Und draußen die Welt
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Und draußen die Welt

  1. 170 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Und draußen die Welt

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Auf einer Zisterne, inmitten eines stillgelegten Industriehofes, sitzt ein Vogel. Von einem abgelegenen Fenster aus  beobachtet ihn ein kleiner Junge durch sein Fernglas. Das könnte der Anfang einer sehr schönen Geschichte sein. Solch eine Zisterne, der Industriehof, der Vogel, ein Kindlein am Fenster – das wären doch wahrlich poetische Grundlagen. Doch leider kann der VogeI nicht fliegen. Bedauernswert."

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Information

Verlag
Lektora
Jahr
2021
ISBN
9783954611874
Auflage
1
Thema
Poetry
Und draußen die Welt
Patrick Salmen
Kurzgeschichten & Miniaturen
2008–2013
Erste Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 2021 by
Lektora GmbH
Schildern 17–19
33098 Paderborn
Tel.: 05251 6886809
Fax: 05251 6886815
www.lektora.de
Covermotiv & -montage: Olivier Kleine, www.olivierkleine.de
Lektorat & Layout Inhalt: Denise Bretz, Lektora GmbH
ISBN: 978-3-9546-117-37
Bei den meisten Texten handelt es sich um neue Fassungen von Texten, die bereits in folgenden Büchern erschienen sind: „Distanzen“, „Tabakblätter und Fallschirmspringer“ und „Das bisschen Schönheit werden wir nicht mehr los“.
BEIM BLICK NACH OBEN
Übliches: Äste, Wolken, Leitungen.
Wolken, langsam,
in sich gekehrt. Als suchten sie
Heimat und fänden
bloß Himmel.
Himmel, der sich öffnet
Und dann schließt.
(Lydia Daher)
„Einer geht jahrelang jeden Tag, bei jedem Wetter auf einen Berg, nach Feierabend, drei Stunden Marsch, und trägt jedesmal einen großen Stein mit sich. Nach vielen Jahren hat er eine riesige Pyramide gebaut. Er äußert sich nicht dazu und möchte nicht darauf angesprochen werden.“
(Peter Bichsel)
Vorwort
Lieber Leser, liebe Leserin,
folgende Miniaturen und Kurzgeschichten stammen aus dem Zeitraum von 2008–2013. Die meisten Texte erschienen bereits in meinen ersten drei Büchern. Für diese Neuauflage habe ich sie überarbeitet und neu zusammengestellt.
Wie wahrscheinlich jeder Autor von sich behaupten würde, hat meine Art, zu schreiben, sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Vielleicht weil das Schreiben damals ein wesentlich unbefangenerer und ungefilterter Prozess war. Weil man beim Versuch, das Leben in eine poetische Sprache zu übersetzen, keine Angst hatte, auch nur ansatzweise ins Verklärende abzugleiten, die Dinge zu überzeichnen oder sich zu sehr in Melancholie zu suhlen. Auch wenn sie mir im Nachhinein ein wenig fremd erscheinen, bin ich wahnsinnig stolz auf diese Geschichten, so schwer es auch fällt, sich das vor lauter Selbstzweifeln manchmal einzugestehen. Ihre Bilder und Leitmotive begleiten mich noch immer.
Für diesen Band habe ich meine persönlichen Lieblingsgeschichten ausgesucht. Dies waren meine ersten Schritte als Autor und der Versuch, eine eigene Sprache zu finden: Geschichten, die sich mit dem Schreiben auseinandersetzen, über das Scheitern, die Faszination von Kränen und Strommasten und die Angst vor dem Vergessen. Geschichten über Väter, die Traurigkeit und den Zauber der Symmetrie. Geschichten über grüne Gießkannen. Vorwiegend über grüne Gießkannen.
Der Bahnhof
Am Rande des Industriegebiets. Horizontkonturen von Fabrikschloten und alten Zechen. Eine verlorene und doch wunderschöne Welt. Es scheint, als liege noch immer ein hauchdünner Film von Kohlenstaub auf den Feldern. Kleingartensiedlungen. Vor lackierten Holzzäunen wachende Gartenzwerge. Lauernde Heckenschützen, schmale Pfade zwischen Holunder und Hibiskus. Doch viele weitere Kilometer entfernt, da gibt es sie nicht mehr: die Gartenzwerge, die Kleingartenlauben, die Menschen. Da gibt es nicht mehr als die Felder. Wenn die gelben und grünen Flächen nicht als Zeichnungen auf den Landkarten existieren würden, dann würde man manchmal glauben, sie seien nur Kulissen, eine Art Fata Morgana, die man nur wahrnimmt, wenn man im Zug sitzt und aus dem Fenster blickt. Verlorene Paradiese. In der Spätsommerseptembersonne glitzernde Roggenfelder. Nur die Gleise und Strommasten erinnern an den Kontakt zu einer fernen Welt, lassen die Illusion von Distanzlosigkeit bestehen. Die Stille ist manchmal nicht mehr als ein Surren.
Die rostigen Gleise der Eisenbahn. Man erzählte den Kindern damals, dass ein einziger Mann die Gleise aus flüssigem Stahl gegossen habe. Er habe sich vorgenommen, alle Städte dieser Welt zu verbinden, denn er fürchtete, sie könnten sich sonst aus den Augen verlieren. Es ist wie bei den Menschen. Manchmal sollte man jemanden an der Hand nehmen, wenn man nicht will, dass er verschwindet.
Dann sei er losgezogen und habe die Schienen gegossen. Ganz alleine, im ganzen Land. Nach vielen langen Jahren sei er wiedergekommen, habe sich auf die alte Holzbank gesetzt, kurz durchgeschnauft und gemurmelt: „Jetzt habe ich mir eine Mütze Schlaf verdient“, so als hätte er soeben nur ein paar Eimer Kohlen geschaufelt oder kurz die Blumen gegossen. Aber er war über fünfundzwanzig Jahre unterwegs. Er soll dann einen halben Tag geschlafen und sich am nächsten Morgen wieder um seinen Bauernhof gekümmert haben. „Und wie hat er den flüssigen Stahl transportiert?“, fragte eines der Kinder.
„Er hatte einen Kupferkessel dabei. Dieser Kupferkessel war sehr groß. So ungefähr.“ Und während sein Vater das sagte, streckte er die Arme so weit, wie es nur eben ging, auseinander.
„Das glaube ich dir nicht. Wie soll der Stahl denn dann hart geworden sein?“
„Na ja, er hat gepustet. Ich erzählte dir bereits, dass er sehr lange unterwegs war. Aber er hatte Begleitung, und zwar vom Landvermesser.“
„Aber vorhin hast du gesagt, er sei alleine gewesen.“
„Nein, habe ich nicht. Der Landvermesser hat jedenfalls die Schritte gezählt, und wenn er gerade nichts zu tun hatte, dann half er ihm beim Pusten. Es war eine lange Reise, denn der Landvermesser hat kurz vorm Ziel plötzlich die Zahl aus seinem Gedächtnis verloren und dann mussten sie wieder zurück und von vorne beginnen. Der Stahlgießer hat dann natürlich auf dem Rückweg auch wieder zwei Schienen verlegt. Das ist auch der Grund, warum es immer zwei Gleise nebeneinander gibt. Wenn der Landvermesser nicht so vergesslich gewesen wäre, dann wäre alles ganz anders gekommen.“
„Ich glaube dir nicht. Landkarten gibt es doch schon viel länger als Eisenbahnschienen. Warum sollte der Landvermesser denn alles nochmal gezählt haben?“
„Nun ja, er glaubte den Karten nicht. Er wollt es selber herausfinden.“
„Und wie viele Schritte waren es?“
„Musst du nicht langsam wieder ins Bett? Das erzähle ich dir morgen.“
Auch anderen Kindern erzählte man diese Geschichte. Und dann überlegten manche Väter nächtelang, wie viele Schritte es wohl gewesen sein könnten. Sie hofften insgeheim, dass die Kinder ihre Fragen vergessen würden, aber das geschah in den seltensten Fällen. Manche Väter sollen die ganze weite Strecke dann abermals zu Fuß abgegangen sein, nur um eine glaubwürdige Antwort zu haben. Natürlich kam immer eine andere Zahl dabei heraus, weil alle diese Männer Schritte unterschiedlichster Größe machten. Es war wirklich kein einfaches Unterfangen mit dem Landvermessen.
Heute sind die Kinder fort. Auch die Väter sind fort. Die meisten zogen in die Stadt, denn als die Eisenbahnen dann einmal fuhren, da war es ihnen ein Leichtes, neue Orte zu entdecken. Übrig blieben nicht mehr viele. Zwischen Betonbauten und Industrieidyllen, da schlummern sie, die Dagebliebenen. Sie sind nicht mehr als eine verzerrt verschwommene Linie aus dem Blickwinkel eines Zugführers, ein kleiner Punkt von oben aus der Perspektive eines Zeppelins. Ein leerer Fleck auf der Landkarte, irgendwo da draußen. Die Dagebliebenen. Die Wahrhaften. Manchmal glaubt man, sie seien nicht mehr als eine Kulisse.
Und er … er ist einer von ihnen. Er sitzt dort auf seinem Rasenmäher, zeichnet feine Linien ins Kornfeld und schaut auf die vorbeifahrenden Züge. Dann und wann winkt er den Kindern zu. Vor einigen Jahren, da hat er sich mit einem Schild an die Gleise gestellt. Amerika stand in schöner Schreibschrift auf der Pappe. Früher, da träumte er von Amerika.
Und irgendwann später, nachdem die Züge immer wieder an ihm vorbeigefahren waren, da kam er auf eine andere Idee. Er ging in die Scheune und suchte etwas Holz zusammen, trug es Stück für Stück an die Gleise und dann … Dann hat er sich einen Bahnhof gebaut. Einen ganz kleinen Bahnhof aus ein paar alten Brettern, Nägeln und ein wenig Dachpappe.
Es war der kleinste Bahnhof der Welt, womöglich aber auch der schönste. Der Zug jedoch hielt hier auch weiterhin nicht. Der Mann blieb ein verzerrter Punkt vor der Kulisse. Aber immer wieder kommt er hierher, hält ein wenig inne und beobachtet die Schienen.
Manchmal sitzt man im Zug und bekommt urplötzlich das Gefühl, anhalten zu müssen. Wenn man diesen Druck auf den Ohren hat. Immer dann, wenn die Landschaft nicht mehr ist als ein einziges verschwommenes Aquarell. Immer dann, wenn man die Felder sieht – die Strommasten, die Vögel. Nur die Vögel, sie kommen noch zu Besuch. Sie setzen sich auf die Hochspannungsleitungen und singen ein leises Lied in Dur. Es gibt sie, diese Paradiese. Fernab von Braunkohlewerken, Gaskesseln und Kraftwerken, fernab der Schrebergärten, fernab der Stadt, da surren sie. Dann ist das Surren die einzige Form von Stille, die geblieben ist.
Da sitzt er nun, der alte Herr auf dem Rasenmäher, direkt neben seinem kleinen Bahnhof. Langsam fängt es an, zu rattern. Die Eisenbahn, ein leises Pfeifen. Ein Junge sitzt im Abteil, presst seine Nase fest an das Fenster und beobachtet die Landschaft. Im Hintergrund: Silos, Heuballen und Traktoren. Eine Schaufel lehnt an der Scheune. Die wohl schönste Form von Reduktion. Nichts als Felder. Plötzlich sieht der Junge den alten Mann auf dem Rasenmäher direkt neben der selbst gebauten Bretterhütte. Der alte Mann sieht den Jungen und winkt ihm zu. Der Junge fragt seinen Vater, warum der Zug denn nicht anhalte. Dort sei schließlich ein Bahnhof gewesen. Ein Mann habe daneben gesessen. Auf einem Rasenmäher. „Bahnhöfe gibt es hier nicht“, sagt sein Vater. „Hier gibt es nur Felder.“
Früher, da wollte er nach Amerika.
Ach, unser Ludwig
Sie sagen, sein Leben wäre stets von einer gewissen Theatralik durchdrungen gewesen. Seine Blicke seien klar, die Gesten bedacht und in seiner Stimme läge immer ein gewisses Pathos. Wenn er spräche, dann klar und betont, jedes Wort wie gedruckt, die Sätze verschachtelt und sorgsam gewählt. Aus ihm wäre ein guter Schauspieler geworden. Ach, hätte er doch bloß nicht so viel getrunken. Und wenn doch die schlimmen Jahre nicht gewesen wären, und wenn doch die Frauen und die Schulden nicht … und wenn doch die Welt an sich eine gerechte gewesen wäre. Dann wäre doch alles ganz anders gekommen. „Ach, unser Ludwig.“ Die Männer am Tresen betrachten das Bild an der Wand. Der Wirt schenkt schweigend aus.
Was die Männer nicht wissen: Vor vielen...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort