KUNSTGEGENSTÄNDE
Der große Reichtum an kunstvollen Schätzen der Thomaskirche – nur zu einem überschaubaren Teil bis heute erhalten – gibt eindrucksvoll Zeugnis vom Glauben an Jesus Christus, wie er in unterschiedlichen Zeiten verstanden und gelebt wurde.
Aus frühester Zeit haben sich zwei Zeugnisse erhalten: ein romanischer Leuchter aus der Zeit um 1200, der 1963 zufällig in einem Pfostenloch des Chorbaues auftauchte, sowie die durch Umwelteinflüsse original leider nicht mehr sichtbaren, aber in einem Abguss noch aufbewahrten Ritzzeichnungen auf der ältesten und zugleich größten Glocke, der Gloriosa von 1477. Der Leipziger Maler Nikolaus Eisenberg »hat disse bilde gerissen«, eine Kreuzigungs- und Auferstehungsdarstellung: Jesus am Kreuz mit Maria und Johannes, rechts Maria Magdalena, links Thomas, dem Auferstandenen begegnend.
Seit 2001 hängt am Triumphbogen über dem Altarraum ein spätgotisches Kruzifix (Echthaar-Christus) aus der Pfarrkirche Ramsdorf.
DIE ALTÄRE
Der erste nachweisbare Altar war der spätgotische Passionsaltar, der sich einst im Chorraum befand. Er ist durch großzügige Schenkung an die heutige Lutherkirche in Plauen im Jahr 1722 einer späteren Marginalisierung entgangen. Dort befindet er sich heute noch. 1587 fügte Valentin Silbermann (um 1560 – nach 1617) einem Renaissanceaufbau den spätgotischen Altarschrein mit der Beweinung Christi (Erfurter Meister, um 1500) ein. 1722 entstand an selber Stelle der Born’sche Altar (nach einer Stiftung des Leipziger Bürgermeisters Jakob Born, †1709), ein als barocker Portikus gearbeitetes Marmorbauwerk Dresdner Künstler. Anlässlich der neugotischen Renovierung der Kirche 1887 wurde er abgetragen, da er den »Charakter eines katholischen trage«, und in der St.-Johannis-Kirche wieder aufgestellt. Dort ging er im Bombardement des Krieges unter. Das Zentrum des Altars bildete ein geschnitztes Kruzifix von Caspar Friedrich Löbelt (1687 – 1763), das sich heute am zweiten nordwestlichen Pfeiler des Schiffes gegenüber der Kanzel befindet (siehe Abb. 20). An diesem Altar empfing Bach mit seiner Familie 27 Jahre lang an jedem Sonn- und Feiertag das heilige Abendmahl. Erhalten ist auch die schwarz-marmorne Stifterplatte, heute an der Innenseite der Westwand zu sehen.
12 Ritzzeichnungen im Glockenmantel der Gloriosa (1477). Die an der Süd-, West- und Ostseite der Glocke angebrachten Zeichnungen sind hier zusammengerückt und ergeben eine eindrucksvolle Einheit.
Den 1887 entstandenen neugotischen Altar entwarf der Dresdner Architekt Constantin Lipsius (1832 – 1894), auf dessen Planungen die Neogotisierung der Kirche überhaupt zurückgeht. Das geistliche Bildprogramm mit der Darstellung des Abendmahls und Szenen aus dem Leben Jesu entwickelte der damalige Superintendent Oskar Pank. Doch auch diesem Altar war keine lange Gebrauchsdauer beschieden. Die zwischen 1961 und 1964 betriebene Wiederherstellung des spätgotischen Innenraumes verwies ihn in die heutige Petzoldtsakristei. Man begnügte sich in der Folgezeit mit dem Löbelt’schen Kruzifix auf dem sonst schmucklosen Altartisch. Seit 1984 wurde der Pauliner-Altar der Leipziger Universitätskirche, die am 30. Mai 1968 durch einen politischen Willkürakt gesprengt wurde, nach und nach aufgestellt und zu Pfingsten 1993 geweiht. Im Oktober 2014 wurde der sich im Eigentum der Universität Leipzig befindliche Altar in die neue Universitätskirche am Augustusplatz zurückgeführt. An seiner Stelle befindet sich nun wieder der neugotische Jesus-Altar von Constantin Lipsius (Ausführung durch Oskar Rassau). Das vergoldete Retabel steht auf einem im Jahr 2016 neu geschaffenen Altarunterbau aus Sandstein, der die Formensprache des ursprünglichen Unterbaus aus dem 19. Jahrhundert aufnimmt. Im mittleren Relief ist die Feier des heiligen Abendmahls zu sehen, zu dem Jesus den Betrachter einlädt. Die vier Figuren in den Seitenfeldern weisen typologisch auf das zentrale Thema des Altares hin: Abel mit dem Opferlamm, David mit der Bundeslade (möglicherweise handelt es sich auch um Noah mit der Arche), Isaak, der das Holz zum Opfer trägt, und der auf den Hohepriester Jesus Christus hinweisende Aaron mit dem Räuchergefäß. In der Predella finden sich Szenen aus dem Leben des irdischen Jesus: Neben dem zwölfjährigen Jesus im Tempel ist Jesus bei Maria und Martha zu sehen, gefolgt vom Einzug Jesu in Jerusalem und der Kreuztragung. Sie finden ihre Einbettung in die sich auf der linken und rechten Seite der Altarfenster befindenden Szenen aus dem Leben Jesu (Anbetung der Könige, Taufe sowie die Emmausjünger und der seine Finger in die Wunden Jesu legende Jünger Thomas). Über dem Altar erhebt sich ein Triumphkreuz, das genau unterhalb der Abbildung des auferstandenen Christus im zentralen Altarfenster abschließt. Der gekreuzigte Jesus und der auferstandene Christus gehören zusammen.
13 Grundriss der Thomaskirche.
1 Jesus-Altar
2 Thomas-Fenster
3 Taufstein
4 Bachgrab
5 Sonne im Netzgewölbe
6 Kanzel
7 Spätgotisches Kruzifix
8 Vierung
9 Vierung unter dem Turm
10 Nordsakristei
11 Petzoldtsakristei
12 Großmannsakristei
13 Selneckersakristei
14 Gute-Hirten-Tür
15 ...