1 Einleitung
In der Fremdsprachendidaktik werden phraseologische Kenntnisse im weiteren Sinne als sehr wichtig für eine erfolgreiche Kommunikation erachtet, denn erst sie ermöglichen eine natürliche und spontane Interaktion innerhalb einer Sprachgemeinschaft (vgl. u. a. Aguado 2002: 43; Boers & Lindstromberg 2008: 7; Hallsteinsdóttir 2011: 4).1 Insbesondere Kollokationen und Funktionsverbgefügen [FVG] (die als Untergruppe der Kollokationen betrachtet werden können, s. Abschnitt 2) kommt diesbezüglich innerhalb der Phraseologismen ein höherer Stellenwert zu. Wie Steyer (2000: 104) bemerkt, sind Kollokationskenntnisse unverzichtbar, weil Fremdsprachenlernende ohne kollokationelles Wissen häufig nicht im Stande wären, ihre Gedanken auszudrücken. Denn wie Hausmann (1984) im Titel seines mittlerweile sehr bekannten Aufsatzes sagt: „Wortschatzlernen ist Kollokationslernen“. FVG üben in Fachsprachen und den damit verbundenen Kommunikationsgebieten eine wichtige Funktion aus. In vielen Bereichen (wie in akademischen, amtssprachlichen oder technischen Textsorten) stellen sie z. T. nicht entbehrliche Elemente des Wortschatzes dar, die in der Fachkommunikation verwendet werden und beherrscht werden müssen. Es liegt also auf der Hand, dass gerade Wörterbücher nicht muttersprachlichen Nutzern2 bei der Suche nach der richtigen Kollokation bzw. dem zutreffenden Funktionsverbgefüge sowohl in Rezeptions- als auch in Produktionssituationen eine große Hilfe leisten bzw. leisten sollten. Im Folgenden werde ich anhand einer kleinen empirischen Studie die Registrierung von Funktionsverbgefügen (im weiteren Sinne) in einsprachigen deutschen und zweisprachigen deutsch-italienischen Wörterbüchern auf ihre Benutzerfreundlichkeit hin untersuchen, wobei die Perspektive der Benutzer immer im Vordergrund steht. Der Aufsatz ist wie folgt strukturiert: Im folgenden Abschnitt 2 wird in Anlehnung an Kamber (2006, 2008) die meiner Analyse zugrunde liegende Definition von FVG angegeben, während Abschnitt 3 der Wörterbuchbenutzungsforschung und der Relevanz dieses neuen Richtungszweiges für die Lexikographie gewidmet ist. Das Thema ist umso relevanter, wenn man bedenkt, dass Studien, die die Benutzerfreundlichkeit von Wörterbüchern bei der Registrierung phraseologischer Einheiten untersuchen, – bis auf wenige Ausnahmen – für das Sprachenpaar Deutsch-Italienisch noch ein Forschungsdesiderat darstellen. Im Abschnitt 4 wird die Erfassung der FVG in ein- und zweisprachigen Wörterbüchern thematisiert. Die empirische Untersuchung, die in einer Analyse der Ergebnisse von Hin- und Herübersetzungen durch italophone L2-Lernende des Deutschen besteht, wird in Abschnitt 5 präsentiert. Eine kurze Zusammenfassung und einen Überblick bietet Abschnitt 6.
2 Was sind Funktionsverbgefüge?
Der Terminus „Funktionsverbgefüge“ wurde 1968 von Engelen geprägt. Bei FVG handelt es sich um Mehrwortverbindungen, die meistens aus einem an lexikalischer Bedeutung armen Verb und einem Substantiv bestehen.3 Das Substantiv ist oft ein Abstraktum, das aus einem Verb (oder auch aus einem Adjektiv) nominalisiert (Nomen actionis) wurde und das Träger der lexikalischen Hauptbedeutung ist (Heine 2008: 11; Helbig 2006: 166; Kamber 2008: 10). Die Verben dienen innerhalb der FVG vor allem der Aktionsartdifferenzierung (in Kontakt bleiben/bringen/setzen/stehen).4 Dem Substantiv kann eine Präposition mit oder ohne Artikel vorangehen (eine Entscheidung treffen vs. in Bewegung bringen). Bustos Plaza (2015) weist auf die wechselseitige Beziehung zwischen Verb und Substantiv hin, die gemeinsam die „verbale Komponente des Prädikats“ bilden:
Beide Komponenten bringen bestimmte Eigenschaften in das Gefüge ein. Das Verb ist bedeutungsarmer, besitzt aber die kategoriale verbale Bedeutung, die dem Substantiv fehlt, und kann deswegen [...] Kategorien wie Tempus, Person, Modus usw. durch seine Morphologie zum Ausdruck bringen. Das Substantiv trägt seinerseits die spezifischere Bedeutung bei, die dem Verb fehlt. (Bustos Plaza 2015: 267)
Laut Burger (2010: 54) stellen FVG eine besondere Klasse von (Substantiv-Verb-)Kollokationen dar.5 Andere Linguisten plädieren hingegen dafür, die FVG von den Kollokationen getrennt zu halten (vgl. Heine 2006; Helbig 2006; Steyer 2000; Wotjak 1994; Wotjak & Heine 2005). Im Folgenden werden FVG in Anlehnung an Burger (2010) als eine besondere Klasse von Kollokationen betrachtet; denn wie Kollokationen bereiten sie Lernenden aufgrund ihrer idiosynkratischen und fixierten Natur gewisse Schwierigkeiten und spielen wegen ihrer Frequenz in der Sprache eine wesentliche Rolle – vor allem bei fortgeschrittenen Lernenden – in der Fremdsprachenerlernung und -didaktik. So müssen italophone DaF-Lernende z. B. wissen, dass im Deutschen eine Frage gestellt (und nicht gemacht) und etwas in Betracht gezogen (und nicht genommen) wird. FVG bestehen aus sogenannten Funktionsverben (FV) in Verbindung mit einem Akkusativ- oder Präpositionalobjekt (Kenntnis bekommen, zur Geltung kommen)6. In der Literatur herrscht jedoch kein Konsens darüber, wie viele und welche FV existieren und wie FVG schlussendlich zu definieren sind (Kamber 2008: 10–13). Charakteristisch für die FV ist nach Eisenberg (2013: 305), dass sie „eine lokale bzw. direktionale Grundbedeutung“ aufweisen, auch wenn sie innerhalb der Fügung in der Regel eine abgeleitete Lesart bekommen. Als häufigste FV kommen dem Autor zufolge kommen, bringen, stehen, geraten, setzen, stellen, halten, nehmen in Frage, wobei kommen und bringen am frequentesten sind (Eisenberg 2013: 306). Als Präpositionen kommen vor allem in und zu in Betracht, wobei sporadisch auch an, auf, unter und außer auftreten (Eisenberg 2013: 306–307). Eisenberg schreibt über die Präpositionalgruppe innerhalb des FVG:
Beim Funktionsverbgefüge nun bindet sich die Präposition nicht ans Verb, sondern an das Nominal der PrGR [= Präpositionalgruppe; Anmerkung des Verfassers]. Die entstehende Einheit (in Schwung) ist enger als bei der üblichen PrGr mit ihrer Rektionsbindung, sie kann bis zur Lexikalisierung führen. Die PrGr insgesamt tritt dann in eine syntaktische (und semantische) Beziehung zum Verb und bildet das Funktionsverbgefüge. (Eisenberg 2013: 306; Fettschrift wie im Original)
Unter FVG wird jedoch gemäß einiger Klassifizi...