Gnade und Freiheit
eBook - ePub

Gnade und Freiheit

Untersuchung zum Problem des schöpferischen Willens in Religion und Ethik

  1. 200 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfĂŒgbar
eBook - ePub

Gnade und Freiheit

Untersuchung zum Problem des schöpferischen Willens in Religion und Ethik

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Als Erbauungsbuch – und das ist ja viel mehr als ich dachte – bedeutet es mir viel und wird mir viel bedeuten", schreibt Franz Kafka an seinen Freund Felix Weltsch, der ihm das Skript zu Gnade und Freiheit Ende 1919 zur Korrektur ĂŒbergeben hatte. Dabei belegen Kafkas Korrekturen und VerbesserungsvorschlĂ€ge – die in der vorliegenden Ausgabe mitabgedruckt sind –, "wie intensiv er sich mit dem Buch seines Freundes auseinandergesetzt hat, aber auch, wie einflussreich der Gedankenaustausch innerhalb des Freundeskreises war. Kafka war nicht nur einer der ersten Leser von Gnade und Freiheit, mit seinen Anmerkungen erweist er sich auch als penibler und kundiger Lektor. So wundert es nicht, dass Felix Weltsch ihm in den meisten FĂ€llen folgte, nicht nur seine Korrekturen ĂŒbernahm, sondern seine Anregungen aufgriff und ganze Passagen ĂŒberarbeitete, wie der Vergleich mit der endgĂŒltigen Druckfassung zeigt."Hans-Gerd Koch im Nachwort

HĂ€ufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kĂŒndigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekĂŒndigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft fĂŒr den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf MobilgerĂ€te reagierenden ePub-BĂŒcher zum Download ĂŒber die App zur VerfĂŒgung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die ĂŒbrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden AboplÀnen erhÀltst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst fĂŒr LehrbĂŒcher, bei dem du fĂŒr weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhĂ€ltst. Mit ĂŒber 1 Million BĂŒchern zu ĂŒber 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nÀchsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Gnade und Freiheit von Felix Weltsch im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten BĂŒchern aus Philosophy & Philosophy History & Theory. Aus unserem Katalog stehen dir ĂŒber 1 Million BĂŒcher zur VerfĂŒgung.

Information

Verlag
onomato
Jahr
2014
ISBN
9783944891200

Schöpferische Freiheit
als religiöses Prinzip

Im Gottesbegriff hat sich im Verlaufe der religiösen Entwicklung eine Bewegung in zwei Richtungen vollzogen:
1. in der Richtung der Beantwortung der Frage: Wo ist Gott? und 2. in der Richtung der Beantwortung der Frage: Was ist höchste Wirklichkeit: Sein oder Werden?
Nach dem ersten Gesichtspunkt:
1. Gott ist außerhalb der Natur und außerhalb der menschlichen Seele – Gott ist transzendent;
2. Gott ist in der menschlichen Seele. Er ist immanent;
3. Gott ist im All, weil er mit dem All identisch ist; der Standpunkt des Pantheismus.
Der transzendente Gott war stets der Gott der offiziellen Religionen, der Gott der Überlieferung, der Gott der historischen Offenbarung. Nur ein solcher Gott lĂ€ĂŸt sich durch unsere Mitteilung lehren; nur von einem solchen kann man dem Volk berichten; es ist der Gott, dessen Anerkennung sich auf historische Tatsachen stĂŒtzt. Es ist der Gott des offiziellen Christentums wie auch des offiziellen Judentums. Der Gott der Scholastik sowie der Gott der Rabbinen.
Der immanente Gott ist der Gott der Mystik; von der Transzendenz zur Immanenz weist auch die philosophische Entwicklung des Gottesbegriffes, die ja ihr lebendiges Material zumeist von der Mystik bezieht: Bezeichnend dafĂŒr ist der Einfluß Böhmes auf Schelling. Über den Gott des Pantheismus ist in diesen Kapiteln bereits an anderer Stelle gehandelt worden. Es ist der Gott Spinozas und der Gott Goethes. –
Die zweite Entwicklungsdimension bezeichnet die Frage: Worin liegt die höchste Wirklichkeit, im vollendeten, abgeschlossenen, absoluten Sein – oder im ewig neuen, unvollendbaren, unbeschrĂ€nkbaren Werden? Was bedeutet da die Frage nach der „Wirklichkeit“? Was bedeutet diese merkwĂŒrdige Komparation „wirklicher“ und gar der Superlativ: höchste Wirklichkeit? –
Wirklichkeit und Sein sind grundverschiedene Begriffe. Die Kategorie der Wirklichkeit stammt aus unserer unmittelbarsten urteils- und begriffslosen Erfahrung. Die Kategorie des Seins von unserem Urteil.
Wirklichkeit ist erlebtes Leben. Wir leben in der Wirklichkeit und die Wirklichkeit lebt in uns. Nichts ist bekannter als die Wirklichkeit und nichts ist der Umschreibung und Mitteilung mehr entzogen als die Wirklichkeit; weil sie mit nichts vergleichbar und durch nichts zerlegbar ist. Wirklichkeit entsteht nicht erst, wenn wir unser Leben beurteilen, wenn wir uns darĂŒber stellen, wenn wir es verĂ€ndern, sondern Wirklichkeit ist das Erste, ist der Ursprung, ist das Tor unserer Erfahrung. Das Sein ist das Resultat der Beurteilung, die Wirklichkeit ist der Ausgangspunkt der Beurteilung.
Wirklichkeit ist das Erlebnis des Lebens, im Sinne Nietzsches und Bergsons. Wirklichkeit ist „in der Zeit sein“ – aber nicht in der leblosen, schematischen Zeit Kants, sondern in der temps durĂ©e Bergsons.
Absolutes Sein – als die höchste Steigerung des Seins – ist außerhalb der Zeit. Der Begriff des absoluten Seins, wie ihn die Philosophie gebildet hat, empfindet die Zeit als BeschrĂ€nkung der Absolutheit und ist daher auch von der Zeit losgelöst – d. i. absolut.
Trotzdem hat man diesem zeitlosen absoluten Sein die Kategorie der Wirklichkeit – die man, wenn auch uneingestanden, aus dem Erlebnis nahm – zugeschrieben. Es ist eine der verhĂ€ngnisvollsten Taten der Philosophie, daß man diese beiden Kategorien, die aus ganz verschiedenen Quellen geschöpft sind – aus der rationalen des Urteils die eine, die andere aus der irrationalen der innern Anschauung –, harmlos verkoppelte. Und es ist eines der wichtigsten Ereignisse der Religionsentwicklung, daß dieses tote philosophische absolute Sein des Aristoteles in den lebendigen Gottesbegriff der Religion hineingenommen wurde und so den Gottesbegriff der Religionsphilosophie und der philosophisch orientierten Religionsentfaltungen gezeugt hat.
Dieser höchst lebendige, tĂ€tige, persönlich fĂŒhlende Gott der Religion wird durch diese unnatĂŒrliche Vermischung zum kalten absoluten Sein, das nichts ist, als die gedankliche Fortspinnung aller Gegebenheiten ins Unendliche – durch einen paradoxen Sprung des Glaubens gegen alle Erfahrung als vollendete Wirklichkeit gedacht.
Trotzdem bleibt das Absolute frei von Zeit. Denn man empfindet das „In-der-Zeit-Sein“ als eine Negation des Absoluten; obzwar uns jede Möglichkeit fehlt, dieses „Außerhalb-der-Zeit-Sein“ zu denken – gab man doch diese Eigenschaft dem Absoluten und indem man dieses philosophisch Absolute mit dem Gott der Religion identifizierte, gelangte auch der Gott der philosophisch entwickelten Religion aus der Zeit hinaus.
Die Verwechslung von absolutem Sein und Wirklichkeit geschah so, daß man die Wirklichkeit – logistisch, d. h. den Machtbereich der Logik ĂŒberspannend – als ein Sein auffaßte. So konnte es geschehen, daß wirkliches Sein unter dem Namen Existenz, als aus dem absoluten Sein hervorgehend, als in ihm notwendig enthalten angesehen wurde. Man sieht leicht, daß diese Verwechslung auch die Ursache fĂŒr den berĂŒhmtesten aller Fehlbeweise ist, fĂŒr das ontologische Argument.
Indem man also auf der einen Seite die Wirklichkeit fĂŒr ein Sein hielt, legte man andererseits der logischen Kategorie des absoluten Seins Wirklichkeit bei, ja sogar – wieder durch einfache gedanklich-logische Steigerung – eine höhere oder die eigentliche Wirklichkeit, der gegenĂŒber die „wirkliche“ Wirklichkeit des Lebens unwirklich schien.
In Wahrheit ist die Wirklichkeit die erste, vorlogische Materie unserer Erfahrung. Der Strom, aus dem alles, was wir erfassen und erkennen, lieben und gestalten, hervorgeholt wird, das vollkommen unverfÀrbte, reine Material unseres Lebens.
Zum Absoluten aber fĂŒhrt die Intention des erkennenden Urteils. Sein Ideal ist „Einsichtig sein“. Das ist die innere Einheit des Geistes, welche im Gegebenen zu finden Sinn des Erkennens ist.1
So wird vom Erkennenden das Gegebene erlebt, so sucht der erkennende Geist im Gegebenen sich selbst zu finden, daß er es so lange bearbeitet, bis es Einsicht, innere Einsicht, Geist wird. Dieses Einsichtigsein stellt sich als ein Notwendigsein dar. Diese geistige Einheit Ă€ußert sich darin, daß jeder Teil des Gegebenen im Ganzen des Gegebenen fest und sicher ruht, daß jeder Teil durch die ĂŒbrigen Teile bestimmt ist. Das ideale Ziel wĂ€re: das Gegebene ist notwendig durch sich selbst, d. i. causa sui. Und ein jeder Teil ist notwendig durch die andern Teile – wird also vollkommen getragen durch die Einheit des Ganzen, geht in seiner RelativitĂ€t zum Absoluten ganz auf; Gegenstandsein ist dann: Zu-Ende-Bestimmtsein durch das Ganze.
So ist das Einzelne durch das Ganze bestimmt und das Ganze in sich selbst unverÀnderlich und ewig. Das ist das absolute Sein als ideales Ziel der Erkenntnis, auf welches hin das Material der Wirklichkeit bearbeitet wird.
Wirklichkeit und absolutes Sein sind die beiden EcksĂ€ulen unseres geistigen Lebens, zwischen denen der unklare und doch so brauchbare Hilfsbegriff des bloßen „Seins“ seine vermittelnde Rolle spielt; und zwar entweder als bloßes anerkennendes Bewußtsein des Werdens-Stromes oder auch schon als Anerkennen gewisser Partien unseres Werdens, welche unsere Aufmerksamkeit aus dem Werden heraushebt und so erstarren lĂ€ĂŸt. – Das ist das bloße Sein, das thetische Anerkennen ohne jede Bestimmung, ein stummer Begleiter des Werdens. DemgegenĂŒber steht das synthetische Anerkennen, das „Etwas-Sein“, das herrschend ist in unserem kategorischen Urteil. Hier wird nicht nur ein unbekannter Teil herausgehoben, sondern bereits irgendwie bestimmt. Ein StĂŒck Werdens-Fluß sucht „Gegenstand“ zu werden. Diese Tendenz zu bestimmen, als Gegenstand zu beurteilen, ist bereits ein Schritt zur Erkenntnis, zum „Als-einsichtig-Beurteilen“ hin; ist aber noch unendlich weit vom Endziel dieser Intention, vom Einsichtig-Sein, Gelten, Geistig-Notwendigsein entfernt. Trotzdem vermag diese provisorische Bestimmung den Zwecken des tĂ€glichen Lebens zu genĂŒgen, indem sie so geschickt vorgeht, daß der noch unbestimmte, noch reines Erstarrungsprodukt des Werdens gebliebene Teil eingekapselt und unschĂ€dlich gemacht wird; dies genĂŒgt deshalb fĂŒr den tĂ€glichen Gebrauch, weil sich diese Bestimmung immer mehr vervollstĂ€ndigen, die Verwandlung der erstarrten Werdens-StĂŒcke in Teile des absoluten Seins immer grĂŒndlicher vollfĂŒhren lĂ€ĂŸt.
So steht am Anfange unseres Erlebens das Werden – als höchstes Endziel unseres Erkennens das absolute Sein – und in der breiten Mitte, welche unsere tatsĂ€chliche ErkenntnistĂ€tigkeit bedeutet, das „Etwas-Sein“, das „Gegenstand-Sein“.
Bei einem solchen Begriff des Wirklichen, wie er hier versucht worden ist, kann man mit Recht von Steigerung und von IntensitÀt sprechen.
Das Sein hat keine IntensitĂ€t; es „gilt“ oder „gilt“ nicht. Beim Werden gibt es IntensitĂ€t, so wie das Leben IntensitĂ€t hat, so wie GefĂŒhle und Willen IntensitĂ€t haben.
Den wesentlichsten Einschnitt in der Rangordnung der WerdensintensitĂ€ten bildet der Unterschied zwischen dem geistigen und dem vitalen Werden. Das vitale Werden vollzieht sich nach eingepflanzten Tendenzen mit einem grĂ¶ĂŸeren oder geringeren Spielraum. Das geistige Werden dagegen hat folgende Bewegung: der Geist setzt sich – frei – ein Wertideal als zu verwirklichendes und sucht dann diesen Wert zu verwirklichen. Es ist die Methode der Grundlegung – hier der Wertgrundlegung –, in welcher die Elemente des Geistigen: Bewußtheit, Einheit und Freiheit wieder zu erkennen sind: Bewußtheit – denn nicht ein blinder Instinkt treibt das Werden vorwĂ€rts, sondern bewußte Setzung und Methode. Einheit – denn alle Einzelwollungen fĂŒhren zu dem einen Ziele, die Grundlegung ist universal, sie muß jeden Schritt stĂŒtzen. Freiheit – denn es wird nicht ohne weiters das TriebmĂ€ĂŸig-Eingelegte als Ziel gesetzt, sondern eine geistgeborene Idee.
Aus Freiheit und Einheit erwĂ€chst aber dann das höchste Ziel der Verwirklichung – jenes, das die Möglichkeit der Einheit garantiert, welches – logisch – imstande ist, in jeder Lage und in jeder Richtung Ziel zu sein, das gemeinsame Maß fĂŒr alles Denkbare –, das Absolute, die höchste Einheit des Geistes.
Das absolute Sein ist also letzter Zielpunkt des Werdens – das Ideal, welches das Werden nie erreichen kann, wenn es nicht aufhören soll, zu „werden“, dem es sich aber in aller RealitĂ€t ewig zu nĂ€hern vermag, da das Absolute ja nichts ist, als die gedanklich bis zum höchsten geistigen Sein gesteigerten Gegebenheiten der Wirklichkeit. Das absolute Sein ist also Wert im Sinne des zu verwirklichenden Wertes – ist das „Ideal“, zu dem hin das Werden zu treiben ist. Wertvoll ist das Werden zum Absoluten hin – paradox ausgedrĂŒckt: das Werden des ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Inhalt
  6. Der Glaube als Vertrauensentscheidung
  7. Leben und Einheit
  8. VitalitÀt und Geist
  9. Freiheit und Notwendigkeit
  10. Gnade und Freiheit
  11. Schöpferische Freiheit als religiöses Prinzip
  12. Nachwort von Hans-Gerd Koch
  13. Editorische Notiz