Grundfragen der Lyrikologie 2
eBook - ePub

Grundfragen der Lyrikologie 2

Begriffe, Methoden und Analysedimensionen

  1. 578 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Grundfragen der Lyrikologie 2

Begriffe, Methoden und Analysedimensionen

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Der Band hat zum Ziel, den Arbeitsbereich Lyrikforschung schärfer zu konturieren und ein klar umrissenes Forschungsfeld Lyrikologie zu etablieren. Er dokumentiert die drei Jahre währenden kontinuierlichen Diskussionen des wissenschaftlichen Netzwerks "Lyrikologie" zur Entwicklung einer systematischen Gattungstheorie der Lyrik. In insgesamt sechs Sektionen werden zentrale Arbeitsgebiete einer solchen Lyrikologie abgesteckt: "Typische Merkmale der Lyrik", "Methoden der Lyrikanalyse", "Funktionen der Lyrik", "Lyrische Zeitkonzepte", "Lyrik und Raum", "Mündliche/schriftliche Formatierung von Lyrik".

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Grundfragen der Lyrikologie 2 von Claudia Hillebrandt, Sonja Klimek, Ralph Müller, Rüdiger Zymner im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literature & Literary Criticism Theory. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9783110497618

II Funktionen der Lyrik

›Funktion‹ und Funktionen von Literatur

Einige systematische Überlegungen (unter besonderer Berücksichtigung der Lyrik)
Jan Borkowski
›Funktion‹ ist vielleicht nicht in dem elementaren Sinne ein Grundbegriff der Literaturwissenschaft wie ›Autor‹, ›literarischer Text‹ bzw. ›Literarizität‹ und ›Leser‹, aber doch ein wichtiger Terminus, um einen zentralen Aspekt des Gegenstandsbereiches zu beschreiben, vergleichbar Begriffen wie ›Intention‹, ›Gattung‹ oder ›Rezeption‹. Diese Wichtigkeit in der Sache findet eher selten eine Entsprechung in Bemühungen, den Begriff zu bestimmen, und in Arbeiten, die explizit Funktionen der Literatur untersuchen (vgl. zu dieser Einschätzung Gymnich und Nünning 2005, 3). Im Folgenden soll zunächst anhand von Beispielen ein Eindruck von der Relevanz vermittelt werden, die Funktionen beim Umgang mit Literatur haben (1), und es soll ein Überblick darüber gegeben werden, welche Annahmen über Funktionen sich in Literaturtheorien finden (2). Sodann werden Erläuterungen zum Funktionsbegriff (3) und zu einer Typologie der Funktionen vorgestellt (4). Schließlich werden ausgewählte weiterführende Überlegungen präsentiert (5). Dabei geht es zum einen um die Frage, welche Reichweite Aussagen über die Funktion literarischer Texte haben. Zum anderen wird dafür plädiert, dass die Rede von den Funktionen der Literatur weniger aussichtsreich erscheint als spezifische Aussagen über konkrete Gattungen, Akteure, Gegebenheiten und Zeiten. Außerdem wird die These vertreten, dass manche literarischen Texte aufgrund formaler, inhaltlicher und pragmatischer Charakteristika bestimmte Funktionen besonders gut erfüllen können, bezogen auf die jeweiligen Akteure und Gegebenheiten. Die Überlegungen werden abschließend an einem Beispiel illustriert. Neben einer Bestandsaufnahme und Übersicht besteht das Ziel des Aufsatzes darin, auf die Relevanz des Phänomens aufmerksam zu machen und für seine empirische Untersuchung zu plädieren. Wo es sich anbietet, werden insbesondere Beispiele aus dem Bereich der Lyrik herangezogen.

1 Zur Relevanz der Frage nach den Funktionen von Literatur

Beim Umgang mit Literatur sind Vorstellungen davon, welche Funktionen literarische Texte haben können und sollen, häufig anzutreffen, wenn nicht dem Begriff, so doch der Sache nach. Diese Aussage kann hier nicht eingehender belegt werden, sie soll aber zumindest anhand einiger weniger Beispiele aus verschiedenen Bereichen illustriert werden.1
Wenn sich Autoren über ihre Absichten oder ihre Konzeption von Literatur äußern, machen sie bisweilen entsprechende Aussagen. So erklärt etwa Jan Wagner in einem Gespräch, ein Gedicht sei »immer eine Einladung, vermeintliche Selbstverständlichkeiten neu zu sehen, im Gewöhnlichen das Außergewöhnliche, im Großen das Kleine zu entdecken, und umgekehrt, das allzu Vertraute anders zu denken«. Diese durch die Darstellungsleistung des Textes ermöglichten Einsichten, so Wagner weiter, seien verantwortlich für die potenzielle »politische Sprengkraft« und »Subversivität« des Gedichtes (Kopacki (2008), 491). Die Vorstellung scheint mithin zu sein, dass Gedichte eine kritische Funktion haben können: Sie können eine neue Perspektive auf bestimmte, etwa politische oder auch andere gesellschaftliche Sachverhalte vermitteln und bewirken, dass das Publikum eine kritische Haltung zu ihnen einnimmt und zum Beispiel zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um Missstände handelt, die es zu beheben gilt.
Ähnliches lässt sich bei der Vermittlung von Literatur beobachten, etwa in der Literaturkritik. In einer Rezension des Gedichtbandes Probebohrung im Himmel (2001) von Wagner, um bei diesem Beispiel zu bleiben, wird den Gedichten die »Eigenschaft« zugesprochen, »den Leser mit jeder Zeile zu überraschen, einem Aspekt immer noch eine weitere, unerwartete Perspektive abgewinnen zu können« (Dückers (2001), 287). Eine solche Aussage legt nahe, dass den Gedichten die Funktion zugeschrieben wird, das Dargestellte unter einer neuen Perspektive zu betrachten und damit bestimmte Einsichten zu ermöglichen. Bei der Literaturvermittlung im Deutschunterricht, also im Rahmen einer bestimmten Institution, spielen ausweislich fachdidaktischer Lehrbücher Funktionen der Literatur ebenfalls eine Rolle.2 Was die Leserseite angeht, konnte zum Beispiel in einer Studie für die Lyrik im neunzehnten Jahrhundert gezeigt werden, dass sie »unübersehbar funktional« ist, »und das für gesellschaftliche Sinnanmutungen aller Art, ob solchen der Mädchenerziehung oder solchen der Politik, solchen der privaten Erholungsstunden wie der öffentlichen Festangelegenheiten, der Unterhaltung oder der Erbauung« (Lauer 2005, 185). Gerade auch durch die Literaturvereine der Zeit war diese Lyrik »in Funktionszusammenhänge der kulturellen Vergesellschaftung eingebunden« (vgl. Lauer 2005, 188-199, das Zitat 200).
In poetologischen und programmatischen Schriften werden bekanntlich immer wieder Funktionen thematisiert. In Revolution und Literatur (1886/1887), um ein willkürlich gewähltes Beispiel anzuführen, schreibt der naturalistische Lyriker Carl Bleibtreu, dass es »die erste und wichtigste Aufgabe der Poesie« sei, »sich der großen Zeitfragen zu bemächtigen«. Dabei spricht er sich gegen ästhetizistische Positionen aus und meint, »[w]ahre Poesie« werde »nie aus abstrakter Liebe zur Kunst, sondern aus leidenschaftlicher Theilnahme an den Schmerzen und Freuden der Mitwelt geboren« (Bleibtreu 1973 [1887], 13). Er fordert also eine Literatur, die programmatisch auf das bezogen ist, was zeitgenössisch als aktuell und relevant angesehen wird, und damit einen Beitrag leistet zu den »großen Zeitfragen«. Eine Literatur (und Lyrik) die das tut, dürfte zum Beispiel eine Erkenntnisfunktion erfüllen. Für manche Epochen oder Strömungen in der Literaturgeschichte sind bestimmte Vorstellungen von den Funktionen der Literatur zentral, etwa für die Literatur der Aufklärung, des Vormärz oder des Naturalismus. Strömungen, welche programmatisch die Funktionslosigkeit von Literatur und Kunst postulieren, wie etwa Klassik und Ästhetizismus, setzen die Vorstellung voraus, dass Literatur Funktionen haben kann - oder sie ihr zumindest von anderen zugeschrieben werden. Bei manchen Gattungen ist eine bestimmte Funktion Bestandteil der generischen Konventionen, zum Beispiel bei Gelegenheitsdichtung, Lehrgedichten oder politischer Lyrik. Aber auch Texte anderer Gattungen, zum Beispiel manche Lieder der Romantik, dürften durchaus Funktionen erfüllen. Die Resonanz, die einzelne literarische Texte hervorrufen, dürfte häufig im Zusammenhang stehen mit den Funktionen, die sie für die Rezipienten haben: Der außergewöhnliche Erfolg von Rilkes Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, welche in der Ausgabe der Insel-Bücherei über eine Million Mal verkauft wurde, wird unter anderem mit Qualitäten des Textes wie »Repräsentativität«, »Idealisierung« und »Identifikationsstiftung« erklärt (Engel und Fülleborn 1996, 712-713.). Er ist folglich geeignet gewesen, auf die Lebenswelt der Rezipienten bezogen zu werden, dabei bestimmte Einsichten zu vermitteln und ethische Orientierung zu geben.
Aussagen über die Funktion von Kunst und Literatur finden sich zudem in der philosophischen Ästhetik. Berühmt ist Adornos Bestimmung des gesellschaftlichen Bezugs der Lyrik, welcher sich in der Entgegensetzung des Autors zur Gesellschaft zeige und das Gedicht »als geschichtsphilosophische Sonnenuhr« erscheinen lasse (Adorno 1974, 60). Gerade in diesem negativen Bezug zeige sich die kritische Funktion des Gedichtes, eine Alternative zu den falschen gesellschaftlichen Verhältnissen zu eröffnen. Bestimmte Praktiken des Umgangs mit Literatur, wie Werten und Kanonisieren, dürften ebenfalls, zumindest zum Teil, mit bestimmten Vorstellungen davon einhergehen, was der literarische Text leistet...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Grundfragen der Lyrikologie  Konturen und Problemstellungen zur Einleitung
  5.  I Typisch lyrisch?
  6. II Funktionen der Lyrik
  7. III Lyrische Zeitkonzepte
  8. IV Sprachmodalität der Lyrik
  9. V Methoden der Lyrikanalyse
  10. VI Lyrik und Raum
  11. Stichwortverzeichnis
  12. Personenregister