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Über dieses Buch
Das Deutsche Kaiserreich, nur wenige Monate vor Beginn des Ersten Weltkrieges: Diederich Hessling, Fabrikbesitzer und Menschenschinder, beutet seine Arbeiter aus, wo und wie er nur kann. Doch im jungen Arbeiter Karl Balrich erwächst ihm ein ernst zu nehmender Gegner, denn dieser behauptet, Anrecht auf einen Teil des Hessling'schen Vermögens zu haben. Um Hessling verklagen zu können, beschließt der einfache Arbeiter Balrich, Jura zu studieren.Null Papier Verlag
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VII. Ultima ratio
Die Kinder schrien tosend vor dem großen Arbeiterhaus, rannten, zappelten, prügelten sich; nur polterten sie nicht mehr gegen den Zaun der Villa Klinkorum, denn die Planken waren jetzt bedeckt mit Stacheldraht. Die alten Männer, die nicht mehr arbeiteten, wärmten sich an der Mauer, in der Sonne des Vorfrühlings. Dann wuchsen die Schatten, die Greise verschwanden mit den Kindern, von der Arbeit kamen die, die Kraft hatten; – nur Balrich verharrte noch immer in dem feuchten Garten, ging und stand, grübelte, horchte. Malli drinnen im Keller saß beisammen mit Thilde, sie bejammerten das Geschick und wurden erzürnt, übertönte sie einmal das Lachen der Kleinen. Der alte Gellert lachte mit den Kleinen.
Da streckte Balrich den Kopf durch einen Busch; nun galt es, dort kam er. Horst Heßling kam daher, ohne Monokel, mit einem dummen Gesicht, und sein Gang sah aus wie stotternd vor Verlegenheit. Dies war der Moment! Balrich tat einen Gleitschritt, unvorhergesehen stand er vor ihm.
»Sie haben mich erwartet,« sagte er rau. »Früher oder später. Jetzt bin ich da und fordere. Heiraten Sie meine Schwester!«
Horst Heßling lächelte schlaff, als sagte er: »Hätte ich sonst keine Sorgen!« Dann gab er sich einen Ruck, sogar nach dem Monokel fasste er und bemerkte: »Komisch, das müsste doch ihr selbst einfallen.«
»Oder Ihnen,« sagte Balrich. »Denn Sie haben die Schuld.« Er ließ sich nicht unterbrechen. »Nur Sie! – obwohl sie schon vorher nicht mehr unschuldig war. Ein Reicher kann keine Unschuld verlangen. Aber was ihr geschieht und was immer aus ihr wird, kommt alles auf Sie; denn Sie –«
Die gekrampften Fäuste hob er bis unter das Gesicht des anderen.
»– sind der, den sie liebt.«
Horst Heßling fuhr zurück. »Sie sind außer sich,« sagte er und wollte weiter. Balrich, ihm nach mit einem Sprung, warf ihn an den Schultern herum. Horst Heßling war plötzlich tiefrot, den Angreifer stieß er fort.
»Achtung! Hier ist mein Stockdegen;« – und er zog ihn. »Ich bin in Notwehr.«
»Lump!« sagte Balrich. »Feigling!« Mit Schimpfworten wich er vor den gereizten Ausfällen des Feindes zurück, immer zurück, bis an die Planke. Da, ein Schlag, der Degen klirrte und fiel hin, die Handgelenke des Feindes wanden sich unter den Fäusten Balrichs.
»Los!« sagte Balrich. »Stoßen Sie mich in den Stacheldraht! Wer übt jetzt Notwehr? Mit den Stichen im Nacken darf ich Sie totschlagen.«
Horst Heßling sah es ein, er hörte auf, sich zu winden. »Verhandeln wir!« keuchte er, worauf Balrich ihn losließ. Sogleich hatte der Reiche wieder seine überlegene Fresse. »Hunderttausend,« warf er hin. Balrich schnob: »Heiraten!«
»Hunderttausend. Ich fange dort an, wo mein Vater aufgehört hat.«
»Ihr Vater hat beileibe nicht aufgehört. Er bietet mir noch ganz Gausenfeld.«
»Also ganz Gausenfeld,« bot der Sohn, korrekt und höhnisch. Balrich schnob:
»Wenn Sie auch könnten, es wäre noch nicht genug. Heiraten!«
»Ihre Schwester ist mehr wert als ganz Gausenfeld?« – Hierbei streckte er den Kopf vor, um das Gesicht des Bruders zu unterscheiden in der Dämmerung. Der Bruder schrie auf. »Das wissen Sie noch nicht?«
Leise, schnell und mit Knirschen sprach er.
»Wenn Sie es nicht wissen, müssen Sie es lernen. Heiraten Sie nicht Leni, soll Ihr Leben, verstehen Sie mich, Ihr ganzes Leben nur noch Angst sein. In kurzem bin ich Student, dann fordere ich Sie; aber Sie dürfen nicht sterben, nur Krüppel werden sollen Sie. Versuchen Sie nicht, zu lachen! Sie sind der Feigste nicht, ich weiß. Gegen mich aber können Sie nichts, denn ich will, hören Sie, ich will.«
Da der Feind zurückbebte, folgte er ihm mit dem Körper.
»Sie sollen mich finden, wo immer Sie zu atmen wagen. Stückweis sollen Sie absterben unter meiner Hand. Sie sollen erfahren, was einer kann, der nur noch lebt, um Ihr Feind zu sein.«
»Prahlerei,« stammelte der Feind, aber er wich, wie vor einem Feuer. »Auch Sie,« stammelte er, »haben etwas zu verlieren.«
»Aber gerächt ist meine Schwester.«
»Was nützt es Ihnen?«
Balrich, aufgereckt:
»So lieb werden Sie nie jemand haben, dass Sie mich verstehen.«
Da sah er im Schatten den Feind kleiner werden. Horst Heßling fragte, raunend:
»Wie sollen wir es denn machen?«
»Ihre Sache, Geld zu beschaffen.«
»Sie haben gesehen, in welchem Zustand ich aus der Stadt kam. Die Wucherer lassen sich kaum noch hinhalten.«
»Ihre Sache,« wiederholte Balrich. »Beschaffen Sie Geld, fahren Sie nach England mit meiner Schwester, heiraten Sie sie!«
Eine schwankende Handbewegung, der Reiche sagte:
»Ich will es versuchen.«
»Und glauben Sie nicht, Sie könnten mir entkommen! Ich treffe Sie noch im hintersten Versteck der Erde – leichter als hier. Ich habe mich aus der Lohnsklaverei befreit, sagen Sie sich das! Wo sind für den die Grenzen.«
Vor sich hin sagte der Sohn: »Was bleibt übrig, ich breche in die Kasse ein.«
»Und Sie reisen erst, wenn kein Verdacht gegen uns mehr aufkommen kann.«
»Gegen uns,« wiederholte Horst Heßling, von unten. Dann wuchs er wieder. »Aber wie viel verlangen Sie eigentlich selbst?«
»Sie bekommen keinen Fußtritt. Meinem Schwager gebe ich keinen.« Und Balrich drehte sich schroff um.
Er wollte um die Ecke, da vertrat ihm den Weg ein machtvoller Wuchs.
»Ei ei,« sagte die Schattengestalt Klinkorums. »Erpresser, Mordbube und Dieb, ei ei! Das wäre nun der Prophete.«
Balrich, überrascht, sah ihn eine Art Tanz beginnen, als wackelte ein Turm … Aber Klinkorum bezwang sich, er senkte die Hand auf die Schulter Balrichs. »Mein Sohn!« rief er aus.
Erschreckt durch dies sein Bekenntnis, horchte er in das Dunkel, es schwieg tief. Da legte er los.
»Sohn meines Geistes! Hast ererbt von mir, was ich als Letztes, Tiefstes in mir trug, den Hass der Mächtigen, die Todfeindschaft gegen die Macht.«
Er umfasste auch die zweite Schulter Balrichs.
»Sohn! Was hat sie aus mir gemacht. Ein Narr ich, ein Spielzeug der Reichen, – ich, der Intellektuelle! Der Geist selbst ihr Spielzeug, verhöhnt und benutzt! Räche mich! Ich werde gelebt haben durch dich!«
Hier fiel er vollends über Balrich her; auf der Wange Balrichs schallte ein Kuss. Balrich ließ es vorbeigehen. Dann sagte er:
»Tue ich es aber, wer weiß, so verleugnen Sie mich.«
»Nie! Bei den Flügeln des heiligen Geistes, nie!«
Wie ein Turm in der Nacht. Balrich tastete sich um ihn herum und schnell zur Pforte. Noch nicht erreicht, und einem Vorsprung im Zaun entstieg noch einer.
»Ich habe den Drang, Ihnen zu sagen –« Es war Kraft Heßling.
»– dass ich meinen Bruder nur missbilligen kann. Er ist nicht feinfühlig, nicht edelgesinnt. In Ihnen vermute ich eine verwandte Seele.«
Da Balrich zweifelte, woran er sei, beteuerte Kraft: »Sie dürfen mir glauben. Nie wäre ich so unzart gewesen, Ihre Schwester zu verführen.«
Allerdings. In dieser Beziehung war ihm zu glauben. »Was wollen Sie denn?« fragte Balrich.
»Ihnen helfen, Sie Lieber.«
»Die Reichen sind verrückt,« dachte Balrich. »Kommst du ihnen mit Gewalt, geben sie nicht nur ihr Geld her, sondern sogar ihr Herz.«
Kraft versuchte seiner hohlen Stimme Wohllaut zu verleihen. »Ihnen ist es doch wohl lieber, wenn man nicht erst die Kasse erbrechen muss? Da weiß ich nun Rat. Mein Bruder Horst weiß sich keinen mehr, er ist verkauft an die Weiber. Ich aber habe Ersparnisse.«
»Und Sie wollen ihm helfen,« stellte Balrich fest, »dass er handeln kann wie ein anständiger Mensch.«
»Das ist schön, nicht wahr? Ich liebe so sehr die Schönheit der Menschen, die seelische – und auch die des Körpers,« – wobei Kraft, leicht rankend, den Arm um die Schulter Balrichs schlang. Balrich schüttelte ihn ab, Kraft lispelte noch: »Darf ich denn nicht den Freundeslohn erhoffen?« – da hatte er eine Ohrfeige, und sofort drohte er dem Seelenfreund, ihn anzuzeigen auf der Stelle, zu zeugen gegen ihn, ihn zu vernichten. Hierbei lief er schon.
Kraft eilte heim, in Finsternis gehüllt und seine Rache bedenkend. Der Mut, den sein stärkerer Bruder hier nicht hatte, Kraft fand ihn in seiner enttäuschten Liebe … Er meldete sich krank und ging ohne Essen schlafen. Stundenlang harrte er in Geduld, bis Horst kam. Horst tat, als entkleidete er sich, wobei er aber Blicke auf den Schläfer warf. Kraft atmete seufzend, darauf gab Horst es auf, sich zu verstellen, zog das Jackett wieder an, und beim Mondschein wartete nun auch er. Das letzte Licht in der Fassade war erloschen, da machte er sich auf, in biegsamen Hausschuhen.
Kraft, kaum war sein Bruder fort über die Treppe, schlug einen anderen Weg ein. Das Schlafzimmer betrat er unhörbar, woraus das Stöhnen seines Vaters drang. Die Lampe brannte auf dem Betttisch des Generaldirektors, sie beschien sein vom Traum zerrüttetes Gesicht; mit dumpfem Murmeln aus seinen Lippen kamen Worte, kamen Zahlen … Da lief ein jäher Schrecken durch alle Massen seines schlafenden Leibes, hoch fuhr er, und gestützt auf beide Hände, starrte er weiß. Wie zum Angriff krümmte dort sich ein schwarzer Mensch. »Lieber Gott!« hauchte er und sank hin.
Kraft sagte heiser: »Papa;« da sah der Vater ihn sich an, den schwarzseidenen Schlafanzug, die hohlen Augen und den Schatten unter der Höckernase, – worauf er in Zorn geriet und noch nachträglich zu dem Revolver griff. Kraft, erfüllt von seinem Geschäft, wich keinen Fußbreit. »Komm, Papa!« sagte er beharrlich und winkte langsam, winkte knochig. »Komm, Papa, du sollst dich wundern.«
Der Generaldirektor, ohne mehr zu erfahren, stand endlich auf und folgte. Kraft, eins mit der Dunkelheit, führte ihn an der Hand über die Treppe. Drunten schien der Mond in die golden bespannte Halle. Kraft wich ihm aus; die Wände entlang schlichen sie in den weißseidenen Barocksaal. Hier nun, grauenvoll, lag Lampenschimmer! Aus der angelehnten Tür fiel er, vom Herrenzimmer! Der Generaldirektor wollte einwurzeln, Kraft riss ihn mit. Der eine lang und schwarz, überquellend aus seinem weißen Hemd der andere, so traten sie auf. Horst sah ihnen entgegen, mit dummem Gesicht. Er stand halb versteckt hinter der geöffneten Schiebetür, die das Allerheiligste barg, mit dem Kassenschrank, – und der Kassenschrank klaffte, und in den Fingern Horsts zitterten Banknoten.
Der Generaldirektor, bei diesem Anblick, ward ein anderer. Sicherheit und Tatkraft prägten sein Gesicht, »Hände hoch!« rief er stark und erhob den Revolver.
»Pardon,« äußerte Horst, »ich bin es nur.«
Der Generaldirektor, der hieran nicht zweifelte, trat sachlich vor, er untersuchte den Kassenschrank.
»Unverletzt,« sagte er. »Wie hast du das gemacht?«
Horst konnte sich der Auskunft nicht entziehen. Er hatte die Zahl, die den Kassenschrank öffnete, aus dem Schlaf seines Vaters erlauscht, aus dem von seinem Feind beschwerten Schlaf des Arbeitgebers – schon längst. »Schon längst?« Denn Horst, dessen erlaubte Hilfsquellen nicht ausreichten, sah keineswegs erst seit heute der Tat in die Augen, die nun vorlag. Er zeigte keine unangemessene Reue, er beklagte nur, in männlicher Form, die Kargheit der ihm gewährten Lebenshaltung. Der Generaldirektor, als Antwort, entnahm dem Kassenschrank ein Buch, stellte Ziffern zusammen und nannte eine Summe, der er zuzutrauen schien, sie werde Horst zum Wanken bringen. Horst aber wankte nicht. Statt seiner fiel der Vater in einen Klubsessel, er seufzte auf, ganz Vater.
»Was schiert mich das Geld, soll es nehmen wer will, nur gerade du! Mein Sohn ein Einbrecher! Mein Ältester ein Dieb! Nagel zu meinem Sarge, nur noch totschlagen musst du jemanden, dann liegt deine Verbrecherlaufbahn abgeschlossen hinter dir.«
Dies hörte der Sohn mit aller gebotenen Achtung an. Dem Vater hingen die Arme wie abgehackt von den Lehnen, er war so tief verfallen in seinem Klubsessel, dass der Bauch auf dem Sitz lag wie ein Luftkissen. Da er sich wiederholte und von Neuem bei dem Geld anfing, das jeder nehmen könne, sah Horst diesen Teil der Zeremonie für beendet an und beschäftigte sich damit, die Banknoten in den Geldschrank einzuordnen. Eine Note entfiel ihm, flatterte fort und glitt unter eine Tür – die Verbindungstür nach der Wohnung der Bucks. Horst ließ sie vorläufig dort liegen, in Voraussicht jedes möglichen Verlaufes, den der Auftritt des Vaters etwa nahm.
»Und alles wäre noch verzeihlich,« winselte der Vater, »hätte mein Sohn nicht als Kanal für die Vergeudung meines Besitzes jene Person gewählt. Denn glaube nur nicht, dein Vater täuschte sich über den Grad deiner Gemütlosigkeit. Die Schwester meines ärgsten Feindes, gerade um ihretwillen hast du den Kassenschrank deines leiblichen Vaters nicht mehr für heilig erachtet.«
Endlich etwas Neues, Horst sah die Möglichkeit, das unfruchtbare Feld der Gefühle zu verlassen. »Ich muss dich aufmerksam machen, Papa,« äußerte er, »dass deine Informiertheit, so sehr ich sie bewundere, hier gerade in der Hauptsache versagt. Der Posten, auf den du anspielst, hat in meinem Haushalt eine verhältnismäßig unbedeutende Rolle gespielt; Ehrenwort. Bei Weitem das meiste nahm andere und ich darf sagen, rühmlichere Wege.«
»Welche?« fragte der Vater, aber weiter zu gehen in seinen Eröffnungen, erklärte Horst aus Kavaliersgründen für unzulässig. Kraft sagte höhnisch: »Ich kann vielleicht aushelfen«; aber ein Griff, und Horst schickte ihn in einen entfernten Winkel. Dort ward seine hohle Stimme verschlungen von dem Gepolter der Möbel, die sein Vater in Bewegung setzte. Denn der Vater winselte nicht mehr, sondern brüllte, und aufgesprungen warf er mit den Möbeln. Horst, dem gegenüber, fand es umso leichter Kavalier zu bleiben. Schon sein korrekter Jackettanzug setzte ihn in Vorteil vor den schwach Bekleideten … Da erschien, von dem Lärmen angelockt, in einem Schlafrock mit Spitzenschleppe Guste, die Gattin und Mutter. Sie sah, ahnte, griff ein.
»Es ist die kleine Anklam, dass du es nur endlich weißt, du Ärmster,« herrschte sie. »Nun also, da machst du andere Augen. Von meinen Söhnen wirst du nicht erleben, dass sie sich wegwerfen!«
Der Vater versuchte: »Er gibt zu, dass er auch jene Person –«
»Es ist nicht wahr,« herrschte Guste.
»Aber Mama, ich habe doch ihre Einrichtung gesehen«; – und auch Gretchen fand sich ein, süß verschlafen in ihrem langen Nachtkleid. »Ich war bei der Auktion, denn Horst gab ihr unanständig wenig, das muss wahr sein.«
Dies bekam Gretchen schlecht. »Unanständig?« fragte der Bruder und erhob die Hand. Die Mutter drang gegen sie vor. »Ein junges Mädchen weiß das nicht. Es glaubt es nicht einmal, wenn es dabei ist. Fort, unpassendes Geschöpf!« – und Gretchen war entwichen so schnell wie aufgetaucht.
Der Generaldirektor inzwischen sah Licht, einen Weg und offenen Himmel. In voller Manneskraft riss er die Zügel an sich.
»Die Dinge stehen so,« befahl er, »dass mein Sohn den niederträchtigsten Erpressungen unterliegt.«
»Mann!« kreischte Guste. »So spricht man nicht von einer Dame. Unser Sohn hat Glück bei der Nichte des Generals.«
Aber der Generaldirektor blitzte furchtbar. »Schweig! und folge deiner Tochter. Wo der Ernstfall eintritt, ist nicht der Ort für Weiber.« Er fuhr fort zu blitzen, bis Guste es einsah, sie habe ausgespielt, und sich, rauschend so gut sie konnte, zurückzog. Der Generaldirektor schloss selbst die Tür.
»Du unterliegst den niederträchtigsten Erpressungen,« befahl er.
»Zu Befehl, Papa,« sagte Horst.
»Und zwar von seiten einer liederlichen Person, deren Bruder gegen mich den Umsturz mobil macht. In seine Hände gelangen die Unsummen.«
Horst verstand. »Wenn wir das beweisen können –«
»Wir beweisen es,« befahl der Generaldirektor. »Er hat dich tätlich angegriffen. Er hat dich bedroht, falls du nicht seinen Willen tust.«
Erschreckend sagte Horst: »Das ist sogar wahr.« Der Generaldirektor blühte auf. »Wo sind deine Zeugen?«
»Wie viel bekomme ich?« fragte Kraft, dumpf von hinten. Schon hatte der Generaldirektor ihn beim Wickel.
»Maulschellen nach Belieben, oder du redest. Was hast du gesehen, wie kamst du dorthin. Deine Beziehungen zu dem Menschen will ich wissen.«
Kraft, die Gefahr erkennend, leugnete alles. Klinkorum sei es gewesen. »Gleich nach Horst hat er verhandelt mit dem Balrich.«
»Er ist Mitwisser!« Der Generaldirektor frohlockte. »Vielleicht Mittäter. Auch ihn hab’ ich in der Hand. Los! Wir räumen auf in einem. Morgen früh die Verhaftung.«
Er hielt sich das Herz.
»Ah! es wurde Zeit. Ich dachte wahrhaftig schon –«. Der Generaldirektor fasste Fuß seinem Kassenschrank gegenüber. Feierlich nickte er ihm zu.
»Der Brief! Der Brief, der mich enteignen soll! Ihn zurückholen und dort einsperren, – damit noch meine spätesten Enkel gewarnt werden durch den Anblick der entsetzlichen Drohung, die über dem Haupt ihres Ahnen hing. Dafür bin ich zu allem entschlossen.« Höher gereckt und lauter: »Ich schwöre es, zu allem; – denn der mir aufgezwungene Kampf um mein Dasein rechtfertigt auch das härteste Mittel. Und sollte ich den Brief aus rauchenden Trümmern hervorziehen …« Er brach ab.
»Drei Stunden können wir noch schlafen,« stellte er fest. »Ich brauche es.«
Zwischen Kraft, der voranging, und Horst, der folgte, machte er sich auf den Rückweg, durch den weißseidenen Barocksaal und die golden bespannte Halle. Auf der Treppe wiederholte er noch: »Entschlossen zu allem,« – da hielt Horst ihn an. Kraft war droben verschwunden. »Erlaube, Papa,« sag...
Inhaltsverzeichnis
- Titel
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- Danke
- I. Hassende, Liebende
- II. Der Arbeiter und das Bürschlein
- III. Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren
- IV. Die sittlichen Faktoren
- V. Das Richtfest
- VI. Geh’ nicht fort!
- VII. Ultima ratio
- Das weitere Verlagsprogramm