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Der Text
Dem fursichtigen vnd weyszen hern Hieronymo M
lphordt Staduogt zu Zwyckaw meynem besondern g
nstigen freund vnd Patron Em piete ich genantt Doktor Martinus Luther Augustiner meyne willige dienst vnnd allis guttis.
Fursichtiger weyszer Herr / vnd G
nstiger freund / der wirdig Magister Iohan Egran / ewr l
blichen stat Prediger / hat mir hoch gepreysset ewr lieb vnd lust / szo yhr zu der heyligen schrifft traget / wilch yhr auch emszlich bekennen vnd fur den menschen zu preyszen nit nachlasset. Derhalben er begeret / mich mit euch bekennet zu machen / byn ich gar leychtlich willig vnd fr
lich des beredt / denn es mir eyn sondere freudt ist / tzu h
ren / wo die gottlich warheyt geliebt wirt / der leyder szo vill / vnd die am meysten / die sich yhres titels auffwerffen / mit aller gewalt vnd list widderstreben / wie wol es alszo seyn musz / das an Christum/ zu eynem ergernis vnd tzeychen gesetzt / dem widdersprochen werden musz / vill sich stossen / fallen / vnd aufferstahen mussen. Darumb hab ich an zu heben vnszer kundschafft vnd freuntschafft / disz tractatell vnnd Sermon euch wollen zuschreyben / ym deutschen / wilchs ich latinisch dem Bapst hab zu geschrieben / damit fur yderman / meyner lere vnd schreyben / von dem Bapstum / nit eyn vorweyszlich / als ich hoff / vrsach angetzeygt. Befill mich hie mit / euch / vnd allsampt / gottlichen gnaden. AMEN. Zu Wittembergk. 1520.
Ihesus.
Zum ersten. Das wir grundlich m
gen erkennen / was eyn Christen mensch sey / vnd wie es gethan sey / vmb die freyheyt / die yhm Christus erworben vnd geben hatt / dauon S. Paulus viel schreybt / will ich setzen / dysze zween beschlusz.
Dem umsichtigen und weisen Herrn Hieronymus Mühlpfordt, Stadtvogt zu Zwickau, meinem besonderen, wohlgesonnenen Freund und Patron, entbiete ich, Doktor Martin Luther, Augustiner, meinen willigen Dienst und alles Gute.
Umsichtiger weiser Herr und wohlgesonnener Freund, der ehrwürdige Magister Johannes Egranus, Prediger eurer löblichen Stadt, hat mir Eure Liebe und Lust gepriesen, die Ihr zu der Heiligen Schrift habt, welche Ihr auch eifrig bekennt und nicht aufhört, sie vor den Menschen zu preisen. Da er mich mit Euch bekannt machen möchte, bin ich zu solcher Bekanntschaft gern bereit und fröhlich dafür gewonnen; denn es ist mir eine besondere Freude zu hören, wo die göttliche Wahrheit geliebt wird, der leider so viele – und am meisten die, die sich ihres Titels brüsten – mit aller Gewalt und List widerstreben. Aber es muss so sein, dass sich an Christus, der als ein Zeichen und zum Ärgernis gesetzt ist, viele stoßen, fallen und auferstehen. Darum habe ich, um den Anfang unserer Bekanntschaft und Freundschaft zu machen, Euch diesen Traktat, diese Predigt, auf Deutsch widmen wollen, welche ich auf Lateinisch dem Papst gewidmet habe. Damit habe ich jedermann den Grund meiner Lehre und meines Schreibens vom Papsttum angezeigt, der, wie ich hoffe, untadelig ist. Hiermit befehle ich mich mit Euch und allen Menschen der göttlichen Gnade an. Amen. Zu Wittenberg. 1520.
Jesus.
Zum Ersten. Damit wir gründlich erkennen, was ein Christenmensch ist und wie es mit der Freiheit steht, die ihm Christus erworben und gegeben hat, wovon Paulus viel schreibt, will ich diese zwei Sätze aufstellen:
Eyn Christen mensch ist eyn freyer herr /
ber alle ding / vnd niemandt vnterthan.
Eyn Christen mensch ist eyn dienstpar knecht aller ding1 vnd yderman vnterthan.
Disze zween beschl
sz seynd klerlich sanct Paulus. 1. Cor. 9. Ich byn frey yn allen dingen / vnd hab mich eynsz yderman knecht gemacht.
2 Item Ro. 13. Ihr solt niemand ettwaz vorpflichtet seyn / den daz yr euch vn ternander liebet.
3 Lieb aber / die ist / dienstpar / vnd vnterthan dem das sie lieb hatt. Alszo auch von Christo Gal. 4. Gott hatt seynen szon auszgesandt / von eynem weyb geporen vnd dem gesetz vnterthan gemacht.
4 Czum andern / Disze zwo widderstendige rede / der freyheyt vnd dienstparkeyt zuuornehmen / sollen wir gedencken / das eyn yglich Christen mensch ist zweyerley natur / geystlicher vnd leyplicher. Nach der seelen wirt er eyn geystlich / new / ynnerlich mensch genennet / nach dem fleysch vnd blut wirt er eyn leyplich allt vnd euszerlich mensch genennet. Vnd vmb diszes vnterschiedisz willen / werden von yhm gesagt yn der schrifft / die do stracks widdernander seyn / wie ich itzt gesagt / von der freyheyt vnd dienstparkeit.
Czum dritten / So nhemen wir fur vns den ynwendigen geystlichen menschen / zusehen was datzu geh
re / daz er eyn frum frey / Christen mensch sey vnd heysse. So ists offenbar / das keyn euszerlich ding mag yhn frey / noch frum machen / wie es mag ymmer genennet werden / denn seyn frumkeyt vnd freyheyt / widerumb seyn b
szheyt vnd gefencknisz / seyn nit leyplich noch euszerlich. Was hilffts die seelen / das der leyp / vngefangen / frisch vnd gesund ist / ysszet / trinckt / lebt / wie er will? Widderumb was schadet das der seelen / das der leyp / gefangen krang vnd matt ist / hungert / d
rstet vnd leydet / wie er nit gerne wolt? Diszer ding reychet keynisz / bisz an die seelen/sie zu befreyhen oder fahen/frum oder b
sze zu machen.
Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Diese zwei Sätze liegen klar bei Paulus vor. 1Kor 9: Ich bin frei in allen Dingen und habe mich zu jedermanns Knecht gemacht. Ebenso Röm 13: Ihr sollt niemandem etwas schuldig sein, außer dass ihr einander liebt. Liebe aber, die ist dienstbar und untertan dem, was sie liebt. Ebenso heißt es von Christus Gal 4: Gott hat seinen Sohn gesandt, von einem Weib geboren und dem Gesetz untertan gemacht.
Zum Zweiten. Um diese beiden widersprüchlichen Redeweisen von der Freiheit und der Dienstbarkeit zu verstehen, müssen wir daran denken, dass ein jeder Christenmensch von zweierlei Natur ist, von geistlicher und leiblicher. Nach der Seele wird er ein geistlicher, neuer, innerer Mensch genannt, nach Fleisch und Blut wird er ein leiblicher, alter und äußerer Mensch genannt. Wegen dieses Unterschiedes werden in der Schrift Sätze gesagt, die sich strikt widersprechen, so wie ich jetzt von Freiheit und Dienstbarkeit gesprochen habe.
Zum Dritten. Zuerst nehmen wir uns den inwendigen, geistlichen Menschen vor, um zu sehen, was dazu gehört, dass er ein rechter, freier Christenmensch sei und heiße. Hier ist es offensichtlich, dass kein äußerliches Ding ihn frei und recht machen kann, welches man auch immer vorbringen könnte. Denn sein Rechtsein und seine Freiheit, wie umgekehrt auch seine Bosheit und seine Gebundenheit, sind weder leiblich noch äußerlich. Was hilft es der Seele, dass der Leib ungebunden, frisch und gesund ist, dass er isst, trinkt, lebt, wie er will? Umgekehrt, was schadet es der Seele, dass der Leib gebunden, krank und matt ist, dass er hungert, dürstet und leidet, wie er nicht gerne will? Nichts davon reicht an die Seele heran, um sie zu befreien oder zu binden, recht oder schlecht zu machen.
Czum vierden / Alszo hilffet
5 es die seele nichts / ob der leyp heylige kleyder anlegt / wie die priester vnd geystlichen thun / auch nit ob er ynn den kirchen vnd heyligen stetten sey. Auch nit ob er mit heyligen dingen vmbgah. Auch nit ob er leyplich bette / faste / walle / vnd alle gute werck thue / die durch vnd ynn dem leybe geschehen mochten ewiglich. Es musz noch allis etwas anders seyn / das der seelen bringe vnd gebe frumkeyt vnd freyheyt. Denn alle disze obgenanten stuck / werck vnd weyszen / mag auch an sich haben vnd
ben / eyn b
szer mensch / eyn gleyszner vnd heuchler. Auch durch solch weszen keyn ander volck / denn eyttell gleyszner werden. Widderumb / schadet es der seelen nichts / ob der leyp vnheylige kleyder tregt / an vnheyligen
rten ist / yszt / trinckt / wallet / bettet nit / vnd lessit alle die werck onstehen / die die
bgenanten gleyszner thun.
Czum funfften / Hatt die seele keyn ander dinck / widder yn hymel noch auff erden / darynnen
6 sie lebe / frum / frey / vnd Christen sey / den das heylig Euangelij / das wort gottis von Christo geprediget. Wie er selb sagt. Ioh. 11. Ich byn daz leben vnd aufferstehung / wer do glaubt yn mich / der lebet ewiglich.
7 Item. 14. Ich byn der weg / die warheyt / vnd das leben.
8 Item Matt. 4. Der mensch lebet nit alleyn von dem brot/ sondern von allen worten die do gehen von dem mund gottis.
9 So mussen wir nu gewisz seyn / das die seele kan allis dings emperen on des worts gottis / vnd on das wort gottis / ist yhr mit keynem ding beholffen. Wo sie aber das wort hatt / szo darff sie auch keynesz andern dings mehr /sondern / sie hat in dem wort / gnugde / speisz freud / frid / licht / kunst / gerechtickeyt / warheyt / weyszheyt / freyheit vnd allis gutt
berschwenglich. Alszo leszen wir ym Psalter sonderlich ym .118. psalm
10 / das der prophet nit mehr schreyet den nach dem gottis wort. Vnd yn der schrifft die aller hochste plag vnd gottis zorn gehalten wirt / szo er seyn wort von den menschen nympt
11 / Widderumb keyn gr
sser gnade / wo er seyn wort hyn sendet / wie psalmus .106. stet. Er hat seyn wort ausz gesandt / damit er yhn hatt geholffen.
12 Vnd Christus vmb keyns andern ampts willen
13 / den zu predigen das wort gottis kummen ist. Auch alle Apostell / Bischoff / priester vnd gantzer geystlicher stand / alleyn vmb des worts willen ist beruffen vnd eyngesetzt / wie woll es nu leyder anders gaht.
Zum Vierten. Dementsprechend ...