Pilgern
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Pilgern

Glauben auf dem Weg

  1. 272 Seiten
  2. German
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Pilgern

Glauben auf dem Weg

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Das sehr ansprechend geschriebene Buch des bekannten Zürcher Theologen Ralph Kunz beschreibt Pilgern als eine alte spirituelle Praktik, die in den letzten Jahren wieder neu entdeckt wurde. Das ist mehr als nur ein spiritueller Hype! Denn das Ziel des Pilgerwegs ist Gott.Was eine wachsende Schar von Menschen bewegt und begeistert, wird in seiner biblischen, geschichtlichen und kulturellen Bedeutung für die Gegenwart entfaltet und als Leitmetapher für die christliche Lebensform gedeutet. [Pilgrimage. Being Religiously on the Way]The very attractively written book by the well-known Zurich theologian Ralph Kunz depicts pilgrimage as an ancient spiritual practice that has been rediscovered in recent years. This is more than just a spiritual hype! Because the goal of the pilgrimage is God.What moves and inspires a growing number of people is unfolded in its biblical, historical and cultural significance for the present and interpreted as a guiding metaphor for the Christian way of life.

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783374062362

1EINLEITUNG

1.1ZWEIFELLOS EIN BOOM …

Pilgern ist »in«. Die Wiederentdeckung des spirituellen Wanderns hat in den 1980er Jahren zunächst zögerlich begonnen und sich seit der Jahrtausendwende zu einem regelrechten Boom entwickelt.1 Die schieren Zahlen sind eindrücklich.2 Und die Pilgerszene wächst. Das weckt auch die Aufmerksamkeit der Wissenschaften. Welche Faktoren sind dafür verantwortlich, dass aus der Mode ein Trend geworden ist? Was macht den Trend zur Bewegung? Was die vielen Menschen, die sich auf den Weg machen, letztlich mobilisiert und motiviert, ist eine Frage, die Soziologie, Ethnologie und Kulturwissenschaften, aber auch Trend- und Marktforschung interessiert.3 Der Einfluss der Trendsetter ist hinsichtlich einer Prognose für die weitere Entwicklung des Booms nicht zu unterschätzen: Schließlich verspricht das Pilgern für Touristiker eine gewisse Wertschöpfung.4
Wenn Pilgern heute »in« ist und den Status eines Dauergasts in Feuilletons genießt, hat das millionenfach verkaufte Buch »Ich bin dann mal weg« von Hape Kerkeling seinen Teil dazu beigetragen.5 Es hat mitgeholfen, die Idee des Pilgerns im deutschsprachigen Raum populär zu machen. Dabei ist Kerkelings Schilderung der Begegnungen, Erlebnisse und Strapazen auf seinem Weg nach Santiago de Compostela nichts Spektakuläres. Vielleicht ist das Schlichte des Plots ein Teil der Faszination, die sich mit dem Pilgern verbindet? Man kann ganz einfach in die Tiefe gehen. »Pilgern ist eine nicht domestizierte Form der Spiritualität; gelegentlich könnte man sogar sagen, eine ›entfesselte‹, weil nicht gebundene Form gelebter Frömmigkeit. Vielleicht ist es sogar die einfachste Form, weil sie auf ganz basale Tätigkeiten abstellt: Gehen, schlafen, essen, trinken, schauen.«6 Einfacher geht es nicht! Aber die Krise gehört zur Nebenwirkung. Wer aufbricht, muss mit ihr rechnen. Denn wer sich auf den langen Pilgerweg macht, so wie es Hape Kerkeling in seinem Buch beschreibt, kommt unweigerlich zum Punkt, an dem sie oder er aufgeben möchte. Nicht immer machen die Füße mit, was sich die Pilger in den Kopf gesetzt haben oder sich von Herzen wünschen. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.7 Der Körper verlangt nach einer Pause. Wer, wie er, den ganzen Weg von Frankreich nach Santiago läuft, ist wochenlang unterwegs, wird auf sich selbst zurückgeworfen und hält manchmal die Einsamkeit auf dem Weg kaum aus.
Für Tobias Braune-Krickau zeigt das Buch und seine Verfilmung etwas von der Attraktivität und der Herausforderungen des Pilgerns. Pilgern gibt ja auch etwas her, das man zeigen kann: äußere Landschaften, die zum Schauplatz einer inneren Reise werden, etwas Konkretes und etwas Diffuses. Das Ziel der Reise ist einerseits bestimmt und bleibt andererseits doch offen. In der Schlüsselszene schaut die Kamera auf den Pilger, wie er an einer Wand die gekritzelten Worte »Yo y tu«, Ich und Du, entdeckt. Man sieht Kerkeling auf dem Weg, schaut mit seinen Augen, erblickt einen Jungen auf der Straße: sein altes und sein neues Ich. Im nächsten Moment begegnet Kerkeling Gott, beginnt zu weinen, beginnt zu lächeln und die Kamera schwenkt in den Himmel.8 Ist das Kitsch? Es ist auf jeden Fall Geschmackssache und vielen gefällt es.
Wo und wie in diesem Ensemble das Religiöse auftaucht, ist nicht von vornherein ausgemacht. Braune-Krickau sagt über die Darstellung des Pilgerns im Film, was für die spätmoderne Pilgerschaft generell gelten kann: »Pilgern erscheint […] als eine Praxis der Selbsttransformation, deren Grad an religiöser Bestimmtheit sich erst auf dem Weg herausstellen wird.«9 Und Hape Kerkeling ist nicht allein. Auf seinem Weg hat er Freunde gefunden, die ihm das Durchhalten erleichtert haben, weil sie auch auf der Suche sind. Wie wichtig diese Weggemeinschaft ist, kommt aus der Beschreibung der letzten Kilometer kurz vor dem Ziel zum Ausdruck:
»Wir haben beschlossen, diese letzten Tage gemeinsam zu laufen, um aufeinander aufzupassen und um den Einzug in das Heiligtum miteinander zu erleben. Wir werden immer aufgekratzter und immer alberner. […] In Massen strömen die Menschen auf Santiago zu und viele singen so wie wir das berühmte französische Pilgerlied. […] Hier ist die Reise unwiderruflich zu Ende und im gleichen Moment beginnt etwas Neues! Etwas, das wir überhaupt nicht begreifen. In was sind wir da hineingeraten? Das muss der Pilgerhimmel sein! Eine Menschenmasse in großartiger Feierstimmung erwartet uns.«10

1.2 EIN FASZINIERENDES PHÄNOMEN

Natürlich wäre Pilgern auch ohne Kerkeling-Effekt populär. Dass es (im deutschsprachigen Raum) einen Promotor hat, der mit seiner eigenen Biographie der Pilgerschaft eine persönliche Note gibt und sich herzlich wenig um theologische Korrektheit kümmert, mag seinen Leserinnen und Lesern sympathisch sein und ist in gewisser Hinsicht symptomatisch für das Phänomen. Viele Menschen sind berührt und im wörtlichen Sinn bewegt zur Nachahmung – auch und gerade von einer unaufdringlichen spirituellen Botschaft. Kerkeling spricht in lebensnaher und elementarer Weise vom Gottvertrauen.11
Aber muss es Pilgern sein? Vergleichbares ließe sich vom Fasten oder anderen Praktiken mit einem spirituellen Touch berichten. Es ist sicher kein Zufall, haben doch strapaziöse Körperübungen oftmals Botschafterinnen und Botschafter, die begeistern können. Fast hat man den Eindruck, dass sich die Mission vom Feld der Lehre auf die Felder der Aszetik, Diätetik und Gymnastik verschoben hat. Roger Jensen, der norwegische Pilgertheologe, meint, dass es für unsere spätmoderne oder postmoderne Kultur typisch sei, weniger nach intellektuell überprüfbarem Wissen im Blick auf Sinn und Spiritualität als nach einer sinnhaften und spirituellen Praxis zu fragen. Viele Menschen suchen heute ihren Lebenssinn durch die Praxis – die Praxis selbst sei der eigentliche Sinn. »Oft ist die Praxis selbst das Ziel, und nicht eine Schlussfolgerung, die man intellektuell durch Abstraktion erarbeitet oder übernommen hat. Die Motive für unsere Praxis lassen sich nicht ohne weiteres erklären.«12
Das Interesse an einzelnen Praktikerinnen und Praktikern ist demnach noch kein hinreichender Grund für die Attraktivität einer Praktik. Damit eine Gemeinschaft entstehen kann, muss die Praxis selbst Sinn erzeugen und einen Sog entfalten.
Dem prominenten Pilger gelingt es zwar, andere vom Pilgern zu überzeugen, aber offensichtlich findet auch das Pilgern selbst und nicht nur der charismatische Pilger Nachahmung. Letztlich ist es dann doch die Gemeinschaft der Pilger, die wirbt. Sie laden einander ein, es ihnen nachzutun. Sie erleben etwas und machen Erfahrungen, die sie sonst nicht oder nicht in dieser Intensität gemacht hätten. Dafür zeugen die vielen Pilgerinnen und Pilger, die immer wieder aufbrechen. Davon zeugen ein immer dichter werdendes Netzwerk von Zentren und die wachsende Literatur.
Dass es unterschiedliche Motivationen gibt, zu Fuss aufzubrechen, liegt auf der Hand. Sagen wir es so: Es ist eine Herzenssache. Aber findet das Herz, was es sucht? Finden Pilger das Heilige auf dem Weg oder erst am Ziel? Oder finden sie, dass Pilgern an sich eine heilende oder heilsame Sache ist? Ist es das schlichte Fascinosum einer Praktik, für die man »nur« gute Schuhe, Wetterschutz und eine Landkarte benötigt?13 Könnte es sein, dass es um die Bewegung geht und das Ziel eigentlich irrelevant ist?
Über diese Frage lässt sich streiten. Detlef Lienau, ein Pilger-Experte, der in dieser Studie noch ausführlicher zu Wort kommt, äußert dazu eine dezidierte Meinung:
»Ich gehe davon aus, dass der Pilgerweg zum Symbol des Lebensweges werden soll. Er stellt ihn dar, gibt ihm anschaulich Ausdruck, macht ihn verständlich und prägt sich im Vollzug ein. […] Wie ist das konkrete Pilgerziel zu verstehen, damit es der Ausrichtung auf das eschatologische Pilgerziel Reich Gottes entspricht? Wenn der Sinn des Lebens- und Pilgerweges das Erreichen des Ziels ist, dann hat der Weg keinen Eigenwert, sondern zieht seinen Sinn und Wert daraus, dass er zum Erreichen des Zieles verhilft. Er ist also relativ, bezogen auf etwas anderes – und das darf nicht durch ein Verharren im bloßen Unterwegssein verloren gehen. Als Mittel zum Zweck bezieht der Weg gerade aus dem, worauf er zielt und wozu er verhilft, seine Dignität. Diese Würdigung des Unterwegsseins ist abgeleitet …«14
Hat der Weg wirklich keinen »Eigenwert«? Der Spieß lässt sich umdrehen. Hat nicht der heilige Ort seinen Nimbus verloren? Unbestritten ist die Tatsache, dass sich das Pilgerwesen nicht mehr mit demselben spirituellen Magnetismus erklären lässt, der in den ersten Jahrhunderten des aufkommenden Pilgerwesens oder im Hochmittelalter spielte. James J. Preston erklärt die Entstehung des Pilgerwesens aufgrund der Anziehungskraft der Ziele auf den Pilger.15 Er weist darauf hin, dass der Sog von einem heiligen Ort ausgeht. Allerdings sind schon in den alten Mustern des spirituellen Wanderns unterschiedliche Faktoren, Interessen und Erwartungen zu erkennen: die Hoffnung, eine Wunderheilung oder eine Erscheinung zu erleben, die heilige Geographie, die eine Erfahrung der Nähe zum heiligen Anfang verspricht, oder die Überwindung der Gefahren, die den Weg zum Ziel als Prüfung herausfordernd machen. Wenn die Beobachtung Jensens zutrifft, dass die Praxis einen Sog entwickelt, hat eine Verschiebung der Kräfte stattgefunden. Das, was fasziniert, und das, wovor man Respekt hat, ist weniger eindeutig verortet.

1.3 DAS PRAKTISCH-THEOLOGISCHE INTERESSE

Was macht das Pilgern so populär? Wer macht sich auf den Weg? Für wen ist es attraktiv? Was ist die Motivation der Pilger? Was die Pilgerforschung interessiert, ist auch für die Praktische Theologie interessant, weil es theologische Fragen stellt und nach theologischen Antworten verlangt. Pilgern hat eine biblische, geschichtliche und kulturelle Tiefendimension. Man kann es mit der Wegmetapher auf den Punkt bringen: Dass wir als Kirche wie als Einzelne auf ein Ziel hin unterwegs sind, gehört zum Kernbestand des Glaubens. Die Rede vom Pilgerstand oder von der Weggemeinschaft, die nach dem Himmelreich trachtet, ist biblisch affin – eine Redeweise, die Motive bündelt und Erzählungen in einen Bildbereich versammelt. Die Praktische Theologie fragt danach, was Narrative wie die Völkerwallfahrt, die Nachfolge oder das himmlische Jerusalem, für die Deutung des Lebens austragen. Sie will wissen, woran sich Menschen orientieren, wenn sie pilgern. Das Eine geht nicht ohne das Andere. Sie wird sich auch dafür interessieren, warum die Glaubenserfahrung unterwegs möglicherweise als attraktiver empfunden wird als eine Glaubenserfahrung, die man im kirchlichen Zuhause machen kann. Sie wird sich darüber Geda...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Über den Autor
  4. Impressum
  5. Vorwort
  6. Inhalt
  7. 1 Einleitung
  8. 2 Pilgern als kirchliche Praktik
  9. 3 Bilder des Pilgerns und Typen der Pilger
  10. 4 Pilgern an [un]heilige Orte
  11. 5 Theologie des Pilger(n)s
  12. 6 Beweggründe für Kirche – pilger(n)theologische Impulse für die Ekklesiologie
  13. 7 Praktisch-theologischer Impuls – Beten mit den Füßen
  14. 8 Was ist das Ziel?
  15. Weitere Bücher
  16. Endnoten