Unglaube auf der Akropolis
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Unglaube auf der Akropolis

Ein Urtext und seine Geschichte

  1. 120 Seiten
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Unglaube auf der Akropolis

Ein Urtext und seine Geschichte

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Über dieses Buch

Erstmals aus dem Nachlass veröffentlicht: der Urtext eines wichtigen Essays von Sigmund Freud.Sigmund Freud beendete im Januar 1936 einen Essay für die geplante Festschrift zum 70. Geburtstag von Romain Rolland. Dieser Essay wurde ein Jahr danach im »Psychoanalytischen Almanach« veröffentlicht. Von diesem Text existiert eine zweite, ihrem Umfang nach erweiterte, bisher unveröffentlichte Fassung, die unter dem Titel »Unglaube auf der Akropolis« aus dem Nachlass gehoben, nun erstmals veröffentlicht wird. Darin erinnert sich Freud an die im Spätsommer 1904 mit seinem Bruder Alexander in Athen besuchte Akropolis und an die ihm nicht erklärlichen Entfremdungsgefühle, die ihn mitten in den bewunderten Ruinen überfallen hatten. Am Ziel seiner Reise mochte er nicht so recht glauben, es wirklich bis zur Akropolis geschafft zu haben - als einer, dessen Vater mit ehrlicher Arbeit es nie so weit gebracht hatte wie seine von Triest nach Griechenland aufgebrochenen Söhne.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783835345829

Akropolis-Reminiszenzen in zwei Fassungen

Es gibt zwei Fassungen von Sigmund Freuds Erinnerungen an den Besuch der Akropolis im Spätsommer 1904. Bekannt ist die eine seit 1937, dem Jahr ihrer Veröffentlichung im Psychoanalytischen Almanach. Dort ist diese eine Fassung erschienen unter dem Titel Eine Erinnerungsstörung auf der Akropolis.
Bisher unbekannt war die andere Fassung. Vermutungen über deren Existenz wurden zwar spätestens seit 1976 angestellt. Aber es hat den Anschein, als habe niemand diese andere Fassung für etwas gehalten, das zu suchen und möglicherweise aufzufinden sich lohnen würde. So sind alle Vermutungen folgenlos geblieben. Der Brief an Romain Rolland galt weiterhin als das Dokument, das echten Einblick in Freuds Athen-Erlebnisse gewährt.
Nun liegt die andere Fassung vor. Falls es nicht noch weitere Aufzeichnungen in Gestalt eines in sich geschlossenen Texts von Freuds Erinnerungen an die Reise nach Athen gibt, ist der hier (erstmals) veröffentlichte Text Unglaube auf der Akropolis (so gut wie sicher) jene zweite Fassung.
Die Existenz von Unglaube auf der Akropolis wirft die Frage auf, welche der erwähnten Fassungen die erste, sozusagen die Urfassung sei.
Der Brief an Rolland ist von Freud selbst datiert worden. In der Kürzesten Chronik ist zu lesen:
»1936
Do 2/1 Ernst
Mo 13/1 Ernst abgereist
Di 14/1 Unglaube auf Akropolis fertig
Do 16/1 Prinzessin abgereist. Operation b. Pichler […]«[1]
Im Kommentar zu diesen Einträgen heißt es, dass Freud den in acht Tagen entstandenen »Artikel« in der Kürzesten Chronik »Unglaube auf der Akropolis« genannt habe, »der endgültige Titel lautete dann ›Eine Erinnerungsstörung auf der Akropolis‹«.[2] Zur Wahrung der Übersichtlichkeit bezeichne ich den besagten »Artikel«, auch in Anbetracht etlicher Quellen der Sekundärliteratur, zumeist als ›Brief an Romain Rolland‹. Dass Freuds Eintrag vom 14. Januar 1936 indessen einen mit »Unglaube auf der Akropolis« betitelten Text erwähnt, ist philologisch ebenso wie geschichtlich von Belang.
Datiert ist auch das Manuskript der anderen Fassung. Auf Blatt 1 recto erkennt man in Freuds Handschrift am oberen Rand links neben dem Titel Unglaube auf der Akropolis das Datum.
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Ausschnitt aus dem Manuskript von Unglaube auf der Akropolis.
Nach dieser Datierung zu urteilen, handelt es sich um einen Text, der nach dem Brief an Romain Rolland zu Papier gebracht wurde. Es gibt aber gewichtige Gründe, an der Richtigkeit dieser Datierung zu zweifeln. Nicht, dass sie gefälscht wäre, noch, dass sie aus unbekannter Hand stammte. Es ist unzweifelhaft Freuds Handschrift. Daraus schon den Schluss zu ziehen, dass der Text an dem besagten Tag abgeschlossen wurde, wäre, weil voreilig, verkehrt.
Freud hatte mit dem Umdatieren eine entscheidende Erfahrung gemacht, als er die im November 1899 erschienene und ausgelieferte Traumdeutung auf das kommende Jahrhundert vordatierte. Er könnte also, umdatierend, Unglaube auf der Akropolis, einem abgeschlossenen Text, ein pragmatisch geeignetes Datum aufgesetzt haben. Warum gerade eine derartige Umdatierung naheliegt, wird hier zu zeigen versucht.
Ein Vergleich der beiden Fassungen macht deutlich, dass der Inhalt der einen im Inhalt der anderen weitflächig gespiegelt ist. Beide sind narrativ gestaltet. Sie erzählen von einer Reise nach Athen und zugleich von einer aus Erinnerungen gefügten literarischen Rückkehr zu dem Seelenzustand, in welchen der Erzähler seiner Erinnerung nach auf der Akropolis geraten war.
Von der einen zur anderen Fassung ist jedoch ein Genrewechsel eingetreten. Der Romain Rolland zugedachte Text entspricht in den Anfangszeilen und ganz am Ende dem Briefgenre. Deshalb wird dieser Text insgesamt nur als Brief gelesen, der einem berühmten Jubilar Einzelheiten aus dem früheren Innenleben des ebenso berühmten Autors berichtet. Der im Brief an Rolland zu beobachtende Verzicht auf ein theoriegeleitetes Argument ist in der anderen Fassung durch Erläuterungen zum Thema des Entfremdungsgefühls und der Depersonalisation aufgewogen, für so unfertig man diese Erläuterungen auch halten mag. Dieser zweite Text entspricht folglich eher dem Genre des psychologisch gefärbten Essays, dem derartige theoretische Überlegungen nicht fremd sind.
Die Fassungen unterscheiden sich auch kaum in den Personen, die unter der schriftstellerischen Regie Freuds auftreten. Hier wie dort sind es: der Erzähler Sigmund Freud selbst, sein Bruder Alexander, sein Vater Kallamon Jacob, ein Geschäftsfreund Alexanders (auch als der »Triestiner« bezeichnet), ein namenloses Mädchen, dessen Eltern und ein namenloser Brautwerber, König Boabdil, Napoléon Bonaparte während der Selbstkrönung zum Kaiser, dessen Bruder Joseph und dessen Vater Charles Bonaparte.
Dagegen tritt Anna Freud nur im Brief an Romain Rolland auf, in der anderen Fassung ist es Joseph Breuer, Freuds Miturheber der Studien über Hysterie von 1895. Die Ersetzung Joseph Breuers durch Anna Freud (oder umgekehrt, je nachdem, welcher Chronologie man mehr Gewicht beimisst) ist ein starkes Indiz für die Annahme, dass das abgeschlossene, jedenfalls das von seinem Urheber für abgeschlossen gehaltene Manuskript der anderen Fassung vor dem Brief an Romain Rolland entstanden ist und dass der Brief an Romain Rolland als Abkömmling der hier angebotenen Fassung zu gelten hätte.
Die während Freuds Reise entstandenen Spuren und die Jahrzehnte später aufgezeichneten Reminiszenzen an die letzten August- und frühen Septembertage 1904 stehen im Kern der nachfolgenden Darlegungen.
Schriftstellerische Technik
Das Vorliegen zweier Fassungen bietet die eher seltene Gelegenheit, die schriftstellerische Tätigkeit Freuds auf einigen (wie man sagen könnte) stills oder Momentaufnahmen präzise zu betrachten – was bei den meisten seiner Texte sonst nicht möglich ist. Man kann zwar unter Verwendung philologischer Vergleichsprozeduren in Erfahrung bringen, wie wechselvoll sich die Geschichte der Traumdeutung ausnimmt – wie Freud nicht immer als Alleinautor dieses Werks fungierte, wie bereits die erste Auflage anders rezipiert wurde, als sie der Intention ihres Urhebers nach hätte aufgenommen werden sollen, wie theoretisch begründete Überarbeitungen zu verschiedenen Zeitpunkten Aufnahme in das Textcorpus der Monographie gefunden haben und anderes mehr.[3] Auf ähnliche, wenn nicht gleiche Weise ließen sich Freuds Lehren und Auffassungen aus erstarrten Lesegewohnheiten durch den Vergleich zwischen den Auflagen einzelner Texte lösen, auch dann, wenn Vorstudien, Entwürfe, Nebenaufzeichnungen und andere zu den Textschichten gehörende Quellen nicht überlebt haben.
Ilse Grubrich-Simitis hat die nach Freuds Tod entstandene »Legende von der […] Leichtigkeit seines Produzierens« widerlegt. In dem Beitrag, der über ihre Erfahrungen mit den in der Library of Congress zu Washington aufbewahrten Handschriften Freuds berichtete, hob sie hervor, »daß die Werke in der Regel über mehrere schriftlich fixierte Stufen zustande gekommen sind, daß also das veröffentlichte Œuvre, in seiner Schönheit und vollkommenen Natürlichkeit, keineswegs mühelos hervorgebracht wurde, sondern Ergebnis harter Arbeit gewesen ist. Freud selbst hat daraus übrigens nie ein Hehl gemacht, das Sichabrackern in seinen Briefen oft genug beschrieben.«[4] Und in einer späteren Passage ihres Beitrags heißt es von Freud: »Schreibend, nämlich erstens Notizen aufzeichnend und zweitens Entwürfe skizzierend, tastete er sich überhaupt erst an neue Werke heran, hegte sie eine Zeitlang wie ein Stück von sich, um sie schließlich, drittens, beim Ausarbeiten der Reinschriften allmählich zu verabschieden. Die Reinschriften verkörperten für ihn offenkundig den Übergang vom privaten zum öffentlichen Wortlaut. Tatsächlich hatte für Freud nur die gedruckte Fassung Werkdignität. Und so ist es nicht verwunderlich, daß vergleichsweise wenige Notizen und noch weniger Entwürfe erhalten geblieben sind. Die Masse des Überlieferten bilden die Reinschriften. Allerdings hob er auch sie in der Regel erst seit etwa 1914 auf, nachdem man ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, seine Manuskripte könnten später einmal großen Wert erlangen. Zuvor pflegte er Reinschrift samt Entwurf in den Papierkorb zu werfen, sobald die jeweilige Druckfassung erschienen war.«[5]
Die 1937 im Almanach veröffentlichten Erinnerungen haben, wenn man sich der von Ilse Grubrich-Simitis vorgeschlagenen Nomenklatur anschließt, als Reinschrift den Übergang zum öffentlichen Wortlaut vollzogen. Die Erinnerungen liegen indes auch in einer anderen Fassung vor. Ob es sich dabei um einen Entwurf oder um eine modifizierte Reinschrift handelt, die das Siegel des öffentlichen Wortlauts nicht mehr zu beanspruchen brauchte, weil sie in beglaubigtem Wortlaut im Almanach bereits in die Öffentlichkeit gelangt war, ist eine Frage, auf die ich eine Antwort vorschlage.
Geburtstagsgrüße
Freud hat nirgendwo eine Verfahrensregel aufgeschrieben, aus der hervorginge, ob die Notate der Kürzesten Chronik genau an den Tagen, an denen Erinnerungswürdiges zu verzeichnen war, oder zeitlich versetzt aus noch frischer Erinnerung entstanden sind. Am selben Tag oder im erinnerungsfrischen Rückblick hat er also notiert, dass er den Romain Rolland zugedachten Text am 14. Januar 1936 abschloss.
Am Vortag war Ernst, Freuds jüngster Sohn, abgereist.[6] Und am 16. Januar ereignete sich zweierlei: die Abreise der Prinzessin Bonaparte und ein weiterer chirurgischer Eingriff am krebskranken Freud durch Hans Pichler.[7] Wann der Brief an Romain Rolland abgeschlossen wurde, steht somit fest. Anders als noch vor drei Jahrzehnten braucht man über den Endpunkt der Entstehungszeit dieser Geburtstagsgabe nicht mehr zu rätseln.
Am 6. Januar jenes Jahres hatte es jedoch danach ausgesehen, als habe Freud Romain Rolland zum 70. Geburtstag nichts anderes als einige Zeilen schicken wollen. Das hatte er brieflich Victor Wittkowski wissen lassen. Wann – um Neujahr herum, etwas früher, vielleicht schon im November? – Wittkowski um die Einsendung eines Texts zu Ehren Rollands ersucht hatte, ist kaum noch zu ermitteln.
Für die Rekonstruktion des Geschehens ist allerdings nur Freuds Absage, oder genauer: die Tatsache der Absage entscheidend. In Ergänzung zu den im Brief genannten Beweggründen könnte man ja noch anderes vermuten. Was wäre mit der Entdeckung anderer Motive aber gewonnen? Wohl nur, dass dieser oder jener ungeschrieben gebliebene Grund der wirklich ausschlaggebende war. Man könnte dann zwar die Aussage treffen, Freud habe beim Niederschreiben der Absage etwas Privates, vielleicht etwas Peinliches verbergen wollen. Und man könnte auch darüber sinnen, warum in der Inwendigkeit des Briefschreibers Anderes stattfand als auf dem Papier. An der Tatsache der Absage änderte sich mit derlei Nennung von Motiven nichts. Deshalb möchte der Brief vom 6. Januar so gelesen werden, wie er dem Empfänger vorlag – ohne Rücksicht auf andere als die erwähnten Gründe und ohne Vorausschau auf Ereignisse, die kurz danach eintraten.
»Hochgeehrter Herr
Wenige Monate nachdem unser verehrter Freund Romain Rolland sein siebzigstes Lebensjahr vollendet hat, soll ich achtzig Jahre werden. Das muß leider die Antwort auf Ihre Aufforderung werden. Ich gäbe gern, aber ich habe nichts zu geben und mit dem Schaffen von etwas Neuem nach Bedarf und Anlaß ist es nichts um diese Lebenszeit, wenigstens bei mir. Noch vor einem Jahr gelang mir eine Arbeit, die grade für R. R. Interesse gehabt hätte, aber sie war mit einem Defekt behaftet, der sie von der Veröffentlichung ausschloß, und seither ist meine Fähigkeit zur Produktion versiegt. Es ist wohl zu spät, als daß sie sich wiederherstellen sollte.
Wenn etwas mir diese Absage erleichtert, so ist es Ihre Bedingung, daß ›alles Politische‹ ausgeschaltet werden sollte. Unter ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Sigmund Freud: Brief an Romain Rolland
  7. Sigmund Freud: Unglaube auf der Akropolis
  8. Akropolis-Reminiszenzen in zwei Fassungen
  9. Die Textzeugen
  10. Abbildungsnachweise
  11. Bibliographie