Gesunde Menschen machen
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Gesunde Menschen machen

Die deutsch-deutsche Geschichte der GesundheitsaufklĂ€rung, 1945–1967

  1. 557 Seiten
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Gesunde Menschen machen

Die deutsch-deutsche Geschichte der GesundheitsaufklĂ€rung, 1945–1967

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Über dieses Buch

Die Geschichte der PrĂ€vention hat Konjunktur. Selten ist jedoch die Kommunikation von Gesundheitswissen in den Blick genommen worden; noch seltener sind Institutionen als GegenstĂ€nde gewĂ€hlt worden. Anhand des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden sowie dem Deutschen Gesundheits-Museum in Köln schließt Christian Sammer diese LĂŒcke. QuellengesĂ€ttigt beschreibt er vergleichend die Entwicklungsgeschichte der Konzepte und Medien der GesundheitsaufklĂ€rung und bettet diese ein in die Felder der Gesundheitspolitik beider deutscher Staaten. Er untersucht die Subjekt-, Erziehungs- und Ordnungsvorstellungen, die Kommunikationspraktiken sowie die personellen Netzwerke der GesundheitsaufklĂ€rung in ihrer deutsch-deutschen Verflechtung. Nach der anfĂ€nglich Rekonstruktion alter Erfolgsmodelle gerieten die beiden Museen jedoch in existenzielle Krisen. Aus diesen ging letztlich zum Ende der 1960er nicht nur der neue sozialwissenschaftlich reflektierte Modus der Gesundheitserziehung hervor; es entstanden auch zwei Behörden der GesundheitsaufklĂ€rung. Die Studie bereichert damit nicht nur die Geschichte der PrĂ€vention. Sie informiert ebenfalls Gesundheitswissenschaftler und Praktiker der GesundheitsaufklĂ€rung, die mehr wissen möchten ĂŒber die Gewordenheit ihrer Profession.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110660340
Auflage
1

Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums, 1945–1950

Das Jahr 1945 markierte auch fĂŒr das Hygiene-Museum in Dresden einen Einschnitt. So wie die Stadt war auch das MuseumsgebĂ€ude zerstört worden. Das Fortbestehen des Deutschen Hygiene-Museums war keine SelbstverstĂ€ndlichkeit. Gleichwohl trifft auch der mehrfach hinterfragte und relativierte Topos der „Stunde null“ fĂŒr das Museum am Großen Garten in Dresden nicht zu. Es zeigt sich ganz im Gegenteil zum vermeintlich radikalen Bruch des Jahres 1945, dass die Verantwortlichen des Museums diesem rasch neuen Schwung verleihen konnten. Doch wie kam es dazu und wie verĂ€nderte sich das Museum in seiner Renaissance?
Das Hygiene-Museum verfĂŒgte 1945 ĂŒber ein erworbenes Ensemble vollkommen unterschiedlicher personeller, materieller und finanzieller Ressourcen, welches es nach dem Krieg wieder fĂŒr sich mobilisieren konnte. Dieses Netz fing das Museum in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf: Das Hygiene-Museum hatte noch ein MuseumsgebĂ€ude, Prestige, Finanzen, Exponate und Personal. Immer noch interessierte es VerbĂŒndete in den Gesundheitsverwaltungen des besetzten Deutschlands. Doch schließlich war es gerade dieser Erfolg, der das Ende des Hygiene-Museums in seiner bisherigen Form einlĂ€utete. Denn mit der Aufmerksamkeit der Sowjetischen MilitĂ€radministration in Deutschland (SMAD), die der MuseumsprĂ€sident erfolgreich auf das Hygiene-Museum zog, sorgte er zwar fĂŒr dessen Fortbestehen. Aber genauso trug er damit auch dazu bei, dass dem Museum seine relative UnabhĂ€ngigkeit (gegenĂŒber gesundheitspolitischen Interessen) verloren ging. Es war das aktive Zusammenspiel vieler verschiedener kooperierender und konfligierender Akteure, Vorstellungen, Bekanntschaften, Argumente und RĂ€ume, welches das rasche „Wiederaufleben“ des Museums ermöglichte. Diese Dynamik fĂŒhrte letztendlich aber auch zur Verdopplung des Hygiene-Museums, als mit der deutsch-deutschen Spaltung auch ein bundesrepublikanisches Pendant in Köln entstand.

1.1 Auferstanden aus Ruinen? Dresden und sein Hygiene-Museum

Dresden im Herbst 1945: Die Kamera blickt vom Rathausturm vorbei an der Personifikation der Bonitas, der Allegorie der guten Stadtregentschaft, auf ein Meer von Ruinen und Schuttbergen – Skeletten aus Stein, Beton und Stahl. Es ist die zerstörte Dresdner Altstadt vom Rathaus bis zum Bahnhof, die das betrachtende Auge auf Richard Peters Fotografie „Blick vom Rathausturm“ erkennen kann (vgl. Abb. 1). Aber es ist nicht unbedingt nur der Mythos Dresden, der in diesem Bild aufscheint, sondern darĂŒber hinaus die umfassende Zerstörung deutscher StĂ€dte in Folge des Zweiten Weltkrieges, die hier reprĂ€sentiert und im weiteren Verlauf der Bildgeschichte ikonisiert wurde.1
Abb. 1: Richard Peter: Blick vom Dresdner Rathausturm nach SĂŒden (nach dem 17. September 1945).
Bereits im Moment der Aufnahme war diese Bedeutungsebene erinnerungspolitisch intendiert, die durch die Bildverwendung in der Erstveröffentlichung von 1950 nochmals zugespitzt wurde. Denn Peter positionierte das Bild an einer narrativen Gelenkstelle des Buches, um den materiellen und moralischen Ruin des nationalsozialistischen Deutschlands, die totale Zerstörung im Bombenhagel der Westalliierten, aber auch, um die Hoffnung des sozialistischen Wiederaufbaus zu symbolisieren.2 Der Band leitete mit Bildern von der Schönheit der unversehrten, schlafenden und unschuldigen Stadt vor dem Krieg ein und suchte mit dem „Blick vom Rathausturm“ eine maximale Kontrastierung mit anschließenden Fotografien totaler Zerstörung. Doch die darauffolgenden Abbildungen der Jahre zwischen 1945 und 1950 suggerierten umgehend das Versprechen, dass die Wunden, die der Krieg gerissen hatte, nach und nach verheilten und die alte BlĂŒte wiederhergestellt werden könnte.3
Es steht außer Frage, dass Dresden verheerenden Schaden erlitten hatte. Dieser Umstand wurde jedoch derart frĂŒh erinnerungspolitisch dominant, dass KontinuitĂ€ten, selbst baulicher Art, ĂŒberblendet wurden. Dass Peter seine Fotografien vom Dach des Rathauses aufnehmen und die Ruine mehrmals besteigen konnte, dass diese Fotografie mehrfach intentional beschnitten und nicht alle Blickrichtungen vom Rathaus fotografisch dokumentiert wurden, und dass Fassaden tragfĂ€hig und bestehen blieben – das trat in der Ikonisierung des Bildes zum Emblem der Zerstörung Deutschlands und Dresdens zurĂŒck.
Auch die neuere Forschung zum Hygiene-Museum beziffert den Grad der GebĂ€udezerstörung Mitte Februar 1945 mit betrĂ€chtlichen 80%.4 Eine Aufnahme entgegengesetzt der Blickrichtung Peters, vom Rathausdach nach Osten in Richtung des Großen Gartens, hĂ€tte das teilzerstörte GebĂ€ude des Hygiene-Museums vor das Objektiv gerĂŒckt und die ausgebrannten, lĂŒckenhaften und fensterlosen Rohbauten des Museums gezeigt. Das Hygiene-Museum war durch die Bombardements vom 13. bis 15. Februar schwer getroffen worden. Die Bebauungen des Innenhofes und der eingeschossige Pavillonanbau mit seinem apsisĂ€hnlichen Ende, der an den Mittelbau in der Zentralachse des GebĂ€udes angeschlossen worden war, waren komplett vernichtet. Im NordflĂŒgel der Museumsanlage klaffte eine nicht unwesentliche BombenlĂŒcke. Auf den Bildern vom Februar 1945 hinterlĂ€sst das Hygiene-Museum einen ziemlich bedauernswerten Eindruck.
Trotz seines dokumentierten desolaten Zustands kann das GebĂ€ude des Hygiene-Museums kaum zu einem Symbol völliger Vernichtung erhoben werden. Und dennoch wurde auch noch in der jĂŒngeren Vergangenheit das Gegenteil versucht: eine doppelseitig vergrĂ¶ĂŸerte Fotografie des MuseumsgebĂ€udes von 1946 wurde 2005 in einem Buch ĂŒber das Museum Ă€hnlich prominent prĂ€sentiert wie Peters Fotografie in der „anklagenden Kamera“ (vgl. Abb. 2).5
Abb. 2: Das Deutsche Hygiene-Museum, BombenlĂŒcke des NordflĂŒgels um 1946.

Ressourcen fĂŒr den Wiederaufbau

Das MuseumsgebÀude

Schon im September 1945, als Richard Peter die zerstörte Dresdner Altstadt vom Rathausturm aus festhielt, schrieb der langjĂ€hrige PrĂ€sident Georg Seiring in Sachen Renovierung des MuseumsgebĂ€udes an seinen ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Rudolf Neubert (1898–1992), der zu dieser Zeit stellvertretender Dezernent fĂŒr das Gesundheitswesen in Dresden war.6 Es lag an Neuberts Zugang zur lokalen Verwaltung, dass Seirings DrĂ€ngen, das Hygiene-Museum an das Fernheizwerk und an das Telefonnetz anzuschließen, erfolgreich war.7 Und bereits im Dezember 1945 meldete die Berliner Zeitung, „daß viele der WerkstĂ€tten [des Hygiene-Museums, C.S.] ihre TĂ€tigkeit bereits aufnehmen konnten.“8
Etwas mehr als zwei Jahre spĂ€ter, im FrĂŒhjahr 1948, beauftragte die Deutsche Zentralverwaltung fĂŒr Gesundheitswesen (DZVG) in Berlin den ehemaligen Bauhaus-Architekten Gustav Hassenpflug, den baulichen Zustand des Hygiene-Museums zu begutachten. Hassenpflug, der zu dieser Zeit die Professur fĂŒr StĂ€dtebau an der Hochschule fĂŒr Baukunst und Bildende KĂŒnste in Weimar bekleidete und zugleich das Sozialdezernat Krankenhausplanung der Stadt Berlin mitleitete, schĂ€tzte daraufhin die Gesamtanlage des Hygiene-Museums als außerordentlich gĂŒnstig ein. Angesichts der ModernitĂ€t, des geringen Alters des GebĂ€udes von nur 18 Jahren und des geringen Zerstörungsgrades von 25% sei der Wiederaufbau möglichst nachdrĂŒcklich voranzutreiben.9 Schon knapp ein Jahr spĂ€ter wurden im Quartalsbericht des Hygiene-Museums weitere Fortschritte vermerkt: Das Dach sei zu 90% renoviert, die BombenlĂŒcke zu 55% geschlossen, die im Haus gelagerten und noch verwendbaren GerĂ€te und Materialien fĂŒr die Herstellung von Lehrmitteln und SchaustĂŒcken seien aus diesem weitgehend gehoben und die RĂ€umlichkeiten des Hauses insgesamt zu 80% erbaut und sogar zu 40% eingerichtet.10 Das MuseumsgebĂ€ude war damit bis 1949 nicht wieder vollstĂ€ndig hergestellt. Aber es war möglich geworden, die Arbeit vor Ort wieder aufzunehmen.
Schon ab MĂ€rz 1946 konnte das Museum seine erste Wanderausstellung Geschlechtskrankheiten – VerhĂŒtung und Heilung zeigen, zunĂ€chst im eigenen Haus in Dresden, dann mit insgesamt sieben Kopien auch in der gesamten SBZ.11 Schenkt man einer internen Auflistung aus dem Hygiene-Museum von 1976 Glauben, begleitete diese Ausstellungen ein ganzes Arsenal an AufklĂ€rungsmaterial. Zu diesem gehörten VortrĂ€ge in Schulen und AusschĂŒssen, BroschĂŒren in einer Auflage von mehr als 300 000 StĂŒck, 400 000 Kopien zweier DIN A 2 Plakate, Plakatstreifen, Schriftplakate und achtseitige MerkblĂ€tter, welche zusammen mit Lebensmittelmarken verteilt wurden.12 1947 folgte die zweite Serie an Wanderausstellungen mit dem Titel Volkskrankheiten. 1948 wurde die erste provisorische Hausausstellung nach dem Krieg eröffnet; erste Sonderausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen durchgefĂŒhrt.
Das 1930 eröffnete MuseumsgebĂ€ude bot gĂŒnstige Wiederaufbaubedingungen, was wiederum in einer Zeit der öffentlichen KrankheitsgefĂ€hrdung entscheidend dazu beitrug, das I...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Einleitung
  5. Kapitel 1 Die Renaissance und Verdopplung des Deutschen Hygiene-Museums, 1945–1950
  6. Kapitel 2 In die neuen sozialen Ordnungen ĂŒberfĂŒhren – Hygienische Volksbelehrung in West und Ost der 1950er Jahre
  7. Kapitel 3 Beobachtungen, Absprachen, Konfrontationen und Koexistenz: Beziehungen und Abgrenzungen im Systemkonflikt, 1950–1959
  8. Kapitel 4 Kritik, Krise und ReformvorschlĂ€ge: Der Niedergang der hygienischen Volksbelehrung, 1956–1962
  9. Kapitel 5 Die Entmusealisierung der GesundheitsaufklĂ€rung im Modus der Gesundheitserziehung, 1962–1967
  10. Fazit: Die Entflechtung der hygienischen Volksbelehrung und die ModernitÀten der Wissensvermittlung
  11. AbkĂŒrzungsverzeichnis
  12. Quellen- und Literaturverzeichnis
  13. Register
  14. Ordnungssysteme