Leonardos Geheimnis
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Leonardos Geheimnis

Die Biographie eines Universalgenies

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Leonardos Geheimnis

Die Biographie eines Universalgenies

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Leonardo da Vinci gilt als das Urbild des Universalgenies der Renaissance, als der große Magier, der erste Naturwissenschaftler, der geniale Künstler. Er war eine Ausnahmeerscheinung in einer Zeit voller Ausnahmeerscheinungen. Und Leonardos Leben bleibt wie das Lächeln der Mona Lisa geheimnisvoll. Es entzieht sich, wenn man sich ihm nähern will. Also muss man neue Wege wählen, um ihm nachzuspüren. Der Renaissance-Experte Klaus-Rüdiger Mai folgt dem Universalgenie auf bisher unbekannten Wegen. Er entdeckt einen Menschen, der wie wenige andere für seine Zeit steht und doch seiner Zeit weit voraus war.Im Florenz der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgewachsen, beeinflusst Leonardo da Vinci der ungeheure geistige, philosophische, künstlerische und technische Aufschwung, den die Stadt erlebt. Obwohl mit den Mitgliedern der Platonischen Akademie verbandelt, schlägt Leonardo einen anderen, neuen Weg des Denkens und Forschens ein. Er will der Natur ihre Geheimnisse entlocken. Er überwindet den Neuplatonismus der Renaissance und wird, wenn man so will, zum ersten modernen Naturforscher Europas.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783374057863

KAPITEL 2:

MAILAND (1482–1499)

10. Bei Hofe

Für Leonardo stand inzwischen fest, dass die Art seines Arbeitens und die Vielzahl seiner Interessen nicht mit der Florentinischen Auftragsarbeit zusammenpassten. Denn was er benötigte, waren Zeit, eine weitgehende Unabhängigkeit von Lieferterminen und die finanzielle Absicherung seiner zeitraubenden Forschungen.
In einem Gedicht, das der Dichter Bernardo Bellincioni Lorenzo de’ Medicis Mutter Lucrezia Tornabuoni widmete, nannte er den Humanisten und Freund Lorenzos Piero da San Miniato, Bernardo Rucellai, Leonardo und sich selbst in einem Atemzug und deutete an, dass sie in Fiesole eine Übereinkunft geschlossen hätten. Es scheint, als habe man für Leonardo nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation gesucht. Dem Künstler und Forscher musste ein neuer Wirkungskreis erschlossen werden, und nach Lage der Dinge benötigte Leonardo eine Anstellung als Hofkünstler an einem glänzenden und reichen Hof mit einem freigiebigen Fürsten als Mäzen, der seinem Künstler die notwendige Freiheit ließ. Man muss sich ins Gedächtnis rufen, dass Lorenzo de’ Medici zwar über Florenz herrschte und dort die Künste und die Wissenschaft förderte. Doch er hielt sich keinen Hof, an dem Künstler mit einem Jahressalär angestellt worden wären, sondern sie wurden nach Beauftragung bezahlt. Das Patronagesystem eines Fürstenhofes gewährte einem Künstler hingegen größere Freiheit, weil er sich relativ unabhängig von der Auftragslage seinem Schaffen widmen durfte.
Zur Auswahl standen der Hof des Papstes in Rom, der Hof der Gonzaga in Mantua, der Hof der Este in Ferrara und Ludovico Sforzas Hof in Mailand. Rom kam aus mehreren Gründen nicht in Frage, zumal ja im Vatikan auf Empfehlung Lorenzos gerade eine Gruppe der besten Maler aus Florenz arbeitete. Aber auch in Mantua und in Ferrara würden sich die Dinge eher schwierig gestalten. Ganz anders sah es in Mailand aus. Der Hof der Sforzas hatte sich zum Treffpunkt von Künstlern, Philosophen, Schriftstellern und Wissenschaftlern entwickelt und leuchtete weit über die Lombardei hinaus. Als Leonardo in die Stadt einfuhr oder einritt – er galt als hervorragender Reiter –, dienten dort Donato Bramante, der später als Architekt am Neubau des Petersdomes wirken sollte, als erster Baumeister und der Florentiner Ambrogio di Predis als Hofmaler für »il Moro«.
Donato stammte aus der kleinen Stadt Fermignano und hatte seine Lehre zum Baumeister und Maler an dem bedeutenden, aber immer ein wenig unterschätzten Renaissancehof in Urbino in den Marken absolviert. Der Herr von Urbino, Federigo da Montefeltro, presste das Geld für seinen prachtvollen Palazzo Ducale und für sein Mäzenatentum nicht seinen Untertanen ab, sondern verdiente es, indem er als Condottiere, als Söldnerführer, tätig war. Zeitweilig stand er in Diensten der Arnostadt, später im Dienst des Papstes. Federigo hatte seine Residenz in Urbino zu einem Musenhof gemacht. Dort erlebte der junge Donato den Niederländer Paolo da Middelburg, der auch Federigos Astrologe war und mit Marsilio Ficino in Verbindung stand, den deutschen Mathematiker Jacob von Speyer, Leon Battista Alberti und Francesco di Giorgio. Bei Piero della Francesca ging er in die Lehre und womöglich lernte er Luca Pacioli hier kennen.155 Ambrogio di Predis entstammte einer Florentiner Malerfamilie und betrieb mit seinem Bruder Evangelista eine gutgehende Bottega im Mailänder Pfarrsprengel San Vincenzo in Prato intus, also innerhalb der Stadtmauern. Obwohl man einen wachsenden Markt bediente, befanden sich die Predis in einem harten Konkurrenzkampf, denn außer Donato Bramante, der auch als Maler tätig war, arbeiteten in Mailand so hervorragende Meister wie Vincenzo Foppa, der aus Padua stammte. Er vertrat eher den venezianischen Stil und erinnerte an Bellini; beeinflusst wurde er immer stärker von Andrea Mantegna. Vincenzo Foppas Vormachtstellung auf dem Mailänder Markt ging so weit, dass er die Mailänder Schule gründete – den Mailänder Stil, der erst durch Leonardos Wirken an Bedeutung verlor. Er hatte einen wunderschönen und berührenden lesenden Cicero als Kind gemalt: vielleicht ein Kinderporträt von Gian Galleazo Sforza, dem unter Kuratel gehaltenen Neffen von il Moro. Auch Ambrogio di Predis porträtierte Gian Galleazo, dessen Leben kürzer als sein Name sein sollte, denn er verstarb im Alter von 25 Jahren möglicherweise an einer Vergiftung, wie manche glaubten. Doch auch ein Ambrogio da Fossano, genannt il Bergognone, schuf beachtliche Bilder in Mailand, zum Beispiel das Kuppelfresco für die Kirche San Simpliciano und für die Basilika von Sant Ambrogio einen beeindruckenden auferstandenen Christus. Und da war auch Bernardo Zenale, der gemeinsam mit Bernardino Butinone, mit dem er häufig kooperierte, das Leben des heiligen Ambrosius in der Kirche San Pietro in Gessate freskierte. Um sich gegen diese Konkurrenz durchzusetzen, konnten di Predis einen so talentierter Maler wie Leonardo – mit allerdings etwas derangierten Ruf – nur ausgesprochen willkommen gewesen sein.
Mit seinen ca. 120 000 Einwohnern war Mailand dreimal so groß wie Florenz. Ludovico il Moro Sforza, der Herr der Lombardei, spürte die Begehrlichkeiten des französischen Königs im Nacken. Letzterer glaubte ein Anrecht auf Mailand zu haben, weil der letzte Visconti-Herrscher seine Tochter mit einem Spross der Orleans verheiratet hatte, einer Seitenlinie des französischen Königshauses. Zudem drohte ein Krieg mit Venedig. Ein außergewöhnlicher und erfindungsreicher Militäringenieur dürfte dem Herrscher mithin willkommen gewesen sein. Auch leistete sich die Geschichte eine ihrer zahllosen Ironien: Leonardos Lehrmeister Andrea del Verrocchio war 1481 nach Venedig gegangen, um für die Serenissima ein großes Reiterstandbild des Heerführers Bartolomeo Colleoni als Machtdemonstration der Lagunenrepublik zu schaffen, und Leonardo hoffte auf einen ähnlichen Auftrag mit gleichem Ziel in Mailand. Als Vorbild diente sowohl für Leonardo wie auch für Andrea das Reiterstandbild des Gattamala in Padua, das Andreas Lehrer Donatello zwischen 1447 und 1453 geschaffen hatte. Sollten etwa Andrea und Leonardo, Lehrer und Schüler, in einer Art Propagandakrieg die Machtsymbole der verfeindeten Kräfte schaffen? Es war bekannt, dass il Moro, dessen nur allzu junge Dynastie der Reputation bedurfte, sich mit dem Gedanken trug, ein Reiterstandbild zu Ehren seines Vaters Francesco Sforza, der 1450 die Herrschaft über Mailand errungen hatte, in Auftrag zu geben.
Nach dem Tod des letzten Visconti-Herrschers, den Francesco Sforza mit seiner vom Vater geerbten Söldnertruppe in einem früheren Krieg gegen Venedig unterstützt hatte, wurde in Mailand die Ambrosianische Republik ausgerufen, die Francesco Sforza jedoch nicht ernst nahm. Am 25. März 1450 zog er im Triumphzug in Mailand ein und versetzte der Republik damit den Todesstoß. Er ging mit Cosimo de’ Medici ein sehr enges Bündnis ein und seine Herrschaft wurde im Frieden von Lodi 1454 von Venedig und anderen Herrschern in Italien anerkannt. Francescos Sohn Galeazzo Maria folgte ihm in der Herrschaft, dessen Bruder Ascanio Sforza wurde Kardinal in Rom und Ludovico wartete noch auf seine Stunde. Die brach an, als Galeazzo Maria bereits 1476 in einem Hagel aus Messerstichen starb. Manche vermuten auch, dass er von seinem Bruder Ludovico vergiftet wurde. Für dessen siebenjährigen Sohn übernahm Ludovico nun die Regentschaft.
Leonardo jedenfalls war fest entschlossen, an Ludovicos glanzvollem Hof Karriere zu machen. Wie man es auch betrachtet, Mailand scheint als neue Wirkungsstätte für Leonardo ideal gewesen zu sein. Das alles weist darauf hin, dass jenes Einverständnis – der Plan, auf den Bellincioni in seinem Gedicht anspielte – durchaus darin bestanden haben könnte, Leonardo bei Hof in Mailand einzuführen. Denn schließlich erwies es sich als notwendig, Leonardo einen neuen Wirkungskreis zu erschließen. Der Vierte im Bunde, Bellincioni selbst, sollte übrigens 1485 ebenfalls nach Mailand kommen, nachdem er sich 1483 erst einmal nach Mantua an den Hof der Gonzagas begeben hatte.
Die Umstände erwiesen sich als sehr günstig. Nicht nur, dass in Mailand für einen wie Leonardo Bedarf bestand und dass mit der Werkstatt der de Predis ein Ableger der Florentiner Bottega in der lombardischen Metropole Fuß gefasst hatte, sondern am 10. Dezember 1481 wurde auch Bernardo Ruccelai gemeinsam mit Pierfrancesco San Miniato zum Gesandten der Arnostadt ernannt. Mitten im Winter, am 7. Februar 1482, brach Bernardo Ruccelai mit Pierfrancesco von Florenz nach Mailand auf. Höchstwahrscheinlich befand sich Leonardo da Vinci mit dem Musiker Atalante Migliorotti sowie seinem Gehilfen und Freund Tommaso Masini, alias Zoroaster, im Gefolge der Botschafter.156
Drei Wochen dauerte die Reise. Sie war mit Unerquicklichkeiten verbunden, vor allem mit der Übernachtung in Herbergen, die Scharen an Ungeziefern Kost und Logis gewährten. All die Wanzen und Flöhe stürzten sich mit infernalischem Heißhunger auf die Übernachtenden, die sich in den Betten im oft fauligen Stroh wälzten. Manchem machte das nichts aus, doch jemandem wie Leonardo, der peinlich auf Sauberkeit und Hygiene achtete, dürften diese Unterkünfte wie Herbergen des Teufels vorgekommen sein. Aber das Ziel, so hoffte Leonardo, sollte der Anstrengung wert sein.
Am 23. Februar erreichte die Gesandtschaft vom Süden her die Hauptstadt der Lombardei und fand sich mitten in den Lustbarkeiten des Ambrosianischen Karnevals wieder. Man hätte also den Zeitpunkt der Ankunft nicht besser wählen können. Inmitten der Ausgelassenheit, der sich Stadt und Hof in lasziven Verkleidungen, Aufzügen und Festen ganz und gar hingaben, präsentierte sich Leonardo erfolgreich als Musiker und spielte mit seiner Lyra bei Hofe auf. So machte er Ludovico il Moro auf sich aufmerksam, der noch nicht wirklich Herzog war, sondern die Stadt für seinen minderjährigen Neffen so regierte, als ob er es schon wäre.
Sie waren eines Alters, der Herr der Lombardei und der toskanische Maler, beide erblickten sie 1452 das Licht der Welt. Der Annonimo Gaddiano berichtete deshalb vollkommen glaubwürdig über Leonardos Auftritt: »Er war redegewandt und Lyraspieler, was damals selten war, und er war darin der Lehrer von Atalante Migliorotti …«157 Dass Leonardo von Lorenzo in diplomatischer Mission gesandt wurde und deshalb il Moro mit seinem Lyraspiel erfreuen sollte, wie Vasari es annahm, ist wenig wahrscheinlich. Denn der ungekrönte Herrscher von Florenz und der Maler aus dem Städtchen Vinci, der zudem seine Auftraggeber bitter enttäuscht hatte, wie jeder am Arno wusste, pflegten ein distanziertes Verhältnis. Warum sollte Leonardo für die Mailänder Mission, die sehr wichtig war, geeigneter sein als für jene nach Rom, für die il Magnifico ihn nicht ausgewählt hatte? Dass er sich einfach im Gefolge Bernardo Rucellais befand, mit dem ihn einiges verband, wirkt um vieles glaubwürdiger. Dass Vasari, wenn er seine Schlussfolgerung auch zu weit trieb, nicht gänzlich fehlging, übersieht nur derjenige, der dem Maler-Biographen ständig einen intriganten Zug in seiner Darstellung unterstellt. Wo Ungenauigkeit aufgrund der Quellenlage waltet, herrscht noch lange keine böse Absicht. Was durch Vasaris Darstellung durchschimmert, ist vielmehr die Kapitulation vor dem Genie, das mangelnde Verständnis. Mit seiner Ratlosigkeit angesichts von Leonardos Weite und Vielfalt der Themen, mit denen er sich beschäftigte, stand Giorgio Vasari in seiner Zeit nicht allein. So schrieb der feingebildete Baldassare Castiglione, der Freund Raffaels – von dem er auch meisterhaft porträtiert wurde – in seinem Furore machenden Il Libro del Cortegiano (Buch vom Hofmann):
»Einer unter den ersten Malern der Welt verachtet die Kunst, in der er einzigartig ist, und beginnt, Philosophie zu treiben; in ihr hat er so seltsame Begriffe und neuartige Hirngespinste, dass er sie mit seiner ganzen Malerei nicht darzustellen vermöchte.«158
Der Kollege und Konkurrent Filippino Lippi, der uneheliche Sohn des Maler-Mönches Fra Filippo Lippi – der einstmals als Waise ins Kloster kam und es nicht mehr verließ, außer um Filippino zu zeugen – übernahm nun den Auftrag, für die Mönche von San Donato in Scopeto das Altarbild mit der Anbetung der Könige zu malen. Es wurde ein sehr schönes Bild, doch wenn man Leonardos Entwurf kennt, dann lieferte Filippino im Vergleich dazu eine Arbeit ab, die nicht ohne konventionelle Langeweile war; auch die drei Weisen vertraten wie gewohnt verschiedene Altersstufen. Hin und wieder wurde insinuiert, dass Filippino den Auftrag für die Bernhardstafel ebenfalls übernommen hätte, doch Filippino malte Die Vision des Heiligen Bernhard von Clairvaux im Auftrag des Tuchhändlers Francesco del Pugliese für die Chiesa della Badia und nicht für den Palazzo Vecchio. Auch Pietro Perugino schuf in diesen Jahren eine Vision des Heiligen Bernhard von Clairvaux im Auftrag von Bernardo und Filippo di Luttozzo Nasi für die Familienkapelle in der Kirche Santa Maria Maddalena di Castello. Beide ähnelten Leonardos Arbeiten im Umgang mit der zentralperspektivischen Konstruktion und in den Handgesten, besonders dem Zeigegestus der Maria, wenngleich sie sich nicht aus dem Konventionellen zu befreien vermochten und ihnen Leonardos Virtuosität und halsbrecherische Gewagtheit abgingen.
Ob ein Wagen mit den Habseligkeiten des Malers ihm hinterherpolterte oder ob er später folgte, wird wohl nie zu klären sein. Aber eine von den vielen Listen, die Leonardo verfasste und sicher verwahrte, illustriert, was er unter anderem von Florenz nach Mailand mitführte:
»Viele nach der Natur gemalte Blumen
Ein Lockenkopf von vorne
Einige heilige Hieronymusse
Die Maße einer Figur
Zeichnungen zu Öfchen (unter dem Brennkolben)
Ein Kopf des Herzogs
Viele Zeichnungen von Gruppen
4 Zeichnungen der Tafel von Santo Angiolo
Eine Geschichte des Hieronymus von Figline
Ein Christuskopf, mit der Feder gezeichnet
8 hl. Sebastiane
Viele Kompositionen von Engeln
Ein Chalcedon
Ein Kopf im Profil mit schöner Haartracht
Bestimmte Körper perspektivisch
Bestimmte Instrumente für Schiffe
Bestimmte Wassergeräte
Ein Kopf, Portrait des Atalante, der sein Gesicht nach
oben wandte
Die Hieronymusköpfe aus Figline
Der Kopf von Gian Francesco Bosso
Viele Brüste von alten Frauen
Viele Köpfe von alten Männern
Viele ganze Akte
Viele Beine, Arme, Füße in bestimmten Haltungen
Eine vollendete Madonna
Eine andere, fast vollendete, im Profil
Der Kopf einer Madonna, die zum Himmel auffährt
Der Kopf eines alten Mannes mit langem Kinn
Der Kopf einer Zigeunerin
Ein Kopf mit Hut
Reliefzeichnung einer Passionsgeschichte
Ein Mädchenkopf mit zusammengebundenen Zöpfen
Ein Kopf mit einer Haartracht«159
Immer wieder steht die Frage im Raum, wovon Leonardo lebte. Der Vater unterstützte ihn spätestens seit der Geburt der Halbgeschwister nicht mehr. Bei den Mönchen von San Donato musste er borgen und Aufträge führte er nicht aus. Es findet sich in der Tat keine ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Hinweise
  6. Inhaltsverzeichnis
  7. Prolog: Die Entdeckung des Johannes im Bacchus
  8. I. Vinci und Florenz (1452–1482)
  9. II. Mailand (1482–1499)
  10. III. Die zeit der Wirren (1499–1515)
  11. Epilog: Ich, Johannes
  12. Anhang
  13. Endnoten
  14. Literaturverzeichnis
  15. Abbildungsverzeichnis
  16. Personenregister
  17. Bildteil
  18. Über den Autor
  19. Weitere Informationen