Studien des Göttinger Instituts für Demokratieforschung zur Geschichte politischer und gesellschaftlicher Kontroversen
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Studien des Göttinger Instituts für Demokratieforschung zur Geschichte politischer und gesellschaftlicher Kontroversen

Eine qualitative Rezeptionsstudie unter jungen Erwachsenen

  1. 260 Seiten
  2. German
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Studien des Göttinger Instituts für Demokratieforschung zur Geschichte politischer und gesellschaftlicher Kontroversen

Eine qualitative Rezeptionsstudie unter jungen Erwachsenen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

In der öffentlichen Debatte wird Online-Videos aus dem Spektrum des radikalen Islam zugeschrieben, einen großen Einfluss auf junge Menschen auszuüben. Doch wie nehmen junge Muslim*innen und Nicht-Muslim*innen diese Videos tatsächlich wahr? Wie stark wird ihre Sicht auf die Inhalte von ihrem Religionsverständnis, ihrer sozialen Zugehörigkeit und aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten in Deutschland beeinflusst? Diese qualitative Studie untersucht die Rezeption ausgewählter radikalislamischer Videos von Marcel Krass, Ahmad Armih (bekannt unter dem Pseudonym »Ahmad Abul Baraa«) sowie von Yasin Bala (»Yasin al-Hanafi«).

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Information

1.Einleitung


1.1.Radikaler Islam im Netz

WhatsApp, Signal und Telegram – Facebook, VKontakte und YouTube: Digitale Medien haben eine zentrale Bedeutung für radikalislamische Netzwerke gewonnen. Dies gilt gleichermaßen für die innere Kommunikation wie für die Außendarstellung.
Radikalislamische Akteur*innen bedienen sich in Deutschland zahlreicher Mittel, um Menschen in ihre Kreise zu integrieren. Das Phänomen des radikalen Islam ist in Deutschland noch recht jung, entwickelt sich aber schnell. Legt man die Zahlen der Verfassungsschutzbehörden zugrunde, liegt das Personenpotenzial im Bereich »Islamismus/Islamistischer Terrorismus« bei rund 28.000 Personen – und ist von 2018 zu 2019 um 5,5 Prozent angestiegen.1 Das erhebliche Wachstum der radikalislamischen Bewegung im vergangenen Jahrzehnt ist einer der Gründe, sich mit ihr auseinanderzusetzen – dahinter steht die Frage, was Faktoren für Erfolg und Wachstum einer relativ jungen Bewegung in der Deutschland sein können.
Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Salafist*innen in der Bundesrepublik konstant gewachsen. Damit ist der Salafismus die Strömung innerhalb des Spektrums des radikalen Islam, die in den letzten Jahren besonders an Dynamik gewann. Die Aktivitäten der zahlreichen radikalislamischen Gruppen nehmen trotz einiger Vereinsverbote und Festnahmen im Bereich des dschihadistischen Salafismus nicht ab. Vor allem in den Großstädten Berlin, Hamburg, Frankfurt a.M. und Bonn konnten sich radikalislamische Gruppen etablieren. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen zahlreiche radikalislamische Netzwerke, Moscheen und sogenannte Kultur- oder Informationszentren. Dabei wird der Daʿwa, also der Missionstätigkeit, eine überragend hohe Bedeutung beigemessen: Die Daʿwa ist zentraler Bestandteil des Selbstverständnisses radikalislamischer Akteur*innen.
Zwar existieren keine zugänglichen Statistiken über die Sozialstruktur radikaler Muslim*innen in Deutschland, aber die auf öffentlichen Veranstaltungen anwesenden Personen sowie der Sprachgebrauch der Prediger lassen auf eine überwiegend jugendliche Zielgruppe schließen. Partiell wird die gegenwärtige radikalislamische Bewegung sogar explizit als »Jugendbewegung« bezeichnet.2 Im Gegensatz zu den Imamen der großen, etablierten muslimischen Verbände wie der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) und die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), deren Imame zumeist aus der Türkei nach Deutschland entsandt werden, sind im salafistischen Spektrum auch vermehrt in Deutschland geborene und aufgewachsene Prediger aktiv. Dies vereinfacht den Zugang zu ihrer jungen Zielgruppe, die oftmals kaum türkisch oder arabisch spricht – darüber hinaus kennen in Deutschland sozialisierte Imame auch besser die Lebenswelten und Probleme der in Deutschland lebenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Während die radikalislamischen Strukturen in den ersten Jahren in erster Linie auf schlicht erstellte YouTube-Videos und Websites setzten, ist seitdem eine bemerkenswerte Professionalisierung erfolgt: Die im Rahmen der »Lies!«-Kampagne in den 2010er Jahren verteilten Koranexemplare3 weisen ebenso wie die zwischenzeitlich erschienenen dschihadistischen Magazine »Inspire« und »Dabiq« eine äußerst hochwertige Gestaltung auf. Letztere werden zudem in zahlreichen Sprachen, darunter Englisch und Deutsch, publiziert.4 Hier ist also vor allem eine zunehmende Anpassung der Publikationen an einzelne Zielgruppen in Europa erkennbar. Magazine wie die oben genannten werden allerdings in aller Regel nicht gedruckt, sondern lediglich im Internet verbreitet. Trotz der staatlichen Sanktionierung insbesondere gegenüber dschihadistischen Publikationen ist ein Zugriff auf die Magazine unproblematisch auf zahlreichen Websites möglich.
Die Akteur*innen im Spektrum des nicht spezifisch gewaltorientierten radikalen Islam sprechen hingegen eine breitere Öffentlichkeit an und sind in allen weit verbreiteten sozialen Netzwerken vertreten. Dort besprechen einzelne radikalislamische Prediger in Videos in erster Linie Alltagsprobleme sowie mehr oder weniger spezifische religiöse Fragen. Während die Zielgruppe erst allgemein angesprochen wird, erfolgt in der Regel schnell der Übergang zur persönlicheren Direktkommunikation innerhalb der sozialen Netzwerke sowie über Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram. Neben den männlich dominierten Predigt-Videos werben Salafist*innen auch mit Videos, die Auseinandersetzungen mit Medienvertreter*innen oder Polizeikräften, aber auch beispielsweise Sprechgesänge (Naschids, arab. Anāšīd, Sg. našīd) oder etwa dschihadistische Aktivitäten in Syrien zeigen.
Alle Aktivitäten der radikalislamischen Akteur*innen entfalten ihre Wirkkraft erst durch die Verbreitung im Internet. Insbesondere im Wirken über soziale Netzwerke ist in den vergangenen Jahren ein neues Phänomen entstanden – die radikalislamische Bewegung integriert verstärkt Frauen in den Prozess der Mission. Während die radikalislamische Ideologie eigentlich für eine Geschlechterordnung steht, »die auf der Vorstellung gottgewollter Unterschiede zwischen Männern und Frauen basiert«5 und eine grundsätzlich untergeordnete Stellung der Frau propagiert, stellen Frauen hierdurch eine zunehmend wichtigere Rolle in der radikalislamischen Bewegung dar, insbesondere für die Anwerbung von weiteren Frauen. Auch der sog. Islamische Staat (IS) versuchte gezielt, Mädchen und Frauen zu einer Ausreise nach Syrien zu bewegen: »Frauen berichten in ihrer Rolle als Propagandistinnen mehrheitlich über den Alltag im ›Islamischen Staat‹. Dabei verbreiten sie vor allem das Bild eines funktionierenden ›Sozialstaates‹, in dem ein gut organisiertes und scheinbar unbeschwertes Leben für sich und ihre Geschlechtsgenossinnen möglich erscheint«.6
Auch bezüglich der Daʿwa-Strategien radikalislamischer Akteur*innen hat ein Prozess der Diversifizierung und Professionalisierung der Mittel eingesetzt: Diversifizierung insofern, als dass – neben der Ansprache der Allgemeinheit über Videos und öffentliche Auftritte – neue Methoden zum Einsatz kommen. Potenzielle Sympathisant*innen werden gezielt mit persönlichen Nachrichten (zum Beispiel per WhatsApp) angesprochen. Durch flächendeckende Aktionen wie Koranverteilungen werden auch Menschen, die sich in konventionellen islamischen Kontexten (wie etwa DITIB-Gemeinden) bewegen oder Moscheegemeinden fernstehen, von Salafist*innen angesprochen.
Die hierbei selbstverordnete Mäßigung bei mündlichen Äußerungen – wie etwa im Rahmen der »Lies!«-Kampagne – soll in Teilen zu einem Eindruck der engagierten Frömmigkeit beitragen, um die gesellschaftlichen und staatlichen Vorbehalte abzuschwächen. Hierin zeigt sich auch die Tendenz zur Professionalisierung – einheitliches Auftreten, äußere Mäßigung, Sanktionierung bei Fehlverhalten im Rahmen der Koranverteilungen sind ebenso Ausdruck wie das moderne Layout der Publikationen und Websites radikalislamischer Gruppen. Legales, aber stark provozierendes Verhalten in der Öffentlichkeit lässt sich allerdings unter Salafist*innen in Deutschland (im Gegensatz etwa zu Großbritannien) seltener beobachten. Während es 2012 auf Demonstrationen in Solingen und Bonn zu Ausschreitungen salafistischer Akteur*innen kam7 und 2014 eine vermeintliche »Shariah Police« in Wiesbaden Passant*innen warnte, sündiges Verhalten wie unter anderem Glücksspiel oder Alkoholkonsum zu meiden,8 verhalten sich Salafist*innen in den letzten Jahren deutlich unauffälliger in der Öffentlichkeit.
Vor allem unentschlossene, nicht bereits radikalisierte junge Menschen werden von Anhänger*innen des radikalen Islam als Zielgruppe angesehen. Um diese zu erreichen, wird eine Strategie der Adaption verfolgt, die Themen und Sehgewohnheiten der Zielgruppe aufnimmt und sich hieran mit hoher Effektivität anpasst.

1.2.Forschungsstand

Der Forschungsstand rund um den radikalen Islam ist außerordentlich vielfältig. Die vorliegende Studie fokussiert die Untersuchung eines Elements der radikalislamischen Daʿwa: Online-Videos, die – vielfach über soziale Netzwerke und Messengerdienste geteilt – zahllose junge Menschen erreichen. Dabei stehen bei dieser Studie nicht die Inhalte der Videos im Vordergrund, wenngleich diese auch in Kürze analysiert werden. Vielmehr liegt das Augenmerk auf den Rezipient*innen, denen Videos präsentiert wurden und die sich in Fokusinterviews dazu äußerten. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die unterschiedlichen Perspektiven der Wissenschaft auf den Forschungsgegenstand gegeben.
Schon kurz nach Gründung der Plattform YouTube im Jahr 2005 begannen Salafist*innen, das Portal zur Missionsarbeit zu nutzen.9 Die Frage nach der Verwendung von Online-Medien für die radikalislamische Missionsarbeit stieß in der deutschsprachigen Forschung jedoch zunächst kaum auf Interesse.10 Erst in den letzten Jahren sind immer mehr Publikationen erschienen – zum Teil im Rahmen großer Forschungsprojekte.11 Nur ein kleiner ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Editorial
  6. 1. Einleitung
  7. 2. Methodik, Forschungsdesign und Materialauswahl
  8. 3. Videoquellen und -inhalte
  9. 4. Videorezeption – Ergebnisse
  10. 5. Fazit
  11. 6. Anhang
  12. 7. Literaturverzeichnis