Unternehmensfinanzierung im Wettbewerb
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Unternehmensfinanzierung im Wettbewerb

Die Braunschweigische Staatsbank von 1919 bis 1969

  1. 448 Seiten
  2. German
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Unternehmensfinanzierung im Wettbewerb

Die Braunschweigische Staatsbank von 1919 bis 1969

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Über dieses Buch

Die Untersuchung der Unternehmensfinanzierung der Braunschweigischen Staatsbank generiert Ergebnisse, die für die weitere Erforschung der Expansion der Sparkassen und Landesbanken in der Unternehmensfinanzierung hilfreich sind. In einer grundsätzlicheren Perspektive werden allgemeine Erkenntnisse über die Praxis der Unternehmensfinanzierung durch Banken gewonnen, insbesondere in Bezug auf die Frage des Wettbewerbs zwischen Kreditinstituten.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110697278

1 Einleitung

Im Jahr 1968 nannte die „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen“ in einer Bilanzbesprechung als eine der größten Herausforderungen, denen sich die privaten Großbanken im Wettbewerb mit den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten gegenübersahen, das Geschäftsmodell der Braunschweigischen Staatsbank: „Auf Grund der besonderen Konstellation der Braunschweigischen Staatsbank […] verdient eine Konzentration im niedersächsischen Raum vermehrte Beachtung, da sie eher als das neu entstehende Mammut-Institut in Nordrhein-Westfalen eine intensivere Konkurrenz für das private Kreditgewerbe darstellen könnte.“1
Diese Erwartungshaltung an die 1970 gegründete Norddeutsche Landesbank erstaunt angesichts der Tatsache, dass die Gründung der Westdeutschen Landesbank ein Jahr zuvor, auf die sich das Zitat bezieht, als eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der deutschen Landesbanken gilt. Die West LB war bei ihrer Gründung die größte Bank Deutschlands. Ihr Gründer Ludwig Poullain gilt bis heute als die zentrale und durchaus umstrittene Figur bei dem Versuch des öffentlichen Kreditwesens Ende der 1960er Jahre in den Wettbewerb mit den privaten Großbanken zu treten.2
Die Zeitschrift hatte allerdings gute Gründe für ihre Einschätzung. Die Braunschweigische Staatsbank besaß auf allen Feldern, in denen die staatlichen Kreditinstitute ab Mitte der 1960er Jahre expandierten, einen großen Erfahrungsvorsprung. Sie stieg bereits in den 1920er Jahren ins Industriekreditgeschäft ein und stand seitdem im Wettbewerb mit den privaten Großbanken. Spätestens seit 1948 war die Staatsbank der größte Industriefinanzier in der Wirtschaftsregion Braunschweig. Zudem hatte das Institut bereits in den 1920er Jahren und verstärkt seit Mitte der 1950er Jahre Anteile an Industrieunternehmen gehalten. 1968 gehörten ihr mehrheitlich etwa ein Dutzend Unternehmen aus Industrie und Handel und zudem sieben weitere Banken, die zum Teil in ganz Deutschland und im Ausland Industrieunternehmen finanzierten. Das Industriekreditgeschäft baute dabei auf einem sehr breiten mittelständischen Kundenstamm auf. Die Staatsbank hatte im Bereich der privaten Unternehmen 1966 fast 20.000 kurzfristige Barkredite mit einem Durchschnittsvolumen von 25.000 DM in ihren Büchern.3 Sie war zudem außerordentlich stabil. Die Bank ist selbst in der Bankenkrise 1931 nicht in Liquiditätsschwierigkeiten gekommen und hat in jedem Jahr ihrer Existenz von 1919 bis 1970 Gewinne ausgewiesen.
Dass die Braunschweigische Staatsbank ein so großes, diversifiziertes und profitables Geschäft im Bereich der Unternehmensfinanzierung aufbauen konnte, war bei ihrer Gründung im Jahr 1919 noch nicht abzusehen. Die Staatsbank war als Kreditinstitut des Freistaates Braunschweig gegründet worden, der mit etwa 500.000 Einwohnern zu den deutschen Kleinstaaten zählte. Sie folgte der Herzoglichen Leihhausanstalt nach, deren Geschichte bereits 1765 begann. Das Leihhaus war 1914 eine auf landwirtschaftliche Kunden ausgerichtete Hypothekenbank. Die Finanzierung der braunschweigischen Industrie lag dagegen in den Händen regionaler Aktienbanken und Privatbanken. Deshalb hatte auch die Staatsbank zu Beginn ihrer Geschichte weder eine nennenswerte Zahl von Unternehmen als Kunden noch die Strukturen oder das notwendige Personal für eine Forcierung dieses Geschäftsbereiches. Auf die Entwicklung zu einem Herausforderer der Großbanken hatte im Jahr der Gründung des Institutes 1919 noch nichts hingedeutet.
Der Aufstieg der Braunschweigischen Staatsbank ist ein interessantes Fallbeispiel, um eine These Knut Borchardts zum Bankwesen auf den Wettbewerb um die Unternehmensfinanzierung anzuwenden. Borchardt hatte in einem Aufsatz mit dem vielsagenden Titel „Das hat historische Gründe…“4 festgestellt, dass die große Vielfalt nationaler Bankensysteme nicht mithilfe ökonomischer Effizienzannahmen zu erklären ist. Am Beispiel der deutschen Sparkassen seit dem 19. Jahrhundert demonstrierte er vielmehr, dass deren Aufstieg durch spezifische historische Konstellationen und Pfadabhängigkeiten bedingt war, deren Untersuchung zur Erklärung des deutschen Bankensystems daher unabdingbar ist. Die Grundannahme, dass sich die Entwicklung nationaler Bankensysteme nur historisch erklären lässt, gilt auch für die Unternehmensfinanzierung durch Banken. Seit Alexander Gerschenkron5 den Banken eine prominente Rolle bei der aufholenden Industrialisierung Deutschlands zugeschrieben hat, gehört die kreditbasierte Unternehmensfinanzierung zu den intensiv untersuchten und kontrovers diskutierten Themen innerhalb der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Dabei haben geschichtswissenschaftliche Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten die Thesen Gerschenkrons deutlich relativiert und gezeigt, dass eine allzu deterministische, modellhafte Sichtweise einer historischen Überprüfung nicht standhält.6
Allerdings konzentrierte sich die historische Forschung bisher nahezu ausschließlich auf die großen Aktienbanken, während vor allem die Rolle der öffentlich-rechtlichen Institute und Sparkassen innerhalb der Unternehmensfinanzierung weitgehend im Dunkeln liegt.7 Dies ist umso bemerkenswerter, als dass Sparkassen und Landesbanken heute zusammen fast die Hälfte des Marktes für Unternehmenskredite beherrschen.8 Diese Marktstellung, soviel ist sicher, ist das Ergebnis eines langfristigen historischen Entwicklungsprozesses.9 Zu dessen Erklärung wurden zumindest für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bisher analog zur Gerschenkron-These lediglich allgemeine, teils theoretisch-fundierte Erklärungen herangezogen.
Die liberale Position, wie Hans-Werner Sinn10 sie vertritt, erklärt den Aufstieg der staatlichen Banken mit bestimmten Privilegien dieser Institute wie Steuererleichterungen oder der staatlichen Haftung. Die Expansion war demnach das Ergebnis einer politisch gestützten Wettbewerbsverzerrung. Eine zweite Erklärung, die Kontinuitätshypothese, könnte man auch als Gegenposition zum liberalen Standpunkt verstehen. Sie besagt, dass die Expansion vor allem der Sparkassen lediglich eine entsprechende Entwicklung ihrer Kundschaft spiegelte, deren Nachfrage nach Finanzierungen stärker gestiegen ist als die der Kundschaft anderer Banken. Dabei konnten die Sparkassen auch aufgrund ihrer genaueren Ortskenntnis ihre Position als Finanziers dieser Unternehmen verteidigen.11 Ein dritter Ansatz ist die sogenannte Safe-Haven-These, wonach die öffentlichen Banken in Krisen im Unterschied zur Konkurrenz handlungsfähig blieben und daher hauptsächlich in Krisenzeiten expandierten. Die zusätzliche Handlungsfähigkeit wird von Paul Thomes mit dem bei staatlichen Instituten fehlenden Zwang zur Gewinnerzielung begründet. Dieser Zwang führe bei privaten Instituten in Boomphasen zu einer erhöhten Risikoneigung, die ihnen dann in der Krise Handlungsspielräume nehme. Das Fehlen dieses Zwangs im Zusammenspiel mit der Gemeinwohlorientierung öffentlich-rechtlicher Banken wirkten dagegen restriktiv auf die Risikoneigung öffentlicher Banken.12
Eine historisch-empirische Untersuchung der Unternehmensfinanzierung öffentlich-rechtlicher Banken im 20. Jahrhundert, die diese Thesen verifizieren oder widerlegen könnte, steht bisher noch aus. Dies liegt hauptsächlich daran, dass sich wesentliche Aspekte der genannten Erklärungsansätze nur überprüfen lassen, wenn die Praxis der Kreditvergabe untersucht wird, also die konkreten Kreditbeziehungen zwischen der Bank und ihren Kunden. Eine solche Rekonstruktion von Kreditbeziehungen scheiterte jedoch bisher an der restriktiven Politik der Bankarchive.13 Die Einsicht in die entscheidenden Kreditakten wird in der Regel grundsätzlich verweigert. Ein zweites Problem betrifft die Struktur des öffentlich-rechtlichen Bankwesens. Es gab und gibt noch hunderte von selbstständigen Einzelinstituten mit sehr unterschiedlicher Größe und Geschäftstätigkeit. Zusätzlich ist für die Untersuchung der Kreditbeziehungen auch die Zusammenarbeit zwischen Sparkassen und Landesbanken zu beachten, was das Quellenproblem noch einmal multipliziert.
Um trotz dieser Probleme eine historische Untersuchung der Praxis der Unternehmensfinanzierung staatlicher Banken durchführen zu können, bietet sich die Braunschweigische Staatsbank aus drei Gründen besonders an. Erstens reichte der vorgefundene Quellenbestand zu diesem Institut aus, um die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Staatsbank und ihren Unternehmenskunden auch in der Praxis zu rekonstruieren. Zweitens kam die Struktur des öffentlich-rechtlichen Kreditwesens in Braunschweig dem Untersuchungsziel entgegen. Denn es gab im Land Braunschweig keine kommunalen Sparkassen, nur eine Landessparkasse. Diese besaß zudem kein eigenes Kreditgeschäft, sondern überwies die Spareinlagen an die Staatsbank. Somit reichte die Untersuchung der Kreditvergabe der Staatsbank aus, um auf regionaler Ebene die Expansion des gesamten öffentlich-rechtlichen Kreditwesens beobachten zu können. Drittens gehörte die Staatsbank, wie anfangs beschrieben, unter den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten zu den Pionieren der Unternehmensfinanzierung. Daher konnte für die Untersuchung davon ausgegangen werden, dass die Expansion der Staatsbank nicht lediglich auf Nachahmungseffekten beruhte.
Die Untersuchung der Unternehmensfinanzierung der Staatsbank erscheint deshalb grundsätzlich geeignet, die drei oben genannten Erklärungsansätze für die Expansion des öffentlich-rechtlichen Bankwesens empirisch zu überprüfen. Sie ist zudem von der Hoffnung getragen, Ergebnisse zu generieren, die für die weitere Erforschung der Expansion der Sparkassen und Landesbanken in der Unternehmensfinanzierung hilfreich sind. In einer grundsätzlicheren Perspektive sollen zudem allgemeine Erkenntnisse über die Praxis der Unternehmensfinanzierung durch Banken gewonnen werden, insbesondere in Bezug auf die Frage des Wettbewerbs zwischen Kreditinstituten. Nicht zuletzt bietet die Arbeit tiefgehende und weitreichende Einblicke in die Unternehmensgeschichte der Braunschweigischen Staatsbank und die Wirtschaftsgeschichte des ehemaligen Landes und der Region Braunschweig.
Der Aufbau der Arbeit ist chronologisch gehalten. Der Einleitung folgt zunächst eine Übersicht über die Geschichte der Unternehmensfinanzierung im Herzogtum Braunschweig vor dem Ersten Weltkrieg. Das zweite Kapitel behandelt den Einstieg der Staatsbank in die Unternehmensfinanzierung in der Zeit der Weimarer Republik. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht dabei der Zielkonflikt zwischen Unternehmens- und Staatsfinanzierung sowie zwischen der Kreditversorgung des gewerblichen Mittelstandes und dem Industriekredit. Das dritte Kapitel zeichnet den konfliktreichen Durchbruch der Industriefinanzierung der Staatsbank im Nationalsozialismus nach. Dabei werden die schwerwiegenden politischen Auseinandersetzungen rund um die Staatsbank mit der Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit in Beziehung gesetzt. Im vierten Kapitel werden die Gründe für die nahezu beispiellose Expansion der Staatsbank nach dem Zweiten Weltkrieg eruiert. Dabei spielt die besondere Stellung des Geschäftsgebietes der Staatsbank als Zonenrandgebiet eine Schlüsselrolle. Am Ende werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und mit den Annahmen der drei oben genannten Thesen verglichen.

Forschungsstand und historiographische Relevanz der Arbeit

Der Wert von Untersuchungen historischer Fallbeispiele für die Erklärung der Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland wurde bereits bei der geschichtswissenschaftlichen Überprüfung mehrerer sozialwissenschaftlicher Großthesen unter Beweis gestellt. So konnten Rudolf Hilferdings14 und Andrew Shonfields15 Thesen von der großen Macht deutscher Aktienbanken durch mehrere unternehmenshistorische Untersuchungen deutlich relativiert und teilweise widerlegt werden. Volker Wellhörner und Harald Wixforth konnten für das Kaiserreich und die Weimarer Republik zeigen, dass die Industrie aufgrund des intensiven Wettbewerbs unter den Großbanken keinesfalls von diesen dominiert wurde.16 Auch Wolfgang Streecks und Martin Höpners17 These, dass die Mitglieder der unter dem Begriff „Deutschland AG“ gefassten Verflechtungsstruktur als „quasi-öffentliche Einrichtungen“ zu verstehen sind, wurde inzwischen größtenteils widerlegt. So konnte ein von Ralf Ahrens, Boris Gehlen und Alfred Reckendrees herausgegebener Sammelband anhand einer Vielzahl von Fallbeispielen zeigen, dass die Entstehung der Deutschland AG wie auch ihrer Vorläufer aus einer betriebswirtschaftlichen Logik heraus sowie mit vielfältigen unternehmensbezogenen historischen Pfadabhängigkeiten erklärt werden kann.18
Außerhalb der finanziell verflochtenen Großunternehmen der „Deutschland AG“ und ihrer Vorgänger gibt es bisher nur wenige empirische Erkenntnisse zur Unternehmensfinanzierung in Deutschland. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass die deutsche Wirtschaft nie großindustriell dominiert war. Vielmehr beschäftigten kleine und mittlere Unternehmen den Großteil der Arbeitnehmer und trugen auch den Großteil der Wertschöpfung.19 Empirische Untersuchungen zur Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen existieren bisher jedoch kaum, weshalb über die historische Praxis der Unternehmensfinanzierung eines Großteils der deutschen Wirtschaft kaum empirisch gestützte Erkenntnisse existieren.20
Im Bereich der Genossenschaften und Sparkassen gibt es unternehmenshistorisch orientierte Untersuchungen zur Unternehmensfinanzierung nur für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Für die ländlichen Genossenschaften haben Timothy W. Guinnane und Frauke Schlütz einige grundlegende Untersuchungen veröffentlicht.21 Guinnane erkannte in der räumlichen Nähe und den sozialen Beziehungen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer eine entscheidende Variable bei der Kreditvergabe. In ländlichen Genossenschaften wurde beispielsweise auch bei mittel- und langfristigen Krediten auf dingliche Sicherheiten in der Regel verzichtet, wenn der Kreditnehmer aus demselben Dorf stammte. Insofern versteht Guinanne die ländlichen Genossenschaften eher als Institutionalisierung eines Teils der sozialen Beziehungen im ländlichen Raum, wobei soziales Kapital in wirtschaftliches Kapital umgesetzt wurde und umgekehrt.22 Frauke Schlütz ergänzte diese Erkenntnisse um den Gedanken, dass auch die Sanktionen bei Zahlungsausfällen über die eigentliche Genossenschaft hinaus in den Bereich der sozialen Beziehungen hineinwirkten. Das lokal gebundene öffentliche Wissen über einen Zahlungsausfall hatte nicht nur finanzielle Konsequenzen. Es bedrohte die soziale Stellung der zahlungsunfähigen Schuldner.23 Sowohl Guinanne als auch Schlütz betonen jedoch, dass ihre Ergebnisse nur für sehr kleine ländliche Kreditgenossenschaften gelten. Die städtischen Schulze-Delischen Volksbanken hatten bereits so viele Mitglieder, dass die Einbettung der Kreditvergabe und Kontrolle in die sozialen Beziehungen nicht mehr praktikabel war.24
Dieser Umstand muss auch bei den ebenfalls im städtischen Umfeld angesiedelten Sparkassen mitbedacht werden. Im Bereich dieser Institute sind in den letzten Jahren ebenfalls zwei Studien für die Zeit vor 1914 erschienen, die ihren Fokus auf ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Vorwort
  5. Abkürzungsverzeichnis
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Die Geschichte des Staatlichen Kreditwesens im Herzogtum Braunschweig und seine Reform (1765–1919)
  8. 3 Der Einstieg der Staatsbank in die Unternehmensfinanzierung in der Weimarer Republik (1919–1933)
  9. 4 Der Durchbruch der Industriefinanzierung der Staatsbank im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit (1933–1948)
  10. 5 Der Weg zur Großbank – Die Expansion der Staatsbank (1948–1969)
  11. 6 Zusammenfassung und Ausblick
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis
  14. Personen- und Ortsverzeichnis
  15. Firmenverzeichnis