Zurück zum Leben – mit Corona
eBook - ePub

Zurück zum Leben – mit Corona

Sechs Kapitel Hoffnung

  1. 128 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Zurück zum Leben – mit Corona

Sechs Kapitel Hoffnung

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Pandemien sind nichts Neues. Die medizinische Historien-Literatur ist voll davon. So war die nächste Pandemie nur eine Frage der Zeit. Als sich das SARS-CoV-2-Virus aber ausbreitete, schien die Welt gänzlich unvorbereitet. Deutschland kam glimpflich davon. Aus der Gefahr des zunächst unbekannten Virus ist mittlerweile nurmehr ein Risiko geworden, das neben anderen Risiken steht. Es ist also Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen und aufzuzeigen, wie sich zu einer neuen Normalität zurückfinden ließe.Mit Beiträgen von Michael Hüther, Paul Kirchhof, Armin Laschet, Claudia Nemat, Hendrik Streeck und Christiane Woopen.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Zurück zum Leben – mit Corona von Michael Rutz im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Politics & International Relations & Public Policy. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2020
ISBN
9783451822599

Christiane Woopen

In Freiheit atmen können
Zur Ethik einer »neuen Normalität«

Seit über sechs Monaten beherrschen ein kleines ­unsichtbares Virus und seine Folgen unseren Alltag, die Politik, die Medien, ja: die gesamte öffentliche Diskussion. Auch aus privaten Gesprächen sind SARS-CoV-2 oder COVID-19 nicht mehr wegzudenken. Die Pandemie bestimmt – so scheint es – unser gesamtes individuelles und gesellschaftliches Leben. Wie ein stiller und in dieser Stille umso unüberhörbarer Begleiter ist sie – auf Schritt und Tritt bei uns. Die Pandemie, die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sowie zur Bewältigung der Folgen erlebt jeder Einzelne von uns aus ganz unterschiedlichen Gründen als Einschränkungen und Bedrohung. Eine Bedrohung für die Gesundheit, für die Wirtschaft, für die Bildung, fürs Feiern, Reisen, das Glaubensleben und die Sicherheit – letztlich für viele unserer Freiheiten.
Die basale körperliche Bedingung für Freiheit ist das Atmen. Ohne Atmen kein Leben, ohne Leben keine Freiheit. DASS wir atmen, zeigt, dass wir leben, WIE wir atmen, zeigt, wie wir leben. Wenn wir uns frei und glücklich fühlen, atmen wir tief ein und aus; fühlen wir uns bedroht, wird unser Atmen flach oder es stockt uns der Atem; sind wir getrieben, werden wir kurzatmig; wollen wir eine uns sehr wichtige Idee verwirklichen, brauchen wir einen langen Atem. Wir halten den Atem an, wenn wir es vor Spannung kaum aushalten. Der Wortherkunft nach gehören zu Atem auch die Bedeutungen Hauch, Wind, Seele und Selbst.
Wenn ein Mensch stirbt und für immer die Augen schließt, haucht er sein Leben aus. Umgekehrt kommt das Leben durch den Atem in den Menschen hinein. Im zweiten Kapitel Genesis, Vers 7 wird erzählt, wie Gott den Menschen erschafft. Dort heißt es (Elberfelder Bibel): »Da bildete Gott, der HERR, den Menschen, aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele.«
Das Narrativ, das sich bislang überwiegend durch diese Pandemie hindurchzieht, lautet: Das Virus und seine gesundheitlichen Folgen, aber auch die Maßnahmen zu seiner Eindämmung und die Maßnahmen, um die Folgen der Maßnahmen zu bewältigen, nehmen uns buchstäblich und metaphorisch die Luft zum Atmen:
  • den Kranken, deren Lunge durch das Virus zerstört wird;
  • den Arbeitnehmenden, Kunstschaffenden und Selbstständigen, die ihre Arbeit verlieren oder Angst davor haben;
  • den Kindern, die nicht zu KiTa, Schule und Spielplatz können, und bei denen wir nicht ausreichend darauf achten konnten, was ihnen in den schlimmsten Wochen des Lockdowns zum Teil widerfahren ist;
  • den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die keine Ausbildungsplätze bekommen oder den Einstieg in das finanziell selbstständige Leben nicht finden;
  • den Alleinerziehenden und Eltern, die unter teils schweren Bedingungen plötzlich zu Hause arbeiten und gleichzeitig für ihre Kinder da sein, ja am besten noch die Bildungsaufgaben von KiTa und Schule ersetzen sollen;
  • denen, die in einem Heim wohnen und für die die gebotene körperliche Distanz zu sozialer Isolierung wird;
  • den Politikerinnen und Politikern, die unter der Last standen, gerade am Anfang der Pandemie weitreichende Entscheidungen unter erheblichen Unsicherheiten treffen zu müssen;
  • uns allen angesichts der persönlichen und weltweiten Herausforderungen, deren Ende kaum absehbar erscheint.
Ach, wie schön wäre es doch, wenn wir bald alle wieder in der gewohnten Freiheit leben könnten!
Ja? Ist das so? Übersehen wir vielleicht etwas? Gab es nicht auch vor dieser Pandemie schon allzu viel Atemlosigkeit?
  • Die Atemlosigkeit von Rassismus und Diskriminierung, so grausam augenfällig in den verzweifelten Rufen von George Floyd »I can’t breathe!«.
  • Die Atemlosigkeit einer globalen Wirtschaft, die vielen Menschen Existenzsicherung bis hin zu Wohlstand bringt, und gleichzeitig der Natur, den Nutztieren in der Massentierhaltung und vielen Menschen mit unsicherer Arbeit und unter unwürdigen Arbeitsbedingungen das Atmen schwer macht.
  • Die Atemlosigkeit durch politische Systeme, die Freiheit nicht gewähren, sie nicht ernst meinen.
Die Reihe der DomGedanken in diesem Jahr trägt den Titel »Zurück zum Leben – mit Corona«. Aber wann wird das sein – zurück zum vorherigen Leben? Ist gar eine Zeit ohne Corona denkbar? Und wollen wir wirklich einfach zurück? Ist das unsere Hoffnung? Ich möchte Sie dazu einladen, mit mir vier Facetten der Hoffnung zu reflektieren:
  • Die Hoffnung auf eine Zeit NACH Corona
  • Das Atmen der Natur
  • Das Atmen des Menschen – und was es bedeutet zu sagen:
  • Ich atme

    1. Hoffnungen auf eine Zeit nach Corona

Zur Hoffnung auf eine Zeit nach Corona scheint es mir im Moment zwei Überzeugungen zu geben:
Für die einen – glücklicherweise eine deutliche Minderheit – gibt es das Virus gar nicht oder es richtet jedenfalls selbst keinen so nennenswerten Schaden an, dass Maßnahmen gerechtfertigt wären, die seine Ausbreitung in Grenzen halten. Für sie ist nicht eine Zeit nach Corona, sondern eine Zeit nach Corona-Maßnahmen relevant.
Für die anderen – und dazu zählen auch die Regierungen in Bund und Ländern – werden wir noch lange mit dem Virus leben müssen und daher auch mit gewissen und je nach Situation angepassten Einschränkungen. Die Hoffnung richtet sich auf eine Therapie, vor allem aber auf eine Impfung. Unsicher ist allerdings, ob es überhaupt einen oder mehrere Impfstoffe geben wird, und wenn ja, ob sie hinreichend gut wirken. Fachleute gehen davon aus, dass wohl eher die Schwere der Erkrankung gemildert, sie aber nicht ganz verhindert werden wird. So gesehen wird es also keine Zeit nach Corona geben, sondern eben nur eine Zeit mit Corona.
Ich finde es ausgesprochen bedauerlich, dass über eine andere Möglichkeit nicht laut genug nachgedacht wird, geschweige denn kraftvoll entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden – die Möglichkeit nämlich, das Virus im Wesentlichen ganz los zu werden, also tatsächlich eine Zeit nach Corona anzustreben. Dazu wäre es erforderlich, dass das Virus nicht mehr übertragen wird, also kein oder zumindest kaum ein Mensch einen anderen Menschen ansteckt, der dann wieder weitere infiziert. Wie könnte das erreicht werden?
Die Wissenschaftler Hans Lehrach und George Church haben dazu in der FAZ schon am 20. Mai 2020 einen Vorschlag unterbreitet und auch weitere Wissenschaftler sowie Unternehmen befassen sich mit der Strategie, erhalten aber bei weitem nicht die erforderliche Unterstützung. Es geht darum, über mehrere Wochen in regelmäßigen Abständen jeden Menschen zu testen und im Falle eines positiven Tests Quarantäne einzuhalten. Es gibt inzwischen erste Tests, die weit weniger aufwändig sind als der übliche so genannte PCR-Test; sie sind billiger und nicht auf knappe Reagenzien und Wattestäbchen angewiesen. Teilweise kann man sie sogar zu Hause durchführen, wie einen Schwangerschaftstest. Die Ergebnisse liegen innerhalb von wenigen Stunden vor, zum Teil sogar nach 15 Minuten. So könnte man beispielsweise jedes Schulkind vor dem Unterricht testen und jeden Fußballfan, bevor er ins Stadion gelassen wird. KiTa-Kinder, Arbeitnehmer, Hochzeitsgäste, Kirchenbesucher, Heimbewohner und ihre Besucher – sie alle müssten keinen Abstand halten und keine Masken tragen. Und zu Geburtstagsfeiern könnten wieder alle Freunde eingeladen werden. Das private und öffentliche Leben wäre weitgehend wieder so möglich, wie wir es aus der Zeit vor Corona kennen – nur ergänzt um Tests.
Natürlich ist eine solche Strategie mit vielfältigen Herausforderungen verbunden, die Infrastruktur und die Produktionskapazitäten müssten aufgebaut werden und die Menschen müssten mitmachen. Mir sind aber bislang keine prinzipiell unüberwindbaren Hürden bekannt, die es nahelegen, eine solche Strategie erst gar nicht zu verfolgen. Ganz im Gegenteil: Wenn man die finanziellen Kosten einer konsequent zu Ende gedachten Teststrategie – am besten weltweit – mit den finanziellen Kosten vergleicht, die beim derzeitigen Vorgehen in mehrere tausend Milliarden Euro gehen, und dazu noch die individuellen Belastungen und die gesellschaftliche Zerreißprobe berücksichtigt, scheint es mir geradezu geboten zu sein, hier sofort aktiv zu werden.
Halten wir am Ende dieses ersten Teils fest: Vernünftig ausgeweitete und eingesetzte Tests würden schon jetzt die Hoffnung rechtfertigen, in größerer Freiheit, als wir sie jetzt haben, atmen zu können.

2. Das Atmen der Natur

Für den zweiten Teil, das Atmen der Natur, möchte ich Sie einladen, sich für einen Moment ganz konkret in eine Situation hineinzuversetzen, nämlich in die einer Mutter, die ihr Kind stillt. Üblicherweise ein Bild der Idylle und Friedlichkeit, der liebevollen Sorge. Plötzlich aber fängt das Kind an, nicht nur die Milch zu trinken, sondern die Brust anzuknabbern und sich nach und nach in den Körper der Mutter hineinzubeißen, ihn aufzuessen.
Sehen Sie mir bitte dieses – ja: abstoßende – Bild nach, aber es liegt näher, als uns lieb sein kann. Wir machen nämlich dasselbe mit der Erde, mit Mutter Natur. In diesem Jahr essen wir sie weltweit seit dem 22. August 2020 auf. Das ist der so genannte »globale Erdüberlastungstag«, auch Welt-Erschöpfungstag (nicht Welt-Schöpfungstag) genannt, im englischen Earth Overshoot Day. Ab diesem Tag nehmen wir der Erde Ressourcen weg, die sie nicht mehr erneuern kann, und muten ihr Belastungen zu, die sie nicht mehr auszugleichen vermag.
Der 22. August ist coronabedingt immerhin drei Wochen später als noch im letzten Jahr. Seit Anfang der 1970er Jahre, also erst seit etwa 50 Jahren in der gesamten Menschheitsgeschichte, überfordern wir die Erde. Seither verschiebt sich der Erdüberlastungstag kontinuierlich nach vorne. Derzeit leben wir weltweit so, als hätten wir etwa 1,7 Erden zur Verfügung. Das hat katastrophale Folgen für Klima und Artenvielfalt, letztlich für unsere eigenen Lebensbedingungen.
Weltweit kann die Erde seit Ende August nicht mehr atmen. In Deutschland gilt dies schon seit etwa Mai, und wir Menschen sind dafür verantwortlich. Gedankenlosigkeit wäre noch eine freundliche Erklärung. Treffender wäre es wohl, von Ignoranz und Gier zu sprechen. Unsere Art von Wohlstand und unsere rücksichtslosen Verhaltensweisen sind uns so lieb geworden, dass sie für die Erde teuer werden.
Zu einer neuen Normalität in der Wirtschaft und in unserem Konsumverhalten zu finden, ist nicht einfach. Appelle an jeden Einzelnen, mehr Fahrrad zu fahren oder weniger Fleisch zu essen, reichen nicht aus. Es geht um nicht weniger als eine grundsätzlich neue Sichtweise auf – und eine neue Beziehung zur Natur. Aber gibt es nicht geradezu eine inflationäre Natursehnsucht, eine Verherrlichung der Berge, der Wüste und des Meeres? Die Natur als Sehnsuchtsort des gestressten Menschen, der die Oase der Ruhe und Schönheit sucht? Der, dem Meeresrauschen lauschend, in sich hineinhört, um in der äußeren Natur seine innere Natur und zu sich selbst zu finden?
Wie Hartmut Rosa in seinem äußerst lesenswerten Buch »Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung« analysiert, hat die Moderne zwei vorherrschende Weisen, mit der Natur umzugehen: die »wissenschaftliche ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Zurück zum Leben – mit Corona
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Michael RutzGottvertrauen als Rezept Ein Vorwort
  6. Armin Laschet Mit Tatkraft und Zuversicht Über Regieren in Krisenzeiten
  7. Paul Kirchhof Freiheit und Sicherheit als Balance-Akt Welche Freiheits-Elemente sind unverzichtbar?
  8. Hendrik Streeck Das Leben ermöglichen Pragmatische Lösungen gesucht
  9. Christiane Woopen In Freiheit atmen könnenZur Ethik einer »neuen Normalität«
  10. Michael Hüther Vertrauen trotz Kontrollverlust Zuversicht in die freiheitliche Ordnung
  11. Claudia Nemat Technologie für eine lebenswerte Zukunft Was können wir aus der aktuellen Krise lernen?
  12. Die Autorinnen und Autoren