Wenn der Himmel die Erde heute küsst …
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Wenn der Himmel die Erde heute küsst …

Geschichten zur Weihnachtszeit

  1. 120 Seiten
  2. German
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Wenn der Himmel die Erde heute küsst …

Geschichten zur Weihnachtszeit

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Über dieses Buch

Wenn der Himmel die Erde anrührt, dann kann so manches geschehen. Ein Kind wird geboren und alle Jahre wieder darf das Herz aufleben. Ein Kind verändert die Herzen der Menschen. Und das Licht, das sie auf diese Weise empfangen, geben sie weiter. Zögernd, fröhlich, liebevoll … Weihnachten gestehen auch wir Europäer es uns zu verrückt, verträumt, romantisch und ganz anders zu sein. Weihnachten ist ein Fest mit Herz. Autoren aus Deutschland spiegeln sich und unsere Welt in der alten, aber nie veraltenden Botschaft.Freuen Sie sich über neue Geschichten um Weihnachten von Corinna Antelmann, Christiane Thiel, Imre Törek, Doris Bewernitz, Kerstin Hensel und anderen, zusammengestellt von Bettine Reichelt.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783374046782
CORINNA ANTELMANN

DIE SACHE MIT DER EWIGKEIT

Die Farben waren das Erste, was er bemerkte, als er die Augen aufschlug. Verschiedenfarbige Augen, blau das eine, mit himmelhellem Schimmer, und grün das rechte – ein sattes Grün, das von erfüllten Hoffnungen sprach. Das Licht eines Scheinwerfers streifte die Glastür vor ihm, bevor es abermals sein Spiegelbild zurückwarf: das vertraute Gesicht mit diesen veränderten Augen.
Er beobachtete in der Spiegelung, wie sich ihm eine Frau von hinten näherte, zielstrebig die Klinke fasste, die Tür aufstieß, vor der er doch stand, und hineintrat. Irritiert sah er an sich herunter: keine Knochen, kein Fleisch fanden sich dort, stattdessen ein gähnendes Nichts, durch das die Frau mühelos hatte hindurch gleiten können.
Er schloss die Augen, und als er nach innen horchte, klangen Engelschöre in seinem linken Ohr, jenes, das dem hellblauen Auge (und dem Herzen) am nächsten stand, ein leichter Gesang, so leicht, wie er sich selbst nie erlebt hatte vor seinem Tode, ja, Tode, und wie sehr er sich dagegen auch zu sträuben versuchte, wusste er plötzlich, was er fortan sein würde: ein Engel. Und trotz seiner Körperlosigkeit knickten ihm die Knie ein, und die Stimmen schwollen an, ohne Harfengeplänkel, reine Stimmen, ätherisch, wie er zu Lebzeiten gehöhnt hätte. Über alles hatte er gehöhnt, seit er sich nach der Scheidung für den Zynismus entschieden hatte und der Hoffnung abgeschworen, die nun so satt und grün in seinem Auge blitzte.
Ein Engel. Ausgerechnet er.
Er folgte der Frau, und ihr weißer Herbstmantel rief erneut das Bild des Chores in ihm wach: fünfhundert Engel, wie sie dort schwebten und sangen. Bereits wenige Augenblicke nach seinem Tod, das Krachen des Unfalls noch im Inneren seiner Ohren, hatte er sich zu ihnen gesellt, und das betäubende Geräusch war nur zögernd hinter den Engelszungen verblasst. Und erst jetzt wunderte er sich nicht länger über die sonderbaren Farben seiner Augen, nicht über den Unfall, den er in gewisser Weise überlebt zu haben schien, und auch die überraschende Rückkehr auf die Erde verwunderte ihn nicht annähernd so wie die Tatsache, dass ihm ein Spiegelbild gegeben ward, das ihm, und nur ihm, für den Moment der Reflektion seine Gestalt schenkte, aber woher hatte er auch wissen sollen, wie die Gesetze der Engel funktionierten?
Er folgte der Frau weiter, in den Zuschauersaal hinein, wo er sich neben sie auf einen der unbequemen Stühle setzte, aber ohne Rückgrat, ohne Muskulatur und Nervenbahnen, konnten ihn die geschundenen Steißbeine der anderen lediglich zum Lachen bringen. Er schielte auf das Datum der Armbanduhr, die sich um das zarte Handgelenk zu seiner Linken schlängelte und erkannte: drei Tage musste er nun tot sein. Das konnte ja heiter werden, und um ihn herum all diese Frauen, was machten die einen Tag vor Heiligabend bloß im Planetarium? Er studierte ihre Gesichter, als sich zwischen sie und ihn plötzlich dieses eine Gesicht schob: Clara. Clara, wie sie lachte und weinte und flüsterte und liebte und ihn anschrie, nie wieder wolle sie ihn sehen, allein Oskar zuliebe. Ach, wenn sie gewusst hätte, wie sehr er ihn später geliebt und vermisst hatte, seinen Sohn.
Wenn er es gewusst hätte.
Und plötzlich geschah, was er in den letzten Jahren seines Lebens vergeblich erhofft und heimlich gewünscht hatte: Er verspürte Sehnsucht. Sehnsucht nach seiner geliebten Frau, die nach Mango duftete, bevor sie ihn unsanft aus ihrem Leben gestoßen hatte, und Sehnsucht nach Oskar. Es stimmte, das Kind war ihm zu viel geworden, war es immer gewesen: Parasit im Körper der okkupierten Frau, Säugling, der einem zu keiner Zeit Ruhe ließ, auch ihr nicht, schreiendes Baby, Kleinkind. Acht müsste es jetzt sein. Gleich nach der Geburt hatte ihn bereits die Frage gequält, wie lange es wohl dauern werde, bis dieses Geschrei ein Ende nehmen und dieses Kind endlich erwachsen sein würde, um dem elterlichen Haus den Rücken zu kehren, auf dass wieder Friede einkehre in die zersplitterte Ehe.
Eine Ewigkeit, so war es ihm damals erschienen.
Die Frage, was ihm Ewigkeit bedeuten könne, nun, in diesem Zustand als Engel, drang unsanft an die Oberfläche seines Bewusstseins, hämmerte gegen die Membranen seines Verstandes und trieb ihm den Schweiß auf die abwesende Haut. Das also passierte auch den Ätherischen, plötzliches Schwitzen. Er grinste, doch dass ihn niemand sehen konnte, verleidete ihm die Häme. Kein Publikum, nicht einer, der sich umdrehte und Buh, was für ein widerlicher Gestank nach sardinensaurem Schweiß flüsterte, und er wusste in diesem Augenblick, dass fortan er derjenige sein würde, der zuschaute und wusste auch: Sein Schweiß roch nicht. Er ertastete seine Achseln, nichts, keine verschämte Feuchtigkeit, kein stechender Geruch an den Fingerkuppen, als er sie zu den Nasenlöchern vorschob und leicht an den nicht-vorhandenen Öffnungen rieb. Kein Schweiß und kein Tod, aber auch kein Leben.
Was hieß das: Unendlichkeit? Wie lange hatte er Zeit?
Die Einsamkeit, die bereits zu Lebzeiten an ihm genagt und sich schließlich in sein Herz gebissen hatte, kehrte schlagartig zurück. Und einsam sollte es nun für immer weitergehen?
Clara, Liebste, ich habe versucht, mich zu versöhnen und dir meine Einsamkeit hinter dem zynischen Gerede zu zeigen. Der bissige Humor, seine Zähne verwandt mit denen der Einsamkeit, er wird mich in Zukunft nicht länger schützen können, oh nein. Es war der vierte Advent, als du zu mir kamst. An diesem Abend wollte ich dir zeigen, was ich empfinde für dich, aber dann konnte ich es nicht ertragen: deinen Anblick, deine Stimme, alles was du mir erzähltest über mich, den abwesenden Vater, über Oskar, unseren Sohn. Also hörte ich auf, die Gläser Wein zu zählen, der Alkohol machte mich munterer, mein Gott, ich schwieg und bot stattdessen an, dich nach Hause zu fahren. Nun habe ich dir neben den Schmerzen auch den Tod gebracht.
Das wollte ich nicht, das bestimmt nicht.
Und er schlug die Hände vor seine Augen. Die Tränen brachten keine Feuchtigkeit hervor und nicht einer, der hätte Mitleid bezeugen können, so unsichtbar, so unendlich. Er schluchzte, doch nicht einmal eine Stimme war ihm gegeben worden. Von wem auch? Dem allmächtigen Chorleiter? Niemand da, niemand, der ihn hörte, selbst dann nicht, wenn er sang. Was sollte er nur machen? Wie würde es weitergehen?
Verzweifelt dachte er, dass es doch etwas geben müsse, eine Bestimmung, eine Aufgabe, als sich ihm unangekündigt eine Frau auf den Schoß setzte, nein, sie sank durch ihn hindurch in die Tiefen der samtenen Polster, nicht ahnend, wie sehr sie ihn dadurch demütigte, den Engel. Es würde dauern, bis er sich daran gewöhnte.
Alles würde dauern in der ewiglichen Zeit, die vor ihm lag.
Wo aber kann ein Engel Trost finden? – In den Sternen, vermutete er, und in eben diesem Moment startete die Vorführung, der Raum wurde dunkel, der Mond schlich an der Kuppel empor und erinnerte ihn an seine langen Abende, je länger, je einsamer, an denen er die Nacht zum Tag gemacht hatte, in der zugigen Ecke seiner Stammkneipe. Das erste Glas Rotwein wich schnell dem zweiten, dem dritten, dem vierten, bis er den Sternen zugeprostet hatte, die in der Stadt so selten zu sehen waren, hier hingegen umso klarer. Doch kaum versank er in die Betrachtung die Kreuze des Südens und wie sie alle hießen, ein Engel wusste nicht mehr davon als ein Sterblicher, da zeigten sich ihm verworrene Bilder eines Jungen, die zumindest soviel erahnen ließen, dass der Junge sich in Gefahr befinden musste, womöglich in Todesgefahr.
Er drehte sich um, bemüht, die Reaktionen der anderen zu erheischen, aber nur ihm allein schien sie zu erscheinen, die Erscheinung; vielleicht, dass dies die Bestimmung war, die seinem Tod, der noch kein endgültiger zu sein schien, einen Sinn verleihen würde.
Die Bilder des Jungen waberten durch das Planetarium, und er erkannte seinen Sohn, dem er nur ein-, zweimal in den letzten Jahren begegnet war. Ja, Clara, ich habe mich nicht gekümmert um ihn, aber weißt du es nicht? Ich war selbst noch ein Kind, bin es noch – er stockte. Waren Engel unschuldig wie die Kinder? Was wissen wir von ihnen? Er wusste nichts, trotz seiner Gestalt. Doch eines schien ihm plötzlich gewiss, hier unter den Sternen, künstlich projiziert von einer Lichtmaschine mit soundsoviel Watt: dass er soeben eine Aufgabe erhalten hatte, und jetzt rannte er los, nur los, und, oh Wunder, er rannte nicht, er schwebte, durfte Ton sein, Melodie. Und wie die anderen zuvor durch ihn hindurchgeglitten waren, so war es nun an ihm, durch die Wände hindurchzugleiten, um draußen weiter zu schweben und weiter, als hinge ein Leben daran, wie hastig er von einem Ort zum anderen käme.
Hastiger als erwartet und ohne einen Weg zurückgelegt zu haben.
Er schaute auf, und zum zweiten Male an diesem Tage sah er sein Spiegelbild in einer Glasscheibe, jetzt die eines Fensters. Und waren seine Augen auch noch in diesem Blau und diesem Grün, so erkannte er sich doch sonst nicht wieder: Mit grauem Bart und Doppelkinn trug er einen ihm fremden Körper, als habe er sich fürs Leben kostümiert. Er wunderte sich nur kurz, denn schon kam ihm, ohne dass er danach gesucht hätte, eine Erklärung in den Sinn: er hatte sich eines anderen bemächtigt, den er aus dessen Körper gedrängt haben musste, Verzeihung, Herr, das habe ich nicht gewollt, aber schönen Dank für die Gastfreundschaft und kommen Sie ruhig wieder, wenn es soweit sein wird. Wann, fragen Sie? – Na ja, das weiß ich nicht.
Im Grunde jedoch war ihm dieses bärtige Mondgesicht ohne Namen auch gleichgültig, es war ihm unsympathisch und fremd. Nicht fremd aber schien es den Schülern zu sein, die er nun unterrichtete, sie nahmen ihn mit einer Selbstverständlichkeit, die nur dem Gewohnten zuteilwird. Und erst jetzt bemerkte er, wo er sich befand, in einem schäbigen, von Kreidestaub vernebeltem Klassenzimmer, vor einer Schulklasse, sein eigener Sohn darunter und sein Fach: Naturkundeunterricht. Man schien ihn sehen zu können, doch stärker als das Verlangen, sichtbar zu sein, das ihn am Morgen so heiß erwischt hatte, wog plötzlich die Trauer um das verlorene vertraute Äußere, das er so viele Jahre mit sich herumgetragen, mit dem er geliebt hatte, und für das er geliebt worden war, damals, als er noch an die Liebe hatte glauben können, bevor Clara gegangen war und diesen Glauben mit sich nahm. Er überlegte, was ihm mehr Kummer bereitete: die Gewissheit, Engel zu sein oder die neue äußere Erscheinung.
War er es, zu dem die Schüler aufmerksam schauten? Wer war er?
Offenbar hatte er als Engel Menschengestalt angenommen, um den aufmerksamen Schülern Natur nahezubringen, was aber sollte er ihnen erzählen, Klarinettist war er gewesen. Und während er noch trauerte und sich wunderte, sprach er bereits von den Merkmalen, die eine Tanne von einer Kiefer zu unterscheiden halfen, lange musste es her sein, dass er durch einen Wald gelaufen war, eine Ewigkeit. Wie inflationär die Lebenden Begriffe verwendeten, die einem Engel Schrecken bereiteten.
Es klingelte. In Erinnerung an die eigene Schulzeit, als seine Augen noch gleichfarben und neugierig in die Gegend geblickt hatten, wähnte er das Ende der Stunde gekommen und beobachtete, wie sein Sohn den Ranzen hob und sich von ihm mit der Mischung aus Angst und Bewunderung verabschiedete, die ein Achtjähriger einem Lehrer entgegenbringt, ohne den Vater zu erkennen. Er, noch uneins mit dem, was andere in ihm sahen, musste sich zurückhalten, um nicht loszustürmen und all das Versäumte in eine Umarmung münden zu lassen, die dem armen, nichtsahnenden Jungen hätte sonderbar erscheinen müssen. Stattdessen murmelte er: Bis Morgen und immer hübsch fleißig, oder etwas in der Art, mit einer Stimme, die ihm nicht geläufig war, doch zumindest wurde er wieder erhört, verstanden, erkannt.
Die aufgeregten Jungen- und Mädchenstimmen wichen einer Ruhe, die der Klassenraum dankbar entgegennahm. Er überlegte, was die Gestaltwandlung – früh noch ein Engel und nun dem Anblick nach wieder Mensch, dazu die Gegenwart seines Sohnes – wohl bedeuten könne, als ihm die Antwort in den Sinn kam, so plötzlich und klar, dass sie ihm eingeflüstert worden sein musste (von Wem-auch-immer: dem Herren der Himmelspforten, der inneren Stimme, einer dicken Frau vielleicht): Oskars Schutzengel würde er sein, keine Frage, Schutzengel der armen Waise. Bei diesem Wort erschrak er: ja, eine Waise, das war Oskar jetzt, vaterlos schon immer auf eine Art. Ein Schmerz durchfuhr diesen gebeutelten Körper, der blass und schal an ihm herunterhing, ohne die gewohnt zarten Klarinettistenhände am Ende des Armes.
Clara hatte er mit ihnen zum Leuchten gebracht.
Er packte die Bücher Naturkundeunterricht für die Grundschule in die Aktentasche, die ihm die fremde Gestalt, in der er schmarotzte, als die seine anzeigte. Dürfen Engel Körper stehlen, um wirken zu können? – Anscheinend ja. Und er lief direkt auf die Wand des Klassenzimmers zu, wenig später jedoch wusste er: mit Schweben und Durch-Wände-Wandeln war es vorbei.
Die Beule an seinem Kopf bezeugte es.
Einer Eingebung folgend, nahm er den Bus in Richtung Norden, dorthin, wo sein bester Freund wohnte, Helfer und Retter in der Not, ein Schutzengel, haha, wie er nun selbst einer sein würde. Und als er durch das halbgeöffnete Fenster die Klänge eines auf Jazz arrangierten Schlagers hörte, wurde ihm warm ums Herz: You’re the angel of my heart. Eine beinahe kindliche Freude ergriff von ihm Besitz, als er sich vorstellte, wie es ihm später gelingen würde, den Chören, zu denen er hoffentlich bald zurückkehrte, die eine oder andere Septime abzuringen, um den Klang abzurunden.
Freund Olli hatte es richtig gemacht: Spielte Jazz und hatte erst gar nicht geheiratet. Ja, Clara, ich höre deinen Spott. Angst, sagst du? – Von wegen! Klugheit nenne ich das.
Den ultimativen Jazzchor der vereinigten Engelscharen im Ohr, wie er schon bald unter seiner Leitung klingen würde, klingelte er vergnügt, und erst, als er die Zeichen der Verwunderung auf des Freundes Stirn wahrnahm, fühlte er wieder diesen Körper, in dem er festsaß: er wog zentnerschwer, zog ihn hinab, vom Himmel in die Hölle; die Wege sind bekanntlich kurz. Und um die Verstörung aufzulösen, kam ihm allein die Wahrheit in den Sinn: Ich bin es, dein alter Freund und Kumpane, im Lehrkörper, ausgerechnet ich, komisch, was?
Olli konnte daran nichts Komisches finden, sondern schlug die Tür zu.
Er läutete Sturm, schalt Olli einen Oberaffen, überlegte es sich dann anders und säuselte Worte des Lobes über der weltbesten Pianistenhände, bis er schließlich die düstersten Kneipengeheimnisse hinausschrie, zum Beispiel Ollis heimliche Anbetung der hübschen Schlagzeugerin, und nach Beteuerungen, Geschrei, Wut und Tränen, öffnete sich jetzt erneut ein Spalt in der Tür, und er k...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Christa Spilling-Nöker - Gesegnet sei dein Advent
  7. Andreas Malessa - Die »Ja-Aber-Zeit«
  8. Maria Branowitzer-Rodler - Die Weihnachtsgans
  9. Doris Bewernitz - Der Fleck
  10. Kerstin Hensel - Advent
  11. Selma Lagerlöf - Ein Weihnachtsgast
  12. Reinhard Bäcker - Einen Engel wünsch ich mir
  13. Corinna Antelmann - Die Sache mit der Ewigkeit
  14. Bettine Reichelt -Der Kanarienvogel auf dem Weihnachtsberg
  15. Eva Zeller - Die Hebamme des Herrn
  16. Elke Bräunling - Eine schöne Bescherung
  17. Karl Heinrich Waggerl - Der Tanz des Räubers Horrificus
  18. Bettine Reichelt - Weihnachtswunsch
  19. Titus Müller - So weit wie die Sterne
  20. Petra Steps - Weihnachtsfrieden
  21. Uwe Stöß - Ein toller alter Mann
  22. Dietrich Mendt - Das andere Weihnachten
  23. Petra Franke - Ein unverhoffter Gast
  24. Markus Walther - Der Astronaut im Himmel
  25. Weihnachtssegen
  26. Autoren
  27. Rechtenachweis
  28. Buchempfehlung