Nil
eBook - ePub

Nil

Roman

  1. 148 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Nil

Roman

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Am Ende trifft alles zu, gerade das Ausgedachte." Über die prophetische Kraft des Schreibens.Eine Geschichtenerfinderin wird beauftragt, ihre Fortsetzungsstory für ein Frauenmagazin in der nächsten Ausgabe zu Ende zu bringen. Fieberhaft entwirft sie ein Endszenario, vernichtet aber die Notizen - nicht, weil es misslungen wäre, sondern aus Furcht, es bewahrheite sich.Was, wenn sich das Geschriebene als biografisch erwiese - aber nicht rückwärtsgerichtet, nicht memoirenhaft aus dem Leben gegriffen, sondern wahrsagerisch, mitten ins Leben hinein? Existiert die Erzählerin nur in ihrer Geschichte?Gibt es daraus ein Entkommen?Ein hochliterarischer Roman über das Verhältnis von Realität und Fiktion, Erzählen und Erinnern - sprachlich virtuos und packend geschrieben."Wir werden unsere Geschichten nicht los, ob wir sie nun erzählen oder nicht, manchmal rutscht etwas davon heraus, mitten ins Schweigen hinein, in die stehengebliebene Zeit, zu einem Schwank gekürzt, einer Kurzfilmsequenz. Kann sein, wir tun was hinzu, oder wie lassen was aus, spielen uns zu Helden auf, spielen die andern herunter. Wir stolpern, fallen uns ins Wort. Am Ende trifft alles zu, gerade das Ausgedachte."

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Nil von Anna Baar im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literatur & Literatur Allgemein. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2021
ISBN
9783835346710

Warteschlangenblues
oder
Die Frau auf dem Bild

Einen Mord begehen als der Ich-Erzähler, damit ihr nicht für möglich haltet, dass ich der Ich-Erzähler bin? Und dann sagen: Ich, der Held? Nennt mich doch Lügner, ihr Heuchler!
Egoshooter
Also, begann die Frau,
in allem ist schon ein Name, indem es sich offenbart – Leben, Sterben und Tod. Nur was wir die Liebe nennen, spottet jeder Beschreibung. Kein Wort scheint recht, jedes billig. Und wer dem Wort auf die Spur kommt, muss ein Einsamer bleiben.
Im Lieben bin ich nicht gut. Ich hüte mich immer davor, irgendwen anzusehen, um ihn nicht zu erkennen, höchstens als Schattenriss, den ich mir ausmalen kann. Siehst du zu genau hin, wird dir der Fremde geläufig, und nichts bleibt an ihm zu entdecken als die wechselnden Launen, Sorgen und Alltagsfragen. Der mir heute alles bedeutet, kann morgen ein Niemand sein. Wie einen Immerfremden will ich ihn daher haben, so könnte ich mich ihm immer von neuem erzählen und ihn jedes Mal als wieder anderen entdecken.
Oft träume ich davon, bei Fremden Eindruck zu schinden, ohne Bekanntschaft zu machen, den Nächstbesten zu umarmen, der mir zufällig begegnet. Kürzlich bei einem Streifzug im Wald klammerte ich mich an einen, der grußlos vorbeimarschieren wollte. Aber er riss sich los und machte sich eilig davon. Ich lief, um ihn einzuholen. Er aber hängte mich ab.
Sobek griff sich ans Herz. Wie konnte es sein, dass er an sich erfuhr, was die Frau da erzählte? Und woher rührte die Lust, alles über sie zu erfahren, die ihm vorhin gleichgültig war, als wäre sie gar nicht da?
Was ist denn? Schreib wieder mit!
Entschlossen sah sie ihn an, und Sobek erfasste der seltene Drang, einem Befehl zu folgen.
Möglich, man hält mich für untreu, aber das bin ich nicht. Ich melde mich regelmäßig bei Freunden und lieben Verwandten. Bloß, ich halte es kurz, schaue flüchtig vorbei, Schön, dich zu sehen und Geht es dir gut?, und schon Bis bald. Wir sehen uns. Nachher weine ich heimlich. Von Zeit zu Zeit kommt es mir vor: Nur im Moment des Abschieds habe ich wirklich geliebt.
Die letzte Liebesgeschichte begann an genau diesem Tisch vor über zweieinhalb Jahren. Einer platzte herein, einen Hund an der Leine, und setzte sich wortlos zu mir. Ich meinte mich aufgefordert, etwas zu sagen oder zu tun, aber ich stierte bloß vor mich hin, glättete Tischtuchfalten, wo keine Falten waren. Der Fremde winkte dem Kellner und bestellte sich was, während sein Pudel unter dem Tisch dauernd mein Bein besprang. Ich tat, als merkte ich nichts, malte mir aber die Kreuzung aus zwischen dem Hündchen und mir – ein Lockenkind auf vier Beinen. Bei diesem Gedanken lachte ich auf. Der Fremde bezog es auf sich. Jedenfalls lacht er mit. Ich glaube, das war unser Anfang. Nun, so schnell kann es gehen.
Sobek räusperte sich: Bloß keine Liebesgeschichte!
Die Abmachung ist: Sei still und schreib mit!
Am Anfang berechnet man nichts, wartet ab, was passiert, neigt sich gespannt zum anderen hin, will ihn zugleich von sich stoßen. Man nennt sich Namen, Alter, Beruf, sucht nach Gemeinsamkeiten, dem Grund für ein Wiedersehen. Der Fremde tat interessiert, fragte nach meiner Adresse. Ich behielt sie für mich. Gäste kann ich nicht leiden. Mir graut vor dem forschenden Blick eines fremden Besuchers. Er zückte Stift und Papier, sagte Nur für den Fall, notierte Straße und Nummer, schwärmte vom Leben im vierzehnten Stock, dem Ausblick über die Stadt. Ich blickte nervös auf die Uhr, nahm den Zettel und ging.
In den folgenden Tagen überfiel mich in Schüben eine seltsame Unrast, wie nach langer Bettlägerigkeit, da es einen ins Freie zieht, knieweich, noch etwas benommen, hungrig nach Licht und Luft. Wie neu stand ich in der Welt. Bis dahin Unbemerktes streckte sich mir entgegen, rührte mich an und machte mich weich – der alte Besen der Mutter, müde an eine Hauswand gelehnt, der schrumpfende Apfel im Brotkorb, der Duft eines welken Bouquets. Ich lachte beim Ruf einer Amsel, aber im nächsten Moment, wohl beim Schlag einer Axt, weinte ich um den Baum. Manche Kindergewohnheit zwang sich mir wieder auf, das Pflasterfugenumtrippeln, das leise Reden mit Gott, das Kreisen um große Fragen: Warum ist derselbe Zeitraum das eine Mal groß, das andere Mal klein? Lässt sich die Uhr überlisten? Und wie wird man einen los, der einen nicht mehr loslässt, obwohl er einen nicht hält? Indem man ihn aufsucht und stellt! Man bräuchte einen solchen nur gründlich aufs Korn zu nehmen, sein Bild zurechtzurücken.
Mehrmals schlich ich ums Hochhaus im Schutz der Sträucher und Hecken mit rasendem Pulsschlag und schlottrigen Knien, unschlüssig vor der Frage, anzuläuten und der Wahrheit ins Auge zu blicken, oder doch umzukehren, zurück ins rauschhafte Schwärmen.
*
Konnte ein einziger Knopfdruck ein ganzes Schicksal bestimmen? Ein Bild kam mir in den Sinn, wie sich die Volksschulkinder oft einen Spaß daraus machen, von einem Haus zum anderen zu ziehen, dann Sturm läuten, Fersengeld geben.
Als die Entscheidung fiel, den Klingelknopf nicht zu drücken, trat eine junge Frau aus der Tür und hielt sie mir nickend auf. Im ersten Stock hielt der Aufzug, aber niemand stieg zu. Sekunden später, im Obergeschoss, ging ich die Türen der Reihe nach ab, endlich flog eine auf.
Der Dunst von Wundbenzin wehte mich an. Da stand er im weißen Kittel. Ich wagte nicht aufzublicken, sah die Rinnsale schmelzenden Schnees von der Naht meiner Stiefel auf den Parkettboden laufen, sah die Lache anschwellen, sah mich darin gespiegelt und beinahe ertrinken. Im letzten Moment kam der Pudel und leckte die Lache auf.
Der Mann wies dem Pudel den Platz und lotste mich durch den Flur zu einer Art Hobbyraum. Wo ich hinsah, Bilder, Leinwände, Mappen, Kartons und Papier, Tassen und Einmachgläser – die einen mit Wasser befüllt, die andern mit Bleistiften, Pinseln –, dazwischen Tuben, Fläschchen und kunstvoll gefaltete Briefchen. Mein Blick streifte ein Regal. Ein einziges Buch lag darauf, auf dem Buchrücken Nil. – Schön, hörte ich mich sagen. Aber die Dinge beunruhigten mich, sprachen wild durcheinander, plauderten manches aus – und verschwiegen es doch.
Der Fremde war unnahbarer als bei der ersten Begegnung, Alleinherrscher seines Reichs, und ich ein armer Hausierer, bereit, auch die kleinste Gabe kniefällig anzunehmen. Plötzlich drängte es mich, eine Prise Pigmentstaub zu schnupfen, mich dann mit buntem Rotz zu beschmieren, aber ich hielt mich zurück. Es hätte nicht ausgereicht, mir Persischblau oder Karmin in die Nase zu ziehen, um bei ihm anzukommen.
Gefällt es dir?, fragte er und schob mir den Sessel hin. Also setzte ich mich. Er nahm ein Blatt und ein Stück Kohle, setzte sich auf den Boden, zog einen Strich, noch einen, während er wortlos dasaß, übers Papier gebeugt. Etwas umsurrte ihn. Und ich wunderte mich über die Fliege im Winter. Er holte zum Schlag aus. Nein, tu ihr nichts! Das Tierlein stürbe ohnehin schnell, was auch das Einzige ist, was man ihm vorhalten kann: einem den Tod vor Augen zu führen, immer und überall.
Ich dachte mir schon: ein Verbrecher! Sobek hob den Bleistift vom Blatt. Sein Mitgehen in der Geschichte war mehr als ein Anteilnehmen. Manches kam ihm bekannt vor, auch, wie die Frau es erzählte, Satz für Satz nach der Schrift, und ohne dabei zu stocken, beinah als würde sie lesen. Wollte der Zufall es, dass er sich zu ihr setzte? Hatte sie ihn erwartet? Bestimmt, sie spielte ein Spiel!
Wohl um Zeit zu gewinnen, begann er, den Stift zu spitzen. Aufmerksam betrachtete er die brüchigen Holzspiralen, und da, mit einem Mal, sah er das Bild vor sich, den klebrigen Fliegenfänger über dem Küchentisch, darauf die winzigen Toten. Manchmal vibrierte etwas im vergeblichen Drang, sich aus dem Leim zu befreien. Zwischendurch hielt es still, dann zuckte es wieder und surrte. Sobek hielt sich die Ohren zu. So ebbte das Surren ab, wurde ein lautloses Flimmern.
Iss, rief die Mutter, Iss, deine Suppe wird kalt!
Lass mich weitererzählen!
Später, die Nacht brach ein, hielt mir der Mann seine Zeichnung hin, darauf ein müdes Gesicht. Ich erkannte mich nicht, aber ich sagte: Schön. Allem Anschein nach sah er besser als ich, sah mich sogar voraus. Gliche ich binnen kurzem der Schläfrigen auf dem Bild? Er lehnte es an die Wand, Also gefällt es dir nicht. Dann ging er zum Fenster, verschränkte die Arme und schaute lange hinaus. Unten lag friedlich die Stadt, die Lichter gespiegelt im nassen Asphalt. Möglich, etwas kam in ihm hoch. Manchen gelüstet’s zu springen, wenn er die Tiefe erblickt. Dann schließt er vielleicht einen Pakt, zählt ganz langsam bis zehn … Wenn rechtzeitig einer kommt, ihm die Hand reicht, gut zu ihm spricht, lässt er sein Vorhaben sein. Leise trat ich hinzu, aber er rührte sich nicht.
Zieh dich aus, befahl er, ohne sich umzudrehen.
Wieder brach Sobek die Mitschrift ab: Also bist du dem Typen doch auf den Leim gegangen. Ah, ich kann es mir denken, wie du dich splitternackt auf seinem Teppich wälzt!
Geht deine Fantasie mit dir durch?
Während der Mann mich malte, lag ich frierend am Boden. Etwas bohrte sich in mich. Unbemerkt griff ich danach, steckte die Haarnadel ein, fragte nicht, wem sie gehörte, wurde die Frage nicht los.
Sobek hielt abermals ein. Eine Haarnadelszene war ihm schon untergekommen, er wusste nur nicht mehr, wo und vor allem mit wem. Der Autor war ihm entfallen, was ihm dagegen einfiel: Die Finderin hieß Agathe.
Indem er nun zu ihr aufsah, blieb die Erzählerin stumm. Er setzte den Stift aufs Papier, es sogleich zu erfahren.
*
Es gibt wenige Momente im Leben, da wir unser Schicksal bestimmen. Fast immer erkennen wir zu spät, dass wir uns auf etwas nicht hätten einlassen sollen. Meist verdunkelt ein Trieb die Vernunft. Noch im Erblinden meint man, klarer denn je zu sehen, glaubt sich noch im Aufschwung während man bodenlos fällt. Nur solang du nicht liebst, bist du nicht in Gefahr.
Ich steckte mich an mit dem Mann, nahm manche Eigenschaft an. Die Wandlung ging langsam vor sich. Vieles in mir starb ab, anderes belebte sich neu. Alles fiel mit einem Mal leicht, ich spürte nicht Hunger noch Kälte, verlor die Angst vor dem Sterben.
Ich zeigte ihm meinen Geheimort bei der Lichtung im Wald nahe dem alten Steinbruch. Dort saßen wir oft für Stunden, schauten still vor uns hin oder erzählten uns was. Der Blick in den Spiegel veränderte sich, wurde länger und stre...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Livestream
  5. Zwischensequenzen
  6. Warteschlangenblues oder Die Frau auf dem Bild
  7. Showdown (Ein Herz, ein Sprung, ein Satz)
  8. Impressum