Was ist (uns) heilig?
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Was ist (uns) heilig?

Perspektiven protestantischer Frömmigkeit

  1. 164 Seiten
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Was ist (uns) heilig?

Perspektiven protestantischer Frömmigkeit

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Über dieses Buch

Christen bekennen sich zur "einen heiligen christlichen (oder katholischen) Kirche". Sie sprechen von der Heiligen Schrift als dem für sie maßgeblichen Glaubensdokument. Sie vollziehen im Namen Gottes die heilige Taufe und feiern das heilige Abendmahl. "Das Heilige" freilich ist vielen eher fremd geworden oder wird gar mit dunklen Mächten oder Gewalt in Verbindung gebracht.Ausgehend von Rudolf Ottos wirkmächtigem Buch "Das Heilige" geben die Beiträge dieses Bandes Antwort auf die Frage: Was ist (uns) heilig? Dies geschieht in Auseinandersetzung mit der einschlägigen biblischen Überlieferung und deren Rezeption im Protestantismus. Dabei gilt es zugleich, aufmerksam und vorurteilsfrei wahrzunehmen, was Menschen heutzutage heilig ist. Schließlich werden Perspektiven entwickelt, welche Rolle die Erfahrung des Heiligen in einer liberalen protestantischen Frömmigkeit spielen kann.Mit Beiträgen von Hans-Ulrich Gehring, Michael Großmann, Jörg Lauster, Wolfgang Pfüller, Andreas Rössler, Werner Zager und Ingo Zöllich.What is Holy (To Us)? Perspectives of Protestant PietyChristians confess to "a holy Christian (or Catholic) church". They speak of the Sacred Scripture as their authoritative document of faith. They perform Holy Baptism in the name of God and celebrate Holy Communion. However, "the holy" has become rather alien to many or is even associated with dark powers or violence.Starting from Rudolf Otto's influential book "The Idea of the Holy", the contributions in this volume answer the question: What is holy (to us)? This takes place through an examination of the relevant biblical traditions and their reception in Protestantism. At the same time it is important to notice attentively and without prejudice what people today regard as holy. Finally, perspectives are developed on the role that the experience of the holy can play in a liberal Protestant piety.

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Ingo Zöllich

PREDIGT ZU JESAJA 6,1-8

Liebe Gemeinde!
»Hier bin ich«, sagt Jesaja zu Gott. Zeit für eine Ortsbestimmung.
Wo sind wir hier? Schauen Sie nach vorne. Sie sehen den Altar. Darauf liegt die Heilige Schrift, aufgeschlagen an der Stelle, um die es jetzt geht. Über dem Altar hängt das Kreuz Jesu, des heiligsten Menschen schlechthin. Zuweilen wird am Altar das Heilige Abendmahl gefeiert. Etwas weiter rechts sehen Sie die Kanzel, an der ich jetzt stehe, um Ihnen Gottes heiliges Wort zu verkündigen. Und um Sie herum sehen Sie lauter Menschen, die »Gemeinschaft der Heiligen«, wie man traditionell sagt. Die kommt hier zusammen, an diesem heiligen Ort mit all den heiligen Gegenständen. Wo sind wir also gerade? Kein Zweifel – wir befinden uns in einer Kirche. Einem Ort, an dem wir dem Heiligen begegnen können.
Wo sind wir gerade? Die Frage hat nicht nur eine örtliche, sondern auch eine zeitliche und eine inhaltliche Bedeutung. Wo sind wir gerade? Zeitlich gesehen am dritten und letzten Tag unserer Tagung, also kurz vor ihrem Ende. Es folgt noch der Vortrag von Dr. Rössler,1 dann die Podiumsdiskussion, das Mittagessen, und dann trennen sich unsere Wege schon wieder. Jeder wird sein Leben dann da fortsetzen, wo er sich nun gerade auf seinem Lebensweg befindet.
Und wo sind wir jetzt inhaltlich? Vom Tagungsprogramm her ist dieser Vormittag dem Untertitel der Tagung gewidmet, den »Perspektiven protestantischer Frömmigkeit« oder gerne auch überhaupt christlicher Frömmigkeit. Wir wollen versuchen, das, was wir vom Heiligen gehört haben, auf unser persönliches Leben anzuwenden. Ich hoffe nun, dass Sie da bei mir sind. Dass Sie hier, in dieser Kirche gegen Ende unserer Tagung mit mir der Frage nachgehen: Wo sind wir, und wo sollen wir hin als Christinnen und als Christen?
Hier sind wir also. Man könnte umgekehrt nach Gott fragen: Wo ist Gott gerade? Ja, wo ist Gott gerade? Verstehen wir die Frage örtlich, dann können wir vielleicht antworten: Gott sitzt im Himmel, von wo aus er die Geschicke der Welt lenkt. Dabei ist der Himmel für uns nicht einfach da oben, und wir können ihn mit unseren Längen- und Breitenmaßen nicht bestimmen; er ist jenseits von dieser Welt, so sagen wir. Da also befindet sich Gott, und er betrachtet aus seiner jenseitigen Perspektive das Universum, schaut auf die vielen, vielen Galaxien, auf die Sterne in ihnen, sieht auch die Planeten und von denen ganz besonders die, auf denen Leben herrscht. So wird Gott gerade in diesem Moment seinen Blick auch auf uns richten, die wir hier in diesem heiligen Raum zusammengekommen sind; Gott, der Heilige, der über alle Welt erhaben in dem für uns nicht näher zu bestimmenden Himmel thront. Durch sein Betrachten ist Gott aber nicht einfach nur im Himmel. Er ist zugleich an jedem Ort, den er wahrnimmt. Allgegenwärtig, sagen wir. Überall zugleich und doch jenseits der Welt.
Und im zeitlichen Sinne? Wo ist Gott da gerade? Diese Frage ist schwerer zu beantworten als die nach dem Ort, da Gott doch, für sich genommen, ohne Zeit ist, von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie wir sagen. Er war immer da, er ist und wird ewig sein, ohne Anfang, ohne Ende. Wo ist Gott in diesem Moment, den wir das Jetzt nennen, also eben gerade jetzt, in dieser Sekunde? Rettet er noch, was gestern war? Prägt er schon, was morgen wird? Kann er, aus seiner Ewigkeit heraus, jetzt sein?
Inhaltlich ist die Frage dann nochmal spannender. Wo ist Gott gerade, womit ist er gerade beschäftigt? Da weint in Indonesien ein Mann, weil er durch das Seebeben vor gut zwei Wochen seine Mutter verloren hat und immer noch nicht weiß, wie er in den Trümmern seines Hauses weiterkommen soll. Da sitzen im Flüchtlingslager vor Idlib Frauen in provisorischen Zelten und hoffen, dass der Militärschlag nun wirklich ausbleibt. Da überlegt ein Mann in Bayern, ob er heute durch ein Kreuz an falscher Stelle nicht mal richtig Frust ablassen soll. Und am Horn von Afrika blickt ein Bauer auf sein vertrocknetes Feld und fragt sich, wie dort je wieder etwas wachsen soll. Es ist ja so viel, womit Gott sich beschäftigen muss, er muss Trauernde trösten, Menschen mit Rachegedanken zurechtbringen, Helferinnen und Helfer ermutigen. Ganz abgesehen davon, dass er vielleicht auch noch mit Sachen beschäftigt ist, die wir uns gar nicht vorstellen können, in fernen Welten, auf anderen Planeten. Ist Gott inhaltlich jetzt auch hier in dieser Kirche bei uns? Wie ist Gott überhaupt da, wenn er da ist?
Betrachten wir dazu den Bericht des Jesaja, wie er Gott, dem Heiligen, begegnet ist. Jesaja befindet sich, zeitlich gesehen, »in dem Jahr, als der König Usija starb«, schreibt er. 52 Jahre hat Usija in Juda regiert, heißt es im 2. Buch der Könige, eine sehr lange Zeit also; Jesaja hatte vermutlich bisher keinen anderen König erlebt. Nun stirbt dieser König, ein neuer wird kommen, da befindet sich das Land im Umbruch, manches wird sich ändern. Mit dieser Begegnung wird sich auch für Jesaja selbst manches ändern. Aber das merkt er erst später.
Wo befindet sich Jesaja hier, örtlich verstanden? Das herauszufinden, dazu ist etwas Detektivarbeit im Text nötig. Jesaja beschreibt, was er sieht: Gott selbst sieht er, schreibt er, und um ihn herum sieht er Serafim, Engel mit sechs Flügeln, und dann hört er die Engel ihr »Heilig, heilig, heilig« singen und schließlich hört er auch noch Gott selbst – das alles spricht dafür, dass Jesaja sich hier direkt im Himmel befindet. Aber Jesaja nennt auch einige sehr irdische Dinge, einen Thron, einen Saum, Schwellen und Rauch, und dann verrät er, ganz unscheinbar zwischen all den Herrlichkeiten Gottes versteckt, wo er ist: im Tempel nämlich, im Tempel zu Jerusalem. In dem Jahr, als der König Usija starb, geht Jesaja in den Tempel, und hier verbinden sich für ihn Erde und Himmel.
Was dabei inhaltlich in Jesaja vorgeht, das war eine helle Freude für Rudolf Otto; es bestätigte seine Thesen vom Heiligen und Numinosen und wie es den Menschen trifft. Zunächst staunt Jesaja: »Ich sah den HERRN sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel«; er staunt über den Gesang der Engel: »Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.« Jesaja ist fasziniert über das göttliche Schauspiel. Doch dann beben die Schwellen, man spürt förmlich das Tremendum, und Jesaja ruft: »Weh mir, ich vergehe!« Faszinierend und erschreckend, als Mysterium fascinans et tremendum, so trifft das Heilige ihn. Inhaltlich ist Jesaja ganz bei Gott.
Ist Gott auch bei Jesaja? Jesaja beschreibt ja hier bloß, was er sieht und hört, Gott bleibt reine Schau, reiner Klang. Er sitzt auf seinem Thron und scheint dabei weder die Engel noch Jesaja wirklich wahrzunehmen. Ganz unvermittelt erhebt Gott seine Stimme, spricht ins Allgemeine, offen in den Raum hinein: »Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein?« Merkwürdig distanziert scheint Gott; seine Stimme erfüllt das All, gilt niemandem konkret. Aber jetzt trifft sie jemanden. Jetzt hört sie jemand. Und dadurch kommen Jesaja und Gott endlich zur selben Sache.
Jesaja merkt nämlich, dass der Ruf, den Gott durchs All schickt, ihm gilt. »Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein?« – »Der meint mich«, denkt Jesaja und sagt: »Hier bin ich, sende mich.« Damit kommt Gott aus seiner allumfassenden Allgegenwärtigkeit heraus und wendet sich ihm zu, Jesaja, einem an und für sich völlig unbedeutenden unter seinen Myriaden von Geschöpfen. Jesaja und Gott sind jetzt auch inhaltlich beieinander, bei einander im wahrsten Sinne des Wortes: Jesaja ist bei Gott, und Gott ist bei Jesaja.
Und wir, jetzt und hier? Ich gebe zu, so perfekt wie im Jerusalemer Tempel inszenieren wir das Heilige in unseren evangelischen Gottesdiensten nicht. In dieser Kapelle steht nichts groß Geheimnisvolles, kein Allerheiligstes mit einem Saum davor, kein Rauch, der vielleicht die Sinne des Jesaja etwas benebelt haben mag. Sondern hier stehen klare Symbole, bei denen vor allem klar ist, dass es Symbole sind und nicht das Heilige selbst. Keiner fühlt sich hier im Himmel.
So wirkt Gott hier distanzierter als im Jerusalemer Tempel. Ich meine: Das ist auch realistischer. Denn Gott ist ja nie so da, wie ein Mensch da ist oder ein Gegenstand. Er ist allgemein überall, hier etwas konkreter in den Symbolen, in der Bibel, in unseren Liedern, in meinen Worten hoffentlich auch und in Ihren Gedanken. In alledem bleibt er erstmal distanziert. Aber gerade dadurch, durch Symbole und Worte, trifft er uns. Durch Symbole und Worte wird Gott konkret für uns.
Deshalb braucht es Orte wie diese Kapelle, in denen mit Symbolen das Heilige inszeniert wird. Es braucht Zeiten wie diesen Gottesdienst, in denen man sich für das Heilige öffnet. Es braucht heilige Orte und Zeiten, an denen wir immer wieder unseren Ort bestimmen, um inhaltlich mit dem Heiligen in eins zu kommen. Der Ruf Gottes gilt mir! Hier bin ich, Gott, sende du mich!
Wozu sendet Gott einen? Gleich nach dem Predigttext können wir lesen, wozu Gott Jesaja sendet. Da schimpft Gott zunächst über das Volk und wie es sich verhält, und dann beauftragt er Jesaja, es an seine Gebote zu erinnern. Menschen an Gottes Gebot zu erinnern, das ist wohl ganz allgemein der Inhalt von Gottes Sendung. Jesaja erfuhr dann im Laufe seines Prophetseins, was er jeweils konkret sagen und tun sollte. Aber was heißt das für uns? Wozu sendet Gott uns konkret?
Ich denke, das wird schon klar, wenn wir beginnen wie Jesaja. »Hier bin ich.« Deshalb nochmal eine Ortsbestimmung. Dass wir immer wieder einmal unseren Ort bestimmen, das möchte ich Ihnen heute für Ihre Frömmigkeit nahelegen. Wo stehe ich in meinem Leben? Was ist mir möglich? Und für uns als Gesellschaft, als Christenheit insgesamt: Wo stehen wir? Schon während der Ortsbestimmung ergreift uns doch das Faszinierende ebenso wie das Erschütternde. Wie schön die Welt ist, in der wir leben! Was uns alles an Gutem begegnet! Was wir inzwischen alles können: einst unheilbare Krankheiten heilen, von fast jedem Ort auf der Welt aus mit fast jedem anderen Ort kommunizieren, Menschen zum Mars fliegen lassen … Doch unter was für ein Volk sind wir zugleich geworfen? Ein »Volk von unreinen Lippen«! Erschütternd, wie überzeugend man heute die Wahrheit verdrehen kann. Und zittern lässt, was uns möglich ist: Atombomben werfen etwa, oder das menschliche Erbgut verändern. Hier sind wir, Gott. Sende du uns.
Viele Gemeinden in den USA und in England, aber auch auf den Philippinen und anderswo, haben diese Antwort fest in ihre Inszenierung des Heiligen eingebaut. Jeder Gottesdienst endet wie bei uns mit Sendung und Segen. Doch in diesen Gemeinden hören die Gläubigen die Sendung nicht nur, sie antworten auch darauf, oft mit dem Lied »Here I am, Lord«2, »Hier bin ich, Herr«. Einige Worte aus dem Lied möchte ich nun zum Schluss zitieren. Da sagt Gott zunächst:
»I, the Lord of sea and sky,
I have heard my people cry.
All who dwell in dark and sin,
My hand will save.
I, who made the stars of night,
I will ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Wolfgang Pfüller: Rudolf Otto: Das Heilige - Konzeption und bleibende Anliegen eines theologischen Klassikers
  7. Jörg Lauster: Religion als Erfahrung des Heiligen - Religion bei Rudolf Otto
  8. Werner Zager: Die Unterscheidung von heilig und profan im Alten Testament und deren Aufhebung im frühen Christentum
  9. Michael Großmann: Vom »heiligen Jenseits« zum »heiligen Diesseits« - Was Menschen heute heilig ist
  10. Hans-Ulrich Gehring: Die Erfahrung des Heiligen und die Ästhetik des Kinos
  11. Andreas Rössler: Die Heiligkeit Gottes und die Heiligkeit des Lebens - Perspektiven liberaler Theologie und Frömmigkeit
  12. Ingo Zöllich: Predigt zu Jesaja 6,1-8
  13. Personenregister
  14. Autorenverzeichnis
  15. Endnoten