Luthers Weihnachten
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Luthers Weihnachten

  1. 168 Seiten
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Luthers Weihnachten

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Über dieses Buch

Wussten Sie, dass die Adventszeit ursprünglich eine Fastenzeit war, der Stollen ein Symbol für das in Windeln gewickelte Kind ist, oder erst Martin Luther entscheidend dazu beitrug, dass das Weihnachtsfest ein Familienfest wurde? Von Luther ausgehend erzählt die Historikerin Elke Strauchenbruch von Weihnachtsbräuchen, die in der Reformationszeit ihren Anfang nahmen, im 19. Jahrhundert immer populärer wurden und heute nicht mehr wegzudenken sind.

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Information

KAPITEL 1

WEIHNACHTEN VOR BEGINN DER REFORMATION

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Das Weihnachtsfest war im Festkreis des Jahres von jeher ein besonderer Höhepunkt. Der Gedanke an Weihnachten verbindet sich heute meist mit Geschenken, Weihnachtsbaum und dem Wohlgeruch von weihnachtlichem Backwerk und Weihnachtsbraten. Viele besuchen als einzigen Gottesdienst des Jahres die Weihnachtsmesse. Den Duft von Weihnachten verbanden schon Martin Luther und seine Zeitgenossen mit Weihrauch und Kerzenlicht in den kirchlichen Gottesdiensten, mit dem Geruch der Pfefferkuchen und des Weihnachtsessens. Als Luther mit den Thesen den Beginn der Reformation auslöste, hatte der inzwischen Vierunddreißigjährige in seiner Familie, in seinen Schulen, Universitäten und Klöstern eine Fülle von festlichen Bräuchen erlebt. Sonntage, Heiligenfeste, Advent, Weihnachten, Neujahr, Fastenzeit, Ostern, Pfingsten und Michaelis, aber auch Aussaat und Ernte gaben dem Jahr eine gewisse Ordnung. Dieser Jahresfestkreis wurde mit kirchlichen, heidnischen und weltlichen Feiern und Bräuchen umgeben, die teilweise miteinander verschmolzen. Der Alltag der Menschen wurde nicht nur durch die Jahreszeiten, sondern auch durch die Sonn- und Feiertage geordnet. Arbeit und Ruhe, Fasten und Genuss gaben dem Leben seinen Rhythmus. Sie verbanden die Festtage mit ihrem Glauben, in dem sie aufgewachsen waren und der ihrem Leben Halt und Geborgenheit gab. Der Festkreis des Jahres war und ist regional und sozial geprägt. Herkunft und Berufe der Menschen spielten eine entscheidende Rolle. Der Festkreis und das mit ihm verbundene Brauchtum veränderten sich über die Zeiten und passten sich immer wieder den historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen an.
Vor der Reformation hielt man über Weihnachten eine sehr strenge Fastenzeit, die vom 12. November, dem Tag nach dem Martinstag, über Neujahr hinaus bis zu Epiphanias, dem Dreikönigstag, hin reichte. Man nannte sie die Adventsfasten. Nur an den dazwischen liegenden Wochenenden und Feiertagen wurde das Fasten unterbrochen und dauerte also zwischen dem Martinstag bis zum Dreikönigstag volle 40 Tage lang. Man kann sich leicht vorstellen, wie die Unterbrechung der Fastenzeit die Gemüter beschäftigte und die Menschen auf die Feiertage hin leben ließ. Da die Zeit des Wartens auf Weihnachten besonders Kinder tief beeindruckt und Erwachsenen in ihrer Erinnerung verbleibt, liegt die Vermutung nahe, dass auch Luther von den weihnachtlichen Erlebnissen in seiner Kindheit geprägt war. Das Herannahen des großen Festes und schließlich die Weihnachtsfeiern werden den jungen Mann innerlich bewegt haben.

DAS MARTINSFEST AN DER SCHEIDE ZWISCHEN SOMMER UND WINTER

Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren und am folgenden Tage, dem Martinstag, in der dortigen Paulskirche auf den Namen des Tagesheiligen getauft. Seine Geburtsstadt Eisleben befindet sich im Mansfelder Land im Vorland des Ostharzes. Die Familie zog bald nach Martins Geburt in das benachbarte Städtchen Mansfeld um. Geburtstags- oder Namenstagsfeiern im heutigen Sinne waren noch nicht üblich. Im Gegenteil, selbst in höher gestellten Kreisen feierte man aus diesem Anlass offenbar nur selten. Doch wir wissen, dass der erwachsene Luther sich zu seinem Geburtstag gerne in seinem Hause mit seinen Freunden zusammenfand und dann mit ihnen ein gutes Essen genoss, das seine Frau Katharina mit ihren Mägden zubereitet hatte. So versammelten sich 1532 Justus Jonas, Philipp Melanchthon, Johann Bugenhagen und Caspar Cruziger an seinem Tisch und verzehrten in fröhlicher Runde ein von den Fürsten zu Anhalt geschenktes Wildschwein. Auch seinen letzten Geburtstag feierte der Reformator 1545 vergnügt mit Melanchthon, Bugenhagen, Cruziger und den damals noch jungen Theologen Georg Major und Paul Eber. Männerrunden zu Luthers Geburtstag? Wir wissen es nicht, denn die Männer, die uns die Nachrichten von Luthers Leben hinterlassen haben, fanden Frauen kaum erwähnenswert, ebenso wenig wie Kinder oder das Alltagsleben insgesamt, dessen Gestaltung doch meist in den Händen der Frauen gelegen hat. Immerhin wissen wir durch einen erhalten gebliebenen Brief an die anhaltischen Fürsten, dass es zur Geburtstagsfeier am Vorabend des Martinstages nicht unbedingt die althergebrachte und in Deutschland weit verbreitete Martinsgans sein musste, die auf den Tisch im Lutherhause kam.
Der Namenspatron bei der Taufe Luthers ist der hl. Martin. Lukas Cranach hat 1504 in einer Zeichnung den reitenden Heiligen dargestellt, wie er vor einem Stadttor seinen Mantel zerteilt, um die eine Hälfte einem knieenden Bettler zu geben. Martin wurde in Ungarn als Sohn eines römischen Offiziers geboren und musste darum dem Römischen Reich als Soldat dienen. Aus dieser Zeit seines Lebens stammt die Geschichte, die Cranach auf seiner Zeichnung erzählt und die heute eine der bekanntesten Geschichten um den Heiligen ist. Als junger Mann soll er sich bei Worms vor einer Schlacht als Christ geoutet und den weiteren Militärdienst verweigert haben. Martin wurde der dritte Bischof von Tours und ist im damals hohen Alter von 81 Jahren gestorben. Die in diesen vielen Jahren um seine Person entstandenen Legenden haben ihn zu einem der meistverehrten Heiligen der gesamten Christenheit gemacht. So wurde Martin zum Beispiel der Schutzheilige von Frankreich und Thüringen. Das thüringische Eichsfeld und die Stadt Erfurt verehren ihn noch heute ganz besonders. Spätestens seit 1224 läuten in Erfurt am Abend des 11. Novembers zum Gedenken an den Heiligen die Glocken. Er genießt die besondere Verehrung der Soldaten, Reiter, Huf- und Waffenschmiede, Weber, Gerber, Schneider, Bürstenbinder, Gürtel-, Handschuh- und Hutmacher, Böttcher, Müller, Hotelbetreiber, Gastwirte, Winzer, Armen, Bettler, Flüchtlinge, Gefangenen und der Reisenden. Er schützt vor Ausschlag, Schlangenbiss und Rotlauf, sorgt für gutes Gedeihen der Feldfrüchte und ist Schutzpatron besonders der Pferde, Hunde und der Gänse. Bei den Gänsen zeigt sich wohl auch der Humor des Volkes, wie ein alter Vers beweist:
Was haben doch die Gänse getan,
daß so viele müssen’s Leben lan?
Die Gäns mit ihrem Dadern
Sankt Martin han verraten,
Darum tut man sie braten.
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Der Martinstag war also schon lange vor Luthers Geburt ein in vielerlei Hinsicht wichtiger Tag im Leben der Menschen. Er steht an der Scheide zwischen Sommer und Winter und das zeigt sich auch im kirchlichen und weltlichen Brauchtum. Da man die Ernte eingebracht hatte, erwarteten Herrschaft und Kirche ihre Abgaben, die man während Luthers Kindheit meist noch in Naturalien erbrachte. So sammelten sich in den Häusern der Herren Gänse und anderes Geflügel, Schweine, Kühe, Ochsen, Schafe und Ziegen, dazu Getreide, Obst, Käse, Butter, Brot, Wein und Bier. Bis ins 19. Jahrhundert hat man das Vieh üblicherweise zur Weide in die Wälder oder auf Wiesen getrieben. Gras, Eichel- und Bucheckernmast waren für das Halten von Kühen und Schweinen unabdingbar. Kraftfutter, wie man es heute hat, stand noch lange nicht zur Verfügung. Da man die Viehweiden klimatisch bedingt nur zeitweise zur Verfügung hatte, musste man den Viehbestand zu Winteranfang stark verkleinern. So eröffnete das nun einsetzende kalte Wetter, das die Lagerung von Lebensmitteln begünstigte, eine fröhliche Schlachtzeit. An vielen Orten begannen und endeten zu Martini auch die Dienstverhältnisse des Gesindes sowie Pacht- und Zinsverhältnisse. Darum wurde der Martinstag auch als Zinstag bezeichnet. Mit Glück behielten Bauern und Bürger bei der Entrichtung ihrer Abgaben so viel zurück, dass sie sich und ihre Familien, ihr Gesinde und Vieh gut durch den Winter bringen konnten. Mitunter trafen sich nun die Gemeindemitglieder unter Führung ihres Gemeindevorstehers zur Besehung der Grenzen des Gemeindelandes. Nach der gemeinsamen Wanderung kam man zu einem fröhlichen Festessen zusammen. Diese Essen fanden also nicht nur in den Familien statt, wie später im Lutherhause. Als Festessen genoss man allerorten gerne eine Gans, mitunter aber auch Hammelbraten mit Erbsen und Bier und in reicheren Haushalten mit guten Beziehungen zu Fürstenhäusern, wie dem Luthers, auch mal einen Wildschweinbraten. Im anhaltischen Zerbst sollen Dienstherren mit ihren an Martini neu eingestellten Knechten eine Gänsekeule verzehrt haben.2 Luther erwähnte 1530 in seiner Vermahnung an die Geistlichen, dass an St. Martin jeder (!) Hausvater mit seinem Hausgesinde eine Gans verspeiste. Hatte er genügend Geld, so kaufte er zum Essen auch noch Wein oder Met. Alle Essenden lobten den Heiligen, indem sie sich richtig satt aßen und tranken und fröhlich sangen.
Zum Fest gehörte ein guter Martinstrunk. Martinsminne nannte man den ersten Wein des Jahrgangs. Er wurde mitunter ausgiebig genossen. Die Martinsminne war ein willkommener Anlass, in fröhlichem Kreis zu trinken, manchmal wohl mehr, als es gut tat. Luther fand später immer wieder Gründe, sich gegen den in allen Bevölkerungsschichten stark verbreiteten Alkoholismus auszusprechen. Den Martinstrunk lehnte er als religiöses Brauchtum ebenso ab wie den seit dem 12. Jahrhundert in Deutschland überall beliebten Johannistrunk und den Bernhardstrunk. Zum Gedenken an Johannes den Täufer wurde ursprünglich den Gläubigen am 27. Dezember in den Kirchen geweihter Wein gereicht, den sie gerne zu Hause als Segenspender in Haus und Flur verwendeten. Den Bernhardstrunk hatten die Zisterzienser zum Gedenken an ihren Ordensgründer Bernhard von Clairvaux gerne am Morgen gereicht. Daraus entwickelten sich ausschweifende Gelage, die die Zisterzienser in den Ruf brachten, dem Alkoholismus zu frönen. Luther setzte anstelle dieser Trünke im kirchlichen Bereich die in der Bibel begründeten Freundschafts- und Abschiedstrünke. Der aus der Schweiz stammende Wittenberger Student Johannes Kessler hat über Luthers Zusammentreffen mit zwei Studenten am 3. März 1522 im Bären zu Jena berichtet. Danach nahm der berühmte Mann ein hohes Bierglas und sprach nach des Landes Brauch: Schweizer, trinken wir noch einen freundlichen Trunk zum Segen. Üblicherweise hätten alle drei aus dem gleichen Bierglase trinken müssen. Als Kessler jedoch nach dem Glase griff, zog Luther es zurück, nahm ein mit Wein gefülltes Glas und sprach: Das Bier ist euch unheimisch und ungewohnt, trinkt den Wein! Er drückte damit seinen Respekt vor den Trinkgenossen aus und folgte gleichzeitig einem alten Abschiedsbrauch, den man oftmals als Johannistrunk bezeichnete.3 Luther sprach sich oft gegen Trunkenheit aus, predigte dabei aber keineswegs Enthaltsamkeit, sondern liebte Geselligkeit und Genuss.
Zum Brauchtum des Martinstages gehören seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare Martinslieder, die zu Tisch oder bei den üblichen Martinsumzügen gerne gesungen wurden. Viele dieser Lieder hoben oftmals so an:
Marten, Marten Herren,
De Appeln und de Beeren,
De Nütte mag ick gern …
Gerne genommen wurden bei diesen ersten Heischegängen und Umzügen zur Winterzeit jedoch nicht nur Äpfel, Birnen und Nüsse, sondern auch alle anderen Lebensmittel wie Brezeln, Brot und Würste. Besonders beliebt mag bei umherziehenden Knechten, Gesellen und jungen Bauernburschen auch eine Branntwein-, Bier- oder Weinspende gewesen sein. Alles Eingesammelte wurde dann bei einem fröhlichen Gelage gemeinsam verzehrt und ausgetrunken.
In späterer Zeit bezog man im protestantischen Mitteldeutschland die Martinsumzüge nicht mehr nur auf den Heiligen Bischof Martin von Tours, sondern auch auf den Reformator Martin Luther. Aus dem 19. Jahrhundert stammt eine Sage, die man sich in Nordhausen über die Ursprünge der Luther-Verehrung bei den Martinsumzügen erzählt. Danach hat der Nordhäuser Bürgermeister Michael Meyenburg den Reformator und dessen aus Nordhausen stammenden Freund Justus Jonas einmal zu Luthers Geburtstag in sein Haus eingeladen. Als sie in guter Laune beieinander saßen, kam die Rede darauf, dass man am nächsten Tage in der katholischen Kirche das Martinsfest feiere und dem Heiligen zu Ehren bunte Lichter anzünde. Die Herren meinten, das könne man hier ebenso gut tun. Sie ließen bunte Lichter herbeibringen und diese anzünden. In einer anderen Sage heißt es: Luther sei am späten Abend vom Jahrmarkte in Sondershausen gekommen und auf die Nordhäuser Schuhmacher getroffen. Ihre damals sehr angesehene Innung lud ihn in ihre Herberge ein. Als man gemeinsam in die Stadt einzog, riefen sie: Herr Martin kommt, der brave Mann, Zünd’t hunderttausend Lichter an!4 und begründeten so den Brauch der Martinsumzüge und Martinslaternen.
In dieser Zeit, in der der größte Teil der Menschen auf dem Lande lebte und sehr viele Bürger neben ihren Gewerben noch Ackerbau, Viehzucht und Gartenbau betrieben, sah man am Martinstag besorgt auf das Wetter, denn
Ist an Martini Sonnenschein,
So tritt ein kalter Winter ein,
Kommt er mit Regen ins Land herein,
Wird’s Wetter nicht beständig sein.
Zu Martini stellten sich die Menschen auf ihre Winterarbeit um und der Bauer sagte:
St. Martinus setzt sich mit Dank,
Schon auf die warme Ofenbank.
In den Dörfern öffneten die Spinnstuben, in denen sich die jungen unverheirateten Mädchen und Witwen in einem Nachbarhause trafen und bis Fastnacht alles Flachs verspinnen sollten. An manchen Tagen, wie dem Tag vor Weihnachten oder Fastnachtsbeginn, waren mitunter auch junge Burschen zugelassen, die sich sonst in Schenken trafen oder die Mädchen nach getaner Arbeit abholten und nach Hause geleiteten. Mit der Spinnarbeit verband sich das Erzählen von Geschichten und Sagen. Besonders beliebt waren von jeher Geister- und Spukgeschichten. Die dunkle Weihnachtszeit mit ihren eisigen Nächten bot dazu mit Berichten von den bösen Geistern und dem umherziehenden wilden Heer, die in den stürmischen Rauen Nächten während der Zwölften über das Land geflogen sind, reiches Material. Der kleine Martin Luther kannte die Sage vom wilden Heer gewiss. Sein Freund Johann Agricola veröffentlichte 1529 eine Auslegung Gemeyner Deutscher Sprichwortter. Er habe unter anderem von dem über 80-jährigen Mansfelder Pfarrer Jan Kennerer gehört, dass zu Eisleben und in der ganzen Grafschaft Mansfeld das wütende Heer (so haben sie es genannt) alle Jahr auf den Fassnacht Donnerstag vorübergezogen sei. Die schaulustigen Leute seien dorthin gelaufen und hätten erwartungsvoll darauf gewartet, nicht anders, als würde ein großer mächtiger Kaiser oder König vorüberziehen. Bauern gingen im Südharz in der Weihnachtsnacht in den Obstgarten und sahen nach, ob der Wind die Wipfel der Bäume bewegte. Dann würden sie im kommenden Jahr reiche Früchte tragen. Rammelten sie sich aber nicht, dann rüttelten die Bauern so lange an den Stämmen, bis sich die Zweige bewegten. In Sachsen und Thüringen freuten sich die Landleute, wenn sie ein Rauschen in der Luft hörten, denn dann würde ein fruchtbares Jahr kommen und so manchem ein unverhofftes Glück begegnen.5
In der Thüringer Sagenwelt wird erzählt,6 dass sich an einem hellen Tage des Jahres 1398 bei Eisenach drei große Feuer erhoben haben. Sie brannten eine Zeitlang in der Luft, taten sich zusammen und trennten sich wieder. Dann fuhren alle drei in den Hörselberg, wo, wie jedermann wisse, der Aufenthaltsort des wilden Heeres und der Frau Holle sei, wenn sie nicht draußen im Lande herumfahren. Im Lande werden öfters, und zwar sonderlich um die heiligen Weihnachten und Fastnachten, nicht allein auf dem Felde, sondern auch in den Städten und Dörfern eine ziemliche Menge Gespenster und Teufelsgestalten gesehen … (Sie) erscheinen bald zu Pferde als Reiter, bald zu Fuß wie ein Zug Soldaten … Vor diesem Teufelsheer zieht ein ansehnlicher alter und grauer Mann einher, welchen sie den ›getreuen Eckhart‹ nennen, mit einem Stecken in der Hand, den er hin und her bewegt und das herannahende Volk vermahnet, dass sie möchten etwas aus dem Wege weichen oder abseits treten oder gar nach Hause gehen, damit ihnen nicht durch ihre Kühnheit und Unbesonnenheit ein unnötiges Unglück über den Hals komme. Nach ihm folgt allerhand Teufels-Geschmeiße in großen Scharen und in allerlei Gestalt, gar gräulich und abscheulich anzusehen … Man hört in diesem Zuge Jägergeschrei, Hörnerblasen, Gebell der Hunde und sieht viele Hasen, die aufgejagt werden; es grunzen Schweine darunter, und brüllen L...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Bildnachweis
  4. Impressum
  5. Vorwort
  6. Inhalt
  7. KAPITEL 1 WEIHNACHTEN VOR BEGINN DER REFORMATION
  8. KAPITEL 2 WEIHNACHTEN IM LUTHERHAUS ZU WITTENBERG
  9. KAPITEL 3 FÜR DIE RECHTE CHRISTLICHE CELEBRATION DER HEILIGEN ZEIT
  10. KAPITEL 4 WEIHNACHTEN MIT LUTHER UNTERM LICHTERBAUM
  11. Rezepte
  12. Anmerkungen