1. | Das Schwarzbuch der bayerischen Polizei in Innsbruck 1809 |
„Die baierische Polizei in Innsbruck hat es sich während der Wirren in Tirol zu Anfang dieses Jahrhunderts, angelegen sein lassen, sich wenn sie es auch nicht immer verständlich1 gekonnt hat, so doch durch charakteristische Schilderungen mit den hervorragendsten2 Männern, die bei der Erhebung Tirols3 waren, bekannt4 zu machen. Sie hat sich zu ihrem Privatgeb[rauch] ein Schwarzbuch angelegt.5
Es läßt sich einem solchen Documente nicht das Interesse für die Geschichte der damaligen Zeit absprechen & aus diesem Grunde haben wir uns von dem in der kgl. Hofbibliothek in München hinterlegten Originale eine getreue Abschrift verschafft u. veröffentlichen es nun. – Wir dürfen wohl nicht fürchten die6 Nachkommen oder Verwandten der in diesem Schwarzbuche geschilderten Persönlichkeiten7 durch diese Veröffentlichung zu verletzen, hier erscheinen sie ja nur in dem Lichte, in dem sie durch die Brillen der damaligen baierischen Polizei8 gesehen wurden.9“10
Aus diesen Anmerkungen lässt sich schließen, dass geplant war, das Schwarzbuch um 1850 in gedruckter Form einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, ein Unterfangen, das allerdings erst mit der hier vorliegenden Publikation umgesetzt wird. Es bleibt aber unklar, wer die Abschrift in Auftrag gegeben hat. Das, was hier jener unbekannte Schreiber festgestellt hat, der zum ersten Mal das Schwarzbuch edieren bzw. drucken wollte, gilt prinzipiell auch für den vorliegenden Band.
ÜBERLIEFERUNGSGESCHICHTE
Das Schwarzbuch ist in drei verschiedenen Varianten nachweisbar. Ein Exemplar dieser Handschrift, auf das sich auch die spätere Geschichtsschreibung bezieht, findet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München11, der ehemaligen königlichen Hofbibliothek des Königs von Bayern. Im Jahr 1866 wird diese Handschrift erstmals in einem gedruckten Bibliothekskatalog nachgewiesen12. Dort wird sie wie folgt beschrieben: „Charakterzüge von den (102) vorzüglichsten Männern, welche während der Insurrection in Innsbruck (1809) gehandelt haben. (Eine Art schwarzes Buch über die Tiroler Patrioten.)“. Der schmale Band, der 19 Blätter umfasst, beinhaltet mit großer Wahrscheinlichkeit eine Reinschrift des Schwarzbuches, jedenfalls sind keine Durchstreichungen bzw. Anmerkungen im Text zu finden. Die Transkription im vorliegenden Band bezieht sich auf diese Fassung des Schwarzbuches. Es fehlen allerdings Hinweise, wer der Schreiber (oder die Schreiber) des Textes war. Es ist auch kein Vermerk vorhanden, wann die Handschrift in die Hofbibliothek integriert wurde.
Die zweite Fassung, die sich ebenfalls in München befindet, wird im Staatsarchiv München verwahrt.13 Sie ist mit einem Umschlag versehen, der mit „Acta des Ministeriums des Koeniglichen Hauses und des Auessern“ betitelt ist. Handschriftlich hinzugefügt sind die Anmerkungen „General-Commissariat des Innkreises. Tyroler Insurrection“ und „Charakter-Züge der vorzüglichsten Tyroler Insurgenten“.
Hier könnte es sich sogar um eine etwas ältere Fassung handeln, zumindest sind die letzten zwei Biografien von anderer Hand geschrieben. Es finden sich leichte Abweichungen zu unserer Vorlage, allerdings nur in sprachlicher, nicht in inhaltlicher Hinsicht. Auch hier dürfte es sich um eine Reinschrift handeln, da kaum Durchstreichungen oder zusätzliche Anmerkungen zu finden sind. Über die Herkunft des Manuskripts oder dessen Verfasser liefert auch diese Handschrift keine Informationen, außer, dass sie vom Generalkommissariat des Innkreises in Innsbruck stammt.
Zusammengestellt wurde das Schwarzbuch jedenfalls unmittelbar nach dem letzten Gefecht am Bergisel am 1. November 1809.
Die jüngste der drei Handschriften, die auch Anstoß für die Entstehung des nunmehr vorliegenden Buches war, befindet sich in der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum14. Es handelt sich um eine Abschrift des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek. Sie ist eingebunden in einen Kodex, der auf dem Umschlag den Titel „Die Geschichte der Erhebung Tirols in den Jahren 1809 und 1813“ in goldener Farbe eingeprägt trägt. Der Band wurde im Jahr 1885 dem Ferdinandeum zum Geschenk gemacht, und zwar vom Innsbrucker Verleger Anton Schumacher (1832–1918), der die Übergabe mit folgendem Brief begleitete:
„An die verehrliche Vorstehung des Museums Ferdinandeum hier.
Hiermit übergebe ich derselben meine Sammlung von Documenten zur Geschichte Tirols in der Zeit Napoleon’s I. Dieselbe besteht aus 4 Bänden mit N: 1 bis 4 und 4 Cartons mit N: 5 bis 8 bezeichnet zum Eigenthum, mit der Beschränkung jedoch, daß wenn sich der ursprüngliche Eigenthümer der Bände II, III, IV dereinst melden sollte, – dieselben liegen schon bei 15 Jahren bei mir, ohne daß irgend Jemand bis jetzt einen Anspruch auf dieselben erhoben hätte, – sie ihm nicht vorenthalten werden dürfen.
Innsbruck 16. September 1885 | Ergebenst |
| Ant. Schumacher“15 |
Jener Band, der die Innsbrucker Abschrift des Schwarzbuches beinhaltet, dürfte der erste Band der Schenkung sein. Er befand sich also im Privatbesitz Schumachers, der ein Enkel des Innsbrucker Bürgermeisters von 1809, Casimir Schumacher, war. Dieser Casimir Schumacher ist im Schwarzbuch auch beschrieben.
Es liegt nun die Vermutung nahe, dass die Dokumente dieses Sammelbandes zum größten Teil von Casimir Schumacher zusammengetragen wurden. Zum einen hatte er als Zeitzeuge Zugang zu den Schriften, zum anderen sind auch Dokumente aus der Hand von Casimir Schumacher, so eine Rechnungslegung16 oder seine Anträge zur Feststellung seiner Schuldlosigkeit bei den bayerischen Behörden17, im Original vorhanden. Der Großteil der Dokumente stammt aus jener Zeit, als Schumacher Bürgermeister der Stadt war, so Originalbelege von Hormayr, Morandell und anderen Freiheitskämpfern. Allerdings dürfte der Band erst später angelegt worden sein. Dafür spricht als erstes die Bindung, die eine Zuordnung auf Mitte des 19. Jahrhunderts erlaubt. Auch sind Abschriften von Originaldokumenten vorhanden, die im Ferdinandeum verwahrt werden, das erst 1823 gegründet wurde.
Zu guter Letzt spricht auch die Abschrift des Schwarzbuches dafür, denn sowohl von der Schrift als auch von der zeitlichen Zuordnung wurde diese Kopie frühestens um 1850, also beinahe 40 Jahre nach dem Tod Casimir Schumachers angelegt.
Obwohl man den ersten Versuch einer Edition vor 150 Jahren aufgegeben hatte, wurde in der Vergangenheit immer wieder auf das Manuskript Bezug genommen, und Teile daraus wurden auch verschiedentlich publiziert. So wurden etwa 1932 in der Neuesten Zeitung acht Biografien abgedruckt18. Interessant ist die Auslassung der Person Hofers, die so begründet wurde: „Der Kuriosität halber seien im nachfolgenden einige...