Der Fontane-Ton
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Der Fontane-Ton

Stil im Werk Theodor Fontanes

  1. 301 Seiten
  2. German
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Der Fontane-Ton

Stil im Werk Theodor Fontanes

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Über dieses Buch

Der kanonische Status Fontanes gründet sich auf einen eigentümlichen Erzählstil, der schon den Zeitgenossen als Markenzeichen seines Werkes galt. Dazu gehörte Fontanes Vorliebe für den humorvoll zugespitzten Satz, seine Lust am Umgangssprachlichen, seine Abneigung gegenüber dem Pathetischen und überspitzt Dramatischen und sein Hang zu einer ironisch-distanzierten Erzählhaltung. Der "Fontane-Ton" hat sich früh als alles umschließende Beschreibung dessen, was der Leser als die Eigenart Fontanes erlebt, durchsetzen können und hat so eine differenzierte Sicht auf Fontanes Stil verhindert. Mit diesem Band eröffnen Herausgeber und Beiträger neue Perspektiven auf Fontanes Stil, die der Einheit dieses Stils und dessen spezifischen Ausprägungen in verschiedenen Gattungen Rechnung tragen. In zwölf Aufsätzen schlagen die Verfasser sprachwissenschaftliche, textgenetische und komparatistische Wege zu Fontanes Werk ein, beleuchten die Schlüsselbegriffe "Fontane-Ton" und "Stil" kritisch, bieten Einblicke in die Werkstatt des Fontane-Stils und ergründen sowohl materielle Stilfaktoren wie Satz und Layout als auch immaterielle Faktoren wie die Erzeugung eines bestimmten Tons durch den Anekdotengebrauch oder in der Erzählhaltung.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783110540215

Dass die Schrift erfüllet würde

Semantisierte Typografie in Theodor Fontanes Märkischen Reimen
PD Dr. Andreas Beck
Ruhr-Universität Bochum, , Deutschland
Dem Altersstil 1 Fontanescher Reimereien möchte ich mich im Folgenden nähern, und zwar anhand von Gedichten, die in der Zeitschrift Zur guten Stunde publiziert wurden. Längst ist zwar bekannt, »daß in dieser Zeitschrift einige, wenn nicht die Glanzstücke der späten Lyrik Fontanes zuerst erschienen sind«, 2 aber dasjenige, was die betreffenden Texte glänzen lässt, ist bislang womöglich erst teilweise in den Blick geraten. Gerontofontaneske Verse, so Karl Richters klassisch gewordene Sicht, zeichnen sich aus durch eine Veränderung des Tons, durch Lässigkeit in knitteliger Metrik, alltagsnaher Syntax, Wort- und Stoffwahl – durch kunstvolle Pathosferne als kritisch-skeptische Distanznahme von gesellschaftlichen Normen. 3 Das ist richtig, aber unbefriedigend – denn die Rede von einem »neue[n] Ton« 4 der Altersgedichte, die Rede vom Fontane-›Ton‹ überhaupt birgt eine problematische Implikation. Als akustische Metonymie nämlich steht sie einer adäquaten Textanalyse entgegen: Indem sich solcher ›Ton‹ weder sehen noch greifen lässt, bedient, wer ihm nachspürt, eine weitgehend entmaterialisierte Auffassung von ›Text‹: eine, die ›Text‹ zu einem virtuell-abstrakten Konstrukt hypostasiert, das sich jenseits seiner verschiedenen sicht- und handhabbaren konkreten Vorliegenheiten gleichbleibt. Der Fontane-›Ton‹ verkürzt den ›Stil‹ in Fontanes Werk u. a. um das Moment des Visuellen, er hindert die Würdigung schriftbildlicher Phänomene in Manuskript und Druck – wodurch er jenem methodischen Imperativ entgegensteht, den Roland Berbig formuliert hat: »Jeder Text Fontanes verträgt es nicht nur, auf seinen Publikationsort hin analysiert zu werden, er erfordert es geradezu«, was gegebenenfalls auch die Frage zu stellen bedeute, »[w]ie wichtig« das »Layout der Zeitschrift« gewesen ist, 5 in der Fontane-Texte veröffentlicht wurden.
Dies will ich fragen und anhand der Siegesbotschaft im Kontext der Märkischen Reime exemplarisch die Relevanz von Strategien der mise en page für Fontane-Gedichte in Zur guten Stunde aufzeigen. Komplementär zu den anderen Beiträgen dieses Bands geht es mir darum, auf Phänomene der Materialität bzw. Visualität als einen nicht zu unterschätzenden Stilaspekt Fontanescher Texte aufmerksam zu machen. 6 Zudem verstehe ich meine Ausführungen methodisch als Diskussionsbeitrag zu Matthias Bickenbachs Darlegungen: Er argumentiert dahin, Anspielungen in Fontane-Texten nicht zuletzt als Aktivierung eines Wissensraums vagen zeitgenössischen Hörensagens zu begreifen – während hier, wie auch bei Regina Dieterle, die Leistungsfähigkeit einer Lektüre zur Debatte steht, die heuristisch in solchen Allusionen präzise Bezugnahmen auf klar konturierte Wissensbestände bzw. konkrete Prätexte vermutet.
Auf die typografischen Manöver der Märkischen Reime führen uns rhetorische Strategien, die für den greisen Versschmied Fontane charakteristisch sind. Dessen Gedichte in Zur guten Stunde zeichnen sich durch Wiederholungen verschiedener Art aus, 7 etwa durch wiederkehrende Wörter und Wortgruppen innerhalb eines Gedichts: In Waldemar Atterdag 8 z. B. beschließt der Beiname des merkwürdigen Titel-›Helden‹ sämtliche Balladenstrophen; in Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland 9 wiederum findet der in sich bereits redundante Titel sein Echo im ersten und letzten Vers (worauf Fontane eigens hinwies 10). Weiterhin finden sich Repetitionen zwischen Gedichten, die auf einer Zeitschriftenseite kopräsent sind; in einem von Fontanes Gedichtensembles in Zur guten Stunde operieren vier von fünf Gedichten mit den Reimwörtern »Glück«/»zurück«. 11 Eines allerdings nicht, doch auch Schlaf hat teil am Stilprinzip der Wiederholung: Er begegnet hier ja im Gefolge von Trost, einem Gedicht, das Fontane bereits im Roman Vor dem Sturm veröffentlicht hatte – und dort heißt es, nachdem Lewin von Vitzewitz dieses Gedicht zu Papier gebracht hat: »Es war ihm von Zeile zu Zeile freier ums Herz geworden. Er […] legte sich nieder und schlief ein.« 12 Später im Roman wiederholt sich Lewin nachts die dritte Strophe seines Gedichts – nachdem er fest geschlafen hatte, nun aber, jäh erwacht, 13 auf ein »Wachkommando[ ]« 14 wartet. Vor dieser Folie ist es nur konsequent, dass Trost bei seiner abermaligen Veröffentlichung in Zur guten Stunde erneut in der Nähe von ›Schlafen‹ und ›Wachen‹ zu stehen kommt – eben in der Nähe des Gedichts Schlaf, in dem es heißt: »Ich liege wach, es meidet mich der Schlaf« (v. 2). 15
Damit haben wir weitere Formen der Wiederholung vor uns, die Fontane-Gedichte in Zur guten Stunde aufweisen: Frühere Texte werden wiederabgedruckt, der Gedichtstil des alten Fontane erstreckt sich also nicht allein auf Neuproduktionen; und solche Wiederabdrucke können durch Neukontextualisierung frühere Fontanesche Textkonstellationen aufrufen. Derartige Repetitionen schaffen autoreflexive intertextuelle Verstrebungen, mit denen sich Fontane selbstbewusst an (damals wohl eher rare) Fontane-Leser richtet und auf die Konstitution seines Œuvres hinarbeitet. 16
Diese sowie andere Formen der Wiederholung, denen wir in den Märkischen Reimen (wieder-)begegnen werden, dienen nicht zuletzt der Modellierung von Zeit, einem poetischen Zeitmanagement, das sich einer Verlangsamung bis zum Stillstand verschreibt: einer Inszenierung heilsamer Statik, 17 die den Anspruch erkennen lässt, auf politisch-gesellschaftliche und/oder menschlich-existentielle Problemsituationen die angemessene – d. h. dichterische – Reaktion zu bieten. In Waldemar Atterdag unterbindet der König mit seinem ostinaten »Atterdag« (1,8, 2,12, 3,14, 4,14) balladentypische »That« (1,7), er verschiebt sie auf den »Andern-Tag« (1,8); passiv duldet er Adelsaufstand, Feindesangriff und Hahnreischaft, schier wird er zur lächerlichen Karikatur eines Balladenhelden – bis er, da er zuletzt im Sterben liegt, mit seinem abermaligen »Atterdag« (5,14), das die Ballade beschließt, den eigenen Tod auf einen ›andern Tag‹ verschiebt. 18 Das immergleiche Wort, das immergleichen tatenlosen Stillstand verursacht, wird just in dieser Eigenschaft schließlich zur entscheidenden Tat, 19 da es als ein derart stillstellendes zuletzt das endgültige Verstreichen der Lebenszeit hemmt. Eine Antwort auch auf die trüben zeitgeschichtlichen Umstände: Der Waldemar Atterdag, dessen königlicher Protagonist durch sein gesprochenes Wort sein Leben fristet, erschien – ein halbwegs berechenbarer Zufall – am Tag vor dem Tod Kaiser Friedrichs III., der zuletzt nicht mehr sprechen konnte. 20
Ähnlich liegen die Dinge in Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Hier verstreicht die Zeit ziemlich rasch: »So ging es viel Jahre« (2,1), »Und im dritten Jahr« (3,9), »Und die Jahre gehen wohl auf und ab« (4,1). Zeitraffung prägt den Binnenteil der Ballade, doch jener Wiederholungsrahmen von Titel, erstem und letztem Vers bremst sie aus. Er überführt das zerstörerische Fortschreiten der Zeit in ein sich gleichbleibendes »noch immer« (4,9) der Textkomposition, in eine formale Statik, 21 die der glücklichen inhaltlichen Wendung entspricht. Mit solcher ›segenspendenden‹ Performativität haben wir Leser im Lektürevorgang auf der Ebene des discours teil an dem guten Ende auf der Ebene der histoire.
Auch ohne Wiederholungen lässt sich hei...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Einleitung
  5. Objektivität und Dichtertum Fontanes Stilauffassung und ihre Kontexte
  6. Fontanes Methode des Überschreibens Wenn einer kommt und mit Texten spielt
  7. »und während ich meine Notizen machte« Theodor Fontanes Autorkommentare im schriftstellerischen Produktionsprozess: Möglichkeiten der Textanalyse und editorischen Repräsentation
  8. Von den »Würdenträgern« zum »Wanderer-Ton« Fontanes Wanderungen im Lichte der populären Historiographie
  9. Zur Bestimmung des Fontane-Tons Eine produktions- und textorientierte Methode zur Analyse des Individualstils in journalistischen Texten
  10. Briefe aus England Theodor Fontane und Emile Zola
  11. Einladung zum Lesen Fontanes Mythopoetik und der Plauderton
  12. Ehebruchsromane Fontanes Ton im Vergleich mit Joaquim Maria Machado de Assis und Hjalmar Söderberg
  13. Der Fontane-Ton am Beispiel der Poggenpuhls
  14. Die pharmazeutische Form Fontanes Von Vor dem Sturm bis Effi Briest
  15. »Der Reine darf alles« Theodor Fontane und die literarische Kritik des Kulturprotestantismus
  16. Dass die Schrift erfüllet würde Semantisierte Typografie in Theodor Fontanes Märkischen Reimen
  17. Siglen und Abkürzungen
  18. Zu den Autoren und Autorinnen
  19. Namenregister