je unternommen hat: Die Suche nach den grundlegenden Prinzipien, die das Verhalten unseres Universums bestimmen. (Penrose 2004: xv, unsere Übersetzung)
Angesicht der großen Bedeutung der Naturgesetze für die (Natur‐) Wissenschaften ist es unumgänglich, „dass die Natur eines Naturgesetzes ein zentrales ontologisches Anliegen der Wissenschaftsphilosophie sein muss“ (Armstrong 1983: 4, unsere Übersetzung).
Die Erforschung der Naturgesetze ist jedoch nicht nur ein zentraler Bestandteil der (natur‐)wissenschaftlichen Praxis und unseres (philosophischen) Verständnisses derselben. Der Begriff des Naturgesetzes ist aufs Engste mit den übrigen sogenannten ‚natürlichen Modalitäten‘ verbunden, zu denen die natürliche oder physikalische Notwendigkeit, die objektive Wahrscheinlichkeit, der Determinismus, kontrafaktische Konditionale, die Kausalität und die Dispositionalität oder Potenzialität zählen.
Veranschaulichen wir uns einige dieser Verbindungen anhand der folgenden Aussagen: Der Stift in meiner Hand wird nicht nur herunterfallen, wenn ich ihn loslasse, sondern in einem gewissen Sinne muss er dies auch (natürliche Notwendigkeit). Es ist überdies wahr, dass, wenn ich ihn losließe, er auch herunterfallen würde (kontrafaktisches Konditional) und dass er auf folgende Weise disponiert ist: zu fallen, wenn er losgelassen wird; und schließlich hat mein Loslassen verursacht, dass er heruntergefallen ist. Es ist schwer zu sehen, wie diese Aussagen ohne die Annahme entsprechender naturgesetzlicher Regularitäten wahr sein könnten (vgl. Carroll 2012). Dementsprechend spielen Naturgesetze auch eine zentrale Rolle in den wichtigsten philosophischen Analysen von natürlicher Möglichkeit und Notwendigkeit (Lewis 1973a: 5, Maudlin 2007: 21), objektiver Wahrscheinlichkeit (Lewis 1994),1 kontrafaktischen Konditionalen (Chisholm 1946, Goodman 1947, 1955/1983, Lewis 1973a, Maudlin 2007: 21), Kausalität (Mackie 1974, Armstrong 1997: Kap. 14, Paul & Hall 2013),2 und Dispositionen (Hochberg 1967).3 Es ist jedoch zu beachten, dass die engen Verbindungen zwischen dem Begriff des Gesetzes, des kontrafaktischen Konditionals, der Verursachung und so weiter per se noch nichts über die Richtung und Art der zugrundeliegenden metaphysischen Abhängigkeiten implizieren (siehe Kap. 2 für unterschiedliche Positionen bezüglich dieser Abhängigkeiten).
Natürliche Modalitäten wiederum spielen in zahlreichen Debatten aus allen Bereichen der Philosophie bis hin zur praktischen Philosophie eine zentrale Rolle. In der Debatte um den freien Willen beispielsweise steht die folgende Frage im Mittelpunkt: Wenn unsere Handlungen kausal oder naturgesetzlich vollständig determiniert sind, hätte dann eine Person anders handeln können, wenn sie dies gewollt hätte? Diese Frage wiederum hat direkte Implikationen für die Moralphilosophie, da Freiheit eine notwendige Bedingung für moralische Verantwortung zu sein scheint.4 Indem die Philosophie die Verbindung zwischen Naturgesetzen und den übrigen natürlichen Modalitäten erhellt, vermittelt sie also auch zwischen der wissenschaftlichen Konzeption der Realität und dem vortheoretischen Weltbild unserer alltäglichen Erfahrung: Kurzum, Naturgesetze bilden einen integralen Bestandteil unserer wissenschaftlichen, philosophischen und alltäglichen Konzeption der Realität.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Behauptung einiger Philosophen sehr überraschend, dass es sich beim Naturgesetzesbegriff um ein überholtes Konzept aus dem 17. und 18. Jahrhundert handelt, welches in den aktuellen Wissenschaften keine substanzielle Rolle mehr spielt und deshalb eliminiert werden sollte (vgl. Schramm 1981, van Fraassen 1993: 432, Giere 1995).
Es ist sicherlich richtig, dass „[d]ie Rede von der Gesetzmäßigkeit der Natur zu Zeiten Descartes' und Newtons […] in einem theologischen Kontext statt[fand], der für die Naturwissenschaft heute (zumindest offiziell) nicht mehr existiert“ (Hampe 2007: 16; siehe unser Kap. 1.5 für eine sehr kurze Geschichte der Naturgesetze). Es scheint aber schlichtweg nicht zuzutreffen, dass er sich für die zeitgenössischen Wissenschaften als obsolet erweist, zumindest nicht, wenn man den Äußerungen namhafter Physiker nach urteilt. So stellt auch Stephen Hawking die Bedeutung der Naturgesetze heraus, wenn er in seinem Bestseller Eine kurze Geschichte der Zeit mutmaßt, dass „[…] wir Grund zu vorsichtigem Optimismus haben. Möglicherweise stehen wir jetzt wirklich kurz vor dem Abschluss der Suche nach den letzten Gesetzen der Natur“ (Hawking 1988: 196). Zwar mag Hawking, wie John Earman (1993: 418) bemerkt hat, hier etwas zu optimistisch gewesen sein. Allerdings sei es wenig plausibel, „eine [eliminativistische] Gesetzesauffassung zu vertreten, die impliziert, dass er [Hawking] falsch liegen muss“ (ebd., unsere Übersetzung). Dass die Elimination der Naturgesetze dem wissenschaftlichen Selbstverständnis führender Physiker widerspricht, lässt sich auch eindrücklich an einer Passage aus Steven Weinbergs Dreams of a Final Theory: The Search for the Fundamental Laws of Nature verdeutlichen. Hier entgegnet Weinberg Ludwig Wittgensteins Behauptung, dass „[d]er ganzen modernen Weltanschauung […] die Täuschung zugrunde [liegt], dass die sogenannten Naturgesetze die Erklärungen der Naturerscheinungen seien“ (Wittgenstein 1921/2001: 6.371), mit den folgenden Worten: „Solche Warnungen lassen mich kalt. Einem Physiker mitzuteilen, dass die Naturgesetze keine Erklärungen für natürliche Phänomene sind, ist wie einem Beute auflauernden Tiger mitzuteilen, dass alles Fleisch Gras ist“ (Weinberg 1992: 28 f., unsere Übersetzung).
Man kann sich nur vorstellen, was Weinberg Philosophen entgegnen würde, die die Bedeutung und Existenz von Naturgesetzen schlichtweg leugneten. Es scheint also, dass die Elimination der Naturgesetze einer rationalen Rekonstruktion des wissenschaftlichen Tuns im Wege steht. Deshalb stimmen wir entgegen einem Gesetzeseliminativismus mit Jonathan Cohen und Craig Callender überein, „dass es sehr schwer wird, Sinn aus der tatsächlichen wissenschaftlichen Praxis und der Geschichte der Wissenschaften zu machen, ohne sich auf Naturgesetze zu berufen“ (Cohen & Callender 2009: 3, unsere Übersetzung).
Überdies ist ein Naturgesetzeseliminativismus aufgrund der eingangs erwähnten engen Verbindung zwischen Naturgesetzen und den übrigen natürlichen Modalitäten problematisch: Es ist schwer zu sehen, wie Naturgesetze eliminiert werden können, ohne dabei Gefahr zu laufen, auch kontrafaktische Konditionale, Kausalität, Dispositionalität und die übrigen natürlichen Modalitäten zu tilgen (vgl. Roberts 2008: 11, Carroll 2012).
Dementsprechend scheint die Elimination des Naturgesetzesbegriffs drastische Revisionen unserer wissenschaftlichen, philosophischen und alltäglichen Realitätskonzeption zu erfordern. Dies bedeutet natürlich nicht, dass ein Gesetzeseliminativismus als theoretische Option ausgeschlossen ist (siehe unsere Klassifikation in Kap. 2.0). Da wir es jedoch vorziehen, von Annahmen auszugehen, die vortheoretisch plausibler und weniger revisionistisch sind, halten wir im Folgenden am Naturgesetzesbegriff fest und unterziehen ihn einer eingehenden Untersuchung.
Um uns mit unserem Untersuchungsgegenstand besser vertraut zu machen, wollen wir nun einige Beispiele für Kandidaten für Naturgesetze aus den Wissenschaften etwas genauer vorstellen.5

1.1 Beispiele für Gesetze aus den Wissenschaften

Üblicherweise werden in ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Teil 1: Systematisch-historische Vorbemerkungen
  5. Teil 2: Philosophische Theorien der Naturgesetze
  6. Teil 3: Eigene Ansätze
  7. Fazit
  8. Personenregister
  9. Sachregister