Der dritte Kantaten-Jahrgang
Kantaten von Ostern 1725
bis Pfingsten 1727
BWV 249
Kommt, eilet und laufet
Ostersonntag, 1. April 1725, Nikolaikirche / Thomaskirche
1. Sinfonia Trompete I/II (III), Oboe I/II, Streicher
2. Adagio Oboe (Traversflöte), Streicher
3. (Chor) (Sopran/Alt) Tenor/Bass Tutti
Kommt, eilet und laufet, ihr flüchtigen Füße,
Erreichet die Höhle, die Jesum bedeckt!
Lachen und Scherzen
Begleitet die Herzen,
Denn unser Heil ist auferweckt.
4. Rezitativ Alt/Sopran/Tenor/Bass
Maria Magdalena O kalter Männer Sinn!
Wo ist die Liebe hin,
Die ihr dem Heiland schuldig seid?
Maria Jacobi Ein schwaches Weib muss euch beschämen!
Petrus Ach! ein betrübtes Grämen
Johannes Und banges Herzeleid
Petrus/Johannes
Hat mit gesalznen Tränen
Und wehmutsvollem Sehnen
Ihm eine Salbung zugedacht,
Maria Jacobi/Maria Magdalena
Die ihr, wie wir, umsonst gemacht.
5. Arie Sopran Traversflöte (oder Solovioline)
Maria Jacobi Seele, deine Spezereien
Sollen nicht mehr Myrrhen sein.
Denn allein
Mit dem Lorbeerkranze prangen,
Stillt dein ängstliches Verlangen.
6. Rezitativ Tenor/Bass/Alt
Petrus Hier ist die Gruft
Johannes Und hier der Stein,
Der solche zugedeckt;
Wo aber wird mein Heiland sein?
Maria Magdalena
Er ist vom Tode auferweckt!
Wir trafen einen Engel an,
Der hat uns solches kundgetan.
Petrus Hier seh ich mit Vergnügen
Das Schweißtuch abgewickelt liegen.
7. Arie Tenor Blockflöte I/II, Streicher
Petrus Sanfte soll mein Todeskummer
Nur ein Schlummer,
Jesu, durch dein Schweißtuch sein.
Ja, das wird mich dort erfrischen
Und die Zähren meiner Pein
Von den Wangen tröstlich wischen.
8. Rezitativ Sopran/Alt
Maria Jacobi/Maria Magdalena
Indessen seufzen wir
Mit brennender Begier:
Ach, könnt es doch nur bald geschehen,
Den Heiland selbst zu sehen!
9. Arie Alt Oboe d’amore, Streicher
M. Magdalena Saget, saget mir geschwinde,
Saget, wo ich Jesum finde,
Welchen meine Seele liebt!
Komm doch, komm, umfasse mich;
Denn mein Herz ist ohne dich
Ganz verwaiset und betrübt.
10. Rezitativ Bass
Johannes Wir sind erfreut,
Dass unser Jesus wieder lebt,
Und unser Herz,
So erst in Traurigkeit
zerflossen und geschwebt,
Vergisst den Schmerz
Und sinnt auf Freudenlieder;
Denn unser Heiland lebet wieder.
11. Chor Tutti
Preis und Dank
Bleibe, Herr, Dein Lobgesang.
Höll’ und Teufel sind bezwungen,
Ihre Pforten sind zerstört.
Jauchzet, ihr erlösten Zungen,
Dass man es im Himmel hört.
Eröffnet, ihr Himmel,
die prächtigen Bogen,
Der Löwe von Juda
kommt siegend gezogen!
Sehr festlich und umfänglich ist die »Music« zu Bachs zweitem Leipziger Osterfest 1725. Wieder einmal »recycelt« er eine höfische Geburtstagsmusik. Anders als bei den Oster- und Pfingstkantaten im Vorjahr (BWV 66, 134, 173, 184) nimmt er nicht eine Köthener Vorlage, sondern die nur wenige Wochen zuvor, am 23. Februar aufgeführte Festmusik zum 44. Geburtstag des Weißenfelser Herzogs Christian, wozu erstmals Picander als bekannter Gelegenheitsdichter ein Libretto für Bach geliefert hat. Die kantatenfreie Fastenzeit und (modifizierte) Wiederaufführung der Johannes-Passion am Karfreitag ließ Bach Freiraum, um die alte Beziehung nach Weißenfels aufzuwärmen und sich mit einer prächtigen Geburtstagsmusik ins Gespräch zu bringen, nachdem der dortige Kapellmeister Johann Philipp Krieger (1649–1725) am 6. Februar verstorben war. Bei einem ähnlichen Gastspiel vier Jahre später wird Bach dann den Titel Hofkapellmeister erhalten.
Da Picander das Libretto publiziert hat, lässt sich die Musik als »Dramma per musica« identifizieren, zeittypisch als »Schäfergespräch« konzipiert. Es agieren zwei (in der griechischen Mythologie benannte) Schäfer und zwei Schäferinnen, die sich voller Vorfreude auf den Weg zum Fürstengeburtstag machen. Die Frauen suchen (im Februar!) Blumen für den fälligen Kranz. So bittet eine von ihnen die zuständige Göttin Flora um Westwind zu deren Gedeihen. Einer der Männer meint aber: »Was wird sich unser großer Fürst besonders an die Blumen kehren?« Aufrichtige Glückwünsche würden mehr zählen und das Blumenproblem erübrigen. Diese bringt am Ende ein Vivat-Chor der vier Protagonisten »mit untermischtem Pauken-Klang«, also Trompetteria, nachdem das Werk mit einem Duett nur der Männer begonnen hat.
Bachs Osterversion folgt der Vorlage genau in der Arien-Abfolge mit Stimm- und Rollenzuweisungen. Aus den Osterevangelien – in der Zusammenschau der von J. Bugenhagen erstellten »Harmonie« aller Evangelien, vertont auch von H. Schütz in der Auferstehungshistorie und Grundlage populärer Osterspiele – lassen sich analog zu den vier Schäfer/innen zwei Männer- und zwei Frauenrollen gewinnen. Die Stimmen von 1725 sind mit Johannes (Bass), Petrus (Tenor), Maria Magdalena (Alt) und Maria Jacobi (Sopran) bezeichnet. Anders als am Weißenfelser Hof wurden die Frauenrollen in der Kirche von männlichen Sängern übernommen. Die Rezitative hat Bach neu komponiert. Wie in der Vorlage sind sie aber Gespräche bzw. Reden der Akteure in der Konstellation fast identisch: Vierergespräch beim ersten, Dialog beim zweiten, Bass-Einzelrede beim letzten. So wird auch die Ostermusik zum »Dramma« und spiegelt die Praxis von Osterspielen, die den Besuch der Frauen und Jünger am leeren Grab in Szene setzten. Wohl 1738 erst hat Bach das Werk als Partitur ausgeschrieben. Er nennt es »Oratorio«, verzichtet jetzt auf die Rollenbenennung. Anders als bei den »Oratorien« zu Christfest und Himmelfahrt fehlt aber der Bibelwort rezitierende Evangelist. Die letzte Umarbeitung erfolgte zu einer Aufführung wohl 1745. Jetzt erst erweitert Bach den ersten Vokalsatz zum »Chor« mit vier Vokalpartien und schreibt die Singstimmen mit weiteren Änderungen neu aus. Von einer Aufführung 1749 stammt die Stimme für die dritte Trompete, wie sie seit 1738 in der Partitur steht, bei der Weißenfelser wie Leipziger Erstfassung aber wohl nicht erklang. Trotz der Verwandlung zur Ostermusik hat auch die ...